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Desinfektionsmittel - Was ist wirklich sinnvoll?

Der (oder das, beides ist richtig) neue Corona-Virus aus China alias COVID-19 bzw. SARS-CoV-2 ist in aller Munde – und Desinfektionsmittel erfreuen sich gerade grösster Beliebtheit. Selbst in unserem Dorfsupermarkt sind sie praktisch ausverkauft. Einige Medien veröffentlichen sogar Anleitungen für DIY-Hände-Desinfektionsmittel. „Das wäre doch ein Thema für Keinsteins Kiste“, meint mein Partner, als er ein solches Rezept liest.

Normalerweise bin ich ja für Alltags-Chemie zum Selbermachen sofort zu haben. Aber macht die Verwendung von Desinfektionsmitteln im Alltag überhaupt Sinn? Können wir uns damit vor Infektionen schützen? Oder hebeln die Nebenwirkungen solcher Mittel den Nutzen vollkommen aus?

Gleich vorweg: Die Antwort auf die letzte Frage lautet in der Regel „ja“. Deshalb bringe ich das erwähnte Rezept auch nicht als Experiment. Denn das Hamstern von Desinfektionsmitteln oder deren Bestandteilen ist für die meisten von uns nicht sinnvoll, sondern bereitet nur jenen, die wirklich darauf angewiesen sind, Schwierigkeiten bei der Beschaffung.

Stattdessen zeige ich euch, wie Desinfektionsmittel funktionieren und warum sie im Alltag meist mehr Probleme als Nutzen bringen. Und für Interessierte bzw. darauf Angewiesene verlinke ich im Verlauf das Original der verbreiteten Rezeptur.

Wie funktionieren Desinfektionsmittel?

Unsere Haut und unsere Umgebung sind von Myriaden Kleinstlebewesen besiedelt. Durch Berührung können sie von einer (Haut-)Oberfläche zur nächsten übertragen werden. Und einige dieser Mikroben können uns krank machen – besonders dann, wenn sie einen Weg durch offene Wunden finden oder/und unser Immunsystem nicht so funktioniert wie es soll.

Beides – Wunden und schlecht funktionierende Immunsysteme – findet man in Krankenhäusern, Arztpraxen und anderen Pflegeeinrichtungen besonders häufig. Deshalb gehört es zum Arbeitsalltag von Ärzten und Pflegern, sich immer wieder die Hände mit einem Desinfektionsmittel einzureiben. So wird die Gefahr minimiert, dass sie womöglich gefährliche Erreger von einem Patienten zum nächsten tragen.

Was ein Desinfektionsmittel können muss

Um das zu leisten muss ein Desinfektionsmittel verschiedene Gruppen von Erregern an den Händen (und medizinischen Geräten etc.) innerhalb kürzester Zeit unschädlich machen:

  • Bakterien
  • Pilze
  • Sporen der ersten beiden
  • Viren

Mit anderen Worten: Ein Desinfektionsmittel muss diese Mikroorganismen effektiv vergiften können. So kommen naturgemäss nur giftige Stoffe als Desinfektionsmittel in Frage.

Zum Glück haben wir Menschen diesen Mikroben einiges voraus:

  1. Wir sind Vielzeller (ein Mensch besteht aus rund   Zellen), während Bakterien und Pilze wie jene der Gattung „Candida“ Einzeller sind. Wenn uns ein paar Hautzellen verloren gehen, schadet uns das nicht sofort. Schliesslich hat unser Vielzeller-Körper Mittel, um solche Zellen zu ersetzen. Eine Bakterien- oder Einzeller-Pilzzelle, die tödlich beschädigt wird, bedeutet dagegen sofort ein totes Lebewesen.
  1. Unsere Zellen haben einen Zellkern, in dem unsere DNA weitgehend sicher verwahrt ist. Bakterienzellen haben dagegen keinen Zellkern. Das bedeutet auch, sie funktionieren anders als unsere Zellen. Sie sind somit gegenüber anderen (bzw. mehr) Dingen empfindlich als unsere Zellen (und die der Pilze!) mit Kern.

So ist es nicht schwer, Stoffe zu finden, die Einzellern den Garaus machen, für unsere eigenen Zellen aber nicht all zu schädlich sind.

Besonders kniffelig: Die „Keinzeller“ unter den Erregern

Viren sind hingegen gar keine Zellen, sondern winzige Erbgut-Pakete, die Zellen „kapern“ (indem sie sich von den Zellen aufnehmen lassen) und für ihre Vermehrung zweckentfremden können. Die Pakethülle von Viren besteht aus Membranlipiden und Proteinen, was sie lebenden Zellen chemisch ähnlich macht. Vergiften bzw. töten kann man sie dennoch nicht, da sie streng genommen gar nicht leben. „Zerstören“ träfe es da wohl besser. Mit etwas Glück kann ein Stoff, der für Bakterien giftig ist, auch einen Virus zerstören.

Elektronenmikroskop-Aufnahme von Corona-Virionen (ein einzelnes Virus-Partikel wird „Virion“ genannt) aus dem Jahr 1975: Die Stachel-„Krone“ (lat. corona) aus Hüllenproteinen gibt dieser Virus-Familie ihren Namen. Bilder von den aktuellen COVID-19-Erregern findet ihr hier!

Besonders kniffelig ist die Beseitigung von Sporen. Das sind stark gepanzerte Ableger von Bakterien oder Pilzen, aus denen sich neue Zellen entwickeln können. Ein Stoff, der Sporen ausschalten soll, muss durch deren Panzerung dringen (wofür er meist etwas mehr Zeit braucht) und so viel Schaden anrichten, dass eine Spore sich nicht mehr zur neuen Zelle entwickeln kann.

Welche Stoffe können das?

Oxidationsmittel

Die Allrounder unter den keimtötenden (d.h. bioziden) Stoffen sind Oxidationsmittel, insbesondere solche, die einzelne Sauerstoffatome freisetzen können. Solche Oxidationsmittel nehmen nämlich all zu gern anderen Molekülen Elektronen weg (die Moleküle werden damit oxidiert), wodurch sie verschiedenste Reaktionen in Gang setzen. Und diese Reaktionen beschädigen oder zerstören nicht zuletzt die Bestandteile von Lebewesen und ihnen ähnlichen Gebilden: Bakterien, Pilze, Viren und sogar Sporen.

Leider sind Oxidationsmittel nicht wählerisch, wenn es um ihre Reaktionspartner geht. So können sie unsere Körpergewebe ebenso schädigen wie die Mikroorganismen. Deshalb sind besonders starke Oxidationsmittel sowie höhere Konzentrationen für die Anwendung an Haut und Schleimhäuten nicht geeignet. In geringer Konzentration kommen am Körper zum Einsatz:

  • Wasserstoffperoxid (H2O2)
  • Natriumhypochlorit (NaOCl, wie H2O2 im medizinischen Bereich, z.B. beim Zahnarzt)
  • Chloramin T (eine organische Verbindung, die in Wasser Hypochlorit freisetzt)
  • Elementares Iod (in Präparaten zur Wunddesinfektion –> z.B. „Betaisodona“)
  • Benzalkoniumchlorid (

Andere Oxidationsmittel wie Chlordioxid („MMS“!), elementares Chlor, Ozon oder Peressigsäure sind hingegen nur für die Desinfektion von Gegenständen oder Wasser geeignet. In letzterem (z.B. im Schwimmbad) kommen Chlor oder Ozon in kleinsten Mengen mit uns in Kontakt, was wir an brennenden Augen und wunden Stellen leicht bemerken. Die haben es also wirklich in sich!

Aldehyde

Aldehyde oder chemisch korrekt „Alkanale“ sind hochwirksam gegen alle möglichen Bakterien (einschliesslich des besonders widerspenstigen Tuberkulose-Erregers), Pilze, Viren und Sporen. Aber leider auch gegen unsere eigenen Körper: Viele desinfizierende Aldehyde sind sehr giftig, weshalb sie nur zur Desinfektion von Oberflächen, Geräten und Räumen zum Einsatz kommen.

Alkohole

Der „Trinkalkohol“ Ethanol und verschiedene Varianten des Propanols sind bekannte Beispiele für desinfizierende Alkohole. Werden sie mit Wasser gemischt, können sie in (Bakterien)zellen eindringen und dafür sorgen, dass die Proteine darin ihre Form und damit ihre Funktion verlieren. Ein reiner Alkohol würde stattdessen schon die Proteine auf der Zelloberfläche zerstören und dann keinen Weg hinein mehr finden – sodass das Bakterium am Leben bliebe.

Auf der Haut angewendet sind sie für uns ungiftig (eingenommen dafür um so mehr – das weiss jeder, der schonmal einen Kater hatte), töten bzw. zerstören aber Bakterien (einschliesslich der Tuberkulose-Erreger), Pilze und Viren mit Hülle (es gibt auch Viren ohne Hülle, jedoch ist die Hülle ein wichtiges Werkzeug für das Kapern von Zellen, weshalb viele der uns krankmachenden Viren – z.B. Corona- und Influenza-Viren – eine Hülle haben). Den Sporen können Alkohole hingegen nichts anhaben.

Quartäre („Quaternäre“) Ammoniumverbindungen

Zum Beispiel Benzalkoniumchlorid. Diese organischen Moleküle enthalten (wie das Ammoniumion) ein positiv geladenes Stickstoffatom, an welches vier organische (kohlenstoff- und wasserstoffhaltige) Atomgruppen gebunden sind.

Benzalkoniumchlorid - eine quartäre Ammoniumverbindung als Konservierungs- und Desinfektionsmittel
Benzalkoniumchlorid(e): Davon gibt es mehrere Varianten mit unterschiedlich langen Seitenketten.

Diese Moleküle sind Tenside, können also gleichsam mit wasserliebenden und fettliebenden Oberflächen wechselwirken (was Tenside genau sind und was sie können erfahrt ihr hier). Wenn eine der Kohlenwasserstoff-Gruppen 8 bis 18 Kohlenstoffatome enthält, können die betreffenden Moleküle derart mit Zell-Aussenhüllen wechselwirken, dass diese beschädigt werden und die Zellen daran eingehen.

Das gilt leider ebenso für Bakterien wie für unsere eigenen Zellen. Deshalb ist Benzalkoniumchlorid als Konservierungsmittel für Medikamente (insbesondere Augentropfen) wegen seiner Nebenwirkungen umstritten.

Metallisches Silber oder Kupfer

Die Oberflächen dieser Metalle wirken schädlich – um nicht zu sagen tödlich – auf Bakterien, jedoch nicht auf die anderen  Erreger-Kandidaten (Pilze, Viren, Sporen). So sind Silberfäden als Mittel gegen Käsesocken und Kupfertürklinken als Beitrag zur Verminderung der Keim-Verbreitung in Krankenhäusern gefragt, aber längst kein Rundumschutz.

Eine ausführliche Liste mit weiteren desinfizierenden Verbindungsklassen, auch für die Haut-Desinfektion, findet ihr hier im Wikipedia-Artikel zur Desinfektion.

Und was taugt das DIY-Desinfektionsmittel aus den Medien?

Das Rezept, welches die Schweizer Gratis-Zeitung „20 Minuten“ vom österreichischen Portal „heute.at“ übernommen hat, stammt ursprünglich von der WHO. Gedacht ist es allerdings als Empfehlung für Apotheker und medizinsches Personal rund um den Globus, die auch unter einfachen Bedingungen Patienten versorgen müssen. Also ebenso für ein Ebola-Gebiet im Kongo wie für das Behelfsspital in Wuhan – aber auch für die Schweizer Apotheke um die Ecke.

Die Desinfektionslösung gemäss der WHO-Rezeptur besteht aus rund 83% Ethanol („Alkohol“) in destilliertem Wasser, mit einer kleineren Menge Glyzerin und ein wenig Wasserstoffperoxid dabei.

Das eigentliche Desinfektionsmittel darin ist der Alkohol. Wasserstoffperoxid in der geringen Menge dient dagegen mehr als eine Art Konservierungsmittel. Und das Glyzerin – ein verbreiteter Bestandteil von Kosmetikprodukten – soll der Haut die Feuchtigkeit erhalten.

Alle vier Stoffe sind in den allermeisten Ländern recht einfach und preisgünstig zu bekommen. Und sie funktionieren. So soll medizinisches Personal auf der ganzen Welt Zugang zu einfacher aber wirksamer Desinfektionslösung bekommen.

Doch was wirksam ist, hat naturgemäss auch unerwünschte (Aus-)Wirkungen:

Desinfektionsmittel bringen auch Schwierigkeiten durch…

Resistenzen

Insbesondere Bakterien können resistent gegenüber Desinfektionsmitteln werden (ähnlich wie gegenüber Antibiotika), wodurch die Desinfektionsmittel gegen solche Stämme unwirksam werden.

Schädigung der Haut

Ich habe während der Anfertigung meiner Diplomarbeit im Zellkulturlabor ein knappes Jahr lang regelmässig Hände und Arbeitsumgebung desinfizieren müssen (Bakterien und Pilze waren unser bzw. der Zellkulturen grösster Feind). Für die Hände hatten wir ein Desinfektionsmittel aus dem medizinischen Bereich (das blaue „Sterillium“), für die Arbeitsumgebung 70% Ethanol in destilliertem Wasser (das ist billiger als das Sterillium).

Ich habe schnell gelernt, ausserhalb der Arbeitszeit eine Handcreme zu verwenden, weil das ständige Desinfizieren zu trockener, gereizter Haut führte. Und was für mich nach einigen Monaten wieder vorbei war, taten unsere MTAs („Labortechniker“) ein (Arbeits-)Leben lang. Die Folge: Trotz Handcreme hatten sie rissige, dauergereizte Hände, um die ich meine Kolleginnen absolut nicht beneidet habe.

Wie kommt es dazu?

Die meisten Mikroorganismen auf unserer Haut machen nicht nur nicht krank, sondern schützen uns sogar vor schädlichen Keimen. Die finden bei intakter „Hautflora“ nämlich gar keinen Platz, um sich anzusiedeln. Desinfektionsmittel, die gegen Bakterien wirken, sind aber leider nicht wählerisch. Sie töten die erwünschten Hautbakterien ebenso wie die Krankmacher. Und ist die Hautflora einmal dezimiert, finden unerwünschte Gäste um so mehr Platz, um sich einzunisten.

Ausserdem entziehen die in Desinfektionslösungen enthaltenen Stoffe der Haut leicht Feuchtigkeit. Die Handcreme sollte den Folgen dessen entgegen wirken. Zudem enthält die „Sterillium“-Lösung Stoffe, die zur Erhaltung der Hautfeuchtigkeit beitragen sollen.

Gefahren für die Umwelt

Auch in Kläranlagen gibt es zahlreiche Bakterien, die dort wertvolle Reinigungsarbeit leisten, und zu einem „gesunden“ natürlichen Gewässer gehören Bakterien einfach dazu. Wenn nun Desinfektionsmittel – besonders in grösseren Mengen – nicht fachgerecht entsorgt werden (im Sonderabfall!), können sie das Ökosystem in Klärwerken oder natürlichen Gewässern empfindlich schädigen.

Daheim oder in der Medizin – Wo machen Desinfektionsmittel Sinn?

Im medizinschen Bereich

Wo kranke Menschen gepflegt, offene Wunden versorgt und schwache Immunsysteme häufig sind, trägt die Händedesinfektion Grosses zur Verminderung der Übertragung von Keimen bei. Medizinisches Personal reibt sich dazu mindestens vor und nach jedem Patientenkontakt die Hände mit einer alkoholhaltigen Desinfektionslösung für den medizinischen Bereich (z.B. das erwähnte „Sterillium“) ein. Dadurch wird der grösste Teil der Mikroorganismen auf der Haut – einschliesslich der nützlichen Hautflora – ausgeschaltet.

In den Tiefen unserer Haarwurzeln, gut geschützt unter einer Schicht Talg, überleben jedoch einige der wichtigen Hautbewohner (ohne einem Patienten direkt schaden zu können). Die können sich nach dem Verschwinden des Desinfektionsmittels ungehindert teilen und die Hautoberfläche neu besiedeln. Dank dessen und dank feuchtigkeitserhaltender Zusatzstoffe sollte sich der Schaden an den Händen des medizinschen Personals in Grenzen halten.

Und daheim?

Warum sollten wir diesen schützenden Effekt nicht auch in unserem Zuhause haben? Das zumindest denken sich Anbieter für desinfizierende Reiniger und Hand-Desinfektionsmitteln für die Alltagsgebrauch. Eine Stichprobe bei einem bekannten Anbieter (auf dessen Website, denn die Originale sind ja ausverkauft…) zeigt: Diese Alltags-Desinfektionsmittel sind anders zusammengesetzt als jene für den medizinischen Bereich, enthalten mitunter nur Alkohole und Wasser.

Und damit sind wir wieder bei den MTAs im Zellkulturlabor: Die hatten nämlich nicht nur die medizinische Desinfektionslösung, sondern, beim Auswischen der sterilen Werkbänke und Desinfektion von Instrumenten, auch das simple Gemisch von Ethanol und Wasser ständig an den Händen. Und das enthielt eben – wie so manches Alltags-Desinfektionsmittel – keine hautschützenden Zusätze. Dieser Umstand hat gewiss nicht zur Hautgesundheit – insbesondere bei langfristiger Anwendung – beigetragen.

Also nutzen wir doch lieber die Desinfektionslösungen für den medizinischen Bereich?

Die sollen ja – in Kombination mit einer guten Handcreme – für unsere Haut auch bei regelmässigem Gebrauch erträglich sein. Aber brauchen wir so viel Desinfektion überhaupt?

Warum wir Desinfektionsmittel im Alltag nicht brauchen (und wann doch)

Ein intaktes menschliches Immunsystem ist von Natur aus darauf angelegt, mit der Vielfalt der Mikroben in unserem alltäglichen Umfeld zurechtzukommen. Nicht zuletzt deshalb, weil viele davon uns als äusserst nützliche Mitbewohner begleiten.

Im Normalfall ist es daher im Alltag gar nicht nötig, regelmässig Desinfektionsmittel zu verwenden. Ausgenommen sind die Fälle, die eben nicht „normal“ sind:

  • Jemand im Haushalt ist krank und muss gepflegt werden (im Fall von akuten Infektionen ist dieser Umstand allerdings von vorübergehender Natur).
  • Jemand im Haushalt hat kein intaktes Immunsystem (beispielsweise durch eine Chemotherapie).

Für Menschen in diesen Situationen kann es wirklich schwierig werden, wenn Desinfektionsmittel nur noch schwer oder gar nicht erhältlich sind!

Das könnt ihr wirklich tun, um euch zu schützen

Ist hingegen „nur“ Erkältungssaison und es „geht etwas um“ (auch wenn das „Etwas“ COVID-19 heisst), sind einfache Hygienemassnahmen wesentlich wirksamer, da  schonender für die Verteidigungslinien auf unserer Haut:

  • Hustet oder niest stets in die Armbeuge anstatt einfach in die Gegend.
  • Haltet von hustenden oder niesenden Personen mindestens einen Meter Abstand.
  • Fasst euch mit ungewaschenen Händen möglichst nicht in das eigene Gesicht (und schon gar nicht in das von Anderen, beispielsweise das eurer Kinder).
  • Insbesondere gegen „Mitbringsel“ von draussen: Wascht euch, wenn ihr heimkommt (aber auch unterwegs), die Hände mit gewöhnlicher Seife, nachdem ihr in der Öffentlichkeit viel berührte Dinge (z.B. Türklinken, öffentliche Verkehrsmittel!) angefasst habt und bevor ihr zu Hause irgendetwas anderes berührt.
  • Wenn ihr bereits (infektions-)krank seid: Bleibt zu Hause. Geht nicht arbeiten und schickt kranke Kinder nicht in die Schule/den Kindergarten/die KiTa! Bei Fieber, Husten und Atembeschwerden ruft euren Arzt an (bevor ihr hingeht!) und befolgt dessen Anweisungen.

Was ihr niemals tun solltet

Desinfektionsmittel mit Seife kombinieren

Doppelt hält besser? Leider nein. In Verbindung mit Seife (also Tensiden), bergen Desinfektionsmittel im Alltag noch ein weiteres Problem:

Wenn ihr eure Hände mit Seife wascht, vergrault das eure nützlichen Mitbewohner nämlich nicht, entfernt aber den schützenden Talg, unter dem sich deren letzte Reserven verstecken, von den Haarwurzeln. Wenn ihr dann während oder nach dem Händewaschen zu einem Desinfektionsmittel greift, rottet das die letzten Reserven ebenso aus wie die Hautflora auf der Hautoberfläche. Und dann bleibt nichts mehr, was sich weiter vermehren und auf eurer Haut, dem Eingang zu eurem Körper, Wache schieben könnte.

Desinfektionsmittelhaltige Seife oder Desinfektionsmittel nach dem Seifeneinsatz sind in Hinsicht auf die Übertragung von Erregern an den Händen eher schädlich als dass sie nutzen!

Desinfektionsmittelreste in den Ausguss oder gar in die freie Natur entsorgen

Wie bereits erwähnt gibt es in Klärwerken wie auch in der Natur zahlreiche Bakterien, die für eine funktionierende Anlage bzw. ein gesundes Ökosystem notwendig sind. Und die nehmen an Desinfektionsmitteln genauso Schaden wie unliebsame Erreger.

Sämtliche Abflüsse in unserem Zellkulturlabor münden – wie vermutlich auch jene in Krankenhäusern – in spezielle Abwasser-Anlagen, die darauf ausgerichtet sind, Chemikalien im Abwasser zu beseitigen, bevor es in die eigentliche Kanalisation gelangt. So ist der Einsatz von Desinfektionsmitteln im Labor – und wahrscheinlich auch im medizinischen Bereich – eine deutlich geringere Gefahr für die Umwelt als ihr Einsatz im Alltag.

Desinfektionsmittel hamstern, wenn „etwas umgeht“

Es sei denn, ihr gehört zu jenen, die aufgrund von Krankheit oder/und unzureichendem Immunsystem wirklich auf die Nutzung von Desinfektionsmitteln im Alltag angewiesen sind. Genau diese Menschen werden euch – ebenso wie die Menschen mit Medizinberufen – sehr dankbar dafür sein, wenn sie die dringend benötigten Mittel auch während eines Ausbruchs wie dem von COVID-19 problemlos bekommen.

Das Gleiche gilt im Übrigen auch für die Gesichtsmasken. Die nützen dem Chirurgen oder Zahnarzt sehr, um seine eigenen Bakterien vom Patienten fernzuhalten. Vor einer Tröpfchen- oder Schmierinfektion mit einem Atemwegs-Virus schützen sie aber praktisch nicht.

Zusammenfassung

Desinfektionsmittel sind Stoffe, die Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze, deren Sporen, aber auch Viren abtöten oder zumindest am Wachstum hindern können. Solche Stoffe sind naturgemäss giftig – aber für Mikroben oft mehr als für uns – und umweltschädlich.

In der Krankenpflege sind Desinfektionsmittel ein wertvolles Mittel, um die Gefahr der Übertragung von Keimen zwischen Patienten und Pflegern gering zu halten. Wie alle wirksamen Mittel haben jedoch auch Desinfektionsmittel Nebenwirkungen und bergen wie alle (umwelt-)giftigen Stoffe Gefahren.

Im Alltag überwiegen diese Schwierigkeiten den Nutzen von Hände-Desinfektionsmitteln, zumal es einfachere und nebenwirkungsärmere Mittel und Wege gibt, die Übertragung von Keimen zu vermeiden:

  • In die Armbeuge husten oder niesen
  • zu erkälteten Personen Abstand halten
  • Nicht ins Gesicht fassen
  • Hände waschen (aber nicht mit Desinfektionsmittel kombinieren!)
  • mit Infektionskrankheiten zu Hause bleiben

Wenn ihr selbst einen Pflegeberuf ausübt oder im Alltag mit kranken oder/und immunschwachen Personen lebt oder eine solche seid, kann – so meine eigene Erfahrung im Labor – eine Handcreme dabei helfen, die Hautschäden durch regelmässigen Einsatz von Desinfektionsmitteln gering zu halten.

Und wie geht ihr angesichts von COVID-19 oder anderen Erregern mit Desinfektionsmitteln um? Habt ihr vielleicht im Beruf regelmässig damit zu tun und weitere (bessere?) Tipps zur Hautpflege?

Ein lebenswichtiges Element - wie es uns wirklich nützt

Ein chemisches Element wird in der Ernährungsbranche immer wieder heiss diskutiert: Das Jod – oder Iod, wie die Wissenschaftler es schreiben. Ist Jod nun gesund oder für die Gesundheit schädlich? Wie kann dieses vielseitige Element uns nützen? Wie können wir die richtige Menge davon zu uns nehmen?

Eines vorweg: Jod ist für uns alle – insbesondere für die gesunde Entwicklung von Kindern – unverzichtbar. Deshalb habe ich für euch Antworten auf wichtige Fragen zu diesem wichtigen Stoff zusammengestellt. Aber fangen wir von vorn an:

 

Was ist eigentlich Jod?

Jod ist eines der wenigen Nichtmetalle unter den chemischen Elementen. Das Elementsymbol ist „I“ (in älteren Periodensystemen findet man auch noch ein „J“). Es gehört zur Gruppe der Halogene, die man im Periodensystem in der siebten Hauptgruppe (= Spalte) findet. Damit ist es chemisch mit den sehr aggressiven Gasen Fluor und Chlor und mit dem ebenfalls aggressiven aber flüssigen Brom verwandt: Wie diese besteht Jod aus Molekülen aus je zwei Atomen: I2.

Das Element Jod ist aus Chemikersicht etwas friedlicher als seine sehr aggressiven Verwandten. In unserer normalen Umgebung (Atmosphärendruck und Raumtemperatur) ist es zudem ein Feststoff: Jod bildet so dunkelviolette Kristalle, dass sie praktisch grauschwarz aussehen und zudem metallisch glänzen.

Eine bei Chemielehrern beliebte Besonderheit des Jods ist, dass es, wenn man es vorsichtig erwärmt, nicht schmilzt, sondern sofort verdampft (das direkte Verdampfen von Feststoffen nennen Chemiker und Physiker „Sublimieren“) – und der violette Dampf beim Abkühlen wieder zu Kristallen wird, ohne vorher zu kondensieren (das wird entsprechend „Resublimieren“ genannt).

Wenn Lehrer im Schulunterricht Jod sublimieren, dann tun sie das in der Regel in weitgehend geschlossenen Gefässen. Denn wenngleich weniger stark als seine Verwandten reagiert auch dieses Halogen rege mit seiner Umgebung, reizt die Haut, die Augen und kann die Atemwege schädigen. Deshalb gilt es als gesundheits- und umweltschädlich und muss mit den entsprechenden Gefahrensymbolen beschriftet werden.

Wie kann das ein Nährstoff sein?

In der Natur kommt Jod nicht als Element – dafür ist es zu reaktionsfreudig – sondern in chemischen Verbindungen vor. Wie Chlor und die anderen Halogene bildet es leicht einfach negativ geladene Ionen (I, genannt Iodid) oder verbindet sich zum Beispiel mit Sauerstoff zu Ionen wie dem Iodat (IO3), die Bestandteile verschiedener Salze sind. Oder Jod-Atome bilden eine Atombindung zu einem benachbarten Atom – zum Beispiel Kohlenstoff – das Ergebnis sind jodhaltige organische Verbindungen.

Und sowohl die Salze als auch die organischen Verbindungen des Jods haben ganz andere – für uns lebenswichtige – Eigenschaften als das Element!

Jod und Kaliumiodid

Oben: Das Element Iod, bestehend aus I2-Molekülen. Die Dämpfe färben Kunststoffbehälter und -löffel braunviolett.
Unten: Das Salz Kaliumiodid , das I-Ionen enthält, besteht aus farblosen Kristallen.

 

Jod für unsere Ernährung

Wofür braucht der menschliche Körper Jod?

Viele Funktionen des Energiestoffwechsels und Wachstumsvorgänge werden von Hormonen geregelt, die in der Schilddrüse – die vorn in unserem Hals zu finden ist – hergestellt werden. Und diese Schilddrüsenhormone sind organische Moleküle, die Jod enthalten. Damit die Schilddrüse solche Hormone herstellen kann, braucht sie natürlich Jod – und zwar in Form von Iodid-Ionen I.

Triiodthyronin und Thyroxin – die Schilddrüsenhormone

Die beiden wichtigsten Schilddrüsenhormone, deren Konzentration im Blut der Arzt misst, um die Schilddrüsenfunktion zu überprüfen, sind das Triiodthyronin, kurz T3, und das Thyroxin, kurz T4.

Schilddrüsenhormone: Strukturformel Triiodthyronin und Thyroxin

Die beiden wichtigsten Schilddrüsenhormone: Der Index am T steht für die Anzahl Jod-Atome im Molekül. T4 unterscheidet sich von T3 nur durch ein zusätzliches Jod-Atom am linken „Benzol-Ring“. Von beiden Molekülen gibt es übrigens je zwei Ausführungen, die einander gleichen wie Bild und Spiegelbild (solche Paare nennen Chemiker „Enantiomere“). Als Hormon wirksam ist aber jeweils nur eine Ausführung – die Chemiker mit dem Buchstaben L kennzeichnen (das gilt übrigens für praktisch alle Spiegelbild-Moleküle in der Biochemie: Nur mit der L-Ausführung kann der Organismus etwas anfangen!). Deshalb enthalten Tabletten zur Behandlung einer Schilddrüsenunterfunktion „L-Thyroxin“ (und nicht dessen wirkungsloses Spiegelbild D-Thyroxin).

 

Tatsächlich entsteht in der Schilddrüse hauptsächlich T4, das an Proteine angehängt seine Reise durch die Blutbahn antritt. Wenn es irgendwo im Körper gebraucht wird, kann das Hormon vom Protein abgekoppelt werden, sodass Zellen es aufnehmen können. Erst im Zellinneren wird dann ein Jod-Atom entfernt (genau: es wird gegen ein Wasserstoffatom (H) getauscht, welches in der Formel nicht mehr sichtbar ist) und so T3 erzeugt. Deshalb genügt es oft, bei einer Schilddrüsenunterfunktion nur T4 („L-Tyroxin“) einzunehmen, um beide Hormone zu ersetzen.

Der Jod-Haushalt und sein Manager

Damit die Schilddrüse bei Bedarf Hormone nachliefern kann, kann sie einen gewissen Vorrat an Iodid-Ionen aufnehmen. Allerdings kann sie nicht feststellen, wann der Körper Bedarf an T4 und T3 hat. Dafür ist die Hirnanhangdrüse zuständig. Der geben die im Blut vorhandenen Schilddrüsenhormone nämlich das Signal „Wir sind da, es braucht nicht mehr“. Wenn dieses Signal zu schwach wird oder gar ausbleibt, schickt die Hirnanhangdrüse das Hormon TSH (Thyroidea stimulierendes Hormon) auf die Reise, welches wiederum der Schilddrüse (auf medizinisch Thyroidea) sagt, dass sie Jod aufnehmen soll (sodass T4 (und T3) hergestellt werden kann).

Deshalb lässt der Arzt bei einer Schilddrüsenuntersuchung auch die Konzentration des TSH im Blut bestimmen: Ist die nämlich niedrig, obwohl es zu wenig Schilddrüsenhormone hat (oder hoch, obwohl es mehr als genug T4/T3 hat), dann ist das Problem bei der Hirnanhangdrüse zu suchen, anstatt bei der Schilddrüse selbst.

Jod als Spurenelement

Damit die Schilddrüse auf Anweisung durch TSH Iodid aufnehmen kann, muss in ihrer Umgebung natürlich welches vorhanden sein. Deshalb müssen Menschen (und andere Tiere) Jod-Verbindungen mit der Nahrung aufnehmen. Jod ist also ein echtes Spurenelement!

Jodmangel und seine Folgen

Fehlt uns das Jod, werden bald die Schilddrüsenhormone knapp. Die Folgen dessen sind Antriebslosigkeit, Neigung zur Gewichtszunahme, ein langsamer Herzschlag und andere Anzeichen fehlender Energie. Dazu kommt, dass der Körper aus dauerhaft fehlenden Schilddrüsenhormonen folgert: Wir brauchen mehr Schilddrüsengewebe (das solche Hormone herstellen kann)! So fängt die Schilddrüse bei lang anhaltendem Jodmangel mitunter zu wachsen an, was zu einer im Extremfall gewaltigen, „Kropf“ (medizinisch: „Struma“) genannten Schwellung am Hals führen kann.

Um ein beginnendes Kropf-Wachstum frühzeitig mitzubekommen und zu stoppen, vermisst der Arzt bei Patienten mit Schilddrüsenproblemen ab und zu die Schilddrüse mit dem Ultraschall-Gerät und vergleicht die Masse mit früheren Ergebnissen.

Besonders wichtig sind die Schilddrüsenhormone und damit das Jod jedoch für Ungeborene und kleine Kinder: Bei Jodmangel (oder nicht richtig arbeitender Schilddrüse) werden sowohl das Körperwachstum als auch die Entwicklung des Gehirns massiv behindert. Die Kinder bleiben kleinwüchsig, ihre Intelligenz und geistigen Fähigkeiten sind vermindert und sie leiden am Kropf und anderen körperlichen Auffälligkeiten.

Die extremsten Folgen von Jodmangel seit der frühen Kindheit – auf medizinisch „Kretinismus“ genannt – waren bis vor rund 100 Jahren hierzulande weit verbreitet. Besonders in den Bergregionen in der Schweiz und Österreichs traf man regelmässig auf Betroffene – so auch im zweisprachigen Kanton Wallis, in welchem diese tragischen Gestalten auf französisch als „Crétins des Alpes“ – in etwa „Idioten der Alpen“ – bezeichnet wurden (das französische Schimpfwort „crétin“ für „Dumpfbacke“ gibt es noch heute – hier hat es seinen Ursprung).

Warum litten so viele Bergbewohner an Jodmangel?

Jod kommt in der Natur meist in wasserlöslichen Verbindungen – genau: Salzen – vor. So kommt es, dass solche Jodverbindungen in Gegenden, in welchen es oft regnet, alsbald ausgewaschen und fortgespült wird. Und wenn kein Jod im Boden ist, können darauf wachsende Pflanzen keines aufnehmen, ebenso wenig wie die Tiere, die davon fressen. Und wir Menschen, die sich von den Pflanzen und Tieren ernähren, bekommen so erst recht wenig Jod ab.

An den Hängen grosser Gebirge regnet (und schneit) es nun besonders rege, sodass in Bergregionen besonders viel Jod ausgewaschen wird und den Bewohnern fehlt. Doch auch im Flachland und an den Meeresküsten Mitteleuropas gibt es reichlich Niederschlag, sodass selbst dort der Boden nicht genug Jod hergibt, um seine Bewohner ausreichend zu versorgen.

Wie beugt man dem Jodmangel heute vor?

Als man vor rund 100 Jahren dahinter kam, wie Kretinismus entsteht und warum so vielen Menschen an Jodmangel litten, hat man damit begonnen, Nahrungsmitteln bei der Herstellung gezielt Jod zuzufügen. Heute verwendet man dazu Salze, die das Iodat-Ion IO3 enthalten, wie das Natriumiodat NaIO3. Im Körper reagieren die Iodat-Ionen dann weiter zum benötigten Iodid (I).

Die Iodate vermischt man entweder mit Speisesalz, welches entweder direkt an die Endkunden verkauft oder bei der Herstellung anderer Produkte wie Würsten, Kartoffelchips oder Fertiggerichten verwendet wird.

Oder man gibt die Iodate in das Kraftfutter für Kühe und Hühner, sodass sich das Jod in ihrer Milch und ihren Eiern wiederfindet.

In der Schweiz tut man seit 1922 von der Regierung angeleitet beides (ebenso wie in Deutschland und Österreich) – und 100 Jahre später sind die Folgen eindrücklich: Die durchschnittliche Jod-Versorgung der Bevölkerung in der Schweiz wie auch in Deutschland liegt heute im unteren Bereich dessen, was die WHO als wünschenswert ansieht. Die „Crétins des Alpes“ und entstellende Kropfleiden gibt es nicht mehr.

Zu letzterem trägt übrigens auch bei, dass Neugeborene heute in den ersten Lebenstagen auf angeborene Schilddrüsendefekte untersucht werden, sodass ein erblich bedingter Hormonmangel sofort behandelt werden kann. Da im Mittel aber nur eines von 5000 Babys mit so einem Defekt zur Welt kommt, können solche Fälle allein nicht für die einst weite Verbreitung des Kretinismus in den Alpen verantwortlich sein.

 

So könnt ihr euch selbst und eure Kinder mit genügend Jod versorgen

  • Verwendet beim Kochen jodiertes Speisesalz – in der Menge, die einen gesunden Salzhaushalt fördert (wieviel Salz gesund ist, könnt ihr hier nachlesen)
  • Wenn ihr euch vegan ernährt, achtet besonders sorgfältig auf eure Jodversorgung, da euch der wichtige Anteil der Jodzufuhr aus dem Tierfutter entgeht! Die Ovo-Lacto-Vegetarier und Fischesser unter euch haben es da einmal mehr einfacher. Denn neben Milch und Eiern ist auch Fisch aus dem Meer eine gute Jod-Quelle (ratet mal, wo das aus dem Boden ausgewaschene Jod hingespült wird…).
  • Beachtet: Als Schwangere und stillende Mütter habt einen erhöhten Jodbedarf – ihr versorgt eure Kinder schliesslich mit!
  • Lasst bei einem Verdacht auf Jodmangel die Jodversorgung bzw. Schilddrüsenwerte vom Arzt prüfen und sprecht mit ihm ab, was ihr an Nahrungsergänzungsmitteln oder Hormonen einnehmt. Der Jod- bzw. Schilddrüsenstoffwechsel ist eine sehr empfindliche Angelegenheit, sodass eine nicht genau angepasste Dosierung oder falsche Auswahl unliebsame bis fatale Folgen haben kann.

 

Jod als Notfallmittel für Atomunfälle

Natürliches versus radioaktives Jod

Es gibt eine ganze Reihe verschiedener Jod-Atomkerne (man nennt solche Kerne „Isotope“: Sie haben bei gleicher Protonenzahl eine unterschiedliche Anzahl Neutronen, sodass sie alle dem gleichen Element angehören und die gleiche Chemie zeigen, obwohl sie aus unterschiedlich vielen Kernteilchen bestehen). Jedoch ist nur einer davon nicht radioaktiv, nämlich das Jod-Isotop mit 127 Kernteilchen (53 Protonen und 74 Neutronen), kurz „Jod-127“.

Deshalb kommt in der Natur auch nur dieses eine Jod-Isotop vor (alle anderen, die früh in der Geschichte des Sonnensystems entstanden sein mögen, sind längst zerfallen). In Atomreaktoren, wo fleissig Atomkerne zertrümmert und umgeformt werden, entstehen jedoch auch radioaktive Jod-Atome. Und wenn die bei einem Reaktorunfall nach draussen gelangen, kann ein menschlicher Körper die radioaktiven Isotope nicht von natürlichem Jod unterscheiden – und lagert sie in die Schilddrüse ein, sobald er ihrer habhaft wird.

Die Strahlung, die von den radioaktiven Jod-Atomen direkt in der Schilddrüse ausgeht, kann das sie umgebende Gewebe schädigen und – so nimmt man an – Erkrankungen bis zum Schilddrüsenkrebs auslösen. Tatsächlich wurde eine Zunahme an Schilddrüsenkrebs-Erkrankungen unter Kindern und Jugendlichen in naher Umgebung des verunfallten Reaktors von Tschernobyl beobachtet (mehr zu diesem schrecklichen Unfall zu meinen Lebzeiten erfahrt ihr hier).

Wie man sich vor radioaktivem Jod schützen kann

Ein Weg die eigene Schilddrüse vor radioaktivem Jod aus einem Reaktorunfall zu schützen besteht darin, im Falle eines solchen Zwischenfalls den Körper mit natürlichem Jod regelrecht zu überschwemmen – und ihn so dazu zu veranlassen, den Jod-Speicher in der Schilddrüse bis unter die Decke aufzufüllen. Wenn ihm dann radioaktives Jod unterkommt, passt dort einfach nichts mehr hinein.

Deshalb werden in der Schweiz an alle Haushalte und Arbeitsorte im Umkreis von 50km um Kernkraftwerke Jodtabletten (sie enthalten Kaliumiodid, also I-Ionen, die der Körper ohne Umwege einlagern kann) ausgegeben, die die Bewohner und Arbeitgeber vor Ort lagern und im Falle eines Unfalls sofort einnehmen können. Denn nur dafür sind sie gedacht: Die allermeisten radioaktiven Jodisotope zerfallen innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen, sodass eine einmalige Überschwemmung mit nicht strahlendem Jod rechtzeitig nach dem Unfall in der Regel genügend Schutz bietet.

Ich habe übrigens keine Jodtabletten daheim – offenbar sind alle Atomkraftwerke weit genug entfernt, dass man uns genügend Zeit zubilligt, um im Ernstfall erst zur Apotheke zu gehen und welche zu holen. An meinem einstigen Arbeitsplatz in Uster im südöstlichen Kanton Zürich habe ich hingegen (auf der Suche nach einem Erste-Hilfe-Kasten) einige Packungen entdeckt.

 

Jod als Kontrastmittel

Einige organische Moleküle, die Jod-Atome enthalten, haben die für Mediziner nützliche Eigenschaft, dass sie Röntgenstrahlen schlucken können. Auch Körpergewebe – vor allem Knochen – besitzen solche Eigenschaften: Ein Röntgenbild entsteht, indem Röntgenstrahlen (eine energiereiche Form von Licht) durch den Körper auf einen lichtempfindlichen Film (bzw. einen entsprechenden digitalen Sensor) geschickt werden. Wenn etwas die Röntgenstrahlen auf ihrem Weg verschluckt („absorbiert“), wirft es einen weissen Schatten auf den Film.

Wenn ein Patient ein Kontrastmittel – zum Beispiel eine jodhaltige organische Verbindung – gespritzt bekommt, gelangt sie in das Gewebe von Verdauungsorganen oder anderen Weichteilen im Körper. Dort schluckt es bei der anschliessenden Röntgenaufnahme oder einer Computertomographie (die auch mit Röntgenstrahlen gemacht wird) Strahlen, sodass die normalerweise kaum sichtbaren Organe nun deutliche Schatten werfen. Später werden die Kontrastmittel-Moleküle vom Körper selbst aufgeräumt und grösstenteils über die Niere wieder ausgeschieden.

jodhaltige Kontrastmittel

Zwei Beispiele für jodhaltige Kontrastmittel: Ähnlich wie in den Schilddrüsenhormonen sind Jod-Atome an ein Kohlenstoffgerüst gebunden (die Kohlenstoff(C-)-Atome zeichnet man der Übersicht halber nicht: jeder Winkel ohne Buchstabe steht für ein C-Atom). Und so, wie Jod-Atome von Schilddrüsenhormonen „abmontiert“ werden können, können in den Prozessen im menschlichen Körper auch diese Jod-Atome abmontiert werden – und bei entsprechender Vorerkrankung zu einer regelrechten Vergiftung führen.

 

 

Nebenwirkungen jodhaltiger Kontrastmittel

Eine typische Kontrastmitteldosis kann rund 15 bis 30 Gramm Jod enthalten. Das ist im Massstab für medizinische Wirkstoffe, die der Körper zu verarbeiten hat, eine gewaltige Menge! Der eigentliche Haken daran ist aber: Die Jodatome, die an die „Benzol“-Ringe solcher Moleküle gebunden sind, können im menschlichen Körper davon abgelöst (ich vermute: durch Austausch („Substitution“) gegen andere Atome oder Atomgruppen) werden. Das so freigesetzte Jod kann dann von der Schilddrüse aufgenommen werden – was dann zu einer gefährlichen Überladung mit Schilddrüsenhormonen führen kann, wenn der Patient eine Schilddrüsenüberfunktion hat oder sich in der Ausgangslage befindet, eine solche zu entwickeln. Deshalb sind jodhaltige Kontrastmittel für Patienten mit solchen Erkrankungen nicht – oder nur nach vorübergehender Blockade der Jodaufnahme durch die Schilddrüse – geeignet.

Ausserdem können jodhaltige Kontrastmittel – wie alle anderen grösseren körperfremden Moleküle auch – allergische Reaktionen auslösen. Wer solch eine Allergie hat, darf diese Art Kontrastmittel natürlich auch nicht verabreicht bekommen (Risikokandidaten mit anderen Allergien können vor einer unumgänglichen Kontrastmittel-Untersuchung vorsorglich allergiehemmende Mittel bekommen).

 

Jod als Desinfektionsmittel

Während jodhaltige Ionen in Salzen ein lebenswichtiger Nährstoff ist, hat elementares Jod, also solches, das aus I2-Molekülen besteht, geradezu gegenteilige Eigenschaften: Es ist sehr reaktionsfreudig und greift Körpergewebe und -zellen an. Aber nicht nur unsere, sondern auch die von Bakterien und anderen Krankheitserregern. Deshalb ist elementares Jod ein beliebtes Desinfektionsmittel.

Warum wirkt Jod desinfizierend?

Jod-Moleküle können im Zuge einer Redox-Reaktion einzelne Sauerstoff-Atome aus Wassermolekülen -die in Körpergewebe allgegenwärtig sind – herauslösen:

Diese Sauerstoff-Atome sind im Augenblick ihrer Freisetzung äusserst reaktionsfreudig (schliesslich fehlen ihnen je zwei Elektronen zu einem zufriedenstellenden (Edelgas-)Zustand) und greifen alles an, was ihnen in die Quere kommt, um sich irgendwie damit zu verbinden. Wenn das Kleinstlebewesen wie Bakterien sind, gehen die rasch daran zugrunde – wenn das menschliches Gewebe ist, reagiert das auf den Angriff mit Entzündungszeichen: Das Desinfizieren von Wunden mit Jod tut weh!

Was genau ist in jodhaltigen Desinfektionsmitteln drin?

Elementares Jod – ein fast schwarzer Feststoff – ist unlöslich in Wasser. Es gibt allerdings Tricks, mit deren Hilfe man Jod trotzdem mit Wasser mischen kann:

Entweder man mischt das Jod mit einer Kaliumiodid-Lösung. Die darin enthaltenen I-Ionen lagern sich mit den I2-Molekülen zusammen und bilden spezielle und wasserlösliche Ionen aus je drei Jod-Atomen (I3). Solche Lösungen werden deshalb auch „Kaliumtriiodid-Lösung“ genannt und sind im Schullabor sehr beliebt.

Oder man verwendet wasserlösliche organische Kettenmoleküle, die mit Triiodid-Ionen Komplexverbindungen eingehen können. Bei Bedarf (d.h. wenn ein attraktiverer Reaktionspartner zugegen ist) können sich die I2-Moleküle aus dem Komplex bzw. dem Triiodid lösen und ihrer desinfizierenden Aufgabe nachgehen. Solche organischen Komplexe findet ihr in jodhaltigen Medikamenten: Das „Polyvidon-Jod“ (kurz „Povidon-Jod“) in „Betaisodona“-Lösung oder -salbe ist einer davon.

Strukturformel Polyvidoniod

Das ist „Polyvidon-Iod“ – Rechts: Der Kunststoff Polyvidon (Polyvinylpyrrolidon, PVP) besteht aus langen Kohlenwasserstoff-Ketten, die mit ringförmigen Atomgruppen besetzt sind (n und m stehen für beliebige Anzahlen solcher Kettenglieder). Links: Die Sauerstoff-Atome von je zwei benachbarten Ringen können ein positiv geladenes Wasserstoff-Ion (H+) „tragen“, an welches ein negativ geladenes I3-Ion bindet (denn entgegengesetzte Ladungen ziehen sich stets an).

 

Seiner aggressiven Wirkung auf Gewebe – vor allem auf Schleimhäute wegen – sind jodhaltige Desinfektionsmittel nur für die Anwendung „aussen“, d.h. auf der Haut bzw. zur Wundversorgung gedacht!

 

Jod als Reagenz zum Experimentieren

Im Schullabor ist der Nachweis von Stärke mit Jod (oder umgekehrt von Jod mit Stärke) sehr beliebt: Wenn man diese beiden zusammenbringt, bleiben die Jod-Moleküle nämlich in den langen Stärkeketten hängen und bilden mit ihnen eine tief blauschwarze Verbindung (Stärke ist dagegen weiss und jodhaltige Lösungen bräunlich).

Wie ihr die Stärke in Kartoffeln oder Pflanzenteilen zu Hause selbst nachweisen könnt – und zwar mit „Betaisodona“ oder einem ähnlichen Desinfektionsmittel! – zeige ich euch hier in meiner Sammlung spannender Experimente mit Pflanzen.

Jod als Reagenz zum Stärkenachweis

Mit Jodlösung – zum Beispiel aus einem Desinfektionsmittel – könnt ihr Stärke in Pflanzenteilen nachweisen!

 

Achtung! Jod als Element ist ein Gefahrstoff!

Achtet beim Experimentieren oder Aufbewahren von Jodlösungen stets darauf, dass ihr sie nicht mit Ammoniak (Ammoniakwasser, ammoniakhaltige Reinigungsmittel, Salmiak, Salmiakgeist…) zusammenbringt! Dabei können nämlich explosive Verbindungen aus Jod und Stickstoff entstehen, die ihr sicher nicht in eurer Wohnung oder im Schulzimmer haben wollt.

Bedenkt zudem immer: Elementares Jod wirkt auf nützliche Wasserlebewesen genauso wie auf schädliche Keime und unsere Schleimhäute. Deswegen darf es nicht ins Abwasser gelangen! Bringt Reste von Experimenten mit Jod ebenso wie abgelaufene jodhaltige Desinfektionsmittel immer zur Sonderabfall-Entsorgungsstelle!

Wenn ihr im Schullabor das Salz Natriumthiosulfat (oder ein anderes passendes Reduktionsmittel) zur Hand habt, könnt ihr Reste von Jodlösungen auch damit mischen: Die I2-Moleküle reagieren damit zu I-Ionen (die braune Farbe der Lösung verschwindet dabei), die ins (Labor-)Abwasser entsorgt werden können.

 

Jod als umstrittener Stoff

Jod und Schilddrüsenüberfunktion

Bei bestimmten Schilddrüsenerkrankungen, speziell bei einer Überfunktion durch unkontrolliert hormonproduzierendes Gewebe, führt die Zufuhr von Jod zu einer Überproduktion von Hormonen, die in regelrechten Vergiftungserscheinungen münden kann: Auch deswegen ist es wichtig, die Behandlung von Schilddrüsenproblemen mit dem Arzt zu besprechen – denn der klärt die Art der Probleme ab und kann allenfalls vor solchen Schwierigkeiten warnen.

Gerne wird übrigens ein Zusammenhang zwischen entzündlichen Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse wie Morbus Hashimoto ins Feld geführt. Ob es einen solchen gibt, konnte jedoch in klinischen Studien bislang nicht einwandfrei geklärt werden.

Gibt es eine Jodallergie?

Eine Überdosierung(!) von Jod kann generell die Bildung von Schilddrüsenhormonen beeinflussen bzw. zu allergieähnlichen Symptomen führen. Dann spricht man von einer Jod-Unverträglichkeit. Auch das ist ein Grund, weshalb eine Nahrungsergänzung mit zusätzlichen jodhaltigen Mitteln (über das Würzen mit Jodsalz und gewöhnliche Lebensmittel hinaus) sorgfältig auf den jeweiligen Körper und seinen Bedarf eingestellt werden sollte.

Aus diesem Grund wird der Zusatz von Jodsalzen zu Speisesalz und Futtermitteln nämlich so begrenzt, dass die Versorgung der Bevölkerung auf diesem Weg in der Schweiz wie auch in Deutschland bei „normaler“ Ernährung im unteren Soll-Bereich liegt – sodass eine Überversorgung durch jodierte Lebensmittel praktisch nicht möglich ist.

Eine „echte“ Jod-Allergie auf Kleinstmengen gibt es jedoch nicht (wie Allergien entstehen könnt ihr hier nachlesen): Sowohl I2-Moleküle als auch IO3 oder I -Ionen sind zu klein für die Wechselwirkung mit Antikörpern, die jeder Allergie zu Grunde liegt.

Allergien gegen jodhaltige organische Moleküle – wie sie zum Beispiel als Kontrastmittel eingesetzt werden – sind dagegen möglich (weil solche Moleküle wesentlich grösser sind als die der anorganischen Jodverbindungen) und bekannt.

 

Mein Fazit

Jod ist ein vielseitiges Element und in seinen Verbindungen ein für den menschlichen Körper unverzichtbares Spurenelement. Mit der Jodversorgung steht und fällt der Schilddrüsenstoffwechsel, der von grösster Bedeutung für unseren Energiehaushalt und die gesunde Entwicklung von Kindern ist.

Deshalb tun die Verantwortlichen in Ländern mit jodarmen Böden – wie der Schweiz und Deutschland – gut daran, für den Zusatz von Jod zu Speisesalz und Nahrungsmitteln zu sorgen. So kommen wir nämlich zu unserem Jod, ohne zusätzliche Kosten und Mühe mit speziellen Nahrungsergänzungsmitteln auf uns nehmen zu müssen. Zudem wird der Zusatz von Jod zu Lebensmitteln so gesteuert, dass eine Überdosierung, die zu Symptomen einer Jodunverträglichkeit führen kann, auf diesem Wege höchst unwahrscheinlich ist.

Elementares Jod hat dagegen ganz andere – aggressivere – Eigenschaften und findet deshalb als Desinfektionsmittel Verwendung, während es zur Einnahme nicht geeignet ist!

Chemie beim Zahnarzt

Hallo und auf ein Neues! Ich bin Zahn Einssechs („16“), Kathis erster grosser Backenzahn oben rechts (aus Sicht aller anderen oben links), und ich darf euch heute endlich mein Versprechen einlösen und meine Geschichte fertig erzählen. Die ist nämlich so lang, dass ich die erste Hälfte im Dezember 2015 bei Maike auf Miss Declare geschildert habe.

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