Photovoltaik: Nicht nur Peter Lustig nutzt die Sonnenkraft

,
Photovoltaik : Solarpanel im Detail

Wie funktioniert eine Solarzelle? Welche Stoffe können aus Sonnenlicht Strom erzeugen? Und inwieweit ist die Photovoltaik umweltverträglich?

Diese Geschichte ist Peter Lustig gewidmet, der mit seiner Sendung „Löwenzahn“ (und später auch „mittendrin“) zu meinen grossen Vorbildern gehört. In meiner Kindheit vor dem Internet-Zeitalter, als Wissen ausserhalb der Schule noch fast ausschliesslich in der Stadtbibliothek zu finden war, weckte „Löwenzahn“ nicht nur meine Begeisterung für die Wissenschaft(en) als solche, sondern legte ebenso einen Grundstein für mein Bestreben, gesammeltes Wissen verständlich und alltagsnah weiterzugeben.

Schon 1989 nutzte Peter Lustig die Sonnenkraft, um den joggenden Energie-Baron Rauch und seine Zuschauer gleichsam zu begeistern:

Was damals noch exotisch, wenn nicht gar futuristisch erschien, ist heutzutage für relativ kleines Geld bei jedem Elektronikhändler erhältlich: Solarmodule in allen Grössen, die aus Sonnenlicht Strom erzeugen. Auf unserem Balkon betreiben sie die abendliche Beleuchtung und einen Springbrunnen, während eine tragbare „Powerbank“ im Hosentaschenformat bei sonnigem Wetter einen endlos gefüllten Handy-Akku ermöglicht. Und auf dem Dach meines Elternhauses erzeugt ein richtiges kleines Photovoltaik-Kraftwerk seit vielen Jahren schon einen guten Teil des Stroms, den die zwei verbliebenen Hausbewohner verbrauchen. Ich mag mir vorstellen, dass Peter diese atemberaubende Entwicklung in den letzten 17 Jahren mit Begeisterung verfolgt hat – und weiter verfolgt hätte, wenn ihm mehr Zeit beschieden gewesen wäre.

In diesen 17 Jahren habe auch ich zahlreiche weitere Fragen und Antworten rund um die Photovoltaik gefunden und bin auf die Zukunft dieser Technik zur Nutzung der Sonne als schier unerschöpflicher Energiequelle nicht minder gespannt als damals.

Eines verrät Peter Lustig über seine solarbetriebenen Erfindungen allerdings nicht: Wie sie im Einzelnen funktionieren. Die spannenden Vorgänge, welche aus Sonnenenergie elektrischen Strom entstehen lassen, bilden jedoch die Grundlage für alle Gedanken um den Nutzen von Solarmodulen und Aussichten in die Zukunft. Deshalb erzählt dieser Artikel in erster Linie davon, wie Photovoltaik, die Gewinnung von Strom aus Sonnenlicht, im Einzelnen funktioniert und von den Stoffen, welche dafür verwendet werden. Nutzen und Gefahren für die Umwelt, welche diese Technik mit sich bringen, sollen dabei schliesslich nicht zu kurz kommen.

Wie entsteht in Solarzellen Strom?

Elektrischer Strom im Bändermodell

Elektrischer Strom ist ein Strom geladener Teilchen, im Hausgebrauch meist Elektronen, welcher durch ein leitendes Material strömt wie Wasser durch ein Flussbett. Strom erzeugen bedeutet also bewegliche Teilchen bereit zu stellen und sie an den Ort ihrer Bestimmung zu leiten.

Nun sind Elektronen für gewöhnlich fester Bestandteil von Atomen, die unsere Materie bilden. In Farben, Licht und Glanz – Warum die Welt uns bunt erscheint findet ihr die Beschreibung der Elektronenhülle einzelner Atome, in welcher die Elektronen wie auf Etagen eines Hochhauses ihre „Wohnungen“ bzw. Energieniveaus beziehen. Zwei Dinge habe ich dort jedoch verschwiegen, weil sie nicht für die Entstehung von Farben, aber umso mehr für die Entstehung von Strom von Belang sind.

  1. Wenn mehrere Atome zu einer Verbindung zusammenfinden, entsteht aus den einzelnen Elektronenhüllen-Häusern eine wahre Vielfalt von bezugsfertigen Energieniveaus – je mehr Atome beteiligt sind, desto mannigfaltiger geht es in der gemeinsamen Elektronenhülle zu. In besonders grossen Atom-Verbünden, wie den Metallen, aber auch in sogenannten Molekülkristallen wie einem Diamanten (ja, jeder Diamant ist ein einziges, riesengrosses Molekül!), kann man sich eine wahre Grossstadt aus Energieniveaus vorstellen.
  2. Wie eine Grossstadt mit ihren Stadtvierteln kann auch der bunte Haufen der Energieniveaus in Bereiche mit unterschiedlichen Eigenschaften eingeteilt werden. Die Chemiker nennen diese Bereiche „Bänder“ und sprechen vom Bändermodell, wenn sie damit die komplexen Verhältnisse in den Stoffen einfach beschreiben wollen.

Die unteren Geschosse einer Elektronenhüllen-Grossstadt werden darin zu einem Bereich zusammengefasst, in dem es gesittet zugeht, wie in der Geschichte zu den Farben beschrieben: Jedes Elektron hat seinen festen Platz in seinem Atom und kann mit Energiezufuhr allenfalls die Etage wechseln. Dieser Bereich wird „Valenzband“ genannt. In einem anderen Bereich werden die bezugsfertigen Energieniveaus jedoch so zahlreich und liegen so dicht beieinander und nebeneinander, dass Elektronen sich darin von einem Atom zum anderen bewegen können, wie durch eine mit Türen verbundene Zimmerflucht. Weil durch dieses Band demnach ein Strom fliessen kann, wird es „Leitungsband“ genannt.

Bändermodell : Leiter und Nichtleiter

Darstellung der Elektronenhülle von nichtleitenden und leitenden Stoffen im Bändermodell (nach: Energy Band Model (DE) by Cepheiden (Own work) [GFDL or CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons)

In den Stoffen, die aus Nichtmetallen bestehen – wie zum Beispiel Diamant, findet man das Leitungsband nun bei wesentlich höherer Energie als das Valenzband. Dazwischen liegt ein Bereich, in dem es keine besetzbaren Energieniveaus gibt – die sogenannte Bandlücke.  Die Elektronen solcher Stoffe besetzen allesamt Energieniveaus im Valenzband und haben unter normalen Umständen keine Möglichkeit, die Bandlücke zu überwinden und ins Leitungsband zu gelangen: Diamant und andere Nichtmetallverbindungen leiten keinen Strom – sie sind Nichtleiter.

In Metallen hingegen, die aus besonders dicht gepackten Atomen bestehen, sind die Energien von Valenz- und Leitungsband sich so ähnlich, dass sich die beiden Bänder mindestens teilweise überlappen, d.h. es gibt keine Bandlücke. So haben Elektronen im Valenzband gleichsam die Möglichkeit, sich entlang des Leitungsbandes durch das Metall zu bewegen: Metalle sind elektrische Leiter. Wenn man an ein Metall also eine Spannung – sprich einen Elektronenüberschuss an einem und einen Elektronenmangel am anderen Ende – anlegt, werden die beweglichen Elektronen ähnlich Wassermassen im Flussbett durch das Leitungsband geschoben.

Wie aus Licht Strom entstehen kann

Um jedoch aus Licht elektrischen Strom zu erzeugen, braucht man einen Stoff, dessen Bandlücke so schmal ist, dass Elektronen aus dem Valenzband sie durch Aufnahme von Lichtquanten (Photonen), überwinden und ins Leitungsband gelangen können. Solch ein Stoff wird Halbleiter genannt: Er leitet nur bei ausreichender Energiezufuhr Strom.

Halbleiter : Bändermodell

Darstellung der Elektronenhülle eines Halbleiters im Bändermodell: Durch Anregung, beispielsweise mittels Lichtenergie, können Elektronen (-) vom Valenz- ins Leitungsband wechseln. Die zurückbleibenden unbesetzten Stellen (Defektelektronen oder „Löcher“) können sich im Valenzband ebenso bewegen wie die Elektronen im Leitungsband. (nach: Energy Band Model (DE) by Cepheiden (Own work) [GFDL or CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons)

Wenn ein solcher Halbleiter erst einmal ins Leiten kommt, gelangen nicht nur Elektronen ins Leitungsband und werden dort beweglich, sondern auch die unbesetzt zurückbleibenden Energieniveaus im Valenzband ziehen die Elektronen der Nachbaratome gehörig an. Sobald ein Elektron dieser Anziehung nachgibt, hinterlässt es seinerseits ein anziehendes, unbesetztes Niveau ein Atom weiter. So können sich unbesetzte Niveaus, kurz „Löcher“, ebenso durch das Valenzband bewegen, wie die angeregten Elektronen durch das Leitungsband.

Der Trick, welcher die Stromerzeugung in Halbleitern ermöglicht, besteht darin, in das Netz der Halbleiteratome Fremdatome eines anderen Elements einzuschmuggeln, die etwas andere Energieniveaus als ihre Umgebung haben.  Solche „fremden“ Energieniveaus können innerhalb der Bandlücke des Halbleiters liegen und somit „Trittstufen“ für anzuregende Elektronen bilden. Das Einschmuggeln von Fremdatomen in Halbleiter nennt man Dotierung (englisch „doping“).

Liegen solche besetzten Energieniveaus im oberen Bereich der Bandlücke, also nahe dem Leitungsband, können die Elektronen daraus leicht ins Leitungsband übergehen – während das in der Bandlücke verbleibende Loch mangels Nachbarn unbeweglich bleibt. Da auf diese Weise mehr negativ geladene Elektronen als Löcher beweglich werden, spricht man von einer n-Dotierung.

Liegen unbesetzte fremde Energieniveaus hingegen im unteren Bereich der Bandlücke, nahe dem Valenzband, können Elektronen aus dem Valenzband leicht auf diese Niveaus angeregt werden, bleiben darin jedoch unbeweglich. Anders verhält es sich mit den so entstehenden Löchern, die gemeinsam mit allen „gewöhnlichen“ Löchern durch das Valenzband wandern können. Da ein Loch einer positiven Ladung entspricht, spricht man hier von einer p-Dotierung.

Halbleiter: n-Dotierung vs. p-Dotierung

Dotierung von Halbleitern: Durch das Einbringen von Fremdatomen in sonst gleichförmiges Halbleitermaterial entstehen zusätzliche Energieniveaus, die innerhalb der Bandlücke des ursprünglichen Halbleiters liegen. Ladungen, die darin zu liegen kommen, sind unbeweglich und können sich zu grossflächigen elektrischen Polen (–> Raumladungszone) aufsummieren. (nach: Energy Band Model (DE) by Cepheiden (Own work) [GFDL or CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons)

Legt man nun einen n-dotierten Halbleiter direkt auf einen p-dotierten Halbleiter, können die überschüssigen Elektronen aus dem n-Halbleiter ungehindert in den p-Halbleiter einwandern und dort Löcher füllen, ebenso wie überschüssige Löcher aus dem p-Halbleiter in den n-Halbleiter gelangen und gefüllt werden können. Die unbeweglichen Löcher und Elektronen innerhalb der Bandlücke, auch „Raumladungen“ genannt, bleiben jedoch wo sie sind. So entsteht auf der n-Seite alsbald ein Überschuss an unbeweglichen Löchern, also ein positiv geladener Bereich, während auf der p-Seite ein Überschuss an Elektronen entsteht, also ein negativ geladener Bereich – kurz gesagt: ein elektrischer Pluspol und ein elektrischer Minuspol wie in einer Batterie!

Alle weiteren beweglichen Ladungen, die innerhalb des Wirkungsbereichs dieser Pole – der Raumladungszone – entstehen oder durch Diffusion in diese hinein geraten, werden von den Polen angezogen und voneinander getrennt: Elektronen wandern in Richtung des Pluspols auf die n-Seite, Löcher in Richtung des Minuspols auf die p-Seite. Sind die Halbleiter, die solch eine Raumleitungszone teilen, Teil eines Stromkreises, können die sortierten Ladungen entlang dieses Kreises fliessen und genutzt werden.

Kurzum: Sonnenlicht-Quanten, die auf einen zweilagigen dotierten Halbleiter fallen können Elektronen über bzw. in die Bandlücke des Halbleitermaterials befördern und somit bewegliche Elektronen bzw. Löcher erzeugen. Wenn dabei eine Raumladungszone zwischen unterschiedlich geladenen, unbeweglichen Polen entsteht, können darin Elektronen und Löcher voneinander getrennt und genutzt werden. Der sonnenbeschienene Halbleiter wird damit zu einer schier endlos funktionierenden Batterie.

Welche Stoffe können das: Woraus bestehen Solarzellen?

Es wird euch wahrscheinlich wenig überraschen, dass unter den chemischen Elementen die Halbmetalle – jene Stoffe, die Eigenschaften von Metallen und Nichtmetallen in sich vereinen – auch als Halbleiter taugen. Denn die Anordnung ihres Valenz- und Leitungsbandes liegt irgendwo zwischen den typischen Anordnungen für Metalle und Nichtmetalle.

Halbmetalle

Halbmetalle: Die hier orange, gelb bzw. gelbgrün dargestellten Elemente haben (in mindestens einer ihrer Erscheinungsformen) teils Metall-, teils Nichtmetall-Eigenschaften. Dementsprechend weisen sie kleine Bandlücken auf, was sie zu Halbleitern macht.

Die meisten dieser Halbmetalle sind auf und in der Erde allerdings ziemlich selten zu finden. Die grosse Ausnahme bildet allerdings das Silicium: Dieser chemische Verwandte des Kohlenstoffs ist das dritthäufigste Element des Planeten Erde (nur Eisen und Sauerstoff sind häufiger). Es gibt kaum ein Gestein oder Sandkorn, das nicht Quarz – Siliciumdioxid – enthält, und die Silikate machen die mit Abstand grösste Gruppe unter den Mineralien aus. Gar 26% der Materie unserer Erdkruste setzen sich aus Silicium zusammen.

Da wundert es nicht, dass 92% der heute produzierten und verwendeten Solarzellen aus Silicium bestehen, denn anders als bei Elementen wie Gallium, Selen oder Tellur, die ebenfalls als Solarzellen-Material taugen, müssen wir uns nicht sorgen, dass das Silicium uns eines Tages ausgehen könnte.

Aus Quarzsand wird zunächst geschmolzenes Silicium gewonnen, welchem sehr kleine Mengen Bor (zur p-Dotierung) bzw. Phosphor (zur n-Dotierung) beigegeben. Aus der fertig aufbereiteten Schmelzen können somit bereits dotierte Silicium-Kristalle „gezüchtet“ werden. Diese Kristalle können in dünne Scheiben, sogenannte Wafer, gesägt werden, sodass möglichst viel Oberfläche dem Sonnenlicht ausgesetzt werden kann.

Elementares Silizium : (noch) Rohstoff Nr.1 für die Photovoltaik

Elementares Silicium: oben links: Polykristallines Silicium am Stück, unten links: polykristalliner Silicium-Wafer (Solarzellen erhalten ihre typische blaue Färbung erst durch eine Deckschicht), rechts: Silicium-Einkristall, der in monokristalline Wafer zersägt werden kann. (oben links und rechts: by Stahlkocher[GFDL or CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons, unten links: by Armin Kübelbeck (own wafer scanned on a Canon Pixma MP 800) [GFDL oder CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

Ein funktionierendes Solarmodul enthält neben solchen Wafern eine zusätzliche Kontaktschicht zur Abnahme des erzeugten Stroms, welche bei heute betriebenen Solarzellen meist aus teurem weil seltenem Silber besteht. Kupfer und Aluminium erfüllen jedoch den gleichen Zweck, sodass es nun an den Herstellern ist, diese günstigeren Materialien zum Einsatz zu bringen.

Wie effektiv ist die Stromgewinnung mit Solarzellen?

Wenn eine Energieform in eine andere umgewandelt wird, so erklärt es die Energie höchstselbst in ihrem Brief an die Menschheit, wird aus einem Teil der ursprünglichen Energie praktisch immer Wärme, ob man das nun will oder nicht. Der prozentuale Anteil der Sonnenenergie, welcher nicht in Wärme, sondern in die angestrebte elektrische Energie umgewandelt werden kann, wird deshalb als Wirkungsgrad einer Solaranlage bezeichnet. Da ist selbstredend, dass Solarzellenhersteller einen möglichst hohen Wirkungsgrad für ihre Module anstreben.

Deswegen werden Solarzellen in verschiedenen Bauweisen entwickelt und hergestellt:

Wer sich die Mühe macht grosse Silicium-Einkristalle zu züchten und daraus Wafer zu schneiden, kann daraus monokristalline Zellen herstellen, die einen Wirkungsgrad von über 20% erreichen können. Das bedeutet, nur 20% der eingefangenen Sonnenenergie wird zu Strom, die übrigen 80% gehen als Wärme verloren.

Preiswerter sind polykristalline Zellen, die aus einem Verbund vieler Siliciumkristalle gesägt werden. Solche sind an ihrer an Eisblumen erinnernde Oberflächenstruktur gut zu erkennen. Sie erreichen jedoch nur einen Wirkungsgrad von 16-18,6%.

Darüber hinaus gibt es sogenannte Dünnschicht-Zellen, die durch Aufdampfen von Siliciumatomen auf eine Trägerfläche geschaffen werden. Solche Zellen finden vornehmlich in Kleinstgeräten, wie z.B. einem Solartaschenrechner, Verwendung. Denn solchen genügt ihr vergleichsweise geringer Wirkungsgrad von 5-7% bis 15% je nach Bauweise.

Eine Alternative zum Silicium stellen Module aus Cadmiumtellurid dar. Diese sind jedoch wegen ihres Gehalts an dem giftigen Schwermetall Cadmium umstritten und haben einen Wirkungsgrad von nur mehr 10%. Aus diesen Gründen werden solche Module in der Schweiz gar nicht erst eingesetzt.

Den wohl höchsten Wirkungsgrad haben aktuell aber wohl Galliumarsenid-Module mit bis zu 41,1%. Da ihre Hauptbestandteile Gallium und Arsen aber relativ selten vorkommen und letzteres zudem giftig ist, sind Module dieser Bauart nicht für den Alltagseinsatz geeignet. In der Raumfahrt hingegen, wo jedes Gramm an zu transportierendem Material Unsummen kostet, ist Galliumarsenid das Material der Wahl für die Solarmodule von Satelliten und Raumfahrzeugen.

Inwiefern belastet die Herstellung  von Solarmodulen die Umwelt?

Der Schmelzpunkt von Silicium liegt bei 1414°C, sodass zur Gewinnung von geschmolzenem Silicium Quarzsand mit Kohle im Lichtbogenofen auf Temperaturen darüber erhitzt werden muss. Um das so entstehende Rohsilicium zu reinigen, wird es bei 300°C mit Chlorwasserstoff (HCl) zu Trichlorsilan (auch bekannt als Silicochloroform oder TCS) (SiHCl3) umgesetzt.

Entstehung_TCS

Trichlorsilan wird schon ab 32°C gasförmig, sodass es sich leicht von den Chlorverbindungen von Verunreinigungen, die allesamt einen viel höheren Siedepunkt haben, trennen lässt. An glühenden Stäben aus reinstem Silicium kann aus dem Trichlorsilan das elementare Silicium wieder zurückgewonnen werden.

Abbau_TCS

Wer aus dem so entstehenden polykristallinen Silicium grosse Einkristalle für monokristalline Wafer gewinnen möchte, muss das Silicium noch einmal schmelzen um daraus die gewünschten Kristalle wachsen zu lassen.

Lohnt sich dieser Energieaufwand?

Die Herstellung von Silicium-Wafern verschlingt also eine ganze Menge Energie in Form von elektrischem Strom, mit welchem die verschiedenen Heizöfen und Maschinen betrieben werden. Da es sich empfiehlt für die Herstellung „umweltfreundlicher“ Solarzellen erneuerbare Energien zu verwenden, waren wasserkraftreiche Länder wie Norwegen und Brasilien lange Zeit führend in der Produktion von Rohsilicium, während heute China ganz vorne mit dabei ist.

Das Ergebnis ist jedoch die Mühe wert: Ein modernes Solarmodul braucht zwar circa zwei Jahre, um den für seine Herstellung verbrauchten Strom neu zu gewinnen, kann jedoch (von den Herstellern garantiert!) 20 bis 30 Jahre lang arbeiten. Damit können Solarmodule mindestens 10 mal mehr Strom erzeugen, als ihre Herstellung kostet!

Hinzu kommt, dass reines Silicium nicht nur für Solarmodule, sondern auch für Halbleiterbausteine in Computern gebraucht wird. Der ganze Aufwand lohnt sich also gleich doppelt. Und dazu muss dieses Silicium noch um ein Vielfaches reiner sein als das Solar-Silicium. Was also den hohen Ansprüchen der Chip-Hersteller nicht genügt, kann gut und gerne zur Herstellung von Solarzellen verwendet werden, ehe es auf dem Abfall landet.

Wie giftig ist die ganze Chemie dahinter?

Silicium selbst ist ein lebenswichtiges Spurenelement, das in fast allen Lebewesen einschliesslich des Menschen vorhanden ist. Sowohl elementares Silicium als auch Quarz, Kieselsäure und ihre Salze, die Silicate, sind somit fast völlig ungiftig.

Das bei der Gewinnung des Reinstsilicium zwischenzeitlich entstehende Trichlorsilan ist ebenfalls ungiftig, bezogen auf die Fähigkeit von Giften sich in Organismen oder der Umwelt anzureichern und Langzeitschäden zu verursachen. Dafür ist es äusserst hoch entzündlich und wirkt, ebenso wie Chlorwasserstoff, der mit Wasser Salzsäure bildet, stark ätzend. So müssen in Anlagen, die mit Trichlorsilan arbeiten, entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Sind diese gegeben, ist der Umgang mit diesen Stoffen weitgehend sicher. Vor allem aber entstehen dabei keinerlei giftige Abfälle, wie sie beispielweise die Crux der Kernkraft sind!

Beim Einbau der Silicium-Bauteile in Solarmodule kamen bis in die jüngste Vergangenheit Silber und kleinere Mengen Blei zum Einsatz. Diese beiden Schwermetalle können inzwischen jedoch durch preiswerteres und unproblematischeres Kupfer bzw. Aluminium ersetzt werden.

Die Glasscheiben, die schlussendlich die Solarzellen vor Umwelteinflüssen schützen sollen, dürfen nach Möglichkeit kein Licht über den sichtbaren Bereich hinaus absorbieren (in Wie du dank UV-Filtern deine Ferien geniessen kannst könnt ihr nachlesen, dass „normales“ Glas durchaus nicht alles Licht durchlässt), sodass möglichst alles Licht die eigentlichen Solarzellen erreichen kann. Deshalb enthalten manche Solarzellen-Gläser das Halbmetall Antimon (Formelzeichen Sb), welches dem Glas die gewünschte Durchlässigkeit verleiht, wegen seiner chemischen Verwandtschaft zum Arsen aber nicht ganz unumstritten ist. Aus dem Glas austreten kann das Antimon aber nicht so leicht. Anfassen ist also durchaus erlaubt und ungefährlich. Erst wenn Solar-Gläser auf Deponien herumliegen, kann mit der Zeit Antimon ins Grundwasser gelangen.

Was wir tun können: Recycling

Der genannten Schwermetalle wegen und weil sich Solar-Silicium durchaus wiederverwenden lässt, sind Rücknahme und Recycling von Solarmodulen in der europäischen Union mittlerweile gesetzlich vorgeschrieben. Demnach sind Hersteller von Solarmodulen verpflichtet, mindestens 85% ihrer Module zurückzunehmen und zu recyceln. Auch die Schweiz orientiert sich an der WEEE-Direktive der EU. Hier organisiert die Stiftung SENS als Partner des europäischen Verbandes PV Cycle die Rücknahme der Photovoltaik-Module.

Für uns heisst das: Defekte Solarzellen bzw. Photovoltaik-Module gehören, ähnlich wie Elektronik-Schrott, an die dafür vorgesehenen Sammelstellen zurückgebracht!

Wie das Recycling im Einzelnen funktioniert, könnt ihr auf SolarContact nachlesen.

Zu guter Letzt: Wie sehr dient die Nutzung der Sonnenkraft dem Klimaschutz?

Besonders verlockend ist an der Photovoltaik, wie schon Peter Lustig wusste, dass die Gewinnung von Strom aus Sonnenstrahlen, die auf eine Halbmetallplatte fallen, so vollkommen ohne Erzeugung von ungeliebten Abgasen vonstattengeht. Tatsächlich muss aber auch jener „Dreck“ mit eingerechnet werden, welcher bei der Herstellung der Solarmodule anfällt.

Zu diesem Zweck wird für die verschiedenen Kraftwerkstypen der Ausstoss von CO2-Äquivalenten berechnet, der einen direkten Vergleich zwischen verschiedenen Wegen der Energiegewinnung möglich macht.

Nach dieser Rechnung wurden früher – wohl zu Peter Lustigs Zeiten – für eine Kilowattstunde (kWh) Photovoltaik-Strom 97g des Treibhausgases CO2 freigesetzt. Mit den heutigen Modulen kommt man hingegen nur mehr auf 42g CO2 je kWh.

Im Vergleich dazu erzeugt ein Gaskraftwerk 452g CO2 pro kWh, während ein Braunkohlekraftwerk sage und schreibe 1347g CO2 pro kWh in die Luft schleudert! Ähnlich „sauber“ wie Photovoltaik-Strom sind damit allenfalls der Strom aus Wind- und Wasserkraft sowie der Atomstrom (welcher jedoch mit den bekannten Umweltrisiken behaftet ist).

Im Mittel werden für den in Europa erzeugten und genutzten Strom zur Zeit 552g CO2 pro kWh freigesetzt. Da ist also noch einiges an Verbesserung durch die vermehrte Nutzung von Sonnenkraft, aber auch jener von Wind und Wasser, vorhanden!

Diese Zahlen und viele weitere interessante Fakten rund um Solarmodule hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) zum Nachlesen zusammengetragen.

Hier heisst es bis zur nächsten Geschichte jedoch erstmal „Abschalten“ – oder eure Gedanken in einen Kommentar fassen, zum Beispiel zu:

Welche Rolle spielen Photovoltaik bzw. Solarzellen in eurem Alltag?

1 reply
  1. Sven Bucher
    Sven Bucher says:

    Ich finde Ihre Herangehensweise aus wissenschftlicher Sicht der Chemie wirklich lohnenswert. Wie Sie bereits anführen, werden Kohle und Quarzsand im Elektrolichtbogenofen auf Temperatur gebracht. Übrigens nutzt man zum Recyclen von Stahlschrott aber bestimmt auch für Elektroschrott wie die Materialien einer Solaranlage einen Elektrolichtbogenofen. Ich denke, dass die gesamte Wertschöpfungskette noch optimiert werden kann. Vielen Dank für Ihren Beitrag!

    Antworten

Leave a Reply

Want to join the discussion?
Feel free to contribute!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert