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Experiment: Gips für alle Sinne

In der Alltagskiste hat kürzlich eine Leserin die Frage gestellt, warum Gips sich nur einmal verwenden lässt. Die Antwort: Gips härtet aus, indem die winzigen Kristalle im Gipspulver Wasser aufnehmen und – weil sich ihr innerer Aufbau dabei ändert – zu einem dichten Gestrüpp verwachsen. Und wenn einmal Wasser drin ist, kann nicht noch mehr davon eingebaut werden.

Darüber zu lesen ist eine Sache, diese Chemie mit allen Sinnen zu erleben – und vielleicht sogar selbst Gips zu recyceln – ist eine ganz andere. Deshalb habe ich mich in den Baumarkt aufgemacht und Gips gesucht, um das Ganze auszutesten. Was dabei herauskommt und wie ihr die spannenden Eigenschaften dieses Werkstoffs selbst erforschen könnt, verrate ich euch hier.

Das richtige Ausgangsmaterial

Gipspulver besteht aus Calciumsulfat mit ein wenig Kristallwasser (CaSO4*1/2 H2O), d.h. aus gebranntem Gips. Das Aushärten und anschliessende Recycling funktioniert nur mit diesem Stoff, weshalb ihr unbedingt darauf achten solltet, dass euer Gipspulver wirklich aus gebranntem Gips besteht. In der Bastelabteilung meines Schweizer Baumarkts im Dorf habe ich nämlich verschiedene Kunststoff-Zubereitungen mit ähnlichen Eigenschaften gefunden – aber keinen Gips.

In der Männer-Domäne hatte ich dann mehr Glück: Dort gibt es die klassische Fugen-Spachtelmasse „auf Naturgips-Basis“ der auch in Deutschland bekannten Firma Molto (und nein, das ist keine Schleichwerbung – Moltofill-Pulver kam dem blossen Calciumsulfat am nächsten, ist in handlich kleinen Mengen erhältlich und erst noch günstiger als die Produkte in der Bastel-Abteilung), für das ich mich aus genannten Gründen entschieden habe.

Was ihr sonst noch braucht

  • Drei Einweg-Behälter zum Ansetzen der Gipsmischung: Zwei davon werdet ihr nach dem Experiment nicht mehr reinigen können, mindestens einen müsst ihr schlimmstenfalls zerstören. Ich habe deshalb saubere Joghurt-Becher verwendet
  • Einen Holzstab oder ähnliches zum Umrühren
  • Wasser aus der Leitung
  • Zeitungspapier oder eine ähnliche Unterlage, um euren Arbeitsplatz zu schonen
  • Einen Hammer und ggfs. Mörser und Stössel
  • Schutzbrillen
  • Eine Alu-Schale oder ein ähnlich ofenfestes Behältnis, das nicht (mehr) zum Kochen Verwendung findet
  • Einen Backofen, bestenfalls mit Umluft-Beheizung

Gips ansetzen

Die Anleitung auf der Packung ist einfach: Gebt einen Teil Wasser in einen Joghurt-Becher und zwei Teile Gips-Pulver dazu. Rührt das Ganze um, bis sich eine gleichmässig matschige Pampe bildet (der Hersteller hat mit Zusätzen dafür gesorgt, dass die Masse beim Umrühren nicht sofort aushärtet). Wartet nun mindestens eine Stunde und beobachtet die Gipsmasse.

Wenn ihr währenddessen den Becher mit der Gipsmasse in die Hand nehmt und vorsichtig drückt, könnt ihr feststellen: Die Masse wird hart und dabei deutlich warm (keine Angst: nicht heiss): Beim Einbau des Wassers in die Gips-Kristalle wird nämlich Energie in Form von Wärme frei!

Da die Natur bequem ist und alle Dinge einen möglichst energiearmen Zustand bevorzugen, laufen Vorgänge, bei welchen Energie frei wird, von selbst ab – so auch das Aushärten von Gips.

Lasst den Gips nun einige Stunden abkühlen und weiter aushärten. Holt den festen Gipsblock dann (z.B. am nächsten Tag) aus dem Behälter (vielleicht müsst ihr den Joghurtbecher dazu zerschneiden: Der Gips wird beim Aushärten auch ein wenig grösser, sodass er ziemlich fest im Becher sitzen kann). Lagert ihn ein paar Tage an einem warmen, trockenen Ort an der Luft, bis er wirklich hart und nicht mehr feucht ist.

Vorbereitung zum Recycling

Stellt die Alu-Schale auf einen harten Boden (ich habe den nackten Boden meines Balkons gewählt, der durch Hammerschläge keinen Schaden nimmt) und legt euren Gipsblock hinein. Zieht nun unbedingt eine Schutzbrille an! Dann zerkleinert ihr den Block, indem ihr mit dem Hammer darauf schlagt.

Gips zertrümmert in Aluschale

Ihr werdet feststellen: Die feste Gipsmasse ist wirklich sehr hart! Die Sache erfordert daher Geduld und Ausdauer, aber schlagt den Gips sorgfältig in kleine Stücke. Geht dabei behutsam vor, damit nicht alles herumspritzt und die Nachbarn vom Lärm nicht wahnsinnig werden. Anschliessend könnt ihr den Gipsgries in einem Mörser zu Pulver zerreiben.

Gipsgries und Mörser mit Stössel

Es ist atemberaubend (im wahrsten Sinne des Wortes!), wie aus dem ursprünglichen Gipspulver ein derart hartes, steinähnliches Material geworden ist – und das nur durch etwas Wasser!

Für alle Skeptiker: Die Gegenprobe

Nehmt einen kleinen Teil des Pulvers, das ihr aus dem gehärteten Gips hergestellt habt und vermengt ihn in einem neuen Joghurtbecher mit etwas Wasser, bis wieder eine weiche Pampe entsteht – und lasst sie eine Weile stehen. Dieses Mal wird der Gips nicht aushärten.

Gips brennen

Verteilt das übrige Pulver in der Aluschale und platziert diese im Backofen. Stellt die Temperatur auf 150°C und wählt, wenn vorhanden, einen Betriebsmodus mit Umluft (Heissluft). Ich habe den Pizza-Modus verwendet, in welchem neben dem Umluftgebläse auch Unterhitze zum Einsatz kommt. Die bewegte Luft im Umluft-Modus trägt das verdampfende Wasser zügig vom Gipspulver fort, sodass der Gips zügig „trocknen“ kann.

Nachdem bei der Aufnahme des Wassers in den Gips Wärme frei geworden ist, verlassen die Wasserteilchen die Kristalle nicht mehr so ohne Weiteres. Ihr müsst Energie aufwenden, um  – dem Lauf der Natur entgegengesetzt – aus dem „bequemen“, energiearmen Gips mit viel Wasser einen energiereicheren Gips mit wenig Kristall-Wasser zu machen. Der Ofen liefert diese Energie in Form von Wärme.

Schaltet den Ofen nach mindestens 90 Minuten ab und lasst das Pulver an einem trockenen Ort abkühlen.

Der grosse Augenblick: Den selbstgebrannten Gips neu ansetzen

Gebt euer Pulver wie anfangs beschrieben in den dritten Joghurt-Becher. Auch hier gilt: Auf einen Teil Wasser kommen zwei Teile Gips. Beobachtet die so entstehende Masse. Härtet sie aus? Wird sie genauso warm wie die originale Spachtelmasse?

Gips ansetzen im Joghurtbecher

Ich habe meinen Becher in der Hand gehalten, während ich mein selbstgebranntes Gipspulver mit kaltem Wasser vermischt habe. Das Gemisch ist sofort warm geworden! Das heisst: Der Gips hat Wasser aufgenommen! Wie erwartet ist er in der folgenden Stunde hart geworden – nicht so steinhart wie das originale Moltofill,  aber eindeutig fest. In den nächsten Tagen muss meine Probe noch vollständig durchtrocknen. Sobald das geschehen ist, gibt es hier noch ein Update zur endgültigen Härte der recycelten Gipsmasse.

In jedem Fall könnt ihr damit beweisen: Gips kann wirklich mehr als einmal härten – wenn man sich die Mühe macht und ihm die dazu nötige Energie wiedergibt!

Und wie funktioniert das Recyceln von Gips bei euch?

Hast du das Experiment nachgemacht: 

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Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!

Salz : Würzmittel in vielerlei Gestalt

Warum sagt man, dass Salz nicht gesund ist, wenn man es im Nachhinein zum Nachsalzen am Tisch verwendet? Also man sollte es beim Kochen verwenden? So lautet die Leserfrage, die es heute in die Alltagskiste geschafft hat.

Was ist Salz?

Für das Salz in unserer Suppe kennen wir viele Namen: Kochsalz, Speisesalz, Tafelsalz, Steinsalz, Meersalz, Natursalz,… Hinter allen verbirgt sich am Ende ein Stoff – Natriumchlorid – ein wasserlöslicher Kristall aus Natrium- (Na+) und Chlorid- (Cl) Ionen.

Diese Ionen finden sich in grosser Anzahl in den Meeren oder als Mineral „Halit“ bzw. „Steinsalz“ in der Erdkruste. Wenn man Meerwasser verdunsten lässt oder eindampft, formen die Ionen feste Salzkristalle. Dabei werden jedoch auch „fremde“ Ionen in den Kristall eingebaut, wie sie gerade daher kommen, sodass unbehandeltes Meersalz neben Natrium und Chlorid auch Ionen von Kalium, Magnesium und vielen anderen – theoretisch auch weniger erwünschten – Stoffen enthält. Das Gleiche gilt für Steinsalz-Kristalle aus den Tiefen der Erde: Solche sind nicht selten farbig, was auf Fremd-Ionen hindeutet. Denn reines Natriumchlorid ist farblos bzw. weiss.

Salz - Kristall : Zu weiss für "echtes" Steinsalz

Ein Salzkristall – in etwa so gross wie ein Tischtennisball – aus Natriumchlorid ohne farbgebende Verunreinigungen

Bei der Herstellung von Speise- oder Tafelsalz, wie wir es im Supermarkt finden, werden diese Fremdionen grösstenteils entfernt – solches Speisesalz ist folglich weiss. Dafür werden diesem Salz oft jodhaltige (Iodat, IO3) und manchmal auch Fluorid (F)-Ionen zugegeben. So soll die Versorgung der Bevölkerung mit dem seltenen Spurenelement Jod sichergestellt und ausserdem ein Beitrag zur Karies-Vorbeugung geleistet werden (wie Fluorid das schafft, weiss mein Zahn 16).

Wozu braucht der menschliche Körper Salz?

Natrium- und Chloridionen haben in unserem Körper viele Aufgaben: Nervensignal-Weiterleitung, Knochenaufbau, die Bildung von Magensäure (die enthält Salzsäure, „HCl“ bzw. H+ + Cl !), … am augenscheinlichsten ist aber die Rolle der Ionen im Flüssigkeitshaushalt:

Salz löst sich in Wasser. Wenn man eine konzentrierte und eine dünne Salzlösung so verbindet, dass nur Wasser ausgetauscht werden kann, aber keine Ionen, wandern die Wasserteilchen aus der dünnen in die konzentrierte Lösung, bis sich die Konzentrationen angeglichen haben. Dieses Phänomen wird Osmose genannt – und du kannst es mit Hilfe eines Hühnereis ganz einfach beobachten! Zell-und-Blutgefässwände sind in dieser Weise (fast) nur wasserdurchlässig. So kann die Verteilung des Wassers im Körper über die Zufuhr oder Wegnahme von Natrium- und Chlorid-Ionen in den verschiedenen Bereichen gesteuert werden.

Was passiert, wenn zu viel Salz im Körper ist?

Wenn viel Salz in der Blutbahn ist, strömt das Wasser aus den Zellen in die Blutbahn: Das Volumen der Zellen nimmt ab, während das Blutvolumen zunimmt. Das alarmiert die Nieren, die daraufhin eifrig Salz und Wasser ausscheiden, um den Überschuss loszuwerden. Wir müssen aufs WC – und der Wasserverlust beschert uns Durst. So zumindest die althergebrachte Theorie. Neue Untersuchungen haben jedoch ein bislang nicht beachtetes Detail zu Tage gefördert: Die Entsorgung des vielen Salzes über die Nieren kostet eine Menge Energie – und Energieverbrauch beschert dem Körper vor allem Hunger.

Das eigentliche Problem sind allerdings die prall gefüllten Blutgefässe. Ein dauerhaft erhöhtes Blutvolumen kann nämlich Bluthochdruck nach sich ziehen. Um die schwellenden Gefässe im Zaum zu halten, werden die Gefässwände straff, sodass sich durch Salz im Blut angezogene Wasserteilchen in gleichbleibend engen Gefässen drängen: Der Druck steigt an. Und Bluthochdruck kann wiederum das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen.

Neue Untersuchungen weisen allerdings darauf hin, dass viel Salz im Körper die straffen Gefässe nicht direkt verursacht, sondern vor allem dann zum Problem wird, wenn die Straffung aus anderen Gründen schon vorhanden ist. Ausserdem fällt der Effekt von viel Salz in der Nahrung auf den Blutdruck laut jüngerer Studien, vor allem im Vergleich zu anderen „ungesunden“ Einflüssen, ziemlich gering aus.

Was bewirkt zu wenig Salz?

Wenn sehr wenig Salz in der Blutbahn ist, wandert Wasser aus den Gefässen in die „salzigeren“ Zellen. In der Annahme, dass die Gefässe zu viel Wasser (anstatt zu wenig Salz) enthalten, scheiden die Nieren überdies (fast) nur Wasser aus. Das Signal „zu viel Wasser“ hat ausserdem zur Folge, dass der Mensch keinen Durst empfindet, obwohl er Wassermangel erleidet.

Um so erstaunlicher sind die jüngsten Ergebnisse, die darauf hinweisen, dass auch ein Salzmangel Herz-Kreislauf-Krankheiten begünstigen könnte. Eine Bestätigung dieser Ergebnisse und die Durchleuchtung der Hintergründe stehen allerdings noch aus. In der Salzforschung bleibt somit noch jede Menge zu tun.

Wieviel Salz braucht der menschliche Körper nun?

Ein erwachsener Mensch enthält etwa 150-300 Gramm Salz. Davon gehen täglich 3 bis 5 Gramm (in Extremfällen, wie starkem Schwitzen, Fieber, Stillen,… bis 20 Gramm) verloren, die ersetzt werden wollen.

Die WHO empfiehlt deshalb: bis 5 Gramm täglich – um eine Unterversorgung zu vermeiden, sollten es aber mindestens 2 Gramm täglich sein.

5 Gramm Kochsalz

5 Gramm Salz: So viel sollte ein erwachsener Mensch täglich zu sich nehmen. Die 1-Franken-Münze hat in etwa den gleichen Durchmesser wie eine 1-Euro-Münze.

Letztlich ist aber jeder Mensch anders, sodass die einen je nach äusseren und inneren Umständen mehr, die anderen weniger Salz vertragen. Wirklich einheitliche Vorgaben kann es daher gar nicht geben – jeder muss seine passende Salzmenge finden.

Eines gilt jedoch für jeden Menschen: In extrem grossen Mengen ist Salz wegen seiner Wirkung auf den Wasserhaushalt akut giftig!

Wie nehmen wir Salz auf?

Indem wir es essen (und trinken). Einige Grund- (z.B. Käse, Brot) und viele Fertignahrungsmittel enthalten beträchtliche Mengen Salz. Dazu kommt die Würze beim Kochen und das Nachwürzen bei Tisch (nicht vergessen: Auch Fertig-Würzmischungen enthalten Salz!). In Deutschland nehmen Menschen im Schnitt bis 10 Gramm Salz am Tag zu sich. Das ist das Doppelte dessen, was das Bild auf der Waage zeigt!

Salzen beim Kochen oder bei Tisch?

Das abgewogene Salz auf dem Bild zeigt es deutlich: Im Vergleich zum „versteckten“ Salz in Fertig-Produkten fällt das Würzen in der Regel kaum ins Gewicht, sodass die Frage, ob besser beim Kochen oder am Tisch gesalzen wird, eigentlich obsolet ist.

Warum trotzdem gesagt wird, Salzen am Tisch sei ungesünder? Beim Kochen lässt sich das Salz effektiver einsetzen: Es wird mit dem jeweiligen Gericht vermengt und löst sich in der Regel darin auf. Wenn der Koch dabei gut abschmeckt, bringt er dabei eben so viel Salz zum Einsatz, wie nötig ist, um dem Essen Geschmack zu verleihen. Besonders deutlich wird das, wenn statt dem Essen das Kochwasser gesalzen wird: Pasta oder Eier nehmen beim Kochen einen Teil des Salzes im Wasser auf (auch das ist eine Folge von Osmose) und erhalten so einen dezent herzhaften Geschmack.

Wer ein Ei mit ungesalzenem Wasser kocht und am Tisch nachsalzt, streut das Salz obenauf, isst dann die gesamte Menge mit – und bestreut anschliessend die zweite, immernoch ungewürzte Hälfte des Eis noch einmal mit Salz. Dabei kommt sehr wahrscheinlich mehr zusammen als beim Kochen in gesalzenem Wasser.

Ich selbst salze beim Kochen eher zurückhaltend, denn mein Mann und ich bevorzugen unterschiedlich viel Salz. So kann er am Tisch notfalls nachsalzen – während ich das Salz, was mir zu viel ist, schlecht entfernen kann.

Wie kann man Salz sparen?

Wer wirklich Salz sparen will, bereitet sein Essen folglich am besten aus Grundnahrungsmitteln selbst zu, anstatt auf Fertig-Produkte zurückzugreifen, und salzt dabei dezent (unterschiedlich salzempfindliche Familienmitglieder werden es danken!) – ohne darauf ganz zu verzichten. Und bei Klagen wegen fadem Geschmack: Es gibt viele andere Aromen, die das Essen interessant machen – und die mit weniger Salz mehr Würdigung erfahren können.

Im Übrigen sind Natur- und Spezialsalze nicht „gesünder“ als raffinierte Salze – Salz ist Salz und Osmose ist Osmose. Natursalze enthalten allenfalls ein breiteres Spektrum bzw. eine grössere Menge an Spurenelementen, die dabei helfen können, den Bedarf des Körpers an solchen zu decken. An der Wirkung des Salzes selbst – ob die nun gesund oder ungesund ist – ändert seine Herkunft jedoch nichts.

Und wie handhabt ihr das Salzen eures Essens?

Slime ? Wie du ihn wirklich herstellst

Was passt besser zu Halloween als schaurig-schlabbriger Slime? Und am besten noch selbstgemacht? Dieser Gedanke liess mich in den letzten Tagen nicht los, sodass ich mich auf die Suche nach Anregungen für die Slime-Herstellung aus Haushaltszubehör gemacht.

Dabei habe ich festgestellt: Ich bin bei weitem nicht die Einzige, die auf solch eine Idee gekommen ist. Vielmehr wird das Netz von verschiedenen Slime-Rezepten und DIY-Videos geradezu überflutet. Und da jetzt noch ein Slime-Rezept auf den Markt werfen? Das erschien mir nicht gerade sinnvoll.

Allerdings fiel mir, vor allem in den Kommentaren auf Youtube und Co, noch etwas anderes auf: Viele der vorgestellten Slime-Rezepturen scheinen unter realen Bedingungen gar nicht zu funktionieren. Warum das so ist? Weil in der Regel weder die Blog-Autoren oder Video-Produzenten noch ihre Leser, die die Rezepte nachmachen, wissen, wie der spassige Schleim funktioniert. Chemisch gesehen. Wer das nämlich weiss, kann schon vor dem Ausprobieren abschätzen, was überhaupt nicht funktionieren kann.

Deswegen zeige ich euch heute, was Slime eigentlich ist und wie er entsteht – oder eben nicht. Ausserdem gebe ich euch solche Rezepte weiter, die wirklich funktionieren können. So könnt ihr euch möglichst frustfrei an die Herstellung von fantastisch gruseligem Schleim wagen!

Das Grundprinzip: Von der Flüssigkeit zum Slime

Schon vor zwei Wochen habe ich euch mit einem Experiment gezeigt, dass Flüssigkeiten aus vielen, vielen winzigkleinen Teilchen bestehen, die sich zwar dicht zusammenrotten, aber frei gegeneinander beweglich sind. Dieser Umstand ermöglicht es einer Flüssigkeit, sich der Schwerkraft folgend in einem Gefäss so auszubreiten, dass sie den Hohlraum darin ganz und vollkommen ausfüllt.

In dünnflüssigen Flüssigkeiten sind die Teilchen in der Regel klein und rollen ziemlich ungehindert aneinander vorbei. Manche Flüssigkeiten enthalten dagegen grössere Teilchen, meistens lange „Würmer“ aus einer Kette von Atomen. Solche Flüssigkeiten sind oft zähflüssig, denn die „Würmer“ verschlingen sich miteinander oder mit anderen Teilchen. Und wie bei einem Wollfaden-Salat wird ihre Bewegungsfreiheit dadurch eingeschränkt. So brauchen zähe Flüssigkeiten – wie zum Beispiel Speiseöl, Flüssigseife oder Klebstoff – länger, um sich in einem Gefäss vollständig zu verteilen.

Ein guter Slime ist dagegen schwabbelig, lässt sich kneten, formen und reissen, und haftet im Idealfall leicht an Oberflächen und Fingern, ohne sich dabei aufzulösen und Reste zu hinterlassen. In keinem Fall sollte er einfach zerlaufen!

Damit ist ein guter Slime keine wirkliche Flüssigkeit. Ein echter Feststoff ist er allerdings auch nicht – sondern etwas dazwischen. Tatsächlich besteht Slime teils aus fest miteinander verbundenen Teilchen, teils aus Teilchen im „flüssigen“ Zustand, die in einem Netzwerk aus den fest verbundenen Teilchen eingeschlossen sind. Ein solches Teilchengemisch nennt man landläufig ein „Gel“.

Aus welchen Stoffen kann man Slime herstellen?

Um die Zutaten für das Gel – also den Schleim – ordentlich miteinander mischen zu können, verwendet man dazu Flüssigkeiten und ggfs. Pulver. Ausgangstoff ist deshalb normalerweise eine Flüssigkeit (bzw. ein Flüssigkeitsgemisch), welches lange „Würmer“-Teilchen enthält. Dazu kommt ein Stoff, der mit diesen „Würmern“ reagieren und sie dabei zu einem Netz verknüpfen kann. Da das Ausgangs-Flüssigkeits-Gemisch in der Regel auch Wasser enthält, ist für kleine Flüssigkeitsteilchen zum Einschliessen ebenfalls gesorgt.

Das „Original“ aus den USA

Der Slime-Trend ist einmal mehr aus den USA über den grossen Teich zu uns geschwappt. Dort drüben ist es nämlich ziemlich einfach, die idealen Zutaten für DIY-Slime zu bekommen. Hier in der Schweiz bekommt man sie in Reinform allenfalls noch im Schullabor zu fassen – in den EU-Ländern sollte auch das heute nicht mehr möglich sein.

Rezept für DIY-Slime im Schullabor

Du brauchst:
– Polyvinylalkohol (PVA, PVAL), ein Feststoff aus Molekül-„Würmern“, der sich in heissem Wasser lösen lässt
– Borax (Natriumtetraborat), ein wasserlösliches Pulver

2g Polyvinylalkohol werden in 48ml heissem (90°C) Wasser, 2,5g Borax in 50ml lauwarmem Wasser gelöst. Beide Lösungen werden zusammengegeben und verrührt, bis ein Gel mit den gewünschten Eigenschaften entsteht – der Slime! (Eine ausführlichere Anleitung gibt es hier.)

Warum man Borax nicht mehr findet

Das Problem dabei: Borax und andere Verwandte der Borsäure können nach neuesten Forschungsergebnissen Ungeborene im Mutterleib schädigen und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. Deshalb werden sie in den EU-Staaten (Deutschland und Österreich) nicht mehr an jedermann verkauft und aus den Schullabors verbannt.

Wenn du in der Schweiz, den USA oder anderen Ländern die Gelegenheit hast, im Labor mit Borax zu arbeiten, achte darauf, das Pulver nicht einzuatmen oder gar zu verschlucken. Wenn du ganz sicher gehen willst, trage Einmal-Handschuhe aus Nitril-Kautschuk (die blauen), um deine Hände zu schützen.

Was passiert bei der Reaktion?

Die „Würmer“-Moleküle des Polyvinylalkohols sehen so aus:

Strukturformel Polyvinylalkohol

 Das Bild zeigt einen Ausschnitt aus seiner sehr langen Kette aus Kohlenstoffatomen. An jedem „Glied“ dieser Kette sitzt noch ein Pärchen aus Sauerstoff und Wasserstoff. Diese OH-Gruppe ist kennzeichnend für einen Alkohol und kann mit anderen Stoffen reagieren.

Wenn man Borax in Wasser auflöst, entsteht daraus Borsäure, die zu ganz besonderen Teilchen weiterreagiert:

Strukturformel Tetrahydroxyborat

 Diese Teilchen (sie heissen Tetrahydroxyborat) können nun mit den PVA-Würmern reagieren:

Slime - Entstehung: Polykondensation von PVA mit Tetrahydroxyborat

 Dabei vereinigen sich die OH-Gruppen beider Teilchen zu festen Verbindungen, sodass die Borat-Anionen wie doppelköpfige Wäscheklammern zwischen den Würmern hängen und so zu „Knoten“ in einem Netz werden. Dabei bleiben Wasser-Teilchen übrig, die gleich als Füllteilchen im Gel Verwendung finden können.

Die PVA-„Würmer“ sind dabei keinesfalls steif, sondern in ihren Gelenken biegsam, sodass das Gel nicht hart wird, sondern sich eher wie ein vollgesogener Teilchen-Schwamm benimmt!

Wie du trotzdem daheim Slime machen kannst

Auch wenn man die Labor-Zutaten für guten Slime – ganz besonders Borax – nicht einfach kaufen kann, findet man sie in verschiedenen Haushaltszutaten.

Polyvinylalkohol findet man vor allem in verschiedenen Leimen und Klebstoffen. Zudem habe ich auf der Zutatenliste der Colgate-Zahncreme meines Mannes ein wahrscheinlich auch brauchbares „Würmer“-Molekül entdeckt.

Und obwohl Borax in Reinform nicht mehr erhältlich ist, findet man Borsäure und ihre Verbindungen in kleinen Mengen zum Beispiel in Kontaktlinsen-Flüssigkeiten oder Augentropfen. Auf der Liste der Inhaltstoffe können sie als „Borsäure“, „Borat“, „Borat-Puffer“ oder ähnlich erscheinen. Diese kleinen Mengen – zumal nur zum äusseren Kontakt mit dem Menschen bestimmt – sind nicht gefährlich, können aber für die Schleim-Herstellung reichen. Das Rezept für den funktionsfähigen Heim-Schleim findest du in diesem Video:

Die basische Rolle des Natrons

Wozu braucht es da das Natron (anders als von der Youtuberin vorgemacht wird das Wort auf der ersten Silbe betont und das „o“ kurz gesprochen)?

Das Geheimnis eines wirklich schaurig-schwabbeligen Schleims ist, dass die „Knoten“ im PVA-Borat-Netzwerk nicht besonders festgezurrt sind: Die Bindungen zwischen beiden lösen sich relativ leicht und können anderswo neu gebildet werden. So ist das Netzwerk in diesem Gel beim Kneten sehr wandelbar – was den Schleim erst richtig schleimig macht.

Da es sich bei den Bindungen zwischen PVA und Borat um sogenannte „Ester“ handelt – eine Verbindungssorte, die sich in der Gegenwart einer Base besonders leicht zerlegen lässt – vermute ich, dass die Youtuberin das Natron genau deshalb zum Einsatz bringt: Weil es eine Base ist. So macht es meiner Vermutung nach das Netzwerk besonders wandelbar – und den Schleim damit besonders schleimig.

Beim Experimentieren im (Schweizer) Schullabor habe ich nämlich gelernt: Wenn man nur genügend Borax mit dem richtigen Leim vermischt (ohne Base), erhält man statt schleimigem Slime elastische, springende Gummibälle (in denen die Netzwerk-„Knoten“ entsprechend fest gezogen und nicht mehr veränderbar sind)!

Andere Rezepte und warum sie nicht funktionieren

Einkomponenten-Schleime zum Tiefkühlen

Durch das Abkühlen werden die „Würmer“-Moleküle – zum Beispiel die Tenside in Seifen – in zähen Flüssigkeiten steif, sodass der Salat aus versteiften „Würmern“ Ähnlichkeit mit einem Netzwerk annimmt und das Ganze mitunter wie Schleim aussieht. Es entstehen allerdings keine festen Verbindungen zwischen den Molekülen. Das merkst du spätestens dann, wenn du die kalte Masse aus ihrem Behälter nehmen möchtest und sie sich eher wie eine Creme ähnlich verteilt. Ausserdem wird das Ganze wieder flüssig, sobald es warm wird.

Seife mit Salz oder Zucker

Seife enthält Fettsäurereste – das sind vergleichsweise kurze Teilchen-„Würmer“. Kochsalz (NaCl) besteht aus Ionen, die jeweils nur ein Atom enthalten. Damit lassen sich keine festen Bindungen zu zwei verschiedenen Atom-Ketten bilden. Dafür entzieht das Salz der Flüssigseife Wasser, was eine ursprünglich cremige Flüssigseife „schleimiger“ macht – aber wiederum nicht zu festen „Knoten“ führt.

Auch Zucker zieht Wasser an. Zudem enthalten Zucker-Moleküle einige OH-Gruppen, die möglicherweise zur Bildung von Ester-„Knoten“ geeignet sind. Also habe ich das ausprobiert und Spülmittel mit Zucker verrührt. Als ich ein bis drei Tropfen Haushaltsessig dazugegeben habe (die Gegenwart einer Säure kann die Entstehung von Estern fördern), ist tatsächlich ein „Glibber“ entstanden, der sich an meinem Rührstab festgeklammert hat. Aber wirklich brauchbarer Schleim wurde das nicht.

Kein Wunder: Schliesslich sind weder die Fettsäure- noch die Zucker-„Würmer“ auch nur annähernd so lang oder haben so viele Verbindungsmöglichkeiten wie PVA. Was immer ich da dazu gebracht habe, sich zu verbinden – das Ergebnis war allenfalls Möchtegern-Schleim.

Und wenn man für Borax einen Ersatz findet?

Manche Slime-Experimentatoren berichten, dass sie mit bestimmten Flüssig-Waschmitteln und PVA-haltigem Leim zum Erfolg gefunden haben (solchen Slime made in Switzerland gibt es hier). Ich habe mir die Inhaltsstoff-Liste eines solchen „geeigneten“ Waschmittels angesehen und verdächtige die darin enthaltenen „optischen Aufheller“, einen brauchbaren Ersatz für die Borat-„Knoten“ abzugeben. Die sehen nämlich (zum Beispiel) so aus:

optischer Aufheller - Borax-Ersatz?

 Anstelle der Bor-Sauerstoff-„Klammern“ enthalten diese Moleküle Schwefel-Sauerstoff-Gruppen (sogenannte Sulfonsäure-Gruppen), die ebenfalls für die Entstehung von Ester-Bindungen in Frage kommen.

Fazit

Wenn du wirklich brauchbaren Slime herstellen möchtest, brauchst du unbedingt lange, reaktionsfreudige Molekül-Würmer (sogenannte Polymere, z.B. Polyvinylalkohol) und eine Verbindung aus der Borsäure-Familie (z.B. Borat-Puffer) oder einen würdigen Ersatz dafür. Achte also beim Einkauf von Zutaten genau darauf, ob diese wichtigen Stoffe auf der Inhaltsstoff-Liste zu finden sind und probiere mit kleinen Mengen, ob das Ganze funktioniert – oder mache das Experiment (in der Schweiz) im (Schul-)Labor, wo du die Stoffe in Reinform in sicherer Umgebung verwenden kannst!

Entsorgung

Das gesundheitsschädliche Borax muss als Sondermüll entsorgt werden, Leim- oder Waschmittelreste gemäss den Angaben auf der Verpackung. Wenn Schleim-Reste Borax enthalten, gehören sie damit in den Sondermüll – denn der gefährlichste Bestandteil gibt bei der Entsorgung den Ton an!

lecker und hübsch anzusehen: reifende Tomaten

Die Schweiz wird bislang mit einem ausnehmend goldenen Oktober verwöhnt – und nicht nur ich geniesse Sonne und Wärme, sondern auch die letzten Tomaten auf meinem Balkon. Doch was tun, wenn das Wetter umschlägt, bevor die Früchte reif sind? Genau diese Frage hat eine Leserin kürzlich gestellt – man kann Tomaten nämlich in der Wohnung nachreifen lassen.

 

Warum sollte ich grüne Tomaten nachreifen lassen?

Zum Einen liegt das nahe: Grüne Tomaten sind hart und schmecken nicht besonders. Zum Anderen sind unreife Tomaten überdies leicht giftig: Sie enthalten, wie alle Nachtschattengewächse,  Solanin. Diese Substanz kann uns einen verdorbenen Magen bescheren, oder in sehr grossen Mengen noch schlimmeres. Es gibt also genügend Gründe, Tomaten nicht unreif zu essen.

 

Was ist zum Reifen nötig?

Für den Ablauf der Reifungs-Prozesse ist eine milde Umgebungs-Temperatur unerlässlich – mindestens 18 bis 20°C sollte sie betragen. (Sonnen-)Licht ist entgegen verbreiteter Vorstellungen aber nicht notwendig.

 

Was passiert beim Reifen?

Pflanzen bilden Früchte, um andere Lebewesen zu verleiten, davon zu fressen und damit ihre Samen zu verbreiten. Das bedingt natürlich, dass die wachsenden Früchte erst dann gefressen werden, wenn die Samen in ihrem Innern reif sind. Deshalb werden während der Reifung von Früchten verschiedene Frassschutz-Massnahmen zurückgebildet und durch Lockmittel ersetzt.

  • Die grüne Farbe unreifer Tomaten rührt vom Blatt-Farbstoff Chlorophyll her, welcher auch in den Tomaten-Zellen enthalten ist. Im Zuge der Reifung wird dieses Chlorophyll jedoch abgebaut und zunehmend von gelben und roten Carotinoiden ersetzt. (All diesen Farbstoffen kannst du auch im Experiment nachspüren – indem du Blattfarbstoffe voneinander trennst oder die Photosynthese beobachtest! Damit bedient die Tomate (nicht nur) die uns Menschen eigene Programmierung, die uns „rote Früchte“ mit „lecker“ bzw. „nahrhaft“ verbinden lässt.
  • Zuvor in der Frucht eingelagerte Speicherstoffe wie Stärke werden in Zucker umgebaut: Nicht nur wir Menschen mögen süsse Sachen – und begehrte, weil leicht nutzbare Energieträger sind Zucker auch.
  • Pektine – das sind grosse Moleküle, die Pflanzen und Früchten Steifigkeit und Festigkeit verleihen, werden abgebaut. In Folge dessen werden die Früchte weich und für Mensch und Tier leicht zu beissen und zu kauen. Ausserdem beruht die Verbindung zwischen Frucht und Mutterpflanze auf Pektinen, sodass sich die Früchte nach deren Abbau leichter von „ihrer“ Pflanze lösen lassen – oder sogar abfallen.
  • Solanin, das Hungrige davon abhalten, soll, unreife Tomaten vorzeitig zu fressen und so ihre Verbreitung zu vereiteln, wird abgebaut. Die reifen Früchte sollen ja verzehrt werden – da wäre das Gift nur hinderlich.
  • Weitere Aromastoffe werden aufgebaut: „Süss“ allein macht eine begehrenswerte Frucht nicht aus – eine Vielzahl von Aromastoffen verleiht ihr einen einzigartigen Geschmack, der uns immer wieder davon naschen lässt. Unglücklicherweise ist dies auch der komplizierteste Teil des Reifeprozesses, für welchen dann doch etwas mehr als Wärme nötig ist (deswegen empfinden wir nachgereifte Tomaten aus dem Supermarkt häufig als fade).
Sehen nicht nur lecker aus - schmecken auch: In Wärme und Licht am Strauch reifende Tomaten

Sehen nicht nur lecker aus – schmecken auch: In Wärme und Licht am Strauch reifende Tomaten

 

Wie kann man Tomaten nachreifen lassen?

Einzelne Tomaten kannst du einfach in Zeitungspapier oder einen Papier-Beutel einwickeln und ein paar Tage in einem warmen Raum (20°C aufwärts) lagern. Wenn du einen Apfel dazu legst, kann die Reifung noch zügiger bzw. erfolgreicher verlaufen.

Wenn noch ganze Rispen grüner Tomaten an deiner Tomatenpflanze hängen, kannst du auch die Pflanze direkt über der Wurzel abschneiden und kopfunter an einem warmen Ort aufhängen.

 

Was bewirkt der Apfel?

Nicht nur menschliche Körper, sondern auch Pflanzen steuern ihre Funktionen mit Hormonen – also mit Botenstoffen, die von einem Gewebe in ein anderes transportiert werden können. Die Anweisung zum Reifen von Früchten wird dabei von einem Stoff aus einfachen, kleinen Molekülen vermittelt: Dem Gas Ethen (auch als Ethylen bekannt).

Das Besondere an einem gasförmigen Hormon ist: Es kann auch ausserhalb des Pflanzenkörpers weitergegeben werden – somit auch von einer Pflanze zur anderen! Äpfel sind dafür bekannt, dass sie reichlich Ethen absondern, sodass andere Früchte in ihrer Umgebung rasch reifen oder sogar überreif werden können.

Obst- und Gemüse – Fernhändler nutzen diesen Umstand sogar, indem sie ihre Ware – zum Beispiel Bananen – vor der Reife ernten und nach einem zeitaufwändigen Transport an ferne Orte geradewegs zum Verkauf nachreifen lassen. Dazu legen sie allerdings keine Äpfel daneben, sondern holen sich ihr Ethen aus der Gasdruckflasche (das Gas ist übrigens hochentzündlich, weshalb es nur in die Hände von Fachleuten und entsprechend gesicherte Anlagen gehört!).

Wie wirkt Ethen-Gas auf Pflanzen und Früchte?

Ethen sorgt dafür, dass die Zellwände von Früchten und Pflanzen durchlässig werden. So können die Zellen mehr bzw. einfacher Sauerstoff atmen, welcher verschiedene Oxidations-Prozesse „befeuert“. Solche Prozesse machen die oben beschriebenen Vorgänge zur Reifung aus – und im Übrigen auch das Welken von Pflanzen, das ebenfalls durch Ethen eingeleitet werden kann. Schnittblumen sollten also besser nicht neben der Obstschale mit Äpfeln stehen.

Einzig die Synthese von Aromastoffen lässt sich nicht auf diese einfache Weise bestreiten. Deshalb „schmeckt“ man Früchten und Gemüse die industrielle Ethen-Begasung häufig an, indem man eben nichts schmeckt.

Das dürfte auch für die Tomaten aus dem Garten gelten, die mit dem „Apfel-Trick“ nachgereift sind – je unreifer sie beim Abnehmen waren, desto mehr. Deshalb lasse ich meine letzten Tomaten so lange wie möglich am Strauch – und bislang das Hochdruckgebiet „Tanja“ ihnen wohlgesonnen und beschert ihnen noch viele warme Stunden an der Sonne.

Und wie steht es um eure letzten Tomaten?

Wasser ist spooky: Ein Zaubertrick für Gross und Klein

Bald ist Halloween: Für viele kleine und grosse Hexen und Zauberer rückt damit ein grosser Tag immer näher. Aber was wäre, wenn ihr im schaurig-schönen Kostüm auch tatsächlich zaubern könntet? Ich habe einen einfachen, aber verblüffenden Zauber für euch, mit dem ihr an eurer Halloween-Party sicher für Aufregung sorgen könnt! Und um Ärger mit dem EZD (dem Eidgenössischen Zauberei-Departement…) zu vermeiden, gibt’s auch eine wasserdichte naturwissenschaftliche Erklärung dazu.

Von Harry Potter zum verhexten Wasser

Bestimmt kennst du Harry-Potter – und vielleicht auch seine wilde Begegnung mit einem Drachen in „Harry Potter und der Feuerkelch“. Um eine Aufgabe in einem Wettkampf zu erfüllen, muss Harry diesem Drachen in einer Arena ein Ei entwenden. Um überhaupt eine Chance gegen den wildgewordenen Feuerspeier zu haben, ruft der Jungzauberer  dazu mit einem einfachen Zauber seinen Flugbesen in die Arena. Die Wirkung des Spruchs: Der Besen saust von seinem Lagerplatz ausserhalb der Arena auf den Zauberstab und seinen Besitzer zu.

Diesen Kunstgriff kannst auch du ganz einfach nachmachen – vielleicht nicht mit einem Besen und nicht über eine so grosse Entfernung – aber mit einem einfachen Kunststoff-Zauberstab und Wasser. Und schon das wird deine Freunde verblüffen und vielleicht sogar zum Gruseln bringen!

Was du dazu brauchst

  • Einen Wasserhahn am Waschbecken oder einem Getränkespender – hauptsache, du kannst einen millimeterdünnen Wasserstrahl daraus fliessen lassen
  • Einen Kunststoff-Zauberstab (ein Spielzeug ist ebenso geeignet wie der Einweg-Plastiklöffel, den ich verwende – aber probiere das Experiment vor der grossen Aufführung aus, denn nicht jeder Kunststoff funktioniert gleich gut!)
  • Ein Kleidungsstück aus echter Wolle – zum Beispiel ein Schal, Wollhandschuhe oder eine Strickjacke. Besonders eindrücklich wirkt das Ganze, wenn das Woll-Stück Teil deines Kostüms ist.

Wie du den Zauber vorführst

  1. Öffne den Wasserhahn nur ein wenig, sodass so gerade eben ein stetiger, aber millimeterdünner Wasserstrahl herausläuft.
  2. Reibe deinen Zauberstab kräftig mit dem Kleidungsstück aus Wolle (ein guter Zauberer „beschäftigt“ sein Publikum währenddessen anderweitig, zum Beispiel im Gespräch).
  • Führe den Stab vorsichtig in die Nähe des Wasserstrahls und sprich „Accio Wasserstrahl!“. Berühre dabei in keinem Fall das Wasser mit dem Stab!
  • Der zuvor senkrecht fallende Strahl wird sich in Richtung des Stabes krümmen!
dünner Wasserstrahl und verhextes Wasser
Links: Ein dünner Wasserstrahl – Rechts: „Accio Wasserstrahl“ – deutliche Krümmung um einen elektrostatisch aufgeladenem Plastik-Löffelstiel!

Was dabei passiert

Letzte Woche habe ich ein Experiment gezeigt, das einen Hinweis darauf gibt, wie Wasser und andere Stoffe aufgebaut sind: Wasser besteht, wie andere Stoffe, aus ganz vielen winzig kleinen Teilchen. Die Wasserteilchen haben dabei eine besondere Eigenschaft: Sie sind elektrisch geladen!

Über elektrisch geladene Teilchen

Elektrisch geladene Teilchen spielen in unserem Alltag eine grosse Rolle. So fliessen solche Teilchen durch Stromkabel, wenn wir das Licht einschalten, und bringen die Lampe zum Leuchten. Diese Teilchen haben meist nur eine Ladung – und die ist positiv (+) oder negativ (-). Dafür, dass solche Teilchen überhaupt strömen, sorgt eine grundlegende physikalische Gesetzmässigkeit: Gleichartige Ladungen stossen sich ab, verschiedene Ladungen ziehen sich an. So bewegen sich die negativ geladenen „Strom-Teilchen“ oder „Elektronen“ vom negativ geladenen Minuspol einer Stromquelle weg und zum positiv geladenen Pluspol hin.


Wasserteilchen tragen dagegen zwei verschiedene Ladungen: Wie ein Magnet tragen sie an jeder Seite eine! (Da zwei verschiedene Ladungen einander aufheben, merkt man das den winzigen Wasserteilchen mit unseren groben Sinnen normalerweise nicht an.)

Wasserteilchen mit zwei Ladungs-Schwerpunkten
Ein Wasserteilchen trägt zwei elektrische Ladungen: Die negative Seite (-) ist rot, die positive Seite (+) ist blau schattiert.

Das führt dazu, dass die Plus-Seiten der Wasserteilchen die Minus-Seiten anziehen und umgekehrt. Im Wasser ordnen sich die Teilchen daher so, dass Plus-Seiten den Minus-Seiten gegenüber liegen und niemals gleiche Seiten einander zugewandt sind:

Wasserteilchen: Entgegengesetzte Ladungen ziehen sich an.

Der Kunststoffstab besteht dagegen zunächst aus ungeladenen Kunststoff-Teilchen. Durch das Reiben an der Wolle wird er jedoch aufgeladen (die Wolle übrigens auch – du kannst vielleicht die darauf folgenden Entladungen in der Wollkleidung knistern hören). Wenn er danach in die Nähe des Wasserstrahls kommt, ordnen sich die Wasserteilchen so, dass ihre dem Stab entgegengesetzt geladene Seite zum Stab weist. Die Anziehungskraft zwischen den verschiedenen Ladungen zieht die Teilchen so aus ihrer Flussrichtung – der Wasserstrahl krümmt sich in Richtung des Stabes!

Damit wünsche ich dir viel Spass beim Zaubern – und erzähl doch mal, wie es funktioniert hat!

Hast du das Experiment nachgemacht: 

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Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!

Gips- Ein Einmal-Werkstoff?

Warum kann man Gips nach dem Aushärten nicht einfach in Wasser aufweichen und wiederverwenden? – fragt der neugierige Sohn einer Leserin.

Diese spannende Frage habe ich samt Antwort zur Blogparade „Krasse Alltagsfragen“ auf 100Woerter.de eingereicht.

Die gute Nachricht: Wiederverwenden kann man Gips schon, sogar vollständig und beliebig oft!

Die schlechte Nachricht: Einfach wieder aufweichen funktioniert tatsächlich nicht (und für viele Anwendungen, wie Gipsverbände und -modelle ist das ja eigentlich sehr praktisch).

Aber warum wird Gipsmasse eigentlich hart, und wie kann man sie nun wiederverwenden?

 

Was ist Gips?

Gips ist aus Chemikersicht eine Ionenverbindung, also ein „Salz“ namens Calciumsulfat. Er setzt sich also aus Calcium- (Ca2+-) und Sulfat(SO42--)Ionen zusammen, die sich zu einem regelmässig aufgebauten Kristallgitter anordnen. Das besondere an diesem Ionenkristall ist allerdings, dass zwischen den Ionen auch Wassermoleküle in den Kristall eingebaut sind. Die vollständige chemische Formel für Gips – wie er in der Natur vorkommt – lautet daher

CaSO4 * 2H2O (zu lesen: Calciumsulfat mit 2 Wasser).

Der vollständige chemische Name lautet damit „Calciumsulfat-Diyhdrat“. Die Formel verrät uns: In diesem Kristall findet man für jedes Calcium- bzw. Sulfat-Ion zwei Moleküle Wasser. Das Wasser, welches auf solche Weise in Ionenkristallen steckt, wird auch „Kristallwasser“ genannt.

Gips ist ein sehr häufig vorkommendes Mineral und wird von den Mineralienforschern auch Gipsspat oder Selenit genannt.

Mineral: Gips-Kristalle (Gipsspat, Selenit) aus meiner Mineraliensammlung

Gipskristalle aus meiner Mineraliensammlung

Solche Gipskristalle sind genauso wie ausgehärtete Gips-Modelle oder -verbände in Wasser praktisch unlöslich.

 

Wie macht man daraus den Werkstoff zum „Gipsen“?

Die Wassermoleküle in einem Ionenkristall sind nicht fest in das Gitter eingebaut – sie stecken vielmehr passgenau in den Lücken. So kann das Kristallwasser wie flüssiges Wasser verdampfen, wenn man den Kristall erwärmt: Die Wassermoleküle machen sich in die umgebende Luft davon, sodass der Kristall, CaSO4, ohne Wasser zurückbleibt.

Um Gipspulver zum Handwerken, Modellieren oder zur Versorgung von Knochenbrüchen herzustellen, werden Gipsgestein oder Gipsabfälle von anderen Prozessen in der Chemie-Industrie fein gemahlen und auf ca. 130°C erhitzt. Wenn man den Gips nicht zu lange bei dieser Temperatur „brennt“, verdampfen rund drei Viertel des ursprünglichen Kristallwassers aus dem Gips. Zurück bleiben Kristallgitter der Zusammensetzung

Halbe Wassermoleküle gibt es natürlich nicht! Vielmehr sagt uns die Formel, dass nun nurmehr auf jedes zweite Calcium- bzw. Sulfat-Ion ein Wassermolekül kommt.

Diesen „gebrannten“ Gips, auch Calciumsulfat-Halbhydrat oder Bassanit genannt, kannst du im Baumarkt oder im Bastelbedarf in Pulverform zum Ansetzen kaufen.

 

Warum wird angesetzter Gips hart?

Das gebrannte, wasserarme Gipspulver kann sich das fehlende Kristallwasser aus der Umgebung zurückholen – wenn es in der Umgebung Wasser hat. So ist gebrannter Gips mässig wasserlöslich. Sobald du das Gipspulver in Wasser streust (laut Gipsherstellern ca. 150g Gips in 100ml Wasser), wachsen darin binnen Minuten neue Kristalle, welche die ursprüngliche Menge an Kristallwasser (CaSO4* 2H2O) enthalten:

Diese Kristalle haben die Form langer, feiner Nadeln, die in der Enge des Gipsbreies zunehmend miteinander verfilzen. Dieser Kristallfilz erscheint uns schliesslich als feste, starre Masse: Der Gips „bindet ab“.

Dabei wächst die Gipsmasse ein kleines Bisschen: Ihr Volumen wird um ca. 1% grösser! Ausserdem wird beim Abbinden Energie frei (die Reaktion ist exotherm). Die Natur ist nämlich faul, sodass alle Dinge danach streben, möglichst viel Energie loszuwerden. Und Calciumsulfat mit 2 Wasser ist ein energieärmerer („bequemerer“) Zustand als Calciumsulfat mit 1/2 Wasser. So sorgt die Bequemlichkeit der Natur dafür, dass Gipsmasse ohne dein Zutun „von selbst“ abhärtet. Die Temperatur der Gipsmasse kann dabei anfangs sogar um ein paar Grad, also merklich ansteigen!

Gebrannter Gips kann sich sein Wasser damit überigens auch aus feuchter Luft holen – bewahre Gipspulver daher unbedingt trocken und in luftdicht verschlossenen Behältern auf!

 

Wie lange dauert das Abbinden? Kann man die Abbindezeit steuern?

Heimwerker und Gipshersteller geben für frischen Gips, der ohne Umrühren in sauberen Gefässen angesetzt wird, eine Zeit von bis zu 20 Minuten bis zum Abbinden an.

Das Wachstum von Kristallen kann allerdings erleichtert bzw. beschleunigt werden, indem man ihnen einen „Ansatz“ zum Weiterwachsen bietet. Am einfachsten wachsen bereits vorhandene Gipskristalle weiter. So geben Partikel in altem Gips, die sich bereits Wassermoleküle aus der Luft einverleibt haben, oder alte, bereits ausgehärtete Gipsreste im Gefäss perfekte „Kristallisationskeime“ ab. Doch auch andere Salze aus kleinen Ionen, wie Kochsalz, Natron, Kalk oder andere, basische Sulfate können den nötigen „Anreiz“ zum Anwachsen bieten.

Setze deinen Gips daher unbedingt in einem wirklich sauberen Gefäss an – es sei denn, du möchtest, dass er sehr schnell abbindet. Dann kann ein wenig zugegebenes Salz oder auch schon blosses Umrühren der Gipsmasse gemäss Erfahrungen von Heimwerkern das Härten massgeblich beschleunigen.

Erhitze den Gips allerdings nicht, wenn zu viel Wasser darin sein sollte! Kristalle brauchen nämlich Zeit zum Wachsen. Werden sie, zum Beispiel durch das gezielte Verdampfen des Wassers, gehetzt, werden die Kristalle weniger formschön oder gar gross – und der abgebundene Gips damit weniger beständig.

Grosse bis sehr grosse Moleküle in der Gipsmasse stören den Aufbau der Kristalle: Essig und andere organische Verbindungen bestehen aus solchen mehr oder minder sperrigen, oft verzweigten Molekülen. Zu den ganz Grossen zählt auch Tapetenkleister (der besteht aus Methylzellulose, regelrechten „Spaghetti-Molekülen“  aus tausenden bis zehntausenden Atomen!), den manche Heimwerker zur Verzögerung des Abbindens in Gipsmasse mischen. Es ist nämlich ziemlich mühsam, solche Molekülbrocken in regelmässige Kristalle einzubauen – und das Ergebnis ist dann auch nicht gerade schön. So bindet Gips mit solchen Zusätzen nicht nur langsamer ab, sondern ist nachher meist auch weniger beständig.

 

Wie kann man Gips wiederverwenden?

Das Bisherige zusammengefasst: Gips ist ein Mineral, das in der Natur vorkommt. Das Gipspulver, aus dem man Gipsmasse zum Verarbeiten ansetzen kann, wird daraus hergestellt, indem man durch Erhitzen einen Teil des Kristallwassers aus dem Gips entfernt. Beim Abbinden der Gipsmasse wird dann neues Wasser in die Kristalle eingebaut.

Das bedeutet, dass auch bereits ausgehärteter Gips zerkleinert und erneut gebrannt, d.h. erhitzt und um einen Teil seines Kristallwassers gebracht werden kann. Die dazu nötige Temperatur von 130°C kann theoretisch schon in einem Haushaltsbackofen erreicht werden. Anschliessend kann der Gips neu mit Wasser angesetzt und verarbeitet werden.

Deshalb wird Gips von der Industrie auch als „vollständig recycelbarer Rohstoff“ angepriesen!

Bei all dem sollte man nur achtgeben, den Gips nicht zu lange oder gar zu heiss zu brennen: Spätestens bei 1180°C entsteht nämlich Anhydrit, CaSO4, ein wasserfreier „Gips“-Kristall, der sein Wasser nur langsam bis gar nicht zurücknimmt: Dieser Gips ist „totgebrannt“ – nicht mehr zur Verarbeitung zu gebrauchen.

Ob und wie Gips sich im Hausgebrauch recyceln lässt, habe ich hier ausprobiert als Freitags-Experiment vorgestellt: Es funktioniert!

Kalkfänger aus Edelstahl-Wolle

Eine Leserin hat einen Kalkfänger gekauft: Einen Ring aus Edelstahl-Wolle, welchen man in einen Wasserkocher oder eine Kaffeemaschine legen kann. Dort soll er den Kalk daran hindern, sich an Wänden und Boden des Wasserbehälters abzusetzen. Doch wie funktioniert so ein Kalkfänger? Wie verwendet man ihn richtig? Und birgt so ein Ring Gesundheitsgefahren?

Wie funktioniert ein Kalkfänger?

Wenn du den Kalkfänger verstehen möchtest, musst du zunächst wissen, was er eigentlich fangen soll.

Was ist Kalk?

Kalk, eigentlich Calciumcarbonat, ist eine Verbindung aus zweierlei Ionen, nämlich Calcium- (Ca2+) und Carbonat (CO32-) – Ionen, die sich zu einem festen Kristallgitter zusammenlagern können. Solch eine Ionenverbindung wird kurz und bündig auch „ein Salz“ genannt.

Wie der Name vermuten lässt, gehört auch das jedem bekannte Kochsalz zu den ionenverbindungen. Sowohl die Ionen des Kochsalzes (Na+ und Cl) als auch die Ionen des Kalks können sich in Wasser lösen. Das heisst, ein jedes Ion kann sich frei zwischen den Wassermolekülen bewegen. Anders als die Paarung von Na+ und Cl im Kochsalz sind Ca2+ und  Hydrogencarbonat (HCO3), das beim Auflösen aus CO32- entsteht, in Wasser nur wenig darauf erpicht, voneinander zu lassen: Kalk ist sehr viel weniger gut wasserlöslich als Kochsalz.

Das bedeutet, dass schon wenige anfangs gelöste Calcium- und Carbonat-Ionen sich schnell zu einem festen Ionenkristall zusammenlagern, sobald die äusseren Bedingungen sie dazu „auffordern“. Und eine dieser Aufforderungen besteht in der Zunahme der Wassertemperatur – also beim Erhitzen des Wassers im Kochgerät.

Wenn du dich ein wenig mit Chemie auskennst, weisst du vielleicht, dass eine höhere Temperatur des Lösungsmittels normalerweise dazu führt, dass sich Salze besser darin lösen. Die Fällungs.Reaktion, die zur Kalk-Entstehung führt, ist allerdings eine ganz besondere:

Aus den in Wasser (aq) gelösten Ionen entsteht neben festem (s) Kalk (CaCO3) und Wasser das Gas (g) Kohlenstoffdioxid (CO2)! Kohlenstoffdioxid löst sich wiederum in Wasser oder verflüchtigt sich in die Umgebungsluft – beides um so besser, je höher die Temperatur des Ganzen ist. Der  in der Gleichung deutet an, dass sich alle genannten Beteiligten miteinander in einem dynamischen Gleichgewicht befinden. Le Châtelier erklärt das auf dem Flughafen genauer. Hier sei nur dass nach ihm benannte Gesetz benannt, welches besagt, dass solche Gleichgewichte einem auf sie ausgeübten Zwang stets ausweichen. Entfernt man also CO2 auf der „rechten“ Seite – zum Beispiel. durch Lösen oder Verdampfen – reagieren mehr Ionen zu CO2, um dieses zu ersetzen. Dabei entstehen dann zwangsläufig auch Wasser und fester Kalk.

In unserem Leitungswasser sind nun immer mehr oder weniger Calcium- und Carbonat-Ionen enthalten. Und sobald wir das Wasser in einem Schnellkocher oder einer Kaffeemaschine zum Kochen oder nahe daran bringen, verschiebt sich das „Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht“ darin nach „rechts“, auf die Seite mit dem festen Kalk., In Folge dessen ordnen sich die Ionen auf den an die Lösung grenzenden festen Oberflächen (Wand und Boden des Kochgefässes) zu festen, als „Kalk“ bekannten Strukturen an.

Wie alles, was in Eile entsteht, haben solche Kalkschichten auf den ersten Blick wenig mit symmetrischen weil sorgfältig aufgebauten Kristallen gemein. Stattdessen sind sie rauh, weisslich, formlos und oft porös, sodass sie vielerlei Kleinstlebewesen wie Bakterien oder Pilzen Lebensraum bieten können. So macht Kalk sich in der Küche gleich mehrfach unbeliebt.

Kalk unter dem Elektronenmikroskop

Erst unter dem Elektronenmikroskop wird erstichtlich, dass Kalk – auch bekannt als „Kesselstein“ – aus symmetrischen Kristallen besteht. Stefandiller at the German language Wikipedia [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

Wie kalkhaltig ist mein Wasser?

Kalkhaltiges Wasser wird landläufig auch als „hartes“ Wasser bezeichnet – vermutlich, weil daraus feste, also harte Ablagerungen hervorgehen können. Die Wasserhärte wird je nach Land in verschiedenen „Härtegraden“ angegeben. Der einfachen Messbarkeit halber steht ein Härtegrad für die Menge an gelösten Metallionen ( Ca2+ und – für alle, die es genau nehmen – auch das chemisch eng verwandte Magnesium-Ion Mg2+) in einem bestimmten Wasser-Volumen – also für die Konzentration derselben.

In Deutschland und Österreich wurde früher der deutsche Härtegrad °dH verwendet, wobei 1°dH einer Konzentration von rund 0,18 Millimol Ionen pro Liter Wasser (über die Stoffmengeneinheit mol kannst du hier mehr erfahren!) entspricht. In der Schweiz verwendet man bis heute den französischen Härtegrad °fH, der wesentlich weniger krumm definiert ist: 1°fH entspricht 0,1 Millimol Ionen pro Liter Wasser (das entspricht übrigens einem Metall-Ion auf 10000 Wasser-Moleküle).

Wie hart das Leitungswasser in deiner Region ist, kannst du im Netz nachschlagen. Hier gibt es Übersichtskarten für die Schweiz, für Deutschland und für Österreich. In meiner Heimatgemeinde am oberen Zürichsee ist das Wasser demnach mittelmässig hart.

Wie kann Stahlwolle das Verkalken verhindern?

Damit Kalk sich ablagern kann, braucht es stets eines: Eine Oberfläche, auf der die ersten Ionen Platz finden. Normalerweise haben sie da im Wasserkocher keine grosse Wahl – ihnen bleibt nur die meist glatte Fläche von Boden und Wänden des Gefässes.

Stahlwolle besteht jedoch aus einer Vielzahl feiner, auf engem Raum miteinander verworrener Bänder oder Drähte, die zusammengenomme eine vielfach grössere Oberfläche als der Wasserbehälter haben. Wenn Kalk sich absetzt, suchen sich die Ionen im Wasser in zufälliger Reihenfolge die nächstbeste Oberfläche, um sich dort anzuordnen. Und wenn nun 9 von 10 Teilen der gesamten verfügbaren Oberfläche zum herausnehmbaren Stahlring gehören, werden sich so 9 von 10 absetzwilligen Ionen darauf niederlassen, während nur eines auf der Gefässwand landet.

Demnach verkalken die Gefässwände, wenn ein solcher gedachter Kalkfänger zum Einsatz kommt, im Idealfall 10 mal langsamer als ohne.

 

Wie wende ich den Kalkfänger richtig an?

Die Erklärung macht deutlich: Ein Kalkfänger kann die Ablagerung von Kalk im Wasserkocher niemals verhindern, sondern nur verlangsamen. Noch weniger kann er bereits vorhandene Kalkrückstände entfernen!

Um die beste Leistung aus deinem Kalkfänger aus Stahlwolle herauszuholen, beachte daher folgendes:

  1. Verwende den Kalkfänger nur in einem kalkfreien, also frisch entkalkten oder neuen Kochgefäss.
  2. Entkalke das Kochgefäss künftig merklich seltener als zuvor 🙂 .
  3. Wenn Kalkablagerungen auf bzw. in dem Stahlring sichtbar werden, wasche ihn aus oder lege ihn eine Weile in Kalklöser ein.
  4. Je härter dein Leitungswasser ist, desto grösser wird der Bruchteil der Ionen sein, die trotz Stahlwolle den Weg auf die Gefässwände finden (wie auch der Anteil auf der Stahlwolle grösser ist, sodass der Ring ggfs. öfter gereinigt werden muss).

 

Wie kann ich mein Gefäss und den Kalkfänger entkalken?

Die Ionenverbindung Calciumcarbonat leitet sich von der Kohlensäure ab – einer sehr schwachen Säure. Eine Gesetzmässigkeit der Chemie besagt, dass stärkere Säuren die einer schwächeren Säure verwandten Salze auflösen können. In Folge dessen kann man Kalkablagerungen mit praktisch jeder gängigen Säure ein Ende machen.

Fülle einfach das zu entkalkende Gefäss mit Wasser und gib gemäss der Dosierungsanleitung auf der Packung Essig bzw. Zitronensäure dazu (je mehr Kalk zu beseitigen ist, desto mehr Säure wirst du brauchen) und warte ein paar Stunden.

Ich bevorzuge zu diesem Zweck Essigsäure (z.B. Essigessenz, Haushaltsessig) oder Zitronensäure in Wasser. Diese beiden organischen Säuren bzw. ihre Verbindungen sind nicht nur Bestandteil vieler Lebensmittel, sondern auch unseres Körpers. So ist es völlig unbedenklich, sollten wir ein wenig davon aufnehmen. Im Gegenteil: In Zitrusfrüchten bzw. Salatsauce schätzen wir sie schliesslich sehr.

Essigsäure kannst du auch aufkochen (Zitronensäure kann dabei das ebenfalls schwerlösliche Salz Calciumcitrat bilden, die also nicht zu stark erhitzen!) – die aufsteigenden Dampfblasen helfen dabei, die Kalkablagerungen von der Gefässoberfläche abzulösen – dann geht die Reinigung schneller.

Achte nur darauf, dass keine Säurespritzer in deine Augen kommen – auch Essig und Zitronensäure wirken ätzend!

Der Nachteil dieser beiden Säuren ist ihr deutlicher Eigengeruch und -geschmack. Wenn du also kein Zitronen- bzw. Essig-Aroma in deinem Tee oder Kaffee wünschst, spüle dein Kochgerät bzw. den Kalkfänger nach dem Entkalken sehr gründlich aus.

 

Birgt ein Kalkfänger Gesundheitsgefahren?

Kurz gesagt: Nein. Kalkfänger bestehen aus rostfreiem Edelstahl, also aus einer Legierung hauptsächlich aus metallischem Eisen und Chrom, und Spuren weiterer Elemente wie Mangan, Silizium und Kohlenstoff. Kochgeschirr, Essbesteck, Küchenoberflächen und viele andere Geräte bestehen aus demselben Material, weil es einige sehr nützliche Eigenschaften in sich vereint:

  • Stahl ist für ein Metall bzw. ein Gemisch aus Metallen vergleichsweise hart, sodass er auch bei Beanspruchung weitgehend glatt und daraus gefertigte Klingen oder Kanten scharf bleiben.
  • Die Hauptbestandteile, Eisen und Chrom, und die Stahlherstellung sind vergleichsweise preisgünstig (ein Kalkfänger aus Goldwolle würde wohl auch funktionieren – den würde nur kaum jemand bezahlen wollen).
  • Wie der Name sagt, rostet „rostfreier“ Stahl unter normalen Umständen – und die schliessen Kochvorgänge mit Wasser ein – nicht. Das heisst, er wird von Sauerstoff und Wasser nicht angegriffen und oxidiert (mehr zu Rost und Korrosion erfährst du hier).

Die Beständigkeit gegenüber Korrosion bringt überdies mit sich, dass Edelstahl in der Küche – also auch Kalkfänger aus Edelstahl-Wolle – gesundheitlich unbedenklich sind. Schliesslich sind sie dazu geschaffen, sich nicht aufzulösen. Und sollte sich dennoch im Zuge eifrigen Kochens das ein oder andere Atom aus der Metalloberfläche lösen, gelten für diese Abtrünnigen zwei Dinge:

  • Ungeladene Eisen- und Chromatome, wie sie in einer Metalloberfläche vorkommen, haben für Reaktionen in Lebewesen praktisch keine Bedeutung. Erst, wenn sie oxidiert und damit zu Ionen werden, stellt sich die Frage nach ihrem Nutzen oder ihrer Giftigkeit.
  • Eisen-Ionen erfüllen im Körper lebenswichtige Aufgaben (zum Beispiel als Bestandteil des roten Blutfarbstoffs) und sind daher ein wichtiger Bestandteil unserer Nahrung. Auch Chrom-Ionen (Cr3+) sind Bestandteil unseres Körpers – ob sie dort einen besonderen Nutzen haben, ist hingegen umstritten. Damit sind weder Eisen- noch Cr3+-Ionen dem menschlichen Körper fremd. Selbst wenn sich also ein paar Metall-Atome aus einem Kalkfänger davonmachen und oxidiert werden (Magensäure kann das beispielsweise!), schaden sie der Gesundheit nicht.

 

Wie sinnvoll ist der Einsatz eines Kalkfängers tatsächlich?

Ich habe noch nie einen Kalkfänger verwendet. Das Beitrag zeigt daher ein Stahlwolle-Knäuel, das zum Reinigen von Töpfen verkauft wird – aber genauso gut als Kalkfänger funktionieren sollte.

In den Kundenbewertungen verschiedener Anbieter im Netz scheiden sich jedoch über dem Nutzen oder Nicht-Nutzen der Stahlwolle die Geister. Ein guter Teil der schlechten Erfahrungen geht wahrscheinlich auf falsche Erwartungen bzw. Anwendungsfehler zurück. Letztendlich gebe ich diese Frage aber an euch zurück:

Habt ihr schonmal einen Edelstahl-Kalkfänger eingesetzt? Hat er in euren Augen funktioniert? Wie weit könnt ihr damit das Entkalken eures Kochgeräts hinausschieben? Teilt eure Erfahrungen in den Kommentaren mit uns!

Javel-Wasser : Chlorbleiche!

Was ist Javel-Wasser?

Javel-Wasser oder Eau de Javel ist der volkstümliche Name für eine Lösung des Salzes Kaliumhypochlorit (KClO) oder Natriumhypochlorit (NaClO) in Wasser. Benannt ist die Lösung nach ihrem ersten Herstellungsort Javel (früher Javelle) bei Paris in Frankreich. Ein anderer volkstümlicher Name für die gleiche Lösung ist Eau de Labarraque – nach ihrem Erfinder. Der chemische Name sowie der stechende Geruch der Lösung lassen es schon vermuten: Das Element, das dem Javel-Wasser seinen Charakter gibt, ist Chlor.

Natriumhypochlorit und Kaliumhypochlorit werden in Wasser in ihre Einzelionen zerlegt:

Welche Metall-Ionen – Natrium oder Kalium – enthalten sind, macht hinsichtlich der chemischen Eigenschaften und damit der Gefährlichkeit der Lösung keinen Unterschied. Auf das Hypochlorit-Ion ClO kommt es an: Es ist eine merklich starke Base, d.h. es kann ein H+-Ion aus einem anderen Teilchen aufnehmen – zum Beispiel aus Wasser:

Die dabei entstehende hypochlorige Säure HClO ist ein Oxidationsmittel, das mit vielen anderen Verbindungen reagiert, indem es ihnen Elektronen „wegnimmt“.

 

Was kann man damit machen?

Fette und Proteine („Eiweisse“) sind grosse, sperrige Moleküle, die sich zu oft wasserunlöslichen Flecken zusammenrotten. Wenn sie allerdings mit Basen in Berührung kommen, werden sie leicht gespalten und können in Bruchstücken ausgewaschen werden. Die zerstörerische Wirkung auf Proteine trägt ausserdem dazu bei, dass Javel-Wasser desinfizierend wirkt: Es macht Bakterien, Viren und Pilzen effektiv den Garaus.

Das nutzen nicht nur Schwimmbad- und Pool-Besitzer, die in Natriumhypochlorit einen zahmeren Ersatz für das giftige Chlor-Gas zur Desinfektion ihrer Becken gefunden haben, sondern auch der Zahnarzt, der im Zuge einer Wurzelbehandlung gerne Hypochlorit-Lösung als Bakterienkiller in den ausgeräumten Wurzelkanal gibt, wie mein Zahn 16 aus eigener Erfahrung weiss.

Zudem verlieren viele organische Stoffe ihre Farbe, wenn sie oxidiert werden, sodass Oxidationsmittel als Bleichmittel eingesetzt werden können.

Da ist es kein Wunder, dass ein basisches, bleichendes und desinfizierendes Reinigungsmittel sich grosser Beliebtheit erfreut. In Schweizer Supermärkten findet man Javel-Wasser für wenig Geld in fast jedem Reinigungsmittelregal.

 

Schadet Javel-Wasser der Gesundheit?

Bei falscher Anwendung ja – wie eigentlich alle Stoffe, die wir kennen. Darüber hinaus haben alle reaktionsfreudigen Stoffe wie Hypochlorit den Haken, dass sie nicht wählerisch sind. Das heisst, Basen können alle Fette und Proteine zerlegen – auch diejenigen, aus welchen unsere Körper bestehen – und Oxidationsmittel oxidieren alles, was ihnen in die Quere kommt und sich oxidieren lässt – auch uns. Ebenso wenig macht es vor den nützlichen Mikroorganismen halt, die sich auf unserer Haut tummeln.

Mit anderen Worten: Javel-Wasser wirkt ätzend. Deshalb sind Behälter mit der Lösung mit dem Hinweis „Verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden.“ beschriftet.

Wenn ihr mit Javel-Wasser umgehen müsst, tragt dabei unbedingt Putzhandschuhe und bestenfalls eine (Schutz-)Brille – und gebt acht, dass ihr die Dämpfe nicht einatmet! Auch und gerade die Schleimhäute der Atemwege sind anfällig für Reizungen und gefährliche Verätzungen!

Wenn ihr trotz aller Vorsicht etwas Javel-Wasser auf die Haut bekommt, spült es gründlich – ruhige mehrere Minuten lang – unter fliessendem Wasser ab. Einen Spritzer in die Augen spült noch gründlicher aus – mindestens 10 Minuten lang sagen die Labor-Sicherheitsexperten – und geht danach sicherheitshalber gleich zum Augenarzt. Das gleiche gilt, wenn ihr nach dem Einatmen der Dämpfe Beschwerden habt: Sprecht mit eurem Arzt oder der Giftnotrufzentrale (Schweiz: 145, Deutschland: Ortsvorwahl + 19240, Österreich: 01 / 406 43 43).

 

Schadet es der Umwelt?

Wie schon erwähnt sind Oxidationsmittel auch als Mikrobenkiller nicht wählerisch. So sind Kalium- und Natriumhypochlorit je nach Konzentration sehr giftig für Wasserorganismen. Das Javel-Wasser aus dem Putzmittel-Regal im hiesigen Supermarkt enthält weniger als 5% Hypochlorit („Chlorbleiche“), womit es nicht mit dem GHS-Symbol für „umweltgefährlich“ gekennzeichnet werden muss, sondern mit dem allgemeinen Gefahrensymbol auskommt.

Nichts desto trotz bin ich nachdenklich geworden, als ich auf der Verpackung Toilettenreinigung und Maschinenwäsche als mögliche Anwendungsbereiche aufgeführt gefunden habe. Denn wenn zahllose Menschen kleine Mengen solcher Substanzen in den Wasserkreislauf befördern, kommt letztlich einiges zusammen, welche Klein- und Kleinstlebewesen uns sicher nicht danken werden. Ich kann mir die Zulassung als Reinigungsmittel nur so erklären, dass Abwässer aus Toiletten und Waschmaschinen hierzulande praktisch immer durch ein Klärwerk gehen, das mit Chlorverbindungen aufräumt, bevor es irgendwo anders hingeleitet wird.

Trotzdem: Gebt grössere Mengen Javel-Wasser oder andere Produkte, die Hypochlorit enthalten (zum Beispiel solche zur Poolreinigung) nicht in den Ausguss oder Abfall, sondern bringt sie zur Sondermüll-Entsorgung!

Das Wichtigste aber:

Gebt niemals Javel-Wasser mit Säuren (z.B. Essig oder Zitronensäure) oder anderen Oxidationsmitteln (z.B. Wasserstoffperoxid) zusammen oder verwendet beide miteinander!

Dabei kann nämlich aus der enthaltenen hypchlorigen Säure giftiges Chlor-Gas (Cl2) entstehen, das lebensgefährliche Verätzungen nicht nur unserer Atemwege verursachen kann, sondern auch für praktisch alle anderen Lebewesen giftig ist.

Das Javel-Wasser aus dem Supermarkt enthält deshalb in der Regel einen Puffer, d.h. einen Stoff, der eine gewisse Menge Säure sofort unschädlich machen kann und die Lösung damit basisch hält. So müsst ihr nicht fürchten, dass euch eure Putzmittel eines verspritzten Tropfens wegen sofort vergiften. Da ihr aber nicht wissen könnt, wie viel Puffer in eurem Javel-Wasser vorhanden bzw. bereits verbraucht ist (der Puffer-Gehalt ist auf der Flasche nicht unbedingt angegeben!), verlasst euch nicht darauf!

 

Was nützt mehr? Javel-Wasser oder Essig?

Javel-Wasser ist eine oxidierende Base, Essig eine nicht-oxidierende Säure. Damit sind diese beiden eigentlich gar nicht miteinander zu vergleichen.

Ihr könnt Essig zum Lösen von Kalk verwenden, der mit der Säure zu wasserlöslichen Ionen und gasförmigem Kohlenstoffdioxid (CO2) reagiert.

Javel-Wasser spaltet und oxidiert hingegen organischen Schmutz, während Kalk in basischer Umgebung fest bleibt. Es eignet sich ausserdem zur Behandlung von Schimmelflecken.

Verwendet trotz der sich ergänzenden Wirkungen aber niemals Essig und Javel-Wasser miteinander!

Persönlich habe ich grossen Respekt vor der oft gefährlichen Chlor-Chemie und habe kein Javel-Wasser im Putzschrank stehen. Wenn es um Fett und anderen organischen Schmutz geht, ziehe ich Seife und Wasser als Reinigungsmittel vor. Wie die Seife zu ihrer Super-Waschkraft ganz ohne oxidierende Wirkung kommt, könnt ihr übrigens hier genauer nachlesen.

Quanten zum Anschauen: Materiewellen sichtbar gemacht

Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2017. Ich freue mich sehr, nach 2015 und 2016 einmal mehr dabei sein zu dürfen! Deshalb gibt es ihn für einmal auswärts zu lesen – und eure Mitwirkung ist gefragt!

Quanten sind in aller Munde – sie werden rege diskutiert und als Erklärung für allerlei Wundersames ge- oder sogar missbraucht. Da verwundert es nicht, dass die Quanten selbst sich in meinen Beitrag eingeschlichen haben und höchstselbst einen grundlegenden Einblick in ihre Welt geben. Wie sich zeigt, ist diese gar nicht so übernatürlich wie sie vielen scheint – sondern wir Menschen sind sie einfach nicht gewohnt.

Was die Quanten Spannendes über ihre ungewohnt seltsame Welt zu erzählen haben, könnt ihr in meinem Wettbewerbsbeitrag auf Astrodicticum Simplex nachlesen und eure eigene Stimme beim Leser-Voting hinterlassen. Dabei könnt ihr sogar etwas gewinnen!

Eine Übersicht über alle teilnehmenden Artikel findet ihr hier. Einzelheiten zu Ablauf und Abstimmung sind am Anfang dieses und des Wettbewerbsbeitrags verlinkt!

Und für alle, die eine Kurzform bevorzugen, habe ich das Geheimnis der Quantenwelt in einem weiteren kleinen Gastbeitrag auf 100Wörter.de auf gerade einmal 100 Worte komprimiert – fast schon Quanten-Massstab für meine Verhältnisse!

Dank Maike „Miss Declare“ und Instagram habe ich eine ungewöhnliche Blogparade entdeckt, die um so besser in Keinsteins Kiste passt. Denn es geht bei Meike auf Mathsparks um Mathematik – und ohne Mathematik wäre die Chemie wohl kaum halb so spannend, wie sie ist.

Deshalb geht es heute um Mathematik in der Chemie. Und wer nun abgehobenes Zeug wie die Quantenmechanik fürchtet, kann beruhigt sein: Die Mathematik, die ich meine, erfordert einzig Grundschul- bzw. Primarschul-Kenntnisse und kann euch beim Experimentieren sehr nützlich sein. Denn ich spreche…ähm schreibe… von der Stöchiometrie.

Mit der Stöchiometrie können Chemiker nämlich berechnen, in welchem Verhältnis sie Stoffe einsetzen müssen, damit diese möglichst vollständig miteinander reagieren können.  Und weil sie dabei von der jeweiligen Reaktionsgleichung ausgehen, erkläre ich euch heute

  • Wie man Reaktionsgleichungen richtig liest und versteht
  • Wie die Chemiker sich unvertretbar grosser Zahlen entledigen
  • Wie man von einer Reaktionsgleichung auf abmessbare Stoffportionen kommt

Und damit es auch wirklich Spass macht zeige ich euch, wie ihr damit und mit ein paar Dingen aus dem Haushalt eure eigene Rakete starten lasst!

Wie du Reaktionsgleichungen liest und verstehst

Atome und Moleküle reagieren nicht irgendwie miteinander, sondern in festgelegten Verhältnissen. Diese Verhältnisse werden in einer Reaktionsgleichung zum Ausdruck gebracht. Und obwohl darin anstelle eines Gleichheitszeichens ein Pfeil von links nach rechts auftaucht, handelt es sich dabei um eine richtige mathematische Gleichung. Denn es gilt stets das Gesetz der Massen- bzw. Stoffmengenerhaltung:

Bei einer chemischen Reaktion geht kein Teilchen verloren!

Das bedeutet, links und rechts des Reaktionspfeils steht immer die gleiche Anzahl Atome:

Dabei werden einzelne Atome der jeweiligen Sorten durch Elementsymbole dargestellt. So steht ein „H“ in Gleichung (1) für ein Wasserstoff-Atom. Wenn in einem Molekül bzw. Teilchen mehrere Atome der gleichen Sorte vorkommen, verwendet man das Elementsymbol einmal und gibt die Anzahl der Atome als Index an: H2 steht also für ein Molekül, das aus zwei Wasserstoffatomen besteht!

Wenn mehrere einzelne Atome einer Sorte vorkommen, verwendet man das Elementsymbol einmal und schreibt die Anzahl der Atome als Faktor davor:

Gleichung (2) meint das gleiche wie Gleichung (1): Zwei mal ein Wasserstoffatom bzw. zwei Wasserstoffatome reagieren zu einem Wasserstoffmolekül, das aus zwei Wasserstoffatomen besteht.

Auch ganze Moleküle können durch einen Faktor vervielfacht werden:

Gleichung (3) meint also: Vier Wasserstoffatome reagieren zu zwei Wasserstoffmolekülen aus je zwei Wasserstoffatomen. Dabei stehen auf jeder Seite des Pfeils insgesamt 4 Wasserstoffatome – die beiden Seiten der Gleichung sind damit „gleich“, wie es sich für eine richtige Gleichung gehört.

Verschiedene Teilchen werden schliesslich durch „+“-Zeichen verbunden aufgelistet:

Gleichung (4) meint also: Zwei Wasserstoffmoleküle und ein Sauerstoffmolekül (Chemiker sind ebenso bequem wie Mathematiker und sparen sich den Faktor „1“) reagieren zu zwei Wasser-Molekülen. Zur Kontrolle: Links wie rechts stehen insgesamt 4 Wasserstoff- und 2 Sauerstoff-Atome – die Gleichung stimmt soweit.

Das Mol als Chemikerdutzend

Beim Experimentieren geht man allerdings nicht mit einzelnen, sondern mit sehr, sehr, sehr vielen Atomen um. Ein Gramm Wasserstoff besteht aus rund 602’000’000’000’000’000’000’000 (6,02•1023) Atomen! Um die vielen Nullen bzw. die Gleitkommazahlen mit unvorstellbaren Exponenten zu vermeiden, haben die Chemiker festgelegt:

6,02*1023 Atome sind ein Mol Atome.

Dieser Trick ist auch in jedermanns Alltag verbreitet: Wem 12 Eier als eine schwer zu begreifende Menge erscheinen, der  bestellt ein Dutzend Eier und kann mit Hilfe des kleinen 1×1 der 12 auch den Output eines produktiven Hühnerstalls spielend bewältigend (zwei Dutzend sind 24, drei Dutzend 36,…).

Jetzt können Stoffmengen bequem in der Einheit „mol“ (ein Mol = 1 mol) angegeben und verwendet werden. Die Gleichung (2) kann man damit auch so lesen: Zwei Mol Wasserstoffatome reagieren zu einem Mol Wasserstoffmolekülen.

Damit gibt die Reaktionsgleichung auch Auskunft über anfassbare Mengen!

Da das Abzählen von Atomen in Zahlen mit 23 Nullen aber mehr als mühsam ist, misst man Stoffmengen in der Praxis mit praktischeren Grössen – wie der Masse, die man wiegen kann. Die Masse/das Gewicht eines Mols Atome eines jeden Elements findet man in fast jedem Periodensystem. Die klugen Chemiker haben die Einheit der dort angegebenen Masse eines Atoms so gewählt, dass der Betrag des Atomgewichts dem Betrag der Masse eines Mols Atome in Gramm entspricht!

Das heisst, sie haben festgelegt, dass das aus 12 Kernteilchen bestehende Kohlenstoffatom 12 atomare Masseneinheiten („u“) bzw. ein Mol Kohlenstoffatome 12 Gramm wiegt. Damit wiegt ein Kernteilchen rund 1 u, bzw. ein Mol Wasserstoffatome, deren Kerne aus jeweils nur einem Proton bestehen, rund 1 Gramm. Kurz gesagt: Die molare Masse des Wasserstoffatoms beträgt rund ein Gramm pro Mol (1 g/mol).

Die molare Masse eines Moleküls erhält man, indem man die molaren Massen seiner Atome einfach zusammenzählt. Ein Mol Wasserstoffmoleküle H2 wiegt also 1 + 1 = 2 Gramm, d.h. die molare Masse des Wasserstoffmoleküls beträgt 2 g/mol.

Von der molaren Masse zur fertigen Stöchiometrie

Wer also eine Reaktionsgleichung kennt, die über verwendete Stoffmengen Auskunft gibt, kann die Zutaten für eine Reaktion entsprechend abwiegen:

Gleichung (4) bedeutet: 2 Mol Wasserstoff-Moleküle und 1 Mol Sauerstoff-Moleküle reagieren zu 1 Mol Wassermolekülen.

1 Mol Wasserstoff-Moleküle wiegen 2g, 1 Mol Sauerstoff-Moleküle wiegen 32g (das Periodensystem verrät: 1 Mol O-Atome wiegt rund 16g), 1 Mol Wassermoleküle wiegen 1 + 1 + 16 = 18g.

Man kann also auch lesen:  2 * 2 = 4 Gramm Wasserstoff und 32 Gramm Sauerstoff reagieren zu 2 * 18 = 36 Gramm Wasser (der Massenerhaltung ist damit wiederum Genüge getan!).

Wenn ich also 36 Gramm Wasser (z.B. in einer Brennstoffzelle) herstellen möchte, brauche ich dazu 4 Gramm Wasserstoff und 32 Gramm Sauerstoff. Benötige ich mehr Wasser, kann ich diese Zahlen einfach vervielfältigen (für 360g Wasser brauche ich 40g Wasserstoff und 320g Sauerstoff), benötige ich weniger, kann ich mit Bruchteilen arbeiten (für 3,6g Wasser brauche ich 0,4g Wasserstoff und 3,2g Sauerstoff).

Wer sich nun fragt, wie er Gase wiegen soll: Da 1 Mol jedes beliebigen Gases aus kleinen Molekülen bei gegebener Temperatur und gegebenem Druck das gleiche Volumen einnimmt (22,4 l bei 0°C und 1bar), können die Stoffmengen ebenso gut in Volumina, die sich leichter messen lassen, umgerechnet werden. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wie Essig und Natron eine Rakete zum Fliegen bringen

Für den Praxistest eurer Stöchiometrie-Kenntnisse eignen sich vielmehr feste und flüssige Reaktionspartner. Die kann man nämlich wesentlich einfacher abmessen. Zum Beispiel für den Start einer Rakete. Und den könnt ihr mit ein paar einfachen Zutaten aus dem Haushalt verwirklichen: Natron und Haushaltsessig!

Im Artikel zu den 3 Party- und Fasnachtsspektakeln mit CO2 könnt ihr nachlesen, wie ihr aus diesen beiden Stoffen reichlich Kohlenstoffdioxid-Gas gewinnen und damit zum Beispiel einen Leuchtvulkan zum Ausbruch bringen könnt. In Reaktionsgleichungen lässt sich das Ganze so darstellen:

 

Essigsäure (CH3COOH) ist – wie der Name sagt – eine Säure und wird von Natriumhydrogencarbonat (Natron, NaHCO3), das eine Base ist, neutralisiert, wobei Kohlensäure (H2CO3) und Natriumacetat (CH3COOH) entstehen. Für den Antrieb entscheidend ist jedoch, was danach passiert:

Kohlensäure ist instabil und zerfällt in Wasser und gasförmiges Kohlenstoffdioxid (CO2)! Und Gase haben die Eigenschaft, dass sie sehr viel Platz einnehmen – wenn sie können. So kann das Kohlenstoffdioxid, wenn es aus einer Düse ausströmt, als Rückstossantrieb für eine Modell-Rakete herhalten. Dazu lässt man die Reaktionen (5) und (6) zwischen Essig und Natron in einem geschlossenen Behälter ablaufen, dessen einziger Ausgang die Antriebsdüse am hinteren Ende der Rakete ist, sodass das Gas dort ausströmen muss, sobald es im Behälter zu eng wird.

Das Problem dabei: Bei den Reaktionen bleibt eine ganze Menge gewichtiger „Abfall“ in der Rakete zurück, der mitfliegen muss, zum Beispiel das Natriumacetat aus Reaktion (5) und eine grosse Menge Wasser, die schon im Haushaltsessig enthalten ist und als Lösungsmittel dient. Damit die Rakete bestmöglich fliegen kann, ist es daher wichtig,  dass sie nicht unnötig mit überflüssigem, aber schwerem Material beladen wird (das gilt übrigens für alle Raketentreibstoffe, auch für jene von „richtigen“ Weltraum-Raketen).

Mit anderen Worten: Die Reaktionsteilnehmer, mit denen die Rakete beladen wird, sollten so vollständig wie möglich miteinander reagieren, sodass möglichst wenig davon übrig bleibt. Und ihr könnt die Stöchiometrie nutzen, um das zu erreichen!

Wie du den perfekten Treibstoff für deine Rakete berechnest

Zunächst sehen wir uns die Reaktionsgleichungen für die Antriebs-Reaktion an: Wenn ihr Gleichung (6) als Folge von Gleichung (5) betrachtet, erkennt ihr, dass ein Molekül Essigsäure und ein Äquivalent* Natron nötig sind, um ein Molekül Kohlenstoffdioxid zu erzeugen. Kurz ausgedrückt kann man dies auch so schreiben:

*Natron ist ein Salz, d.h. es ist nicht aus Molekülen aufgebaut, sondern ein beliebig grosser Ionenkristall (bzw. ein Pulver aus solchen Kristallen). Die Formel gibt das Verhältnis an, in welchem die Ionen im Kristall vorkommen und wird in Reaktionsgleichungen und beim Rechnen genauso (also äquivalent) verwendet wie die Summenformel eines Moleküls.

Optimal ist demnach ein Treibstoffgemisch, das 1 Mol Essigsäure-Moleküle und 1 Mol Natron Äquivalente enthält. (Für die Schlaumeier unter euch: Ich lasse hier die besonderen Regeln für chemische Gleichgewichte, zu welchen diese Reaktionen zählen, ausser Acht (Mit Le Châtelier erkläre ich auf dem Flughafen genauer, was es damit auf sich hat). Für den Nachbau der Modell-Rakete genügt jedoch auch die Stöchiometrie allein!)

Um zu erfahren, wieviel der Stoffe ihr verwenden müsst, benötigt ihr nun die molaren Massen der Moleküle bzw. Äquivalente, die ihr aus den molaren Massen ihrer Atome zusammensetzen könnt. Das Periodensystem verrät dazu:

Wasserstoff (H) wiegt rund 1 g/mol, Kohlenstoff ( C) rund 12 g/mol, Sauerstoff (O) rund 16 g/mol, Natrium (Na) rund 23 g/mol.

Daraus ergibt sich für

  • Essigsäure (CH3COOH bzw. C2H4O2): 2*12 + 4*1 + 2*16 = 60 g/mol
  • Natron (NaHCO3): 1*23 + 1*1 + 1*12 + 3*16 = 84 g/mol

Ein Mol Essigsäure sind demnach 60 Gramm, die mit 84 Gramm Natron reagieren können. Bevor ihr ans Wiegen geht, gibt es aber noch ein Problem: Haushaltsessig besteht nur zu einem Bruchteil aus Essigsäure – der Rest ist Wasser. Der Haushaltsessig aus dem Supermarkt hier in der Schweiz enthält so nur rund 10 (Volumen-)% Essigsäure.

Glücklicherweise haben sowohl Essigsäure als auch Wasser eine Dichte von rund 1 g/cm3 (bzw. 1g/ml), sodass ihr auch für die Dichte des Gemischs aus beiden eine Dichte von rund 1g/ml annehmen könnt. Das bedeutet, dass ihr die Masse der Flüssigkeiten in Gramm 1:1 in das Volumen in Kubikzentimetern bzw. Millilitern umrechnen könnt.

Damit enthalten 10g bzw. 10ml Schweizer Haushaltsessig nur 1g Essigsäure und 9g Wasser. Für ein Mol Essigsäure benötigt ihr also 600g oder 600 Milliliter Essig – und eine ziemlich grosse Rakete. Deshalb macht es Sinn, die Menge der eingesetzten Stoffe auf ein Fünftel (oder noch weiter) herunter zu rechnen:

0,2 Mol Essigsäure sind 12g – das entspricht 120g bzw. 120ml Schweizer Haushaltsessig – und 0,2 Mol Natron sind 16,8g. Diese Mengen finden problemlos in einer 0,5l PET-Flasche Platz.

Tipp: Wer noch mehr Gewicht sparen möchte, verwendet „Essigessenz“, die in Deutschland im Supermarkt erhältlich ist und 25% Essigsäure enthält. So muss nicht das Zehnfache, sondern nur das Vierfache der berechneten Menge Essigsäure eingesetzt werden!

Nun steht eurem Raketenstart nichts mehr im Wege!

EXPERIMENT: RAKETENSTART MIT ESSIG UND NATRON

Ihr benötigt

  • Eine 0,5l PET-Flasche
  • Etwas Pappe zum Basteln, eine Untertasse oder einen Zirkel, eine Schere, Klebeband
  • Haushaltsessig oder Essigessenz (aus der Reinigungsabteilung im Supermarkt)
  • Waage und ggfs. Messbecher mit 10ml- oder 20ml-Teilstrichen
  • Frischhaltefolie
  • Natron-Pulver (als Backtriebmittel bei den Backzutaten im Supermarkt)
  • Eine Luftballon-Hülle
  • Eine Ahle oder einen spitzen Schraubenzieher
  • 3 kleine Blumentöpfe oder andere gleich hohe Gegenstände
  • Eine spitze Nadel
  • Schutzbrille, Laborkittel oder entbehrliche Kleidung, ggfs. eine grosse Giesskanne oder einen Eimer voll Wasser
  • Platz für die Startrampe und trockenes Wetter 😉

Durchführung

Die PET-Flasche wird eure Rakete sein. Der Schraubverschluss wird dabei zur Antriebsdüse, der Boden der Flasche zur Raketenspitze. Damit das Ganze auch nach einer Rakete aussieht, könnt ihr eurer Flasche eine spitze Kappe und ein Leitwerk aus Pappe basteln:

  • Zeichnet mit Hilfe der Untertasse oder des Zirkels einen Kreis auf die Pappe und schneidet ihn aus. Schneidet anschliessend ein „Tortenstück“ (etwa ein Sechstel des Kreisumfangs) aus dem Kreis heraus und schiebt die geraden Kanten übereinander, sodass ein Kegel entsteht, der genau über den Boden eurer PET-Flasche passt. Fixiert den Kegel mit Klebeband (Flüssig- oder Heisskleber eignen sich dazu auch, allerdings benötigen sie geraume Zeit zum Trocknen. Eine Büroklammer hält den Kegel währenddessen zusammen. Klebeband hält hingegen sofort!).
  • Klebt den fixierten (und trockenen) Kegel auf den Boden eurer Flasche, indem ihr einen Streifen Klebeband halb um den Flaschenkörper, halb um den Kegel legt und vorsichtig andrückt.
  • Fertigt für das Leitwerk mindestens drei Finnen („Flügel“) aus Pappe an.
Vorlage für das Leitwerk der Rakete
  • Das Bild zeigt eine Vorlage für meine Leitwerk-Finnen: Zeichnet diese dreimal auf die Pappe oder klebt Schablonen aus Papier darauf und schneidet sie aus. Faltet jede Finne entlang der mittleren gestrichelten Linie nach „innen“. Dann faltet die beiden Seitenflügel in die andere Richtung, also nach „aussen“.Befestigt die Seitenflügel mit Klebeband so am Flaschenkörper, dass die Spitzen der Finnen ein wenig über den aufgeschraubten Deckel hinausragen. Der Abstand zwischen den Finnen beträgt bei 3 Finnen einen Drittelkreis (120°), bei 4 Finnen einen Viertelkreis (90°) etc (Ich möchte Gewicht sparen, weshalb ich nur 3 Finnen verwende).

Da die Öffnung der Flasche zu weit ist, um den Ausstoss ausreichend zu bündeln, verengt ihr ihn als nächstes zu einer Antriebsdüse.

  • Durchbohrt den (abgeschraubten) Deckel der Flasche in der Mitte mit der Ahle bzw. dem Schraubenzieher, sodass ein wenige Millimeter durchmessendes Loch entsteht. Schneidet zudem ein Stück aus der Ballonhülle, das sich bequem über die Flaschenöffnung legen lässt (Durchmesser ca. 4 bis 5 cm) und legt dieses zum Start bereit.

Jetzt ist es an der Zeit, den Raketentreibstoff vorzubereiten.

  • Legt ein Stück Frischhaltefolie auf die Waage, tariert sie und wiegt 10,6g (auf der Haushaltswaage rund 11g) Natron darauf ab. Rollt anschliessend das Pulver so in die Folie ein, dass ein Päckchen entsteht, welches durch die Öffnung der PET-Flasche passt.
Einwaage und Verpackung von Natron
links: Natronpulver auf der Waage; rechts: das fertige Natron-Päckchen
  • Messt 120 Milliliter Haushaltsessig ab (wenn ihr keinen ausreichend genauen Messbecher habt, könnt ihr auch 120g Haushaltsessig in einem Gefäss (tarieren!) abwiegen) und stellt ihn zum Start bereit.

Und nun zu den Startvorbereitungen:

  • Stellt die Blumentöpfe so auf dem Startplatz auf, dass ihr die Rakete auf den Finnen darauf stellen könnt. Klebt die Töpfe mit etwas Klebeband fest, damit sie nicht verrutschen können.
  • Nun solltet ihr folgendes am Startplatz griffbereit haben: Die Flaschen-Rakete, den durchbohrten Deckel, das Stück Luftballonhaut, das Gefäss mit dem Essig, das Natron-Päckchen und die spitze Nadel.
  • Dreht die Rakete mit der Spitze nach unten und füllt vorsichtig den Essig durch die Flaschenöffnung ein (ein Trichter kann dabei hilfreich sein).
  • Schiebt das Natron-Päckchen fast vollständig in die Öffnung, sodass es zunächst mit dem hinteren Ende darin hängenbleibt. Legt die Luftballonhaut über die Öffnung und das Ende – erst dann drückt das Päckchen vollständig in die Flasche!

Jetzt muss es zügig gehen – denn die Reaktion zur CO2-Erzeugung ist nicht mehr aufzuhalten: Achtung! Von jetzt an steht die Rakete zunehmend unter Druck! Der Essig wird langsam in das Folienpäckchen eindringen und mit dem Natron zu reagieren beginnen. Das entstehende CO2 treibt das Päckchen zunehmend auseinander, sodass die Reaktion sich beschleunigt. Wenn ihr ungeduldig seid, schüttelt die Flasche etwas, sodass das Päckchen schneller auseinanderfällt.

  • Schraubt den Deckel sorgfältig über der Ballonhaut fest und stellt die Rakete wieder aufrecht auf ihre Sockel.
  • Wartet, bis die Gasentwicklung in der Rakete (das Sprudeln und Brausen) weitgehend zum Stillstand gekommen ist. Nehmt dann grösstmöglichen Abstand zur Rakete hinein und stecht mit gestrecktem Arm die Nadel durch das Loch im Deckel in die Ballonhaut (Wer wirklich sicher leben möchte, montiert die Nadel auf eine Stange und übt vorher, bis er die Spitze damit aus grösserem Abstand durch das Loch befördern kann!).

Die Rakete wird sich sofort mit lautem Zischen in die Luft erheben – verliert nicht die Nadel vor Schreck 😉 und geht sofort nach dem Stich auf Abstand! Mit dem CO2 strömt nämlich unweigerlich auch essighaltige Flüssigkeit aus der Düse!

Sicherheitshinweise

Essigsäure ist eine schwache Säure, die – besonders auf 10% verdünnt – auf menschlicher Haut kaum ätzend wirkt. Wenn ihr Essigspritzer abbekommt, genügt es daher, sie mit viel Wasser abzuwaschen.

Auf Basen wie Natron reagiert der Körper wesentlich empfindlicher – gebt Acht, dass ihr das Natronpulver nicht in die Augen bekommt oder einatmet!

Die Augen schützt ihr deshalb mit der Schutzbrille – falls trotzdem etwas ins Auge geht, spült es gründlich (mindestens 10 Minuten!) mit Wasser aus und lasst im Zweifelsfall einen Augenarzt darauf schauen. Zuschauer sollten vorsorglich einige Meter Abstand zur Startrampe einhalten!

Viele Materialien werden dennoch von Essigsäure angegriffen: Wenn Spritzer auf eure Kleidung kommen, wascht diese sofort gründlich aus (und tragt zur Sicherheit entbehrliche Kleidung oder/und einen Kittel – Säurelöcher zeigen sich manchmal erst nach der nächsten Maschinenwäsche!). Marmor und Kalkstein eignen sich zudem nicht als Startrampe, da auch sie von Essigsäure angegriffen werden (sie bestehen aus Calciumcarbonat, einem chemischen Verwandten des Natrons!). Wenn ihr eure Rakete auf dem Rasen startet, verwendet einen Tisch oder eine Kiste als Startrampe und legt eine Plane darunter, denn auch Pflanzen mögen Essigsäure nicht (tatsächlich wird Haushaltsessig hierzulande im Baumarkt auch als glyphosatfreier Unkrautvernichter verkauft).

Und sollte aller Vorsicht zum Trotz der Raketentreibstoff irgendwo landen, wo er nicht hin soll und ihr ihn nicht aufnehmen könnt, giesst am besten reichlich Wasser darüber (dafür stehen Giesskanne oder Eimer bereit). Denn da weder Essigsäure noch Natron noch die Produkte ihrer Reaktion giftig sind, sind sie in grosser Verdünnung für Mensch und Umwelt harmlos.

Entsorgung

Dementsprechend können die Treibstoffreste auch (am besten miteinander) mit viel Wasser in den Ausguss entsorgt werden.


Ich habe meine „Aceto“-Rakete draussen auf dem Land gestartet, weit entfernt vom nächsten Supermarkt. Und nachdem ich einige Versuche brauchte, um Anpassungen an der Antriebsdüse zu machen, ist „Aceto-3“ mit meiner letzten Natron-Portion dann endlich abgehoben – zumindest für einen Augenblick! Und dass ich dabei noch eines Rechenfehlers wegen doppelt so viel Flüssigkeit wie nötig geladen hatte, gibt Anlass zur Annahme, dass ohne Fehler noch wesentlich mehr geht:

Dies ist nur ein Beispiel dafür, was für spannende Dinge ihr mit ein paar einfachen Rechenkenntnissen anstellen könnt. Wenn eure Kinder einmal wieder fragen, warum bitteschön sie unbedingt das „Plusrechnen“ oder das Einmaleins (oder ähnliches) üben müssen, antwortet doch: „Damit ihr damit eine Rakete starten könnt“. Ich bin sicher, das tönt auch und gerade in Kinderohren spannend!

Und wenn ihr selbst eine Rakete starten lasst, erzählt uns doch nachher, wie weit sie geflogen ist!

Viel Spass wünscht

Eure Kathi Keinstein

Hast du das Experiment nachgemacht: 

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Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!