Tag Archive for: Chemie

Dieser Artikel enthält Affiliate-Links aus dem Amazon-Partnerprogramm (gekennzeichnet mit (*) – (*) ) – euch kosten sie nichts, mir bringen sie vielleicht etwas für meine Arbeit ein. Ich habe für diese Rezension ein Rezensionsexemplar des Buches erhalten. Es besteht kein Interessenkonflikt hinsichtlich des Inhalts in diesem Beitrag und dessen Publikation.

Unendliche Weiten – Eine Einladung in das Universum der Chemie

Chemie – das ist schwierig, kompliziert, gefährlich… Das sind die gängigen Vorurteile gegenüber einer verkannten Wissenschaft. Chemie ist überall – alles ist Chemie — Mein eigener Leitspruch könnte im Schatten dieser Vorurteile wahrlich Anlass zum Gruseln sein.

Ich bin aber kein Fan von Grusel! Ich habe diesen Leitspruch gewählt, weil er aussagt, was Chemie in Wirklichkeit ist: Die natürlichste Sache der Welt (ja, auch die beruht auf Chemie!) und aus unserem Leben nicht wegzudenken. Und das gilt auch und gerade für jene unter euch, die einen „alternativen“ Lebensstil pflegen.

Die Vielfalt der Chemie und ihre zahllosen Rollen in unserem Alltag wie auch bei der Bewältigung der grossen Probleme der Menschheit beschäftigt auch die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), die anlässlich ihres 150jährigen Bestehens mit der Herausgabe des Bildbandes „Unendliche Weiten“ zum Entdecken einlädt:

Eine bunte und überraschende Abenteuerreise durch die faszinierenden Welten des Chemie-Universums: Wie erklärt die Chemie die Entstehung des Lebens, wie hat sie die Welt verändert und wie lassen sich die drängenden Probleme unserer Zeit mit ihrer Hilfe lösen? In zwölf Kapiteln geben uns ausgesuchte Spezialisten, Chemiker und Chemikerinnen, einen Einblick in die Chemie als äusserst kreative und verantwortungsbewusste Wissenschaft. Viele praktische Beispiele, Produkte und Anwendungen zeigen das Potential der Chemie auf. So erfährt man etwa, dass eine moderne Energie- und Rohstoffversorgung ohne Chemie weder denkbar noch machbar ist und welche Bedeutung die Chemie für die moderne Informationstechnologie hat.

Zum Inhalt des Buches

Die Abenteuerreise beginnt mit einem „Prospekt“ des Reiseveranstalters: Das einleitende Kapitel „Faszination Chemie“ von Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger öffnet ein Fenster in die Welt der Chemie – von ihrer Geschichte bis zu ihrer Bedeutung heute, das Lust auf mehr bzw. Genaueres macht. Und Genaueres gibt es in den folgenden Kapiteln zu den Teildisziplinen der Chemie.

Den Anfang macht die Anorganische Chemie. Zusammengestellt von Barbara Albert, Thomas Geelhaar, Wilma Neumann und Armin Reller reicht die „Spielwiese der Anorganischen Chemie“ von den chemischen Elementen und ihrer Entstehung bis zu anorganischen Verbindungen, die heute unser Leben bestimmen. Alle 118 heute bekannten Elemente im Einzelnen beschrieben würden freillich ein eigenes Buch füllen (oder eine Blogartikel-Sammlung), sodass die Autoren sich mit einem Beispiel näher befasst haben – dem etwas exotisch erscheinenden Bor, das trotz seiner relativen Seltenheit im Universum wie in Schulbüchern wichtiger Bestandteil verschiedenster Technologien ist.

Um ein weiteres Element – Kohlenstoff – hat sich eine ganz eigene Disziplin der Chemie gebildet: Die Organische Chemie. Michael Röper nimmt uns im zweiten Kapitel zu einem Ausflug in diesen Fachbereich mit. Dabei erfahren wir nicht nur, warum uns ausgerechnet Kohlenstoff mit einer schier endlosen Vielfalt von Verbindungen beschert und wie wir diese Vielfalt aus Erdöl oder alternativ aus nachwachsenden Rohstoffen gewinnen können. Darüber hinaus lernen wir die Katalyse als Schlüsseltechnologie der Chemie näher kennen und erhalten einen Einblick in das Konzept der „grünen“, nachhaltigen Chemie, die Forschung und Industrie zunehmend beeinflusst. Dabei geben ausführlich gestaltete Infoboxen vertiefende Einblicke in die Materie (im wahrsten Sinne des Wortes!).

Es folgt ein Rundgang durch mein eigenes „Kerngebiet“: Die Biochemie – die Chemie und Technik des Lebens. Mark Helm, Johanna Bretzler, Nina Simon und Thomas Carell gewähren in ihrem Kapitel Einblick in ausgewählte Gegenstände der aktuellen Forschung und Anwendung. Von neu entdeckten DNA-Basen über Designer-Proteine über das CRISPR-Cas9 – Werkzeug für die einfache Genmanipulation bis zur Biotechnologie tun sich dabei geradezu futuristisch anmutende Möglichkeiten auf.

Bei aller Faszination wird jedoch ebenso viel Wert darauf gelegt, welch grosse Verantwortung Chemie-Betreibende – Forscher wie Anwender – stets tragen. So ist das fünfte Kapitel allein der Wasser- und Umweltchemie gewidmet. Vergeude keine Ressourcen, verwerte sie!, lautet der Leitsatz, wenn es um Wasservorräte, die Mikroplastik-Problematik oder um Klima und Atmosphärenchemie geht. Und in all diesen Feldern können und müssen Chemiker sich als Problemlöser betätigen.

Nun ist es absolut falsch, die Chemie als isolierte Wissenschaft für sich zu betrachten. Vielmehr überschneidet sie sich mit allen Ecken und Enden mit anderen Disziplinen der Natur- und weiterer Wissenschaften. Die vielleicht gängigsten Schnittmenge ist jene mit der Physik. So ist das Kapitel über die physikalische Chemie besonders vielfältig und umfassend und reisst doch nur eine Auswahl der Arbeitsgebiete physikalischer Chemiker an: von theoretischen Berechnungen von Reaktionen über Spektroskopie, Katalyse (einmal mehr), Nanomaterialien, elektrochemische Grenzflächen, Energieversorgung, Nuklearchemie, Forschung bei extrem tiefen Temperaturen und der Rosetta-Mission ist vom einzelnen Atom bis zu den unendlichen Weiten des Weltraums alles dabei.

Zurück zu alltäglichen Belangen finden wir im siebten Kapitel über die Polymerchemie: Ohne Kunststoffe geht heute praktisch gar nichts mehr – und nicht nur die bestehen aus Polymeren, sondern auch das Leben käme ohne sie nicht aus. Und so faszinierend all diese Riesenmoleküle auch sind – auch hier kommen Umweltproblematiken und daraus entstehende Aufgaben für Chemiker nicht zu kurz.

Und auch in Sachen digitaler Kommunikation kommt die Chemie nicht zu kurz. Immer kleiner, .schneller und sparsamer soll unsere Kommunikationstechnik werden. Was die Chemie zur Entwicklung von Computerchips, ihrer Herstellung und ihrer Funktion – und damit zum Bloggen – beigetragen hat und bei der Entwicklung selbstorganisierender Strukturen, dem Gehirn nachempfundenen Datenspeichern und hochflexibler Displays beitragen kann, verrät uns Rainer Waser in Kapitel 8.

So viel Chemie macht Hunger – und wenn es um die Ernährung geht, kommen wir einmal mehr nicht ohne Chemiker aus. ‚Was machen eigentlich Lebensmittelchemiker?‘ fragen die Autoren in Kapitel 9. Die Antwort: Sie sorgen sich um die Einhaltung unserer ausgezeichneten Qualitätsstandards in Mitteleuropa in Sachen Nahrungs- und Verbrauchsmittel. Und dabei sehen sie die Entdeckung einer unerwünschten Verunreinigung und den darauf folgenden Medienrummel als Nachweis ihrer gründlichen Arbeit an denn als Zeichen schlecher Nahrungsmittelqualität.

‚Im Dienste der Gesundheit‘ tut sich in Kapitel 10 dann auch ein weiteres Fachgebiet auf: Die medizinische Chemie, die sich mit der Herstellung von Medikamenten und ihrer Wirkung auf den Organismus beschäftigt. Dabei wird die gängige, aber irreführende Unterscheidung in Natur = gut und Chemie = schlecht auf die Geschichte der Heilkunde zurückgeführt: Seit Beginn der Menschheitsgeschichte suchen Menschen nach heilenden Substanzen – und fanden sie zuerst in der Natur. Den langen Weg zu synthetischen Wirkstoffen zeichnen die Autoren anhand von zwei ebenso alten wie populären Medikamenten nach. Und wie solche Wirkstoffe eine ganze Gesellschaft verändern können, zeigt das Beispiel der Anti-Baby-Pille. Doch auch in Zukunft gibt es in der medizinischen Chemie grosse Aufgaben zu bewältigen: Bezahlbare Medikamente und Impfstoffe für alle sind nur ein Beispiel dafür.

Dieser farbenfrohe Rundgang durch das Universum der Chemie führt schliesslich zu der einen grossen Frage: Wie sieht die Zukunft der Chemie aus? Die vorangehenden Kapitel zeigen eine wahre Fülle von Aufgaben und Problemstellungen auf, mit welchen sich heutige und künftige Chemiker beschäftigten können bzw. müssen. Das elfte Kapitel dreht sich um die Frage nach dem „Wie“: Für die Lösung grosser, drängender globaler Probleme ist ein ebenso umfassendes Denken nötig, meinen die Autoren. Eine Ausweitung der Interessen über den Rand der Chemie hinaus ist unumgänglich, Interdisziplinarität das A und O, um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

All das bietet schlussendlich die richtige Grundlage, um – auch und gerade in der Chemie – kreativ zu sein. Wieviel Kreativität in der Arbeit von ChemikerInnen tatsächlich steckt, zeigt Thisbe K. Lindhorst im 12. Kapitel, in welchem sie in faszinierender Weise die Chemie mit der Arbeit von Architekten vergleicht. Und tatsächlich schaffen wir Baumeister der Moleküle mindestens ebenso atemberaubende Werke wie die Baumeister der makroskopischen Welt!

Mein Eindruck vom Buch

Wir haben die Beiträge in diesem Buch zusammengestellt, um für die Chemie breites Interesse in der Gesellschaft zu wecken und auf sie neugierig zu machen.

So schreiben die Herausgeber im Vorwort zu „Unendliche Weiten“. Das könnte glatt aus meiner Feder stammen – und hat mich gleich dazu bewegt, euch dieses Buch vorzustellen.

Ganz besonders haben wir dabei an die Jugend gedacht. Für diejenigen, deren Schulzeit zu Ende geht, steht die Berufswahl an. Sie müssen sich für einen Weg in die Zukunft entscheiden. Dafür sind faire und ausführliche Informationen gefragt. Auch dabei soll das Buch eine Hilfe sein. Es möchte Sie inspirieren und vielleicht auch begleiten auf einem Weg in die weiten Welten der Chemie.

Ich bin diesen Weg schon weit gegangen und habe mich im Rahmen der Lehrerausbildung schliesslich auch mit der Steinigkeit, die sein Anfang für viele bereithält, auseinandergesetzt. Mit anderen Worten: Ich habe erlebt, welche Schwierigkeiten Schülerinnen und Schüler im Umgang mit fachlichen Formulierungen und dem Begreifen eben solcher Zusammenhänge haben und die abschreckende Wirkung von mit dem Vorurteil „schwierig“ behaftetem Stoff gesehen. Und ich kenne ebenso die Freude in den Gesichtern, wenn die Lernenden dieses Vorurteil als falsch enttarnen können und wirkliche Neugier auf „mein“ Fach entwickeln.

Mit eben dieser Freude habe ich dieses Buch gelesen und viel Spannendes und Neues entdeckt – denn selbst studierte Chemiker können naturgemäss immer nur einen Bruchteil dieser ‚unendlichen Weiten‘ im Blick haben. Die Vielzahl an farbigen Abbildungen und vertiefender Textboxen machen die Lektüre dabei um so greifbarer.

Ein Leser ganz ohne „chemischen Hintergrund“ dürfte jedoch über manche Strecken mit dem fachlichen Niveau des Textes Mühe bekunden – oder viel Geduld bzw. Interesse zum Nachschlagen von Begriffen mitbringen müssen. Einige Grundlagen werden zwar kurz und bündig geliefert bzw. aufgefrischt, aber etwas chemisches Basiswissen ist von grossem Wert, um die faszinierende Welt der Chemiker wirklich geniessen zu können. Dabei gehen zwar die meisten Kapitel für sich den einladenden Weg von einfach nach anspruchsvoll, doch ganz und gar breitentauglich – dafür weniger tiefgehend – erschien mir erst das siebte Kapitel über die Polymere.

Schülerinnen und Schüler am Ende ihrer Schullaufbahn, wie das Zitat aus der Einleitung sie erwähnt, vornehmlich Maturanden/Abiturienten, finden – aufbauend auf den Grundlagen aus dem Chemieunterricht – einiges Bekanntes wieder und vor allem spannende weiterführende Einblicke in die Welt der Chemie. Überdies präsentiert ihnen das Buch eine breite Fülle von Fragestellungen und Betätigungfeldern, mit bzw. in welchen sie in Chemie-Berufen künftig wichtige und spannende Aufgaben für die Gesellschaft übernehmen können.

Eckdaten rund ums Buch

(*)

(*)

(*) Thisbe K. Lindhorst, Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger, Gesellschaft deutscher Chemiker e.V. (Hrsg.): Unendliche Weiten – Kreuz und quer durchs Chemie-Universum(*)

WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 2017
Gebundene Ausgabe, 230 Seiten
ISBN: 978-3-527-34203-7
ePDF-ISBN: 978-3-527-80450-4

Fazit

Die Abenteuerreise in die Unendlichen Weiten ‚Kreuz und quer durchs Chemie-Universum‘ eröffnet besonders Schulabgängern und anderen Lesern mit grundlegendem chemischen Hintergrund ein breites Spektrum von Möglichkeiten, welche Chemie-Berufe und die Chemie als solches für sie und die Gesellschaft bereithalten.

Wer also ein grundlegendes Interesse an Naturwissenschaften hat, findet in diesem Buch einen spannenden Einblick in Forschung und Technik der Gegenwart und Zukunft. Umfassende Grundlagen werden dabei jedoch nicht vermittelt – das ist in diesem Umfang auch gar nicht möglich. Dafür mag dieser Band euch dazu inspieren, auch mal ein Grundlagenbuch zur Hand zu nehmen und euch näher mit der ‚gar nicht so schweren‘ Chemie zu beschäftigen.

Und vielleicht sehen wir uns dann wieder im Universum der Chemie „…wo noch kein Mensch zuvor gewesen ist!“

Death Valley : Aussicht vom Zabriskie Point

Endlos weite, steinige Leere, ein weites, wüstes Land unter allzeit erbarmungslos gleissender Sonne. Das Death Valley, buchstäblich ein ‚Tal des Todes‘, scheint wirklich kein Ort für Leben zu sein. Doch über das Jahr hinweg ist das Wetter im Todestal ebenso vielfältig wie seine Bewohner, die den Schutz eines der extremsten Nationalparks in den USA geniessen.

Wir haben das Death Valley im Hochsommer erkundet – in einer Jahreszeit, die zweifellos hitzetoleranten Abenteurern vorbehalten ist. Doch mit einem modernen Auto können heute inbesondere grössere und grosse Forscher dieses Abenteuer ohne Schwierigkeiten bestreiten. Und obwohl der Sommer im Death Valley nicht dazu einlädt, lange im Freien herum zu laufen, gibt es doch eine Menge zu entdecken und zu tun. Fünf Vorschläge dafür möchte ich heute vorstellen.

Abenteuer Death Valley: Gute Vorbereitung ist unerlässlich!

Wie bereits erwähnt, ist ein modernes Auto das A und O für eine Fahrt in bzw. durch das Todestal. Denn besonders im Sommer geht dort für die meisten von uns ohne Klimaanlage gar nichts. Ausserdem habe ich die angenehme Erfahrung machen dürfen, dass moderne Motoren auch mit extremer Hitze problemlos zurecht kommen.

Dennoch sollte man im Death Valley eine Panne nach Möglichkeit vermeiden, denn dort gibt es über Dutzende Meilen hinweg gar nichts: Keine Tankstelle, keine Autowerkstatt, keinen Abschleppdienst, kein flächendeckendes Handynetz – und keinen Schatten.

Strasse ins Death Valley: Die nächsten 116 Kilometer gibt es weder Sprit noch Wasser noch Werkstatt!
Strasse ins Death Valley: Die nächsten 116 Kilometer gibt es weder Sprit noch Wasser noch Werkstatt!  Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz by Reto Lippuner

Reiseführer empfehlen deshalb, vor der Einfahrt in den Nationalpark den Öl- und Kühlwasserstand zu überprüfen und gegebenenfalls nachzufüllen. Ausserdem ist voll tanken angesagt, denn es gibt keine Garantie, dass die einzige Tankstelle innerhalb des Tales geöffnet und Treibstoff vorrätig hat.

Wir sind im Sommer 2014 von Las Vegas kommend von Südost nach Nordwesten durch den Park gefahren. So sind wir an der Westausfahrt in Panamint Springs an einer der wohl teuersten Tankstellen der vereinigten Staaten vorbei gekommen – und waren froh, auch dort noch nicht tanken zu müssen.

Doch auch für das Expeditionsteam muss gesorgt sein. Reichlich Wasser – mehrere Liter pro Person und Tag – sind überlebenswichtig! Nicht nur könnt ihr euch dann leisten, jederzeit zu trinken, wenn euer Körper danach verlangt. Sondern ihr habt auch dann genug, wenn doch einmal eine Panne passiert und ihr länger als geplant in der Hitze verweilen müsst. Wir hatten für unsere eineinhalbtägige Durchfahrt für zwei Personen fast 20 Liter im Auto, sodass wir uns um Durst keine Sorgen machen mussten.

Der gleissenden Sonne wegen sind UV-undurchlässige Kleidung, eine Kopfbedeckung und Sonnencreme mit einem hohen Lichtschutzfaktor ebenfalls sehr empfehlenswert, ganz besonders für hellhäutige Expeditionsteilnehmer.

Bei den folgenden Forscher-Aktivitäten können zudem folgende besondere Ausrüstungsgegenstände von Nutzen sein: Ein Thermometer mit einer Skala bis mindestens 50°C (besser mehr), ein Magnet, für Himmelsunkundige eine Sternkarte und gegebenenfalls eine Taschenlampe mit einem Rotfilter bzw. einer roten Folie vor der Lichtquelle.

Warum der ganze Aufwand?

Im Death Valley steigen die Temperaturen im Sommer tagsüber weit über 40°C, zuweilen sogar über 50°C und sinken auch nachts nur wenig ab! Nebst Sonnenbrand kann das schnell zu einem Hitzschlag oder Flüssigkeitsmangel führen – und beides kann unbehandelt tödlich enden. Das Auto mit Klimaanlage hat sich uns daher als unverzichtbare allgegenwärtige Zuflucht erwiesen.

Bleibt daher immer in der Nähe eures Wagens und mit diesem an den (asphaltierten) Hauptstrassen. Dort sind im Death Valley nämlich auch im Sommer regelmässig Autos unterwegs, sodass ihr dort nicht lange auf Hilfe warten müsst.

Längere Spaziergänge und Wanderungen sind damit im Sommer nicht möglich – aber auch in der Nähe der Strasse(n) gibt es im Tal des Todes reichlich zu tun und zu entdecken!

Forscher-Aktivitäten (auch) im Sommer

1. Eine Salzpfanne erkunden

Die Badwater Road (Highway Nr. 178), eine der asphaltierten Hauptstrassen im Death Valley Nationalpark, verläuft in Nord-Süd-Richtung mitten durch das Tal des Todes. Dabei führt sie direkt am der weiten Salzpfanne im „Badwater Basin“ vorbei. Das Gebiet ist mit 86 Metern unter dem Meeresspiegel der tiefstgelegene Landstrich Nordamerikas und war einmal der Grund eines grossen Sees. Der ist heute praktisch ausgetrocknet – und eine Schicht aus einst darin gelösten Salzen ist das einzige, was davon übrig ist.

Etwa auf halber Strecke entlang der Salzfläche gibt einen grossen Parkplatz, von welchem aus ein Holzsteg auf die Salzfläche hinaus führt. Eine Tafel markiert auf dem Steg den „tiefsten Punkt Nordamerikas“.

Badwater Basin: Die Salzpfanne am tiefstgelegenen Punkt der USA
Badwater Basin: Die Salzpfanne am tiefstgelegenen Punkt der USA.
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Anders als viele ähnliche Stege kann man diesen am Ende verlassen und einen Spaziergang auf der Salzfläche wagen.  Begehbare Flächen sind sichtbar flach getreten. Aber Achtung! Im Sommer ist es hier extrem heiss und gleissend hell, sodass ihr euch in keinem Fall weit von Steg und Auto entfernen solltet! Dafür gibt es auch bereits in der Nähe des Steges bizarre Salzkrusten zu entdecken. Und selbst im Hochsommer (wir waren Ende Juli dort) verraten Wasserlachen auf dem Salz, dass es selbst im Death Valley auch mal regnet. Das Wasser in den Lachen dürfte extrem salzig und daher nicht trinkbar sein: das „Badwater“ Basin hat seinen Namen nicht von ungefähr.

Wasserrest in der Salzpfanne des Badwater Basin
Völlig versalzen: Das ’schlechte Wasser‘ im Badwater Basin ist nicht zum Trinken geeignet! 
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Im Norden des Beckens (es gibt dort einen weiteren Parkplatz) nimmt die dicke, zersprungene Salzkruste geradezu groteske Formen an. Eine rauhe, bis auf angelegte Pfade vollkommen unwegsame Oberfläche aus zerborstenen Salzschollen erstreckt sich hier so weit das Auge reicht. Hier scheint es nichts zu geben – wir kamen uns vor wie auf einem fremden, lebensfeindlichen Planeten. Nicht umsonst wird dieses Gebiet „Devil’s Golfcourse“, der Golfplatz des Teufels genannt.

Mitten im Death Valley: Devil's Golfcourse - Der Golfplatz des Teufels
Devil’s Golfcourse – Der Golfplatz des Teufels. 
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Die Geographie des Death-Valleys

Das Tal des Todes liegt im Westen Nordamerikas, an der Ostgrenze des Bundesstaates Kalifornien. In diesem Gebiet wird der nordamerikanische Kontinent in Folge der stetigen Erdplattenbewegungen seit vielen Millionen Jahren auseinander gezogen. In Folge dessen bekommt die Erdkruste hier an vielen Stellen lange Risse, wie eine spröde Oberfläche eines Kuchens, der beim Backen aufgeht. Einige der Krustenbruchstücke werden durch die Bewegung empor gehoben, andere sinken immer weiter ab. So ist ein gewaltiges System aus Bergketten („ranges“) und Tälern („basins“) entstanden, die allesamt grob in Nord-Süd-Richtung verlaufen und sich von der Pazifik-Küste bis nach Utah hinein erstrecken (im Englischen heisst diese Region „Basin-and-Range“).

Das Death Valley liegt mitten in der Basin-and-Range-Region und wird von zwei Gebirgszügen umschlossen: Der Panamint Range im Westen und der Amargosa Range im Osten. Die Entstehung des Tales und der Bergketten hat vor rund 13 Millionen Jahren begonnen. Seither hat es sich durch die Bewegung der Krusten-Bruchstücke in waagerechter Richtung besonders tief abgesenkt – so tief, dass es unweigerlich mit Meerwasser volllaufen würde, hielten die Berge im Westen den Pazifik nicht draussen.

Dabei bleibt es nicht aus, dass von Zeit zu Zeit Magma durch die Risse zwischen den Schollen an die Oberfläche dringt. So beweist der „Split Cinder Cone“, ein gerade einmal 300’000 Jahre alter Vulkankegel mitten im Death Valley, dass die Bewegung bis in die geologische Gegenwart andauert: Er liegt genau auf einem dieser Risse und wird seit seiner Entstehung mit den wandernden Schollen zur Hälfte in die eine, und zur anderen Hälfte in die entgegengesetzte Richtung verschoben.

Luftaufnahme des Split Cinder Cone
Luftaufnahme vom Split Cinder Cone: Der Erdboden verschiebt sich entlang der gestrichelten Verwerfungslinie und hat den Vulkankegel binnen 300’000 Jahren entzwei gerissen

Tiefer wird das Todestal dennoch nicht mehr, denn während es sich absenkt, tragen Wind und Wetter die umliegenden Berge ab und spülen den Abraum, Sand und Gesteinstrümmer, ins Tal hinab. So füllt es sich seit geraumer Zeit ebenso schnell mit den Sedimenten, wie es absinkt.

Dabei war das Death Valley längst nicht immer so trocken wie heute. Im Zuge der Eiszeiten in den letzten Zwei- bis Dreimillionen Jahren floss immer wieder Schmelzwasser von Gletschern in die abflusslosen Täler und sammelte sich in grossen Seen. Gänzlich unter Wasser stand das Tal des Todes zuletzt vor rund 20’000 bis 10’000 Jahren, als der gewaltige Lake Manley, 145 km lang, 16 km breit und bis 187 m tief, sich darin erstreckte. Dagegen war der Recent Lake mit seinen 10 Metern Tiefe, der erst vor wenigen Jahrtausenden austrocknete und die heutigen Salzpfannen hinterliess, ein kleiner Tümpel.


2. Besonders im Sommer: Extreme Temperaturen messen und erleben

Sobald wir am Boden des Death Valley das Auto verlassen haben, liessen uns unsere Körper umgehend und deutlich spüren, was Sache war: Hier ist es heiss, verdammt heiss. So heiss, dass man hier nicht verweilen kann. Einen derartigen Drang zurück in klimatisierte Umgebung habe ich vor dieser Tour noch nicht erlebt! Da kommt man erst gar nicht auf den Gedanken, sich unnötig weit vom Fahrzeug zu entfernen.

Welche Temperaturen tatsächlich vorherrschen, verrät ein Thermometer: Ich habe meinen batteriebetriebenen elektronischen Temperaturfühler im Hosentaschenformat zum Einsatz gebracht. Auf der Salzfläche des Badwater-Basins zeigte er am Mittag 42°C Lufttemperatur (an der Sonne, Schatten gibt es hier nicht). Rund 20 Meilen weiter nördlich am Zabriskie Point, einem ganz leicht erhöhten Aussichtspunkt hatte es am frühen Nachmittag 44,5°C in der Luft bei leichtem Wind. Wenige Millimeter in den Boden gebohrt zeigte das Thermometer sage und schreibe 55,2°C! Die Schuhe auszuziehen ist da nicht ratsam – man verbrennt sich nur die Füsse!

Thermometer an der Furnace Creek - Oase
Thermometer an der Furnace Creek-Oase am 29.7.2014 gegen 16 Uhr: 119°F entsprechen rund 48°C. Die höchste Temperatur auf der Erde wurde vor rund 100 Jahren hier gemessen. Die niedrigste Temperatur (im Winter wrd es hier knackig kalt!) und den meisten Niederschlag bis dahin lieferte das Jahr 1913 gleich mit!
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Wer kein eigenes Thermometer dabei hat, findet an der Furnace Creek Ranch, einer ausgebauten Oase mitten im Tal, eine Info-Tafel mit einer grossen Temperaturanzeige auf der Fahrenheit-Skala. Wir kamen am späten Nachmittag dort an und konnten umgerechnet 48°C ablesen. Das sind rund 11°C mehr als die übliche Temperatur im Inneren eines menschlichen Körpers! Da läuft Mensch unweigerlich ganz schnell heiss. So waren wir dankbar, nach ein- bis zweihundert Metern Fussweg auf dem Gelände ein klimatisiertes kleines Museum vorzufinden, in dem wir vor dem Rückweg zum Auto eine Abkühlungspause einlegen konnten.

Wetterextreme im Death-Valley und ihre Entstehung

Seine aussergewöhnliche Lage beschert dem Tal des Todes extreme Wetterbedingungen: Es gehört zu den trockensten und heissesten Gegenden der Welt! Warum ist das so?

Der Westen Nordamerikas wird mit Feuchtigkeit aus dem Pazifischen Ozean versorgt. Meerwasser verdunstet, und der entstehende Dampf wird von Luftströmungen landeinwärts getrieben. Stehen solch feuchten Luftströmungen Bergketten im Weg, verdichtet sich der Wasserdampf zu Wolken, die schliesslich an den Berghängen abregnen. In Folge dessen sind die Berge nahe der Westküste von fantastischen Regenwäldern und gewaltigen Baumriesen bedeckt, wie man sie im Sequoia National Park in der Sierra Nevada bewundern kann, bedeckt.

Das Problem dabei: Um das Death Valley zu erreichen, müssen die Wolken aus dem Pazifik ganze fünf Bergrücken überwinden – und damit unweigerlich fünfmal regnen. Und nach fünfmal Regnen bleibt von der ursprünglichen Feuchtigkeit praktisch nichts mehr übrig. Alles, was im Tal des Todes ankommt, ist in der Regel trockener Wind. Und selbst der macht sich im Sommer rar, sodass sich in dem engen, kargen Tal die Hitze staut. So fallen dort im Laufe eines ganzen Jahres gerade einmal 5 Zentimeter Niederschlag pro Quadratmeter.

Einzig wenn „El Niño“ mit seinen sintflutartigen Regenfällen alle paar Jahre die Westküsten Nord- und Südamerikas heimsucht, kommt auch im Death Valley wirklich Regen an. Das geschah zuletzt im Oktober 2015, als regelrechte Unwetter über dem Nationalpark niedergingen und ihm den nassesten Oktober aller Zeiten bescherten. Das bedeutet, dass im Norden des Parks binnen 5 Stunden etwa 7,5 Zentimeter Regen und Hagel niedergingen, wo sonst im Jahr gerade einmal 10 Zentimeter zusammen kommen. Die Folgen davon sind regelrechte Sturzfluten, die die an Trockenheit gewöhnte Landschaft stark verändern und an Gebäuden und Strassen erhebliche Schäden verursachen können. Selbst am Furnace Creek mitten auf dem trockenen Talgrund sind während der gesamten Unwetterperiode rund 3,5 Zentimeter Niederschlag gefallen.

Und wie reagiert die Natur darauf?

Die Wassermassen, die während eines solchen Wetterereignisses den Boden durchtränken, wecken zahllose im Wüstensand verborgene Samen aus langem Schlaf. So wird das Tal des Todes während der milden Wintermonate von einem farbenprächtigen Blumenmeer erfüllt. Für wenige Wochen herrscht das volle Leben, bis die zurückkehrende Hitze das Grün verdorren lässt. Doch bis dahin haben die Pflanzen neue Samen gebildet, welche im Wüstensand schlummernd auf den nächsten Besuch von „El Niño“ warten.


3. Bunte Farben und Muster in Gesteinsformationen entdecken

Die Beschreibung einer leblosen Wüste mag die Vorstellung einer leeren, langweiligen Landschaft wecken. Doch tatsächlich ist diese Landschaft nicht reizlos und öde, sondern farbenfroh und von bizarren Mustern und Strukturen erfüllt. Denn im Death Valley gibt es eine Vielzahl von Mineralien und Erzen, die, einmal Wind und Wetter ausgesetzt, die verschiedensten Farben annehmen.

Im Sommer lässt sich dieses Farbenspiels am einfachsten entlang des „Artist’s Drive“ bewundern. Diese asphaltierte Seitenstrasse zweigt nördlich von des Teufels Golfplatz von der Badwater Road ab zu einem Rundkurs durch eine Hügelllandschaft, die zu Recht „Artist’s Palette“ genannt wird. Denn hier sind Gesteinsschichten von weiss, gelb, braun, bis hin zu rot und grün offen sichtbar, dicht an dicht zusammengefügt wie auf der Farbpalette eines Malers. Und das Ganze kann bequem aus dem klimatisierten Auto heraus erkundet werden!

Artists Palette: Bunte Farbenpracht im Death Valley dank Eisen und Co.
Farbenpracht der „Artists Palette“: Farbenfrohe Metall-Verbindungen, hauptsächlich des Eisens, sorgen hier für bunte Vielfalt.
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Die Route ist eine Einbahnstrasse und recht kurvig. Deshalb darf sie nur mit Fahrzeugen mit einer Gesamtlänge bis 7,7 Meter (25 Fuss) befahren werden. Wer mit einem grösseren Camper unterwegs ist, kann jedoch einen Halt am Zabriskie Point einlegen und dort nach wenigen Schritten zu Fuss den Ausblick über die herrlich bizarren erodierten Hügel aus farbenfrohen Ablagerungen vom Grund eines der einstigen Seen im Tal geniessen.

Zabriskie Point: Bizarre Hügellandschaft durch Erosion
Erodierte Hügel am Zabriskie Point: Dieser Aussichtspunkt ist nach ein paar Schritten hügelaufwärts vom grossen Parkplatz zu erreichen. 
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Darüber hinaus gibt es rund um das Tal verschiedene Wanderwege, die zur Erkundung der Gesteine des Todestals einladen. Im Sommer solltest du jedoch allerhöchstens in den Höhenlagen der umliegenden Berge längere Spaziergänge oder Wanderungen unternehmen – am Talgrund ist es dazu einfach zu heiss und gefährlich!

Mineralien im Death Valley

Die weissen bis grauen Salzablagerungen im Badwater Basin bestehen grossteils aus Natriumchlorid (NaCl), dem Stein- oder Kochsalz, mit welchem wir auch unser Essen würzen. Daneben findet man jedoch eine ganze Reihe weiterer löslicher oder weniger löslicher Salze der Alkali- und Erdalkalimetalle (der Metalle in den ersten beiden Spalten des Periodensystems). Dazu zählen zum Beispiel Sylvin (Kaliumchlorid, KCl), Calcit (Calciumcarbonat, „Kalk“, CaCO3 ) und Gips (Calciumsulfat, CaSO4 * 2H2O ).

Weltweit selten ist Borax (Na[B2O5(OH)4)] * 8H2O ). Dieses Mineral enthält das seinerseits auf der Erde seltene Element Bor, das unter anderem für die Herstellung von Glas, Porzellan und Holzschutzmitteln verwendet wird. Damit war das Borax Ende des 19. Jahrhunderts so begehrt, dass es sogar mitten im Tal des Todes, unweit von Furnace Creek, abgebaut und in grossen Wagen in weit entfernte Fabriken abtransportiert wurde. Nahe der Hauptstrasse nördlich von Furnace Creek kann die Geschichte der „Harmony Borax Works“ auf einem kurzen beschilderten Rundweg – auch im Sommer – nachvollzogen werden. Vergiss nicht, Sonnenhut und Getränkevorrat mitzunehmen!

Für den Farbenreichtum der Gesteine sind all diese Verbindungen jedoch nicht verantwortlich – sie sind weitestgehend farblos. Bunt wird es hingegen, wenn die Metalle in der Mitte des Periodensystems – die sogenannten Übergangsmetalle – ins Spiel kommen, denn sie bilden Salze in vielen verschiedenen Farben. Rote und auch gelbe Gesteine enthalten zum Beispiel Eisenoxide („Rost„). Das grüne Mineral Chlorit, das die grünen Farbkleckse zur „Artist’s Palette“ beisteuert, enthält neben Eisen unter anderem Zink und zuweilen etwas Mangan und Nickel.

Zudem gibt es rund um das Death Valley wie vielerorts in Kalifornien Gold- und Silbervorkommen. Auch diese beiden Edelmetalle gehören zu den wenigen Rohstoffen, die genügend Begehrlichkeiten geweckt haben, um in dieser unwirtlichen Gegend ernsthaft danach zu schürfen.


4. In den Mesquite Flat Sand Dunes Magnetit-Sand aufspüren

Die Mesquite Flat Sand Dunes in unmittelbarer Nachbarschaft von Stovepipe Wells sind nicht nur eine atemberaubende Dünenlandschaft inmitten der steinigen Ödnis des Death Valley. Sie bergen ein kleines Geheimnis, welchem man mit einem einfachen Hilfsmittel auf den Grund gehen kann. Einige der Sandkörner in den Dünen bestehen nämlich aus Magnetit. Dieses Mineral, ein Eisenerz, hat seinen Namen daher, dass es ebenso von Magneten angezogen wird wie metallisches Eisen!

In den Sanddünen der Mesquite Flat kannst du die Magnetit-Sandkörner deshalb ganz einfach aufspüren: Fahre mit einem Magneten langsam mit wenigen Millimetern Abstand über den Sand. Die schwarzen Magnetit-Körner werden vom Magneten angezogen und bleiben daran haften.

Einfacher Kühlschrankmagnet mit Magnetit-Körnern
Über den Sand geführt: Einfacher Kühlschrankmagnet mit Magnetit-Körnern

Weil der Boden – auch der Sand – im Death Valley an sonnigen Sommertagen sehr heiss werden kann, empfehle ich, dieses kleine Experiment mit einem Abend- oder Morgenspaziergang zu verbinden, zum Beispiel von einem Nachtquartier in Stovepipe Wells aus.

Warum ist Magnetit magnetisch?

Das Mineral Magnetit ist ein Eisenoxid, welches zwei verschiedene Sorten Eisen-Ionen enthält. Seine chemische Formel lautet Fe3O4 , wobei zwei der drei Eisen-Ionen Fe3+-Ionen sind und das dritte Eisen-Ion ein Fe2+-Ion. Zusammen bringen diese Ionen also acht positive Ladungen mit, die durch vier Oxid-Anionen (O2-) mit jeweils zwei negativen Ladungen aufgewogen werden.

Eisen-Atome bzw. -Ionen sind dafür bekannt, dass sie magnetische Eigenschaften haben und sich wie winzige Kompass-Nadeln in Magnetfeldern ausrichten können. Das führt dazu, dass metallisches Eisen, in welchem sich diese „Elementarmagnete“ fein säuberlich in der gleichen Orientierung (parallel) anordnen können, von einem Magneten angezogen wird. Diese Eigenschaft, die für Eisen so charakteristisch ist, wird nach eben diesem Element (lat. ferrum) „Ferromagnetismus“ genannt.

Ähnlich ergeht es dem Magnetit: Die Mischung verschiedener Eisen-Ionen beschert diesem Mineral nämlich ein ganz besonderes Kristallgitter. Darin gibt es verschieden starke Elementarmagnete, die sich ebenfalls parallel anordnen lassen, allerdings in entgegengesetzter Orientierung (man nennt das „antiparallel“). Entgegengesetzt orientierte Elementarmagnete heben ihre Wirkung gegenseitig auf – da sie unterschiedlich stark sind, aber nicht vollständig. Deshalb wird auch Magnetit von Magneten angezogen (oder zieht sie seinerseits an) und kann – wie Eisen – so magnetisiert werden, dass es ein eigenes Magnetfeld erzeugt! Dieser Magnetismus ist jedoch schwächer als der von „echten“ Ferromagneten, weshalb dafür ein neuer Name erfunden wurde: „Ferrimagnetismus“.

Eine ausführliche Erklärung zu den geheimnisvollen Magnet-Kräften findest du in dieser Geschichte rund um den Magnetismus!


5. Im Tal übernachten und die Sterne und mit etwas Glück(?) Tiere beobachten

Richtig, man kann im Death Valley übernachten. Es gibt am Grund des Tales mehrere Campingplätze – im Sommer auch nachts ein heisses Vergnügen – und zwei feste Unterkünfte mit klimatisierten Zimmern: Furnace Creek und das Stovepipe Wells Village. Wir haben während unseres Trips in Stovepipe Wells Quartier bezogen (vorab reservieren!) und waren heilfroh um unser kleines Motel-Zimmer mit Dusche und Klimaanlage.

Stovepipe Wells ist ein kleines Motel mit Restaurant und angeschlossenem Campingplatz mitten in der Wüste, sodass es mehr noch als Furnace Creek eine fantastische Gelegenheit für einen Blick nach oben bietet. Mitten im Todestal gibt es nämlich keinerlei störendes Licht von menschlichen Errungenschaften auf der Erde, sodass sich schon wenige Schritte abseits der Häuser ein vollkommen ungetrübter Blick in den Nachthimmel geniessen lässt. Und dieser Nachthimmel ist wahrhaft atemberaubend!

Sonnenuntergang über den Mesquite Flat Sand Dunes
Ein Fest für die Sinne schon vor dem eigentlichen Nachthimmel: Sonnenuntergang über den Mesquite Flat Sand Dunes. 
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Anders als in besiedelten Gebieten unseres Planeten oder gar Städten zieren hier nämlich abertausende Sterne den Himmel. So ist die Kante der Milchstrasse leicht mit blossem Auge zu beobachten, und wer nach fernen Galaxien und anderen Weltraumnebeln sucht, hat hier die besten Aussichten. Im Hochsommer, insbesondere Ende Juli und Mitte August, können zudem vermehrt Sternschnuppen beobachtet werden, da unser Planet sich in dieser Zeit durch zwei Meteorschauer bewegt.

Eine Sternkarte kann dabei helfen, sich in dem leuchtenden Überfluss am Himmel zurecht zu finden, und mit einem Teleskop kannst du Nebel und Planeten beobachten. Um die Sternkarte im Dunkeln zu lesen, verwende eine Taschenlampe, deren Leuchte mit einer roten Folie oder ähnlichem gedämpft wird, damit deine Augen an die Dunkelheit gewöhnt bleiben!

Die Informationszeitung des Nationalpark-Service gibt Auskunft über die Mondphasen (bei und um Neumond ist die Sicht mangels störendem Mondlicht am besten) und sichtbare Planeten und andere Himmelsereignisse.

Achtung vor Tieren!

Nicht nur wir Menschen empfinden die das Tal des Todes bei Nacht als erträglicher. Auch mag man des Nachts vermehrt Tieren begegnen, die sich oft erst bei oder nach Sonnenuntergang aus ihren kühlen Verstecken wagen. Die meisten sind harmlos, doch gibt es Klapperschlangen, Skorpione und schwarze Witwen (Spinnen), die giftig sind. Trage also auch und vor allem nachts Hosen und Schuhe und tritt oder greife nirgendwo hin, ohne vorher hinzusehen (das gilt auch bei Tag und in der Dämmerung)!

Ich bin zum Sterne schauen ein paar Schritte die Strasse aus Stovepipe Wells hinausgegangen und bin direkt abseits des Strassenrandes auf ebener Erde stehen geblieben, um nach oben zu sehen. Ein Liegestuhl hätte hier eine bequemere Haltung ermöglicht. Auf den Boden legen wollte ich mich nämlich dessen tierischer Bewohner wegen nicht. So bin ich ausser einigen farblosen nachtaktiven Libellen, die vom Licht im Dorf angezogen wurden, keinen Tieren begegnet.

Fazit

Auch wenn die extremen Temperaturen eine besondere Herausforderung darstellen, ist das Death Valley auch im Sommer eine Reise wert. Erwachsene mit gesundem Kreislauf und ältere Kinder (kleinere Kinder sind nahe dem Boden nur noch mehr der Hitze ausgesetzt – mit ihnen bereist du das Death Valley besser im Frühjahr) können dabei viel Spannendes entdecken und bestaunen. Wer schon immer einmal einen lebensfeindlichen fremden Planeten erkunden will, kann genau das hier auf der Erde ausprobieren! Mehr Informationen und aktuelle Hinweise findest du auf der Death-Valley-Website des Nationalpark-Service.

Und hast du dich auch schonmal in das Tal des Todes gewagt?

Die fünfte Jahreszeit nähert sich ihrem Höhepunkt, und ob Jecken, Narren oder Böögge, alle wollen in diesen Tagen Spass haben. Wie könnte ich mich da ausnehmen – als Exil-Rheinländerin im Land der Fasnacht? So ist es in den letzten Tagen im Haushalts-Labor reichlich närrisch zu- und hergegangen – und es sind dabei gleich drei spektakuläre Experimente für närrischen wie lehrreichen Partyspass herausgekommen.

Der Antrieb für ein gutes Spektakel: Treibgas

Bei „Treibgas“ mögen viele an den ungeliebten Inhalt von Spraydosen denken, an hochentzündliche organische Gase, schlimmstenfalls an die umweltgefährlichen Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW). Da ich mich aber schadstoffarmen Experimenten für den Hausgebrauch verschrieben habe, ist das Treibgas meiner Wahl Kohlenstoffdioxid, CO2. Das ist ein natürlicher Bestandteil der Atmosphäre, reaktionsträge und in dem kleinen Umfang, in welchem es bei solchen Experimenten freigesetzt wird, ohne Bedeutung für den Treibhauseffekt (jedenfalls im Vergleich zur Freisetzung durch unsere Autos und die Industrie). Und es lässt sich aus einfachen Haushaltszutaten aus dem Supermarkt gewinnen!

 

Die Konfetti-Bombe mit Chemie-Power

Mein erster Gedanke dazu, was man mit Gas an- oder auftreiben könnte, galt der Konfettibombe: Konfetti in eine schlaffe Luftballonhülle füllen und den Ballon aufblasen, bis er platzt! Da wäre es doch spannend, anstatt der eigenen Lunge oder eine Fahrradpumpe zum Aufblasen zu verwenden, den Ballon mit der Kraft der Chemie zu füllen…

Um dazu genügend CO2 zu erzeugen, braucht man nichts weiter als Natriumcarbonat und Essigsäure. Natriumcarbonat, besser bekannt als Soda, bekommt man billig und in rauhen Mengen in der Drogerie als Hilfsmittel zum Waschen. Essigsäure gibt es in verdünnter Form als Haushaltsessig zum Reinigen.

Für das Experiment brauchst du ausserdem noch

  • Eine nicht zu grosse Flasche mit relativ weiter Öffnung und einen Stopfen aus Gummi oder Kork, mit welchem die Flasche sich dicht verschliessen lässt
  • Eine Ahle oder ähnliches, um den Stopfen zu durchbohren (sofern du keinen bereits durchbohrten Stopfen aus dem Laborbedarf oder Chemiebaukasten hast)
  • Eine einfache Luftballon-Hülle
  • Konfetti
  • Einen Trichter mit weitem Hals und einen Stab, der hindurchpasst (z.B. ein chinesisches Essstäbchen oder ein Malstift)
  • Wenige Blätter WC-Papier
  • Eine säure-unempfindliche, leicht zu reinigende Umgebung (keine Marmorfliesen oder -platten!!)
  • Lange Kleidung und Schutzbrille

Durchführung

Fülle die Flasche je nach Grösse zu einem Viertel bis etwa zur Hälfte mit Haushaltsessig. Feuchte auf zwei einzelnen WC-Papier-Blättern je einen gehäuften Teelöffel Soda (ein weisses Pulver) mit einigen Tropfen Wasser an. Schlage das WC-Papier über der Masse  zusammen und forme einen kleinen Block, der durch die Öffnung der Flasche passt.

Schiebe den Hals des Trichters in die Ballonhülle und fülle da hindurch Konfetti ein (mit dem Stab kannst du nachschieben, wenn der Hals des Trichters zu verstopfen droht). Nimm den Trichter wieder heraus und streife die Öffnung der Ballonhülle über das weite Ende des durchbohrten Stopfens (sofern dieser ein weites Ende hat – bei zylindrischen Stopfen ist die Orientierung egal).

Halte den Stopfen mit dem Ballon in einer Hand bereit und schiebe mit der anderen Hand die beiden Soda-Blöcke schnell hintereinander durch die Öffnung in die Flasche mit dem Essig. Setze dann sofort(!!) den Stopfen auf und halte ihn gut fest!

Variante: Forme mit einem Stück Papier einen Trichter auf der Flaschenöffnung und schütte trockenes Soda-Pulver direkt hinein.

Was dann geschehen sollte

Essig und Soda reagieren in beiden Varianten heftig aufschäumend miteinander. Das dabei entstehende Gas strömt durch den durchbohrten Stopfen in den Ballon und bläst ihn auf…bis er schliesslich platzt. So hatte ich mir das zumindest gedacht. Es gab da nur zwei Probleme:

  1. Der hiesige Haushaltsessig aus dem Supermarkt enthält nur 9,5% Essigsäure (und 80,5% Wasser), sodass sichdamit kaum genug Gas erzeugen lässt.
  2. Ich bin einfach zu langsam.

Ich habe mich also dazu entschlossen, noch eine Variante zu versuchen: Ich habe Natron, also Natriumhydrogencarbonat, das als Backtriebmittel erhältlich ist, anstelle von Soda verwendet.

Experimente: Konfettibombe Aufbau

Daraus kann mit der gleichen Menge Essigsäure die doppelte Menge CO2 freigesetzt werden . Unglücklicherweise bin ich dazu erst recht zu langsam…

Missglücktes Experiment: Chemischer Vulkan statt Konfettibombe
Ausgewählte Frames aus der Videoaufzeichnung zur missglückten Konfettibombe: Bild 2 bis 7 sind innerhalb von nur 1,5 Sekunden entstanden!

So kam mir das überschäumende Reaktionsgemisch schneller aus der Flasche entgegen, als ich den Ballon-Stopfen aufsetzen konnte! Ergebnis waren in Folge dessen ein nur teilweise aufgeblasener Ballon und eine wortwörtliche Sauerei auf dem Fussboden (deshalb ist ein säure- und am Besten auch basenfester Untergrund so wichtig)!

In der Chemie und den anderen Naturwissenschaften gehört es zum Alltag, dass ein Versuch nicht klappt – dann gilt: Positiv denken, das Beste daraus machen – und nach Fehlern im Ablauf suchen, um diesen zu verbessern. Letzteres erfordert viel Geduld und noch mehr Zeit und Aufwand. Deshalb beschränke ich mich hier auf ersteres – und zweierlei Gutes zeigt der Versuch bereits:

  1. Die Reaktion setzt tatsächlich Gas frei – genug, um einen Ballon damit aufzublasen.
  2. Der „Unfall“ bei diesem Versuch liefert die Basis für ein zweites Experiment, das somit praktisch gar nicht mehr schiefgehen kann: Der Glitzer-farbenfrohe Leuchtvulkan!

Und um dafür und das dritte, ultimative Spektakel noch Zeit zu finden, habe ich die Weiterentwicklung der Konfettibombe bis auf Weiteres vertagt.

Woher kommt das CO2?

Essigsäure ist ein Stoff, der H+-Ionen abgeben kann (d.h. eine Säure), während Carbonat-Ionen ihrerseits  H+-Ionen aufnehmen können (d.h. das Carbonat-Ion ist eine Base). Das ermöglicht Essigsäure (CH3COOH) und Soda (Natriumcarbonat, Na2CO3, ein Salz, das Carbonat-Ionen enthält), einander zu neutralisieren:

Die dabei entstehende Kohlensäure (eine sehr schwache Säure, so wie das Natriumacetat eine sehr schwache Base ist) ist in Wasser nicht stabil – ihre Moleküle zerfallen:

Aus jedem Molekül Kohlensäure wird also ein Molekül gasförmiges CO2 freigesetzt. Da zuvor zwei H+-Ionen nötig sind, um ein Molekül Kohlensäure zu erzeugen, braucht es zwei Moleküle Essigsäure für jedes Molekül CO2 , das erzeugt und in den Ballon gefüllt werden soll.

Deshalb habe ich die Variante mit Natron versucht. Denn „Natron“ ist Natriumhydrogencarbonat, NaHCO3. Dieses Salz enthält schon halb fertige Kohlensäure, sogenannte Hydrogencarbonat-Ionen, HCO3. Um daraus Kohlensäure zu machen, braucht es nur noch ein Molekül Essigsäure pro künftiges CO2 :

Das entstehende Gas lässt das Reaktionsgemisch wild aufschäumen, und wenn man es rasch einfängt, entsteht genügend Druck, um einen Ballon aufzublasen!


Der Glitzer-farbenfrohe Leucht-Vulkan

Auch wenn ich für den Konfetti-Ballon zu langsam bin (und noch darauf hoffe, in Zukunft irgendwann einmal konzentriertere Essigsäure in die Hand zu bekommen), ist die überschäumende Reaktion doch für ein weiteres Spektakel gut: Für einen leuchtenden chemischen Vulkanausbruch (die Inspiration dazu kommt vom englischsprachigen Spiel- und Experimentierblog „Growing a jeweled rose„!

Dazu brauchst du

  • Haushaltsessig und Soda oder Natron (Natron hat im Zweifelsfall mehr „Wumms“, aus den oben in der gelben Box genannten Gründen)
  • Etwas Geschirrspülmittel
  • Eine Flasche wie beim ersten Versuch, aber sauber und trocken oder einen ähnlichen Behälter
  • Ein Becherglas oder einen ähnlichen Behälter zum Giessen
  • Einen nachfüllbaren Textmarker oder Glow-in-the-Dark-Bastelfarbe
  • Eine Schwarzlicht-Lampe (für die Textmarker-Variante) oder eine starke Lampe bzw. die Sonne (für die Glow-in-the-Dark-Variante)
  • Eine säurefeste, leicht zu reinigende Umgebung im Dunkeln (wiederum: keine Marmor-Flächen!!), z.B. eine Duschwanne

Durchführung

Fülle dieses Mal das Soda- oder Natron-Pulver in die Flasche (in meine Flasche mit 150ml gebe ich ca. 25g). Gib etwa 200ml Essig in das Becherglas.

Textmarker-Variante: Dann öffne den Textmarker und vermische so viel Textmarker-Flüssigkeit mit dem Essig, bis dieser unter Schwarzlicht hell leuchtet (Bei den nachfüllbaren Markern des namhaftesten deutschen Herstellers kannst du die „Mine“ herausziehen und ggfs. im Essig auswaschen!).

Glow-in-the-Dark-Variante: Vermische Glow-in-the-dark-Farbe mit dem Essig und lade das Gemisch unter starkem Licht einige Zeit lang auf, sodass es im Dunkeln hell leuchtet.

Experimente: Kompontenten des Leuchtvulkans unter UV-Licht
Essig mit oranger Textmarker-Flüssigkeit und der mit Natron geladene „Vulkan“ unter Schwarzlicht

Gib für beide Varianten noch einen Schuss Geschirrspülmittel für den extra-coolen Schaumeffekt zum Leucht-Essig. Richte dann das Schwarzlicht im Dunkeln auf die Flasche mit der Soda bzw. dem Natron (für die Textmarker-Variante) und giesse den Essig hinein.

Sofort bricht der chemische Vulkan aus: Das wild schäumende Gemisch quillt in schönster Leuchtfarben-Pracht aus der Flasche und ergiesst sich in die Umgebung!

Experimente: Leuchtvulkan nach dem Ausbruch in UV-Licht
Nach dem „Ausbruch“: Der funkelnde, leuchtende „Lava“-strom

Und wenn du lieber im Hellen Spass hast, kannst du weitere Varianten versuchen: Lebensmittelfarben im Essig, Glitzerstaub im Carbonat-Pulver oder von allem etwas. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt!

Wie Licht und Farben enstehen, habe ich in dieser Geschichte einfach erklärt, und wie das Leuchten im Schwarz- oder UV-Licht (Fluoreszenz) und das eigenständige Leuchten von Glow-in-the-Dark-Farbstoffen (Phosphoreszenz) funktionieren, erfährst du hier!


Entsorgung für Versuch 1 und 2

Verdünnte Essigsäure, Soda- bzw. Natronreste sowie die Reste der Reaktionsgemische können mit reichlich Wasser in den Ausguss entsorgt werden. Die im Vulkan enthaltenen (kleinen) Mengen an (Leucht-)Farbstoffen stehen dem auch nicht im Wege.

Den kleinen Unfall mit der Natron-Konfettibombe habe ich übrigens zum Anlass genommen, damit erst einmal den Küchenboden zu scheuern, bevor ich die Reste aufgenommen und fortgespült habe.

Das ultimative Spektakel: Die Pharaoschlange

Wenn du auf Säure-Base-Reaktionen und die Gefahr einer Sauerei verzichten möchtest, kannst du Soda oder Natron auch anderes um sein CO2 erleichtern: Durch thermische Zersetzung! Natriumcarbonat oder Natriumhydrogencarbonat setzen nämlich bei ausreichend hoher Temperatur und den richtigen Umständen ganz von allein CO2 frei. Und diese Umstände finden sich in einem zünftigen Feuer. Die „Pharao-Schlange“, wie dieser Versuch landläufig genannt wird, entspringt aus einem unscheinbaren „Ei“ und wirkt geradezu wie ein lebendiges Wesen!

Ein so bekanntes Experiment geistert natürlich auch durch das Internet – allerdings häufig in einer hochgiftigen Variante, auf die mich meine Leserin Marion Rotter kürzlich aufmerksam gemacht hat.

Die Schlange lässt sich jedoch auch auf praktisch ungiftige Weise beschwören, sodass sie als atemberaubender Partyspass zuhause Einsatz finden kann!

In früheren Jahren konnte man das perfekte Reaktionsgemisch für ein solches Feuer fertig kaufen – in Form von Emser Pastillen. Da es sich dabei allerdings um Lutschpastillen handelt und der Hersteller vor einigen Jahren dazu übergegangen ist, sein Produkt in diesem Sinne zu optimieren, bringt das Verbrennen von heutigen Emser Pastillen keine Schlange mehr hervor.

Das macht aber nichts, denn die „Eier“ der Pharao-Schlange lassen sich mit einfachen Haushalts-Zutaten und einem kleinen Zusatz wunderbar nachbauen.

Dazu brauchst du

  • Haushaltszucker (z.B. feinen Kristallzucker)
  • Soda (Natriumcarbonat)
  • Brennsprit (Für deutsche Leser: Spiritus)
  • ein wenig Mangan(IV)oxid (MnO2 „Braunstein“), blaues Kupfersulfat (CuSO4* 5 H2O) oder Zigarettenasche
  • wenig Wasser
  • Mörser und Stössel (oder eine stabile Schale und einen abgerundeten Gegenstand)
  • einen Fön
  • eine feuerfeste Unterlage
  • eine feuerfeste Schale mit Sand
  • Feuerzeug oder Streichhölzer
  • gut belüfteter Raum, Terrasse oder Garten

Durchführung

Gib 3 gehäufte Teelöffel Soda und 9 gehäufte Teelöffel Zucker in den Mörser (in jedem Fall 1 Teil Soda auf 3 Teile Zucker), mörsere und vermische sie gründlich. Gib eine Messerspitze Braunstein-Pulver (habe ich verwendet) bzw. Kupfersulfat oder etwas Asche hinzu und vermische das Ganze gründlich.

Manganoxid-Staub kann beim Einatmen oder Verschlucken gesundheitsschädlich sein (Kupfersulfat ebenso, und dieses ist überdies giftig für Wasserorganismen). Für diesen Versuch brauchst du jedoch so wenig davon, dass diese Stoffe bei sachgemässem Umgang damit nicht gefährlich sind.

Das heisst: Halte dich an meine Angaben, verwende nur wenig dieser Verbindungen und achte darauf, dass niemand sie „schnupft“ oder verschluckt!

Zünde deine Schlangeneier zudem am besten draussen an, denn theoretisch können Mangan und Kupfer mit dem Rauch entweichen – und überhaupt „duftet“ die Schlange nicht unbedingt angenehm.

Gib wenige Milliliter Brennsprit und einige Tropfen Wasser hinzu, sodass eine formbare, ganz leicht klebrige Masse entsteht (sie fühlt sich in etwa an wie nasser Sand). Forme auf einer Unterlage kleine Blöcke (ca. 15x10x40mm) aus der Masse. Dann richte den heissen Luftstrom aus dem Fön auf die Blöcke, bis diese weich zu werden und sich zu verformen beginnen. Dann lasse die Blöcke mindestens 2 bis 3 Stunden an der Luft trocken (kippe sie nach der Hälfte der Zeit auf die Seite, damit auch die Unterseite schnell trocken wird. Die fertigen „Schlangeneier“ sind vollkommen hart und können an einem trockenen Ort dauerhaft aufbewahrt werden!

Pharao-Schlange: Rohmasse und fertige "Schlangeneier"
Soda-Zuckermasse mit Manganoxid (links) und zwei fertige „Schlangeneier“ (rechts)

Für das Experiment selbst stecke einen Zuckerblock aufrecht in die Schale mit Sand und platziere sie auf der feuerfesten Unterlage – nach Möglichkeit draussen. Tränke den Block und den umgebenden Sand mit einigen Millilitern Brennsprit (nicht sparen!), verschliesse die Sprit-Flasche, stelle sie weg und entzünde das Schlangenei sogleich.

Experiment Pharaoschlange : Schlangenei bereit zum Schlüpfen
Bereit zum Schlüpfen: Jetzt noch Brennsprit darüber, und dann anzünden!

In der ersten Hitze der Alkohol-Flamme beginnt auch der Zucker im zu brennen. In dem dichten Block verläuft die Verbrennung jedoch nicht vollständig: Es bleibt ein sehr kohlenstoffreicher Rückstand zurück – der Zucker „verkohlt“. In der Hitze des Feuers zerfällt zudem das Carbonat und setzt CO2 frei. Dieses Gas und bei der Verbrennung des Zuckers entstehender Wasserdampf treiben den verkohlten Zucker auseinander: Innerhalb von Minuten wächst eine bis zu einem halben Meter lange Schlange aus der Schale und windet sich in atemberaubender Weise umher!


Wie man Zucker zum Brennen bringt

Wer schonmal eine Feuerzangenbowle gemacht hat, weiss, das Zucker auch in einer Ethanolflamme gar nicht brennt, sondern allenfalls schmilzt oder karamellisiert. In einem Feuer geschieht nämlich nichts anderes, als das Moleküle auseinander gebrochen und ihre Atome neu zusammengesetzt werden.

Aus Haushaltszucker entstehen dabei – im Fall einer vollständigen Verbrennung – zum Beispiel Kohlenstoffdioxid und Wasser:

Um Zuckermoleküle in ihre Bestandteile zu zerlegen, wäre jedoch viel mehr Wärme nötig, als brennender Ethanol liefern kann. Deshalb wird die Pharaoschlange nur dann lebendig, wenn ihre Eier einen Katalysator enthalten.

Ein Katalysator ist nämlich ein Stoff, der dafür sorgt, dass eine Reaktion über einen anderen Weg verlaufen kann, als sie es normalerweise tut. Und wenn für die Begehung dieses anderen Weges weniger Energie nötig ist als für den herkömmlichen Weg, wird ein Katalysator zu einem überaus nützlichen Werkzeug!

Im menschlichen Körper könnten zum Beispiel die meisten zum Leben nötigen Reaktionen (nicht zuletzt die Verbrennung von Zucker!) bei 37°C ohne Katalysatoren gar nicht ablaufen. Deshalb hat die Natur die Enzyme erfunden. Das sind Proteine, die als Katalysatoren wirken. Und viele dieser Enzyme enthalten Metall-Atome bzw. -ionen (auch Mangan!), die für ihre Katalysator-Wirkung zuständig sind.

So liegt es nahe, dass Metall-Ionen auch der Pharao-Schlange auf die Sprünge helfen. Ich hatte beispielsweise Mangan(IV)oxid zur Hand, das Mangan-Ionen enthält. Kupfersulfat, das Kupfer-Ionen enthält, eignet sich aber ebenso, und auch Holz- oder Zigarettenasche enthalten verschiedene Metall-Ionen.

Mit Hilfe der Metall-(in diesem Fall Mangan-)Ionen kann also kann also Zucker in brennendem Ethanol einen energiesparsamen Weg zur Verkohlung nehmen. Dabei kommt uns zugute, dass ein echter Katalysator am Ende seines Einsatz als Wegweiser unverändert zurückbleibt. Denn damit können wenige Mangan-Ionen, die immer wieder aufs Neue zum Einsatz kommen, grosse Mengen Zucker auf den einfachen Weg zur Verkohlung führen. So genügt eine sehr kleine Menge Manganoxid, die kaum wirklich gesundheits- oder umweltschädlich ist, um die Pharaoschlange zu beleben.

Mehr über Katalysatoren erfährst du in dieser Geschichte um den Kraftfahrzeug-Katalysator, der für die chemische Reinigung der Abgase von Verbrennungsmotoren unserer Autos sorgt!


Entsorgung

Die verkohlten Reste der Schlange können nach dem Abkühlen gefahrlos angefasst (sie fühlen sich ganz weich und schaumig an!) und in den Abfall entsorgt werden, da sie nur ganz wenig Mangan enthalten.

Und hast du eines dieser Experimente ausprobiert? Oder hast du ein anderes spektakuläres Lieblings-Experiement?

Hast du die Experimente nachgemacht:

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Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!

Unsichtbare Tinte, Sympathetische Tinte, Zaubertinte, Vexiertinte, Tinte für Damen, Tinte für Liebende… man kennt sie unter vielen Namen: Farblose Schreibflüssigkeiten, die erst in den Händen des Empfängers geheimer Botschaften sichtbar werden. So zahlreich wie die Namen sind auch die Rezeptvorschläge im Netz. Doch welche unsichtbare Tinte ist die beste für deinen geheimen Valentinsgruss? Ich habe verschiedene Rezepturen für dich getestet!

Unsichtbare Tinte: Eine Erfindung aus alten Tagen

Schon im Altertum trieben Liebesbekundungen, insbesondere den Damen im alten Rom, die Röte ins Gesicht. Heisse Schwüre und sehnsuchtsvolle Zeilen sprach oder schrieb die Römerin von Welt nicht offen. Und Briefboten konnte Frau erst gar nicht trauen. Dennoch waren schon damals verliebte Herzen unheimlich mitteilungsbedürftig.

Zur Lösung dieses Problems empfahl der römische Dichter Ovid den liebenden Römerinnen, ihre Liebesbriefe mit Milch auf eine weisse Schreibfläche zu schreiben. Ein neugieriger Bote musste sodann glauben, unbenutztes Schreibmaterial zu transportieren. Der Angebetete der Absenderin musste hingegen eingeweiht sein. Denn es galt, Russ über die leere weisse Fläche zu blasen. Dieser würde an der eingetrockneten Milch, nicht aber an der Schreibfläche selbst haften und die Schrift somit sichtbar machen.

Ebenso waren unter den alten Römern farblose Tinten bekannt, die erst durch die Reaktion mit anderen Stoffen oder durch Wärmeeinwirkung farbig und damit sichtbar wurden.

Doch nicht nur Liebende wussten derlei unsichtbare Tinte zu schätzen. Frühe Priester des Islams vollbrachten damit ganz andere Zauberei: Sie schrieben Mohammeds Namen unsichtbar auf Steine, sodass dieser erst beim Erwärmen der Steine in der Hand erschien! Auf die damaligen Zuschauer, die in der Regel nichts von Chemie verstanden, muss das wie ein göttliches Zeichen gewirkt haben.

Ab dem 17. Jahrhundert bis in das 19. Jahrhundert hinein wurde unsichtbare Tinte einmal mehr unter Liebenden sehr beliebt. Und weil alles Antike in jener Zeit „in“ war, nannte man die Tinte nach dem altgriechischen „Sympatheia“ für „Zuneigung“ auch „sympathetische Tinte“. Das klingt dann wohl in etwa so geheimnisvoll, wie solche Tinte erscheinen mag, wenn sie wie durch Zauberhand auf einem vermeintlich leeren Papier sichtbar wird.

Zum Ende der Geheimtinten-Ära wurden schliesslich so spezielle unsichtbare Stoffgemische entwickelt, dass diese Tinten von Spionen im Krieg eingesetzt werden konnten. Die dabei eingesetzten Chemikalien sind heute jedoch nicht immer einfach zu bekommen und zuweilen giftig.

Dennoch hält das weltweite Netz zahlreiche einfache und ungiftige Rezepte für unsichtbare Tinte bereit. Aber welche davon ist für einen geheimen Liebesbrief am besten geeignet? Hier findest du Vorschläge für verschiedene Tinten im Vergleich!

Unsichtbare Tinte selber machen

Grundsätzlich benötigst du zum Verfassen und Entschlüsseln unsichtbarer Liebesbotschaften:

  • Tuschfeder, Füllfederhalter oder anderes Schreibgerät
  • Papier
  • farblose, „unsichtbare“ Tinte
  • Wärmequelle oder passenden „Entwickler“

Reinige eine gebrauchte Tuschfeder oder einen Füllfederhalter vor dem Schreiben gründlich mit Wasser, bis er keine farbigen Schreibspuren mehr hinterlässt. Fülle dann den Federhalter mit der unsichtbaren Tinte oder tauche deine Schreibfeder hinein und schreibe deine Nachricht. Lasse das Schriftstück gut trocknen und lasse es deiner/m Angebeteten zukommen. Je nach verwendeter Tinte erwärme dieser das Schriftstück entweder vorsichtig oder besprühe oder überstreiche das Geschriebene vorsichtig mit dem passenden Entwickler.

Herausforderung: Unsichtbare Tinte sieht man beim Schreiben nicht

Aber welche Tinte ist die Beste?

Zum Erwärmen

Die bekanntesten unsichtbaren Tinten sind farblose Flüssigkeiten, die sich erst zeigen, wenn man ein beschriebenes Papier kräftig erwärmt. Hierzu gehören:

Zitronensäure: Frisch gepresster oder abgepackter Zitronensaft oder Zitronensäure zum Entkalken aus dem Putzmittelregal

Essigsäure: Heller Speiseessig oder Haushaltsessig aus dem Putzmittelregal

Nachteile: Beide Flüssigkeiten haben einen verräterischen Eigengeruch. Essig riecht dabei wesentlich stärker als ein Entkalker mit Zitronensäure! Ausserdem greifen sowohl Reinigungsessig als auch Zitronensäure-Entkalker das Schreibpapier an, sodass beim Schreiben besondere Vorsicht nötig ist, wenn die Schrift wirklich unsichtbar werden soll.

Milch: Ich habe laktosefreie Milch verwendet, gewöhnliche Vollmilch wird aber genauso geeignet sein. Nach dem Schreiben auf weissem Papier wird Milch innerhalb weniger Minuten völlig unsichtbar!

Tintenlöscher: Erscheint auf weissem Papier ebenfalls völlig unsichtbar.

Beim Erwärmen der unsichtbaren Geheimbotschaft ist Vorsicht geboten! Wenn du einen Elektroherd (keinen Induktionsherd!) hast, kannst du eine Platte auf niedriger Stufe einschalten und deinen unsichtbaren Brief einige Sekunden darauf legen. Bleibe unbedingt dabei und achte darauf, dass das Papier nicht verkohlt oder gar anbrennt! Sonst ist die Botschaft verloren! Eine Kerzenflamme liefert ebenfalls die nötige Hitze, entzündet jedoch um so leichter das Papier.

Zitronensäure und Essig: Es erfordert relativ viel Hitze (Herdplatte auf mittlerer Stufe), bis die Schrift braun wird. Je mehr du das Papier erhitzt, desto grösser ist jedoch die Gefahr, dass das Papier ebenfalls braun wird oder anbrennt.

Milch und Tintenlöscher: Beide werden auf der Herdplatte auf niedriger Stufe schnell braun, sodass die Gefahr, dass das Papier zerstört wird, geringer ist.

Unsichtbare Tinte: Cobaltchlorid und Milch
Schrift aus Cobaltchlorid (linkes Herz) und Milch (rechtes Herz) vor und nach dem Erwärmen auf der Herdplatte

Wie unsichtbare Tinte zum Erwärmen funktioniert

Papier ist ein Gewebe aus Zellulose, also Riesenmolekülketten, die aus Zucker-Einheiten aufgebaut sind. Diese sind empfindlich gegenüber Säuren wie Essig- oder Zitronensäure, welche mit den Zelluloseketten reagieren und sie beschädigen können. Unter normalen Umständen sieht man diese Schäden kaum bis gar nicht – die Tinte ist unsichtbar. Wird das Papier jedoch erhitzt, führt die Wärme zum Zerfall der Papier-Bestandteile, und die dabei entstehenden Trümmer der Kohlenstoffverbindungen erscheinen zunehmend dunkelbraun. Dabei zerfallen die bereits beschädigten Moleküle schneller als die unbeschädigte Zellulose, sodass beim vorsichtigen Erwärmen zunächst die beschriebenen Bereiche des Papiers – also die Schrift – dunkel werden.

Auch Milch und Tintenlöscher enthalten Kohlenstoffverbindungen, die bei grosser Hitze zerfallen – und das noch leichter als Zellulose. Die Milch-Schrift und der Tintenlöscher auf dem Papier brennen also förmlich an, noch ehe Säuren ihre Wirkung entfalten können.


Farbe durch chemische Reaktionen

Viele farblose Stoffe, die sich in Wasser gelöst als unsichtbare Tinte verwenden lassen, können mittels chemischer Reaktionen in farbige Stoffe umgewandelt werden. Dazu wird die unsichtbare Schrift mit einem passenden Reaktionspartner besprüht oder überstrichen. Wie Stoffe zu ihrer Farbe kommen, erfährst du übrigens hier.

Natriumcarbonat („Soda“) oder Essig: Eine Base sorgt für einen hohen, eine Säure für einen niedrigen pH-Wert. Beide pH-Wert-Verschiebungen führen dazu, dass Bestandteile von Trauben- oder Rotkohlsaft eine neue Farbe erhalten.

Kaliumrhodanid (Kaliumthiocyanat): Ein farbloses Salz, das mit Eisen-Ionen eine tiefrote bis braune Verbindung bildet.

Mit konzentrierter Natriumcarbonat-Lösung Geschriebenes ist bereits beim Schreiben kaum sichtbar und wird beim Trocknen praktisch unsichtbar. Die geringe Sichtbarkeit macht das unsichtbare Schreiben mit Natriumcarbonat besonders schwierig. Beim Überstreichen mit Traubensaft setzt sich die Schrift jedoch schnell und deutlich graublau vom rosaroten Traubensaft in der Umgebung ab.

Die Reaktion von Kaliumrhodanid-Schrift mit Eisen-Ionen dauert wesentlich länger. Nach dem Überstreichen können Minuten oder gar Stunden vergehen, bis die Schrift deutlich sichtbar wird – eine harte Geduldsprobe für heiss Verliebte.

Unsichtbare Tinte: Kaliumrhodanid mit Eisen und Natriumcarbonat mit Traubensaft
Am Morgen danach: Eisenrhodanid (linkes Herz) und Natriumcarbonat mit Traubensaft (rechtes Herz). Die Traubensaft-Variante ist frisch überstrichen besser lesbar – Eisenrhodanid wird erst über Nacht so sichtbar wie hier.

Wie die geheimnisvollen Farbänderungen funktionieren

Von Säuren und Basen

Essigsäure und Zitronensäure sind – wie alle Säuren – Stoffe, die H+-Ionen abgeben können. Diese H+-Ionen (es handelt sich dabei um Protonen ohne Elektronenhülle!) können jedoch nicht ganz allein durch die Materie irren. Stattdessen lagern sie sich an andere Moleküle an. Stoffe, die aus solchen Molekülen bestehen, die H+-Ionen aufnehmen, nennt man Basen. Eine Säure kann also eine chemische Reaktion mit einer Base eingehen, indem sie ihr ein H+-Ion „übergibt“. Dabei entstehen gleich zwei neue Moleküle: Der „Rest“ der Säure, der nun einen Wasserstoff-Atomkern weniger hat, und die vormalige Base, die nun um einen Wasserstoff-Atomkern reicher ist.

Dabei kann es vorkommen, dass eine beteiligte Säure oder Base an sich keine Farbe hat, der Säurerest bzw. das um ein H+-Ion reichere Basen-Molekül farbig ist! Das rührt daher, dass ein H+-Ion „seine“ Säure ganz ohne Elektronen verlässt. Das Elektronenpaar, welches zuvor die Bindung zum H+-Ion gebildet hat, bleibt dem Säurerest erhalten und muss am Molekül untergebracht werden. In grösseren organischen Molekülen können dazu in einer Art Kettenreaktion über viele Bindungen Elektronen verschoben werden – Elektronen, von deren Position die Farbe bzw. Nicht-Farbe eines Moleküls abhängt! (Wie die Anordnung von Elektronenpaaren im Molekül einem Stoff Farbe verleiht, erfährst du hier in der Geschichte zu den Ostereier-Farben.) Umgekehrt muss eine Base eine Elektronenpaar-Bindung zur Verfügung stellen, um ein H+-Ion aufzunehmen, was ebenso zu einer weiträumigen Verschiebung von Elektronen führen kann.

Trauben- und Rotkohlsaft enthalten farbige Säuren, die mit dem Carbonat-Ion aus dem Natriumcarbonat, einer Base, in der Schrift reagieren können:

Es entstehen Hydrogencarbonat-Ionen und schliesslich Kohlensäure sowie ein Säurerest ([Saeure]) mit einem bläulichen Farbton, der sich vom Saft auf dem nicht beschriebenen Papier deutlich abhebt.

Von bunten Salzen

Auch Ionen in Kristallen oder einer Lösung können verschiedene Farben haben (Die Farbe eines Atoms oder Ions beruht auf den Abständen vom Kern, in welchen sich die Elektronen ihrer Hülle aufhalten können – mehr dazu erfährst du hier). Die Ionen der Metalle aus den ersten beiden Hauptgruppen des Periodensystems und ihre Verbindungen – ihre Salze – sind jedoch in der Regel farblos. Anders verhält es sich mit den Ionen der sogenannten Übergangsmetalle, welche im Vergleich zu den Hauptgruppenmetallen zusätzliche Elektronen haben, die in vielfältiger Weise angeordnet zu verschiedenen Farben führen können.

Ionen des Kaliums, eines Metalls der ersten Hauptgruppe, erscheinen ebenso farblos wie das Rhodanid- bzw. Thiocyanat-Anion (SCN) . Eisen ist hingegen ein Übergangsmetall: Fe3+-Ionen erscheinen in Wasser und in Salzen meist gelb bis rotbräunlich (Rost enthält Fe3+-Ionen!). Bilden sie jedoch ein Salz mit Thiocyanat-Ionen, wird ihre Elektronenhülle so umgebaut, dass sie tiefrot bis dunkelbraun erscheinen (ganz ähnlich wie Blut aus der Vene!).

Kaliumthiocyanat lässt sich in Wasser lösen, sodass man damit unsichtbar schreiben kann. Bringt man anschliessend eine Lösung mit Fe3+-Ionen auf die unsichtbare Schrift, entsteht in den geschriebenen Linien dunkles Eisenthiocyanat und macht das Geschriebene lesbar.


Tinte, die nach dem Lesen wieder unsichtbar wird

Manche Reaktionen, die Stoffen Farbe verleihen, können ganz einfach umgekehrt werden. Eine unsichtbare Tinte, deren Funktion auf solch einer Reaktion beruht, kann nach dem Sichtbarmachen und Lesen wieder unsichtbar werden!

Cobaltchlorid: Das rosafarbene Salz bildet in Wasser eine ebenso rosafarbene Lösung, die auf Papier geschrieben zu einem hellen Grau verblasst. Besonders auf pastellfarbenem oder Recycling-Papier ist sie damit nur schwer lesbar. Wärmt man die Schrift vorsichtig an, erstrahlt sie in einem satten Türkisblau. Doch sobald das Papier abkühlt, verblasst die Schrift wieder zum ursprünglichen Zustand!

Co2+-Ionen gelten leider als krebserregend (vornehmlich beim Einatmen) und möglicherweise erbgutverändernd, weshalb sie seit Ende 2008 auf der Kandidatenliste besonders besorgniserregender Stoffe gemäss REACH-Verordnung stehen. Cobalt-Salze sind daher nicht für jedermann im freien Handel erhältlich und ausschliesslich im Labor mit Schutzkleidung (Kittel, Schutzbrille, Handschuhe) zu verwenden. Da Cobalt-Salze überdies sehr giftig für Wasserorganismen sind, müssen sie besonders umsichtig entsorgt werden: Cobalthaltige Lösungen werden im geschlossenen Abzug eingedampft und die festen Rückstände wie auch Salzreste im Behälter für Schwermetall-Abfälle entsorgt!

Ich habe noch ein wenig von einer Cobalt-Verbindung aus einem Chemiebaukasten aus vergangenen Zeiten, sodass ich den zauberhaften Farbwechsel-Effekt hier dennoch zeigen kann.

Fluoreszierende Flüssigkeiten: Werden schreibfertig in speziellen Filzstiften angeboten, mit welchen man praktisch unsichtbar schreiben kann (zu Halloween habe ich damit schon schaurige Kürbisgesichter gezaubert). Nur unter ultraviolettem Licht aus einer „Schwarzlicht“-Lampe werden damit verfasste Botschaften enthüllt. Viele UV-Marker enthalten gesundheitsschädliche Lösungsmittel wie Xylol, sodass sie nicht für Kinder geeignet sind und in gut belüfteter Umgebung verwendet werden sollten!

Warum Cobaltchlorid die Farbe wechselt

Co2+-Ionen erscheinen rosa, wenn sie von Wassermolekülen umgeben sind. Das ist natürlich in einer Lösung in Wasser der Fall. Wenn das Wasser aus solch einer Lösung – zum Beispiel nach dem Schreiben – verdunstet, lagern sich die darin gelösten Ionen zu winzigen Cobaltchlorid-Kristallen zusammen. Dabei behalten die Cobalt-Ionen ein paar Wassermoleküle bei sich (genau genommen 6 Wassermoleküle je Cobalt-Ion, sodass diese in das Kristallgitter mit eingebaut werden. Die chemische Formel für das rosafarbene Cobaltchlorid lautet also CoCl2• 6H2O . Dem Chemiker verrät sie: Dieses Salz enthält „Kristallwasser“.

Wird Cobaltchlorid erwärmt, verdampft das darin enthaltene Kristallwasser: Die Wassermoleküle aus dem Kristall gehen in die umgebende Luft über. Ohne die Hülle aus Wassermolekülen ordnen sich die Elektronen in der Hülle der Cobalt-Ionen neu, sodass diese nicht länger rosa, sondern kräftig blau erscheinen. Das blaue Cobaltchlorid ist somit wasserfrei. Sobald dieses Salz jedoch wieder abkühlt, zieht es die Wassermoleküle aus der feuchten Umgebungsluft wieder in den Kristall zurück: Das Cobaltchlorid erhält sein Kristallwasser zurück und wird wieder rosa.

So lange Luftfeuchtigkeit vorhanden ist und man beim Erwärmen acht gibt, dass das Papier nicht verbrennt, lässt sich dieses Spiel mit dem Cobaltchlorid beliebig oft wiederholen.


Unsichtbare Tinte: Die vier besten Kandidaten

Fazit: Die beste unsichtbare Tinte

Die beste unsichtbare Tinte für den Hausgebrauch ist Milch auf weissem Papier. Die wird nämlich nicht nur wirklich unsichtbar und kann mit einfachen Mitteln klar und deutlich lesbar gemacht werden. Darüber hinaus ist sie völlig ungiftig und du findest sie in praktisch jedem Haushalt – und wenn nicht dort, dann in jedem Supermarkt zum kleinen Preis.

Der Farbwechsel von Cobaltchlorid ist ebenfalls zauberhaft und lässt gewiss viele Herzen höher schlagen, eignet sich der gesundheitsschädlichen Tinte wegen aber nur für Liebesbriefe an die/den liebste/n Labor-Kollegen.

Und womit verfasst du deine geheimen Valentins-Botschaften?

Hast du das Experiment nachgemacht: 

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Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!

Suchst du eine Beschäftigung für deine Kinder und dich an kalten, verregneten Tagen? Etwas Kreatives, wobei man noch etwas lernen kann? Modelliermassen und Knete haben schon Generationen von Kindern begeistert – und die Kassen von Bastelbedarfs- und Spielzeugherstellern gefüllt. Doch hast du dich auch schon gefragt, was eigentlich drin ist in der Knetmasse, die du deinen Kindern kaufst, damit sie sie anfassen, mit den Händen erkunden und je nach Alter auch mal unversehens in den Mund nehmen?

Bevor du dich nun an die stundenlange Suche nach dem richtigen Produkt machst, das all deinen Ansprüchen und Wünschen an seine Zusammensetzung gerecht wirst, kannst du deine Knete ganz einfach selbst machen – und dazu (fast) ausschliesslich Lebensmittel verwenden!

Wie genau das vor sich geht und welche (ganz ungiftige) Chemie in der Knete steckt und ihr ihre tollen Eigenschaften verleiht, erzähle ich euch bei den „Küstenkidsunterwegs“! Lieben Dank an Katja Josteit für die Veröffentlichung dort!

Und mit welcher Knetmasse spielen deine Kinder? Hast du schon einmal Knete selbst hergestellt? Welche Zusammensetzung bevorzugst du dabei?

Adventskränzchen 2019
Dieser Beitrag ist Teil des Adventskränzchens 2019.
Weitere Beiträge zum Tagesthema „Aus der Backstube“ findet ihr hier:
www.marie-theres-schindler.de
http://cosmic-blue.jimdofree.com
 www.aftermyfancy.at
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http://www.diekunstdesbackens.com

Der Winter ist da – und mit ihm eine spannende Gelegenheit für Naturforscher: Was ist eigentlich Schnee? Finde es selbst heraus – ein USB-Mikroskop am Laptop liefert die Antwort!

Dieser Artikel enthält Links aus dem Amazon-Partnerprogramm (gekennzeichnet mit (*)-(*) ) – euch kosten sie nichts, mir bringen sie vielleicht etwas für meine Arbeit ein. Das verwendete Mikroskop und der Molekülbaukasten sind Privatanschaffungen und gehören zu meinem persönlichen Inventar.

„Die Inuit kennen 40 verschiedene Wörter für ‚Schnee'“, erklärt Smilla Jaspersen in dem Film „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“. Diese Aussage hat einen Mythos geschaffen, welcher darin wurzelt, dass in den Inuit-Sprachen eine Unzahl verschiedener Vor- und Nachsilben an gerade einmal zwei Grundwörter gehängt werden können, um die verschiedenen Erscheinungsformen von Schnee zu beschreiben. Im Deutschen verwenden wir dafür zusammengesetzte Wörter: Papp- und Pulverschnee, Schneematsch – und schliesslich Schneeflocken.

All diese Wörter, ob Inuit oder Deutsch, beschreiben den weissen Stoff, der im Winter vom Himmel fällt und uns ebenso pulvrig weich wie eishart begegnen kann. Aber woraus besteht Schnee eigentlich? Klar – aus gefrorenem Wasser. Aber warum erscheint uns dieses gefrorene Wasser so anders als das massive, harte Eis, das beim Erstarren eines Gewässers entsteht?

Die Antwort findest du, wenn du dir Schnee einmal ganz aus der Nähe ansiehst – durch ein Mikroskop.

Dies ist ein Versuch für draussen – im Garten oder auf dem Balkon oder unterwegs während eines Winterspaziergangs, wenn du jemanden hast, der dein Equipment trägt!

Wetter- und andere notwendige Rahmenbedingungen

Schnee lässt sich nur im Winter mikroskopieren – wenn es welchen hat. Wer das Glück hat im Hochgebirge zu sein, findet dort auch in den Herbst und Frühling hinein mitunter Schnee.

Für die einfache Untersuchung von Schnee unter dem USB-Mikroskop ist Schneefall bei einer Lufttemperatur von 0°C oder besser etwas darunter optimal. Ein offener Unterstand (zum Beispiel der Balkon der Nachbarn oben, ein Vordach oder eine Schutzhütte für Wanderer) schützt die Elektronik und dich vor dem Eingeschneitwerden.

Geräte/Hilfsmittel

  • Kamera-Mikroskop mit USB-Kabel zum Anschluss an einen Computer ((*)eine grosse Auswahl gibt es zum Beispiel hier(*) )
  • Laptop mit USB-Port, Treibern zum Mikroskop sowie Software zur Bild- und optional Video-Erfassung
  • Petrischale oder Uhrglas
  • Dunkle Unterlage (wenn du ein Handmikroskop ohne eigene Auflagefläche für Objektträger benutzt)
  • Evtl. Spatel, flacher Löffelstiel oder/und Pinzette
  • Gefrierfach
  • Warme Kleidung, optional heisser Tee

Warum kein optisches Mikroskop?

Um Schneeflocken betrachten zu können, ohne dass sie sofort schmelzen, muss das Mikroskop auf den Gefrierpunkt (0°C) oder besser noch weiter abgekühlt werden. Glas, aus welchem die Linsen optischer Mikroskope bestehen, gerät durch starke Temperaturänderungen schnell unter Spannung und kann Risse bekommen oder brechen. Deshalb besteht die Gefahr, dass beim Abkühlen und Wiederaufwärmen eines optischen Mikroskops die Linsen beschädigt werden – das ist besonders dann ärgerlich, wenn es sich um ein teures Gerät handelt!

Wer dennoch mit einem optischen Mikroskop im Warmen arbeiten möchte, kann vorgekühlte Objektträger mit einem durchsichtigen, in der Kälte härtenden Lack bestreichen und Schneeflocken darauf fallen lassen. Nach dem Aushärten des Lacks kann der Abdruck der Flocken im Lack im Warmen mikroskopiert und dauerhaft aufbewahrt werden.

Anleitung (für das Vorgehen mit dem USB-Mikroskop)

Dieses Experiment muss gut vorbereitet werden. Wenn im Wetterbericht Kälte und Schneefall angekündigt werden, stelle das Mikroskop einige Stunden vor dem Experimentieren nach draussen unter einen Unterstand. Ich habe hierbei einen Baumwollbeutel über das Gerät gestülpt, um es vor Schneeverwehungen und all zu neugierigen Vögeln zu schützen. Lege die Petrischale, Spatel oder/und Pinzette in einer geschlossenen Gefrierdose zeitgleich ins Gefrierfach (ein gutes Gefrierfach kühlt auf bis zu -20°C, also in der Regel deutlich weiter als die Luft draussen, was sehr nützlich sein wird).

Wenn es dann schneit (oder ganz frischer Schnee gefallen ist), ziehe dich warm und baue den Laptop unter dem Unterstand auf. Hole die Dose mit den Werkzeugen aus dem Gefrierfach (öffne sie erst draussen in der Kälte, damit die Petrischale nicht beschlägt!).

Schalte das Mikroskop ein und starte die Software zur (Live-)Bild- oder/und Videoerfassung.

Ab jetzt sollte alles möglichst zügig gehen.

Halte die Petrischale mit zwei Fingern an den Rändern in den fallenden Schnee und fange ein paar Flocken. Wenn es nicht mehr schneit, kannst du mit dem Spatel oder der Pinzette vorsichtig ein paar frisch gefallene Flocken von der Umgebung (Boden, Pflanzen,…) in die Schale befördern.

Platziere die Schale unter dem Kameraobjektiv, wähle eine passende Vergrösserungsrate und stelle das Bild scharf. Mache nun zügig Aufnahmen von allen Ansichten, die dir gefallen. Dazu kannst du die Schale vorsichtig hin- und herschieben, drehen, oder zwischendurch neue Flocken fangen. Wenn du die Schale dabei mit der Pinzette greifst, wird sie weniger schnell warm, als wenn du sie mit der Hand berührst.

Petrischale mit Schneeflocken unter dem USB-Mikroskop

Petrischale mit Schneeflocken unter dem USB-Mikroskop

Die regelmässige Struktur der Schneekristalle ist am Rand einzelner Flocken, wo sich die Kristalle möglichst nicht überlappen, am klarsten sichtbar!

Unter dem Mikroskop: Schneeflocken bestehen aus sternförmigen Kristallen: Zu dicht beieinander erscheinen sie noch nicht ganz klar

Schneeflocken bestehen aus sternförmigen Kristallen: Zu dicht beieinander erscheinen sie noch nicht ganz klar

Mein Mikroskop hat einen drehbaren Objekt-Teller mit Motor und Beleuchtungsmöglichkeit von unten. Beides habe ich nicht genutzt und dennoch festgestellt, dass das Gerät im Betrieb genug Wärme abgibt, um die Schneeflocken nach wenigen Minuten zu schmelzen. Wenn du wie ich eine Software zur Videoerfassung hast, kannst du dies nutzen, um den Schmelzvorgang aufzuzeichnen.

Wissenswertes: Geheimnisse der Schneeflocken

Für die Jüngeren: Warum Schnee unter den Schuhen knirscht

Das Mikroskop enthüllt: Schneeflocken sind wunderschöne Sterne mit sechs Zacken – aus hartem, kaltem Eis! Und bis sich eine dicke Schneeschicht gebildet hat, sammeln sich sehr sehr viele dieser Sterne am Boden an. Dabei landen sie kreuz und quer aufeinander, wie sie gerade fallen, und werden von ihrem eigenen Gewicht ineinander geschoben.

Schnee-Kristall-Sterne unter dem Mikroskop zu einer Flocke verworren

Schneekristall-Sterne zu einer Flocke verworren

Hast du schon einmal genau zugehört, was passiert, wenn du viele Legosteine – oder die Schmucksterne vom Weihnachtsbaum – zusammen in eine flache Schachtel legst und mit der Hand hindurchstreichst? Es raschelt und klappert! Und wenn du ein wenig von oben darauf drückst (vorsichtig – du willst die Legos oder den Christbaumschmuck ja nicht kaputt machen!) – dann knirscht es, wenn die Teile aneinander reiben.

Schneeflocken zwar sehr viel kleiner, aber genauso fest wie Legosteine. So reiben auch sie aneinander, wenn man sie zusammendrückt. Ausserdem gehen sie – weil sie so klein sind – noch viel schneller als Legosteine kaputt, wenn man darauf tritt.

Die aneinander reibenden und zerbrechenden winzigen Schneekristalle unter unseren Schuhen sind also die Ursache für das herrliche Knirschen, wenn wir durch frischen Schnee laufen!

Für die Älteren: Kristallstruktur von Wasser

Die wunderschönen Schneekristalle, die das Mikroskop uns enthüllt, sind erstaunlich symmetrisch. Tatsächlich lassen sich durch einen perfekt geformte Schneestern drei Achsen legen, die den Kristall in sechs praktisch identische Teile zerlegen. Und jedes dieser Teile passt genau in einen Winkel von 60°! Dieser Winkel, oder auch sein Doppel, 120°, wiederholt sich ausserdem in der filigranen Struktur dieser Teile immer und immer wieder.

Schnee-Kristalle unter dem Mikroskop

Aber wie können aus flüssigem Wasser so unglaublich regelmässige Strukturen entstehen?

Von Molekülen zum Kristall

Schneekristalle bestehen aus Wassermolekülen: Zwei Wasserstoff-Atome sind in einem festgelegten Winkel zueinander an ein Sauerstoff-Atom gebunden. Alle drei Atome bilden ein Wassermolekül. Jedes Wasserstoff-Atom eines Wassermoleküls kann zudem eine weniger feste Bindung, eine „Wasserstoff-Brückenbindung“ zu einem Sauerstoff-Atom eines anderen Wassermoleküls eingehen. Diese Wasserstoff-Brücken führen dazu, dass die Wassermoleküle in einem Eiskristall ganz bestimmte Plätze einnehmen und sich zu einem regelmässigen, sechseckigen Muster anordnen.

Wenn du einen (*)Molekülbaukasten(*) hast, kannst du dieses Muster – das Kristallgitter – nachbauen:

Jeder dieser Bausteine mit vier Enden (für Mathematik-Fans: die Enden sind weitestmöglich voneinander entfernt und weisen auf die Ecken eines Tetraeders) steht dabei für ein Wassermolekül mit dem Sauerstoff-Atom in der Mitte des Bausteins sowie zwei Wasserstoff-Atomen und zwei Ansatzstellen für Wasserstoff-Brücken, für welche die vier Enden stehen.

Wassermolekül-Baustein und Verbindungsstücke aus dem Molekülbaukasten

Wassermolekül-Baustein und Verbindungsstücke aus dem Molekülbaukasten

Jetzt brauchst du noch jede Menge Verbindungsstücke. Ihre Länge ist egal, doch sollten sie alle gleich lang sein. Mit den Verbindungsstücken kannst du nun die Wassermoleküle zu einem Eis-Kristallgitter zusammenfügen.

Molekülbaukasten: Modell eines Schnee-Kristalls aus 92 "Wassermolekülen" und 120 Verbindungsstücken

Dieses Modell besteht aus 92 „Wassermolekülen“ und 120 Verbindungsstücken

Dieses Modell eines Eiskristalls ist ein Ausschnitt aus dem sehr viel grösseren Kristallgitter. An seiner Oberfläche sind überall freie Enden, an die du weitere Wassermoleküle anfügen könntest, so lange du Bausteine hast. Das symmetrische, sechseckige Muster mit seinen 60°- und 120°-Winkeln ist hier schon gut erkennbar.

Die Entstehung von Schneeflocken

In der Luft gibt es nicht nur Wasserdampf und feine Wassertröpfchen, die mitunter Wolken bilden, sondern auch sehr feine Staubkörnchen. Wird es in höheren, wasserhaltigen Luftschichten sehr kalt – mindestens -12°C – schlagen sich Wassermoleküle an der Oberfläche solcher Staubkörnchen nieder und fügen sich zu einem Eis-Kristallgitter wie im Modell oben zusammen.

So kommen viele Wassermoleküle auf engem Raum zusammen: Der noch kleine Eiskristall wird für seine Grösse schwer („er hat eine hohe Dichte“) und beginnt in Richtung Erde zu fallen. Währenddessen werden an die freien „Enden“ der Moleküle an der Kristalloberfläche laufend weitere Wassermoleküle angebaut. In welche Richtungen der Anbau verläuft,  hängt von den Eigenschaften der direkten Umgebung des Kristalls ab: Temperatur, Luftströmungen, die Menge vorhandener Wassermoleküle und viele mehr. Und die sind auf allen Seiten eines bestimmten vereisten Staubkorns gleich – für jede Schneeflocke im wilden Durcheinander der Luft jedoch ein wenig anders.

Schneeflocken wachsen also ausgehend von einem Staubkorn von innen nach aussen. Hier findest du faszinierende Videoaufnahmen vom Wachstum von Schneekristallen.

So wächst jede Schneeflocke von „ihrem“ Staubkorn aus in jede Richtung in der gleichen Weise. Dafür ist es praktisch unmöglich, zwei Schnee-Kristalle zu finden, die sich vollkommen gleichen. Nur die durch das Kristallgitter vorgegebenen Winkel von 60° und 120° finden sich in jeder Schneeflocke wieder. Wenn dann noch mehrere Kristalle ineinander und zusammen wachsen, können schöne Flocken entstehen, die mehrere Zentimeter gross sind.

Die klarsten Bilder einzelner Schnee-Kristalle lassen sich jedoch von kleineren, möglichst wenig verwachsenen Flocken gewinnen.

Und hast du schon einmal Schnee unter dem Mikroskop betrachtet? Oder hast du vor, es zu probieren? Welche Erfahrungen hast du gemacht?

Hast du das Experiment nachgemacht: 

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Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!

Dieser Beitrag füllt das Türchen Nr. 19 im Blogger-Adventskalender auf apfelwiebirne.de !

Weihnachten rückt immer näher, und die Welt ist angefüllt mit festlichem Schmuck und unzähligen Lichtern. Besonders am Weihnachtsbaum darf dabei ein klassisches Accessoire nicht fehlen: Die spiegelnd glänzenden Christbaumkugeln. Heutzutage gibt es sie in unzähligen Ausführungen und Materialien, doch am edelsten sind in meinen Augen immernoch schlichte Kugeln aus hauchdünnem Glas, in deren metallisch glänzender Oberfläche man sich spiegeln kann.

Doch wie kommen die zarten Glaskugeln zu ihrem Spiegelglanz? Damit hat sich auch Sandra Morgenstern auf Chemie-Azubi.de beschäftigt und mich zu diesem Experiment inspiriert…. Normalerweise ist Glas schliesslich durchsichtig… Tatsächlich sorgt eine Metallschicht, genauer gesagt eine Schicht aus metallischem Silber, für den Spiegelglanz der Christbaumkugeln. Wie man solch einen Silberspiegel erzeugt und in die Kugeln hinein- oder von aussen darauf bekommt, kannst du mit diesem Experiment selbst ausprobieren.

Achtung! Zur Herstellung eines „Silberspiegels“ werden Silbernitrat und andere ätzende Chemikalien benötigt!

Silbernitrat ist eine gefährliche Chemikalie der Gruppe 2 im Sinne des Schweizer Chemikalienrechts, denn es ist ätzend und kann schwere Haut- und Augenschäden verursachen. Auch Natronlauge und Ammoniak-Lösung wirken ätzend.

Dieses Experiment kann in passender Umgebung zu Hause durchgeführt werden, empfehlenswerter ist jedoch die Durchführung in einem Labor. Experimentiert, wenn ihr keine Erfahrung im Umgang mit ätzenden Chemikalien habt, in jedem Fall gemeinsam mit jemandem, der sich damit auskennt!


Wie das Silber in die Kugel kommt

Normalerweise sind Metalle bei Raumtemperatur Feststoffe (das einzige bei Raumtemperatur grundsätzlich flüssige Metall ist das giftige Quecksilber). Das heisst, sie sind mehr oder weniger (reines Silber eher mehr) weich und formbar, aber immernoch fest und nicht freiwillig dazu bereit, sich auf einer Glasfläche zu einer dünnen Schicht zu verteilen.

Da Quecksilber zur Verwendung als Weihnachtsdekoration zu giftig ist, läge es daher nahe, ein weniger giftiges und zudem reaktionsträges, glänzendes Metall – wie zum Beispiel Silber – zu schmelzen und als Anstrich zu verwenden. Unglücklicherweise liegt der Schmelzpunkt der allermeisten Metalle sehr hoch (der Schmelzpunkt von Silber beträgt 961,9°C !), sodass bei dem Versuch, Glas mit geschmolzenem Silber zu überziehen, unweigerlich auch das Glas schmelzen und von einer Christbaumkugel nicht viel übrig bliebe.

Deshalb muss ein Weg gewählt werden, auf dem Silber-Atome bei moderateren Temperaturen zu einem Teil einer Flüssigkeit werden können. Das bekommt man hin, wenn man eine Lösung von Silber-Ionen (also elektrisch geladenen Silber-Atomen, Ag+) in Wasser verwendet. Man löst also ein Salz, das Silberionen enthält, in Wasser auf und erhält so eine silberhaltige Flüssigkeit… wenn man denn ein wasserlösliches Silbersalz findet. Denn Silberionen bilden mit fast allen möglichen Gegenionen in Wasser äusserst schwerlösliche Salze – ausser mit dem einen Gegenion, das praktisch immer geht: Dem Nitrat-Ion NO3. Die Nitrate praktisch aller Metalle zeichnen sich nämlich durch ihre Wasserlöslichkeit aus – so auch das Silbernitrat AgNO3 .

So führt trotz einiger unangenehmer Eigenschaften von Nitrat-Ionen – sie bekommen Wasser- und Bodenorganismen überhaupt nicht gut und können sich in (heissem) Wasser zu giftigem Stickstoffdioxid zersetzen – beim Versilbern von Christbaumkugeln kein Weg am Silbernitrat vorbei.

Eine Silbernitratlösung kann schliesslich durch eine kleine Öffnung in eine Glaskugel eingebracht werden. Danach müssen die Silber-Ionen jedoch zu ungeladenen Silber-Atomen werden, denn nur die lagern sich zu dem bekannten Metall mit seinem typischen Glanz zusammen. Im Gegensatz zu einem ungeladenen Silber-Atom fehlt einem Silber-Ion ein negativ geladenes Elektron (sodass das Ion aufgrund seiner unvollständig ausgeglichenen Kernladung einfach positiv geladen ist), sodass die Silber-Ionen mit jeweils einem zusätzlichen Elektron ausgestattet („reduziert“) werden müssen.

Eine chemische Reaktion, die das möglich macht, nennt sich Redox-Reaktion (mehr zu solchen Reaktionen erfahrt ihr hier auf der Grillparty). Eine Gruppe von Stoffen, die den Silber-Ionen zusätzliche Elektronen „spenden“ können (und dabei „oxidiert“ werden), sind die Aldehyde, eine bestimmte Klasse organischer Verbindungen. Absolut harmlose Vertreter dieser Stoffgruppe sind Zucker, wie zum Beispiel Glucose (auch bekannt als „Traubenzucker“), die sich ebenfalls gut in Wasser löst.

Die Reduktion von Silberionen durch Glucose läuft in alkalischer Umgebung, das heisst, bei einem hohem pH-Wert, ab. Der kann durch Zugabe von Natronlauge oder einer anderen alkalischen Lösung einfach erreicht werden. Bei hohem pH-Wert reagieren jedoch die Silberionen zu nurmehr schwer in Wasser löslichem Silberhydroxid (AgOH), das als weisser Feststoff im Gefäss mit der Lösung absinkt. Deshalb muss ein Trick angewendet werden: Gibt man Ammoniak-Lösung (NH3 in Wasser) in die Silberlösung, gehen je zwei Ammoniak-Moleküle mit einem Silberion eine sogenannte Komplex-Verbindung („Diamminsilber-Ion“ genannt) ein, die auch bei hohem pH-Wert in Wasser löslich ist und ebenfalls mit Hilfe von Glucose reduziert werden kann.

Sind eine alkalische Diamminsilber- und eine Glucoselösung erst einmal in einer Glaskugel, kann die Reaktion durch moderate Wärmezufuhr (z.B. im Wasserbad ab ca. 70°C) gestartet bzw. vorangetrieben werden. Die reduzierten, metallischen Silberatome „fallen“ dabei aus der Lösung „aus“ und lagern sich sich Atom für Atom an der Glasinnenfläche ab, bis eine spiegelnd glänzende Schicht entstanden ist!

Material

Arbeitsplatz und Schutzkleidung

Wenn der Versuch zu Hause durchgeführt werden soll, arbeitet – vornehmlich der Ammoniak-Dämpfe wegen – im Freien! Im Labor eigentlich sich ein Arbeitsplatz mit geeignetem Abzug („Kapelle“). Führt den Versuch nicht in der Küche (auch nicht mit Dunstabzugshaube) durch, denn wo Lebensmittel zubereitet werden, haben Labor-Chemikalien nichts verloren!

Tragt beim Experimentieren stets lange Hosen, geschlossene Schuhe und einen Kittel oder andere Baumwollkleidung, die fleckig oder beschädigt werden darf, dazu – insbesondere beim Umgang mit ätzenden Stoffen – eine Schutzbrille.

Silbernitrat macht gelbe oder schlimmstenfalls schwarze Flecken auf der Haut, die ungefährlich sind, aber unschön aussehen und erst nach Tagen oder Wochen verblassen! Deshalb empfehle ich die Verwendung von Einmal-Handschuhen beim Umgang mit Silbernitrat.

Silbernitrat ist ausserdem sehr gefährlich für Wasserorganismen! Deshalb dürfen Reste des Salzes und silbernitrathaltiger Lösungen nicht ins Abwasser bzw. den Hausmüll entsorgt werden! Sammelt Reste der Lösungen in einer braunen Glasflasche und bringt sie in eine Sammelstelle für Chemikalienabfälle („Sondermüll“)!

Zubehör zum Silberspiegel-Experiment
Die wichtigsten Hilfsmittel für den Versuch: Alter Stahlkochtopf auf einem Fondue-Brenner, Einmalhandschuhe, destillatgleiches Wasser aus dem Supermarkt, Ammoniak und Natronlauge aus einem alten Chemiebaukasten, Dextrose-Tabletten, Porzellanschale zum Zermahlen, Pipetten aus der Drogerie, Erlenmeyerkolben für die Silbersalz-Lösung (reaktive Chemikalien immer in Glasgefässe geben – Kunststoff hält nicht alles aus!), Plastikbecher für die Glucoselösung – Greifzange und Silbernitrat fehlen hier noch!

Geräte und Chemikalien

  • Durchsichtige Christbaumkugel aus Glas oder Glasgefäss mit Öffnung (bei vielen
  • Glaskugeln verbirgt sich unter dem Aufhänger eine Öffnung!)
  • Heizgerät (elektrische Heizplatte, Spiritus- oder Gasbrenner), ggfs. Feuerzeug/Streichhölzer
  • Dreifuss oder andere Vorrichtung zum Kochen (sofern nicht Teil des Heizgeräts)
    Topf mit Leitungswasser
  • 2 Bechergläser (oder andere Chemikaliengefässe zum Ansetzen von Lösungen)
  • 2 Pasteur-Pipetten oder Spritzen
  • Reagenzglas-Klemme oder Greifzange
  • Einmal-Handschuhe
  • Schutzbrille
  • Silbernitrat (Lösung 0,1M) 
  • Glucose (Lösung gesättigt, 10%), zum Beispiel aus „Dextrose“-Tabletten
  • verdünnte Natronlauge 
  • Ammoniaklösung (3,5%) 
  • Destilliertes (oder entionisiertes, d.h. „destillatgleiches“) Wasser

Versuchsanleitung

Vorweg eine Grundregel für die Verwendung gefährlicher Chemikalien: Verwendet stets kleinstmögliche Mengen, sodass möglichst wenig Abfall entsteht!

Christbaumkugeln aus klarem Glas
Zwei durchsichtige Glaskugeln – gekauft mit Dekor-Farbe, die aber siedendem Wasser nicht unbedingt standhält!

Die folgenden Mengenangaben genügen zum Verspiegeln von ein bis zwei Kugeln (Durchmesser ca. 7cm)-

  • Stelle eine gesättigte Glucose-Lösung her: Wiege bei Raumtemperatur in einem Becherglas 25g Glucose ab und gib 50ml destilliertes Wasser hinzu. Gut umrühren! Ein kleiner Rest der Glucose bleibt gewöhnlich ungelöst am Gefässboden zurück.
    Dextrose-Tabletten lösen sich meiner Erfahrung nach schlechter, eigenen sich aber genauso für den Versuch: Zerstampfe zwei Tabletten zu Pulver und gib 50ml destilliertes Wasser hinzu. Gut umrühren, bis sich ein Grossteil des Pulvers gelöst hat!
  • Trage ab jetzt Handschuhe: Stelle in einem weiteren Becherglas eine Silbernitrat-Lösung her: Wiege 0,5g Silbernitrat ab (entspricht einer Spatel- bzw. Messerspitze, falls du keine Feinwaage zur Hand hast) und gib 30ml destilliertes Wasser hinzu. Diese Lösung kann in einer braunen Flasche aufbewahrt werden.
  • Bereite eine Diamminsilber-Lösung vor: Fülle so viel Silbernitrat-Lösung ab, wie du heute zum Verspiegeln brauchst (diese Lösung darf nicht aufbewahrt werden!). Gib mit einer Pasteur-Pipette verdünnte Natronlauge hinzu, bis graubraunes Silberhydroxid die Lösung trübt. Dann tropfe Ammoniak-Lösung (nicht einatmen, draussen arbeiten!) hinzu, bis sich die Trübung vollständig auflöst. Gut umrühren oder schwenken, damit sich alles gut vermischt!
  • Heize das Leitungswasser im Topf auf 70 – 100°C (also beinahe oder leicht kochend).
  • Löse inzwischen den Aufhänger der zu verspiegelnden Glaskugel und gib erst 30ml Diammin-Silber-Lösung, dann ca. 20ml Glucoselösung in die Kugel. Wenn du kein Becherglas mit Giesse hast, verwende eine Pipette oder eine Spritze zum sauberen Einfüllen. Setze den Aufhänger anschliessend wieder auf die Kugel.
Glaskugel ohne Verschluss (liegt daneben) – die Porzellanschale passt zufällig auch als Halterung – Glucose und Silbersalzlösung stehen bereit
  • Greife den Hals der Kugel mit der Reagenzglasklemme oder der Greifzange und tauche sie tief in das vorgeheizte Wasser im Topf. Schwenke die Kugel fortlaufend hin und her, damit die Lösung darin sich auf die gesamte Innenfläche verteilen kann. Achte darauf, dass keine Lösung aus der Kugel in das Wasserbad gerät! Wenn das geschieht (das Wasserbard wird in diesem Fall schwarz werden!), darf das Wasserbad nicht mehr in den Ausguss entsorgt werden!
Die (noch klare) Reaktionslösung ist in der Kugel, die Kugel wird in das Wasserbad getaucht. Wenn das Wasser wirklich heiss ist, die Kugel nicht mit der blossen Hand halten!

Die Lösung in der Kugel wird in der Hitze dunkel werden, und innerhalb einiger Minuten wird die Kugelinnenfläche sich erst graugrün trüben, ehe die Fläche silbern metallisch zu spiegeln beginnt!

  • Hebe die verspiegelte Kugel aus dem Wasserbad und lasse sie auf einem alten Handtuch (im Labor: auf einem Korkring) abkühlen. Dann öffne den Aufhänger erneut und giesse die Lösung aus der Kugel in ein Becherglas (Achtung, dieses kann auch verspiegelt werden!) oder in eine weitere Kugel, mit der du nach Zugabe neuer Glucoselösung wie mit der ersten verfährst.


Was in der Kugel im Einzelnen geschieht:

Silbernitrat ist Salz, besteht also aus Kristallen, die sich wiederum aus Ionen zusammensetzen, die sich säuberlich geordnet zu einem Festkörper zusammengelagert haben. Beim Auflösen in Wasser werden diese Ionen voneinander getrennt: (Gleichgewichtsgleichungen!)

Gibt man Natronlauge (NaOH) (oder eine andere Base) hinzu, gelangen OH-Ionen in die Lösung, die sich mit Silberionen zu schwerlöslichem Silberhydroxid (AgOH) zusammenlagern:

Des weiteren zugefügte Ammoniak-Moleküle führen zur Enstehung von Diamminsilber-Ionen:

Da es sich bei den Reaktionen zum dynamische Gleichgewichte handelt, führt der Verbrauch von Silberionen für Reaktion (3) dazu, dass Reaktion (2) rückwärts läuft, um den Verbrauch auszugleichen: Das Silberhydroxid löst sich wieder auf (Monsieur Le Châtelier erklärt das Geheimnis des chemischen Gleichgewichts auf dem Flughafen genauer).

Gibt man Glucose zu einer Lösung mit OH– und Silber-Ionen, wird die Glucose (C5H11O5CHO(aq)) zu Gluconsäure (C5H11O5COOH) oxidiert. Dabei gibt ein Glucose-Molekül zwei Elektronen (e) ab:

Diese Elektronen werden von Silber-Ionen aufgenommen, welche auf diese Weise reduziert werden:

Jedes Glucose-Molekül kann also zwei wasserunlösliche Silber-Atome erzeugen, die sich fein verteilt irgendwo aus der Lösung absetzen:

Schwenkt man die Lösung in einem Glasgefäss bzw. einer Christbaumkugel, während die Reaktion abläuft, verteilen sich die Silberatome somit gleichmässig auf der Glasoberfläche, sodass das Glas mit einer Spiegelfläche überzogen wird.

Christbaumkugel mit und ohne Silberspiegel
Links die unbehandelte Ersatzkugel, rechts die verspiegelte Kugel!

Silberspiegel von aussen und als Tollens-Probe

Anstatt das Reaktionsgemisch in die Kugel zu geben, könnte man auch eine grössere Menge davon herstellen und die Kugeln hineintauchen. So würde ein Silberspiegel auf der Kugelaussenseite entstehen. In der Industrie bietet sich das auch an, weil sich das Eintauchen leichter automatisieren lässt. Angesichts der ätzenden und umweltgiftigen Wirkung der verwendeten Chemikalien ist das Verspiegeln von innen im Heimlabor jedoch sparsamer und sicherer.

Denn: Je weniger gefährliche Chemikalien wir verwenden, desto weniger müssen wir entsorgen!

Die Erzeugung eines Silberspiegels wurde früher – und heute häufig zur Demonstration im Schulunterricht – auch als Nachweis für die als Reaktionspartner notwendigen Aldehyde verwendet. In diesem Zusammenhang wird die Reaktion dann „Tollensprobe“ und die alkalische Diamminsilber-Lösung „Tollens Reagenz“ genannt – beides nach dem Agrikulturchemiker Bernhard Tollens, der sich seinerzeit mit der Chemie von Zuckern – also Aldehyden – beschäftigte.

Entsorgung von Chemikalienresten

Festes Silbernitrat und ammoniakfreie (!) Silbernitratlösung können im geschlossenen Originalbehälter fern von Kinderhänden und Licht langfristig aufbewahrt werden.

Sobald eine Silbernitrat-Lösung Ammoniak enthält, muss sie umgehend (das heisst im Verlauf des Versuchs, zu dem sie angesetzt wurde) vollständig zur Reaktion gebracht werden! Verwende die Lösung also munter für mehrere Kugeln, bis sich kein Silber mehr absetzt und gib zum Schluss noch einmal reichlich Glucose dazu, damit sicher alles reduziert ist.

Aus einer Diamminsilber-Lösung kann beim Eintrocknen nämlich Silbernitrid (Ag3N) entstehen – ein Salz, das bei grober Handhabung (z.B. beim Aufschrauben eines damit verkrusteten Flaschendeckels) schnell und heftig explodieren kann!

Sammelt schliesslich alle Restlösungen in braunen Flaschen – dabei darf das vollständig reduzierte verbrauchte Reaktionsgemisch nicht mit Silbernitratresten vermischt werden, denn es kann immernoch Ammoniak enthalten! – und bringt sie zur Chemikalienabfall- (Sondermüll-) Sammelstelle!

Wer im Labor einen Abzug mit geeigneter Filteranlage zur Verfügung hat, kann die Reste der Lösungen nach der Reduktion des Diamminsilbers im geschlossenen Abzug eindampfen und die Rückstände im Behälter für feste Schwermetall-Abfälle entsorgen.

Und habt ihr schon einmal Christbaumkugeln verspiegelt? Die Tollens-Probe in anderem Zusammenhang gemacht? Oder sogar diese Versuchsanleitung ausprobiert?

Hast du das Experiment nachgemacht: 

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Ein Bergarbeiterdorf unweit des Bartlett Mountain, Bundesstaat Colorado, USA, 1916. Missmutig blinzelt John Doe in die bereits hoch am Himmel stehende Sonne. Eigentlich sollten er und seine Kumpel längst unter Tage sein, Erz schürfen und Geld verdienen, um ihre Familien zu ernähren. Doch in der Mine läuft längst nichts mehr, wie es sollte. Nicht nur, dass das Zeug, das sie aus dem Berg holen, niemand haben will – inzwischen wagen die Kumpel kaum noch, ihre Frauen und Kinder allein über Tage zurück zu lassen. Zu gross ist die Angst, dass die Schlägertrupps wieder auftauchen und das traute Heim in einen Scherbenhaufen verwandeln – oder gar schlimmeres tun.

Und das alles wegen… es klingt wie ein Fluch, wenn John Doe den Namen des verwünschten Metalls, das ihm statt einem Lebensunterhalt die Hölle auf Erden beschert, über die Lippen bringt: Molybdenum – „Molly be damned!“

Molybdän ist eigentlich ein überaus nützliches Metall. Und eigentlich spricht man es im Englischen „Moh-lib-dieh-num“ und nicht „Mollyb-dennum“ bzw. „Molly be damned“ aus. Den Minenarbeitern in Colorado war das allerdings einerlei. Sie wünschten sich vielmehr, dass man dieses Metall im Bartlett Mountain nie gefunden hätte. Denn sie mochten sich nicht vorstellen, warum ein Metall, das bislang keiner haben wollte, plötzlich solche Begehrlichkeiten weckte, dass es ihnen den Geschmack des Weltkriegs bis vor die Haustür brachte.

Dabei war der Auslöser des Konflikts um „Molly be damned“ gar nicht mal so neu, wie viele dachten.

 

Molybdän- ein nützliches Metall

Schon im 14. Jahrhundert entdeckte ein japanischer Meisterschmied, dass die Zugabe von Molybdän zu seinem Rohmaterial einen Stahl hervorbringt, aus dem sich Samurai-Schwerter fertigen liessen, die über die Massen hart waren und nicht rosteten. Jener Schmied hütete das Geheimnis seines „Super-Stahls“ jedoch so akribisch, dass er es schliesslich für über 500 Jahre mit ins Grab nahm.

Erst nach der Wiederentdeckung seiner nützlichen Eigenschaften Anfang des 20. Jahrhunderts härtet Molybdän nicht nur Stähle, sondern wird dank seiner überaus hohen Schmelztemperatur auch in stromführenden Drähten und Folien in Halogenlampen verwendet. Damit steht es dem klassischen Material für Glühdrähte, dem noch höher schmelzenden Wolfram (im Periodensystem direkt unter Molybdän anzutreffen!) in wenig nach.

Heute weiss man zudem, dass Molybdän als Spurenelement für nahezu alle Lebewesen unverzichtbar ist: Seine Ionen sind Bestandteil verschiedener Enzyme, die dafür geschaffen sind, auf einfache Weise Elektronen von einem Molekül auf ein anderes zu übertragen und so in lebenden Wesen Redox-Reaktionen zu ermöglichen. Diese sind zum Beispiel nötig, damit Pflanzen den Stickstoff in der Luft in nützlichere Verbindungen wie Ammoniak und Nitrate umwandeln können (Mehr zum Stickstoff-Kreislauf könnt ihr in der Geschichte zu den Stoffkreisläufen im Glas nachlesen) .

 

Eine Mine, die die Welt (noch) nicht braucht

Von all dem wusste man allerdings noch nichts, als vor dem ersten Weltkrieg ein Einheimischer am Bartlett Mountain Erz entdeckte und in der Hoffnung auf verkäufliches Blei oder Zinn einen Claim absteckte. Zu seinem Unglück entpuppte sich „sein“ Metallvorkommen jedoch als damals fast nutzloses Molybdän, das abzubauen seinerzeit mehr kostete als der Verkauf des Erzes einbrachte. So zögerte der erste Eigner des Claims nicht lange, als sich ihm die Gelegenheit bot, seine Schürfstätte an den Unternehmer Otis King aus Nebraska zu verkaufen, der mit einer neuartigen Schürftechnologie aufwarten und das Molybdän damit gewinnbringend verkaufen konnte.

In aller Begeisterung für die neue Technik und den erfolgreichen Abbau an der, wie sich zeigen sollte, grössten Molybdän-Fundstätte der Welt, übersah King jedoch eine entscheidende Kleinigkeit: Haben wollte das Metall nach wie vor kaum jemand. Und ehe er sich versah, hatte der stolze Minenbesitzer fast 3 Tonnen Molybdän auf den Markt gebracht – um dann festzustellen, dass die Welt im Jahr nur 2 davon brauchte. So drohte Kings Geschäftsidee zunächst an fehlender Nachfrage zu scheitern. Da seine Schürftechnik als solche jedoch funktionierte, war diese Neuheit am Bartlett Mountain der US-Regierung 1915 zumindest eine Erwähnung im amtlichen Bergbau-Fachblatt wert.

 

Ein Krieg am anderen Ende der Welt

Indessen tobte im fernen Europa der erste Weltkrieg, in welchem sich unter anderem die westlichen Alliierten (damals noch ohne amerikanische Beteiligung) erbitterte Schlachten mit dem deutschen Kaiserreich lieferten. Zu den am meisten gefürchteten Waffen der Deutschen zählte dabei die „dicke Berta“, eine gewaltige, 43 Tonnen schwere Belagerungskanone, die eine Granate von einer Tonne Gewicht binnen Sekunden über eine Distanz von rund 15 Kilometern schoss.

Die enormen Ausmasse dieser Kanonenrohre und das gewaltige Gewicht ihrer Munition bargen allerdings ein ebenso gewaltiges Problem: Um derart grosse Massen schnell in Bewegung zu setzen, braucht es Unmengen Energie – die in einer Kanone stets in Begleitung einer grossen Menge Wärme frei wird. So war es unvermeidlich, dass die rund sieben Meter langen Kanonenrohre der „dicken Berta“ schnell weich wurden – selbst bei nur wenigen Schüssen in einer Stunde –  und sich schon nach einigen Tagen des Bombardements unwiederruflich verzogen.

Und dieser Umstand machte den Nutzen einer Riesenkanone, deren Montage am Einsatzort 6 Stunden Arbeit von 200 Mann erforderte und innerhalb kürzester Zeit unbrauchbar wurde, mehr als fraglich.

 

Das Geheimnis des Superstahls wird gelüftet

Allerdings hatten die Schöpfer der „dicken Berta“ beim Deutschen Stahlriesen Krupp bald eine Lösung für dieses Problem vor Augen. Denn sie hatten das Geheimnis des „Super-Stahls“ wiederentdeckt, welches der japanische Meisterschmied einst mit ins Grab genommen hatte: Molybdän. Als Beigabe zum Stahl erhöht das Metall, dessen Schmelzpunkt rund 1100°C über dem von Eisen – dem Hauptbestandteil von Stahl – liegt, dessen Temperaturbeständigkeit und Härte ungemein.

Das lässt sich damit erklären, dass Molybdän-Atome grösser sind als die des Eisens, sodass mehr Energie nötig ist, um sie zur Schwingung anzuregen, und dass sie mehr Elektronen besitzen als Eisen-Atome, sodass die Molybdän-Atome nicht nur unbeschadet mehr Wärme absorbieren, sondern auch wie durch zahlreichere Verstrebungen fester miteinander verbunden werden können. Eingebettet zwischen Eisen-Atomen im Stahl bewirken die fest „verstrebten“ Molybdän-Atome überdies, dass sich die Atome des Stahls weniger leicht gegeneinander bewegen lassen, sodass sich das Metall auch bei starken Temperaturänderungen, die solche Verschiebungen bewirken können, weder verzieht noch spröde wird.

So sollte molybdänhaltiger Stahl der „dicken Berta“ Rückgrat verleihen – wenn man es denn auftreiben konnte. Denn die deutsche „Metallgesellschaft“, ein wahrer Bergbau-Gigant mit Sitz in Frankfurt am Main, betrieb zwar Minen, Hütten und Zweigstellen rund um den Globus, aber eine Molybdän-Fundstätte war nicht darunter. Dafür las man in der Zweigniederlassung „American Metal“ in New York das amtliche Mitteilungsblatt der US-Regierung und stiess so auf die weltweit einzige Fundstelle für Molybdän – am Bartlett Mountain, wo Otis King auf seiner praktisch bankrotten Mine sass.

 

Die Schlacht am Bartlett Mountain

Das deutsche Militär war im festgefahrenen Krieg auf jeden Vorteil dringend angewiesen, sodass das „Wundermetall“ zur Härtung der dicken Berta auf schnellstem Wege die weite Reise über den Atlantik antreten sollte. So entsandte die Metallgesellschaft ihren besten Agenten in Colorado, Max Schott, dem ein „geradezu hypnotisch durchdringender Blick“ nachgesagt wurde, um King zur Aufgabe seiner Mine zu drängen.

Als dieser jedoch zögerte seinen Besitz abzutreten – weil er den Grund für das Interesse der Deutschen an „seinem“ Molybdän ahnte, welcher noch niemandem sonst in den Sinn kam -, sandte Schott seine Schergen, um Druck zu machen. Diese Schlägertrupps bedrängten King, seine Arbeiter und deren Familien, zerstörten mitten im bitterkalten Winter deren Unterkünfte – sie taten alles bis an die Grenze zu vorsätzlichem Mord, um die Arbeit in der angeschlagenen Mine zu behindern. Während die Minenarbeiter das Metall, das sie kaum mehr zu schürfen wagten, als „Molly be damned“ verfluchten, drängten die Schläger King selbst im Zuge eines Überfalls über eine Klippe am Berg in einen Abgrund – wo eine Schneewehe ihm das Leben rettete und so die Gelegenheit gab, die umkämpfte Mine schliesslich für lausige 40’000 Dollar an Schott zu verkaufen.

Der Rest der Welt bekam indes von all dem nichts mit. Erst als die Briten 1916 deutsche Waffen eroberten und analysierten, stiessen sie auf das „Wundermetall“ Molybdän im Stahl. Doch selbst nach dem Kriegseintritt der USA 1917 sollte noch ein Jahreswechsel vergehen, bis man American Metal unangenehme Fragen zu stellen begann. Dort wiederum gab man an, die Mine am Bartlett Mountain rechtmässig von King erworben zu haben. Als die US-Regierung schliesslich die Geldmittel der Gesellschaft einfror und die Kontrolle über die Mine übernahm, beschossen „dicke Bertas“ aus molybdän-veredeltem Stahl bereits Paris – aus einer Distanz von rund 120 Kilometern!

 

Und am Ende siegt die Gerechtigkeit?

Nach dem Waffenstillstand zum Kriegsende ging das Unternehmen von Max Schott schliesslich bankrott, als der Molybdän-Preis erneut verfiel. Otis King kehrte in „seine“ Mine zurück – und dieses Mal sicherte er sich seinen Markt, indem er Henry Ford überzeugte, sein „Wundermetall“ in Auto-Motoren zu verbauen. Und so, wie Autos zu einem Renner wurden, wurde King zum Millionär.

Bis zum zweiten Weltkrieg sollte das ihm verwandte Wolfram – in allen Belangen noch leistungsfähiger als sein „kleiner Bruder“ – dem Molybdän den Rang ablaufen, sodass die bewegte Geschichte des verfluchten Wundermetalls weitgehend in Vergessenheit geriet.

Gefunden habe ich sie schliesslich in englischsprachigen Quellen: auf dem Blog „Speak it out“ von Delson Roche und im Buch „The Disappearing Spoon…and other true tales from the Periodic Table“ (*) von Sam Kean.

Die Molybdän-Mine am Bartlett Mountain gibt es jedoch noch heute. Wiedereröffnet als Tagebau gehört sie zur Climax Molybdenum Company und sorgt nicht nur für harten Stahl, sondern auch für (Halogen-)Licht in dunklen Stunden.

 

Und ist euch Molybdän schon einmal begegnet?

Liebe Leser,

Ich freue mich, heute Franziska Hufsky von BioInfoWelten hier begrüssen zu dürfen! Franziska ist Bioinformatikerin und schreibt auf ihrem Blog herrlich zweideutig von Mäusen, Bäumen, Viren und Co – mit anderen Worten von der Verknüpfung von Biochemie und Biologie mit der Programmierung und Nutzung von Computern. Hier und heute geht es aber vornehmlich chemisch zu und her, denn Franziska führt uns in die spannende Welt der Halogene ein, einer Gruppe von chemischen Elementen, die aus unserem Alltag nicht wegzudenken ist.

Viel Spass beim Lesen wünscht
Eure Kathi Keinstein

Halogene: von A(ntibiotikum) bis (Sal)Z

Halogen bedeutet eigentlich (aus dem Altgriechischen übersetzt) „Salzerzeuger“. Das bekannteste Beispiel dafür dürfte wohl Natriumchlorid (NaCl) sein. Sagt euch nichts? Die Rede ist von Kochsalz, also dem handelsüblichen Speisesalz. Kochsalz besteht (wie der Name schon sagt) aus Natrium und Chlor. Natrium (Na) ist ein Alkalimetall. Chlor (Cl) ist ein Halogen. Natriumchlorid ist also das Natriumsalz der Chlorwasserstoffsäure, auch bekannt als Salzsäure. Zu den Halogenen zählen außerdem noch Fluor, Brom, Iod, das seltene radioaktive Astat und das künstliche, sehr instabile Ununseptium.

Kochsalz, Natriumchlorid (NaCl)(Bild von APPER aus der deutschsprachigen Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Nun bin ich selbst kein Chemiker und weiß auch nicht viel mehr über die Chemie der Halogene zu erzählen. Dafür kenne ich aber eine andere Geschichte über Halogene und die beginnt im Krankenhaus

Panik im Krankenhaus

Krankenhauskeime. Ein Wort, welches immer häufiger durch die Medien geht und Angst und Schrecken verbreitet. Aber was soll das überhaupt sein und warum ist das angeblich gefährlich? Zunächst einmal sind Krankenhauskeime einfach Erreger, die man sich erst bei einem Aufenthalt im Krankenhaus einfängt. In der Regel handelt es sich dabei um Bakterien. Klingt jetzt erstmal nicht so schlimm. Man hat den Arzt ja schon vor Ort. Warum also diese Panikmache?

In den meisten Fällen sind Krankenhauskeime nicht schlimm. In der Regel werden sie vom Immunsystem in Schach gehalten oder können durch die Einnahme von Antibiotika bekämpft werden. Problematisch sind sie aber für immungeschwächte Patienten. Also Patienten, deren Immunsystem durch eine andere Krankheit, durch Alter oder durch Einnahme bestimmter Medikamente nicht auf vollen Touren läuft.

Multiresistente Bakterien

Das eigentliche Problem beginnt aber erst, wenn die Bakterien sich nicht mehr durch Antibiotika töten lassen. Man spricht von „Resistenz“. „Antibiotika“ ist ein Begriff für eine ganze Gruppe an Medikamenten unterschiedlicher Wirkstoffe, die eines gemeinsam haben: sie töten Bakterien. Antibiotika stammen aus den unterschiedlichsten Stoffgruppen und haben die unterschiedlichsten Wirkungsweisen im Kampf gegen Bakterien: zum Beispiel lösen sie die Zellwände der Bakterien auf oder hindern die Bakterien daran, sich zu vermehren. Nicht jedes Antibiotikum hilft gegen jedes Bakterium. Es gibt also ganz natürliche Resistenzen gegen Antibiotika. Bakterien können aber auch neue Resistenzen entwickeln. Durch den oft verantwortungslosen Umgang mit Antibiotika (zum Beispiel, indem man die Packung nicht bis zum Ende einnimmt oder mit Antibiotika vollgepumptes Billigfleisch kauft) züchten wir geradezu solche Resistenzen. Wird ein Bakterienstamm gegen mehrere oder gar alle uns bekannten Antibiotika resistent, dann spricht man von „Multiresistenz“. Und genau ab diesem Punkt sind wir ziemlich hilflos, denn wir können die Erreger nicht mehr töten.

Backterienstamm mit unterschiedlichen Resistenzleveln wir mit Antibiotikum bekämpft. Resistene Bakterien überleben. Resistenter Stamm entsteht.

Was tun?

Es ist also wichtig, dass wir verantwortungsvoller im Umgang mit Antibiotika handeln. Aber um die multiresistenten Bakterien bekämpfen zu können, brauchen wir vor allem eines: neue Wirkstoffe. Und zwar möglichst Wirkstoffe, die sich stark von den uns bekannten Antibiotika unterscheiden. Und jetzt sind wir endlich wieder auf meinem Fachgebiet angelangt. Und bei den Halogenen.

Die Salzerzeuger im Antibiotikum

Viele der bekannten antibiotischen Wirkstoffe enthalten Halogene, nämlich Chlor, Fluor oder Brom. Die ersten chlorhaltigen Antibiotika gab es schon gegen Ende der 40er Jahre. In den 50er Jahren kam das chlorhaltige Antibiotikum Vancomycin auf den Markt; in den 80ern wurde es als wirksames Mittel gegen multiresistente Staphylokokken erkannt. Vancomycin ist ein Reserveantibiotikum: es wird erst eingesetzt, wenn andere Antibiotika aufgrund von Resistenz nicht mehr wirksam sind. Vancomycin war daher oft die „letzte Hoffnung“. Aber auch diese endete, als die ersten Vancomycin-resistenten Erreger in Krankenhäusern auftraten. Eines der wichtigsten Reserveantibiotika heute ist das fluorhaltige Linezolid. Es tötet sowohl die bereits erwähnten Vancomycin-resistenten Erreger, als auch Methicillin-resistente Stämme und Penicillin-resistente Stämme bestimmter Bakterien.

Halogene als Antibiotika
Zeitstrahl der Antibiotika Entwicklung. Datenquellen: Wikipedia, Timeline of antibiotics (Markteinführung) und K. Lewis, Platforms for antibiotic discovery, Nature Reviews Drug Discovery 12, 371–387 (2013) (Zeitspanne bis zur Resistenz).

In den 80ern gab es einen regelrechten Antibiotika-Boom. Viele neue Wirkstoffe kamen auf den Markt, darunter viele fluorhaltige. Ab Mitte der 90er gab es einen Einbruch in der Entdeckung neuer Antibiotika. Das lag vor allem daran, dass neu entdeckte Wirkstoffe zu ähnlich zu den bereits bekannten waren. Resistente Bakterien sind gegen ähnliche Wirkstoffe häufig auch resistent. Seit 2010 kamen sieben neue Wirkstoffe auf den Markt, von denen fünf halogenhaltig sind. In den letzten Jahren scheinen sich Forscher in der Pharmazie mehr und mehr auf solche halogenhaltigen Wirkstoffe zu konzentrieren und gezielt danach zu suchen.

Die Schatzsuche

Wie findet man neue Antibiotika? Halogenhaltige organische Stoffe, die giftig für Bakterien sind, werden von anderen Bakterien oder Pilzen zur Abwehr hergestellt. Vielleicht habt ihr schon einmal von der Entdeckung des Penicillin gehört. Alexander Fleming wollte eigentlich Staphylokokken-Kulturen (Bakterien) züchten, aber ein Schimmelpilz verunreinigte die Kultur und tötete die Bakterien. Heute lässt man verschiedene Bakterienstämme gegeneinander „kämpfen“, in der Hoffnung, sie produzieren dabei interessante, neue, potentielle Wirkstoffe. Diese Wirkstoffe müssen zunächst einmal identifiziert werden — und das ist gar nicht so einfach. Sie sollen ja möglichst neu und unbekannt sein, man kann also nicht einfach in einer Datenbank nachschauen. Statt mühseliger Analyse per Hand, greift man dabei heute auf bioinformatische Methoden zurück. Zuerst wird die Summenformel bestimmt. Um das zu erleichtern, kann man zuerst testen, ob Halogene enthalten sind. Kennt man die Summenformel, wird die Bestimmung der Strukturformel einfacher. Das ist ein aufwendiger und kostenintensiver Prozess, der aber mittels bioinformatischer Methoden wesentlich beschleunigt werden kann.

K wie Krebs, N wie Narkose und T wie Teflon

Neben antibiotisch — also gegen Bakterien — wirkenden Medikamenten findet man Halogene noch in vielen weiteren Wirkstoffen. Das chlorhaltig Toremifen zum Beispiel ist ein Brustkrebsmedikament; Mitotan wird zur Behandlung der Symptome bei Nebennierenkrebs eingesetzt, wenn dieser nicht operiert werden kann. Die flourhaltigen Gase Desfluran, Sevofluran und Enfluran nutzen Anästhesisten zur Einleitung der Narkose. Halogene verbessern viele wichtige Eigenschaften von Medikamenten, wie zum Beispiel die Aufnahme in die Blutbahn oder die Wirkungsdauer des Medikaments.

Teflon (Polytetrafluorethylen) ist eine Kette aus Tetrafluorethylen. (Bild von 4C – Own work, CC BY-SA 3.0 | Wikicommons)

Organische Halogenverbindungen spielen aber nicht nur in der Pharmazie eine große Rolle. Sie werden auch oft als Insektizide oder Pestizide eingesetzt. Dichlordiphenyltrichlorethan (C14H9Cl5) zum Beispiel war jahrzehntelang das weltweit meistverwendete Insektizid, insbesondere, weil es kaum toxisch für Säugetiere ist. Das chlorhaltige Gas Vinylchlorid (C2H3Cl) ist die Grundsubstanz zur Herstellung von Polyvinylchlorid (PVC), ein Kunststoff, den ihr sicher alle aus Fensterrahmen oder Bodenbelägen kennt. Und die Teflon-Beschichtung eurer Küchenpfanne besteht aus einer Kette aus Tetrafluorethylen (C2F4).

Jetzt kennt ihr die vielfältige Bedeutung von Halogenen außerhalb der Halogenglühlampen (die im Übrigen Iod oder Brom enthalten). Sicher findet man noch mehr Anwendungen von A wie Antibiotikum bis Z wie salZ.

Und ihr? Kanntet ihr Halogene schon vorher? Welche Anwendungen sind euch bekannt?

Tenside – von dieser Stoffklasse hat bestimmt jeder schon einmal irgendwo gehört – aber weiss denn auch jeder, was Tenside eigentlich sind?

Auf meinen Rundgang durch den Haushalt entdecke ich sie überall: Auf der Packung meines Universal-Waschmittels heisst es „enthält 5 – 15% anionische Tenside sowie < 5% nichtionische Tenside. In meinem Handgeschirrspülmittel sind es sogar 15 bis 30% anionische Tenside und < 5% nichtionische und amphotere Tenside.

Aber Tenside finden sich auch andernorts, zum Beispiel in Lebensmitteln wie Kakaopulver für Trinkschokolade oder in Unkrautvernichtern, die auch den berüchtigten Wirkstoff Glyphosat enthalten.

Was hinter der Bezeichnung „Tensid“ jedoch steckt, mag überraschen: Sie steht für eine Gruppe von Chemie-Produkten, die schon seit rund 5000 Jahren von Menschen genutzt werden! Wie der Chemische Reporter berichtet, haben die Sumerer nämlich vor ebenso langer Zeit schon Seife hergestellt und verwendet. Und Seife ist ein Stoff, wenn nicht der Stoff, der aus Tensiden besteht.

 

Wie man Seife macht

Die Ursprünglichsten der Tenside lassen sich vergleichsweise einfach herstellen – nämlich aus pflanzlichen Fetten. Bei Fetten – unter Chemikern auch Triglyzeride genannt – handelt es sich nämlich um Ester des Glyzerins mit verschiedenen Fettsäuren. Und Verbindungen der Gruppe der Ester können ziemlich einfach zerlegt werden, zum Beispiel durch Zugabe einer Base.

Eine Base ist ein Stoff, der H+-Ionen aufnehmen kann, die er zum Beispiel Wassermolekülen „entwenden“ kann. Das führt dazu, dass Basen in Wasser häufig OH-Ionen erzeugen, falls sie solche nicht selbst schon mitbringen:

Calciumoxid – besser: Das Oxid-Anion – ist eine Base und reagiert mit Wasser zu zwei Hydroxid-Ionen. Das Calcium-Ion bleibt dabei in Wasser gelöst zurück.

Calciumoxid und weitere wasserlösliche Oxide der Alkali- und Erdalkalimetalle finden sich in Pflanzenasche, sodass die Asche basisch reagiert. Und das haben schon die findigen Sumerer zu nutzen gewusst (obwohl die noch nicht wussten was Basen sind), indem sie Asche zu warmen Pflanzenfetten gaben und eine weiche, aber formfeste Masse mit erstaunlichen Eigenschaften erzeugten: Seife. Heutzutage wird Seife noch genauso hergestellt – nur verwendet man anstelle der Asche Natriumhydroxid (NaOH), ein Salz, das mit Wasser die stark basische Natronlauge bildet.

 

Reaktionsschema zur Seifenherstellung : Wie Tenside seit 5000 Jahren gemacht werden

Seifenherstellung: Reaktion von Fetten mit einer Base zu Glyzerin und Fettsäure-Anionen

 

Wer Seife selbst herstellen möchte, findet hier ein Rezept dafür. Natriumhydroxid und Natronlauge sind jedoch stark ätzende Substanzen, die mit gebührender Vorsicht verwendet werden sollten!

Einfache Seife ist also ein Gemisch aus Glyzerin und den Anionen der verschiedenen Fettsäuren (eine gute Seife enthält praktisch keine Hydroxid-Ionen mehr, was erreicht wird, indem die Base bei der Herstellung etwas unterdosiert zum Einsatz kommt, sodass sie während der „Reifezeit“ der Seife von mehreren Wochen praktisch vollständig aufgebraucht wird). Und diese Fettsäure-Anionen sind ganz besondere Moleküle: Sie wechselwirken nämlich auf zweierlei Art mit ihrer Umgebung!

 

Mischung oder Trennung: Alles eine Frage der Anziehung

Die Art und Weise, wie ein Molekül mit anderen Molekülen in seiner Nachbarschaft wechselwirkt, hängt von der Verteilung der Elektronenladung im Molekül ab. Wenn diese nämlich ungleichmässig ausfällt, können Anhäufungen von negativer und positiver Ladungen in verschiedenen Molekülen einander anziehen. Und solche Anhäufungen gibt es, weil verschiedene Atomsorten ihre Elektronen (einschliesslich derer, die an Elektronenpaar-Bindungen beteiligt sind) unterschiedlich stark zu sich hinziehen. So entstehen polare, d.h. unsymmetrische Bindungen. Wie das im Einzelnen vor sich geht und welche Folgen das hat, könnt ihr in der Geschichte um die 13 Vitamine nachlesen.

Festzuhalten ist: Wenn in einem Molekül räumlich getrennte Anhäufungen von Elektronenladung entstehen (man spricht dann von einem Dipol-Molekül), können sich diese Anhäufungen und Bereiche mit einem Mangel an Elektronenladung gegenseitig anziehen. Und wenn Moleküle einander anziehen, lassen die Stoffe, welche aus ihnen bestehen, sich mischen.

Wasser ist der vielleicht bekannteste Stoff, der aus Dipol-Molekülen besteht. Und Stoffe, die sich mit Wasser mischen lassen, die also ebenfalls aus Dipol-Molekülen bestehen, nennt man hydrophil (griechisch für „wasserliebend“).

Auch in vielen organischen Molekülen gibt es solch unregelmässige Ladungsverteilung. Dazu zählen die sogenannten Carbonsäuren – solche Moleküle, die eine Carboxyl-Gruppe beinhalten.

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Essigsäure, eine einfache Carbonsäure, mit Anhäufungen von Ladung

Essigsäure ist eine einfache Carbonsäure. Die Carboxyl-Gruppe enthält Kohlenstoff- und Sauerstoff-Atome, auf welche die Elektronenladung nicht gleichmässig verteilt ist. So können die Essigsäure-Moleküle einander, aber auch andere Moleküle mit ungleichmässiger Ladungsverteilung anziehen: Essigsäure ist deshalb sehr gut mit Wasser mischbar!

Moleküle aus ähnlich „starken“ Atomen, deren Elektronenladung weitgehend gleichmässig verteilt ist, können keine Dipole sein. Und trotzdem ziehen sie einander an – auf eine andere Weise, die sich massgeblich von der Anziehung zwischen Dipolen unterscheidet. Moleküle mit gleichmässiger Ladungsverteilung lassen sich deshalb gut miteinander mischen, jedoch nicht Molekülen, welche die Anziehung zwischen Dipolen bevorzugen!

Da die Fette zu den „gleichmässigen“ Molekülen zählen, nennt man Stoffe aus solchen Molekülen lipophil (griechisch „fettliebend“).

 

Ein einfaches Modell für ein vielseitiges Molekül

Das Besondere an Fettsäure-Anionen ist: Sie sind sowohl hydrophil als auch lipophil! Das heisst allerdings nicht, dass sie sich gleichermassen gut mit Wasser und mit Fetten mischen lassen. Es sind vielmehr unterschiedliche Abschnitte der Moleküle, die entweder hydrophil oder lipophil sind.

So heissen Fettsäuren wie sie heissen, weil sie Carbonsäuren sind. Das heisst, ein Fettsäuremolekül enthält eine Carboxylgruppe, die ein H+-Ion abgeben und zur Carboxylat-Gruppe werden kann, dank welcher die Fettsäure zum Fettsäure-Anion wird. Und ein Anion enthält eine Extremform der Anhäufung von Elektronenladung: Diese Anhäufung ist so gross, dass ihre elektrische Ladung derer eines oder mehrerer ganzer Elektronen entspricht (Die Ladungs-Anhäufungen in Dipol-Molekülen sind stets kleiner als die Ladung eines Elektrons!).

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Und Carboxylgruppen sind (wie Carboxylat-Gruppen auch) hydrophil.

Allerdings befindet sich die Carboxylgruppe einer Fettsäure am Ende einer langen Atom-Kette aus Kohlenstoff- und Wasserstoff-Atomen. Und die sind in Sachen Elektronen-Anziehen nahezu gleich stark. Deshalb sind solche Kohlenwasserstoff-Ketten lipophil.

Während die Carboxylatgruppe eines Fettsäure-Anions also mit Wasser mischbar ist, ist seine Kohlenwasserstoff-Kette mit Fett (und nicht mit Wasser) mischbar. Und beide sind fest miteinander verbunden! Solch ein Molekül gleicht damit einer Schlange: Der Kopf beisst, und der Schwanz kann sich um einen Ast winden. Beide zusammen ergeben ein Tier, das in Bäumen Beute jagen kann.

Oder noch einfacher: Die Carboxylatgruppe sei wie der Kopf eines Streichholzes, der sich an einer Reibefläche entzünden lässt, während die Kohlenwasserstoff-Kette den Schaft zum Festhalten der Flamme bildet.

Streichholzmodell für Tenside

Carboxylat-Anion als „Streichholz“: Der rote Kopf ist wasserliebend, der blaue Schaft ist fettliebend.

 

Damit brauchen wir uns nicht länger mit Atomen, Atomgruppen und ungleichmässig verteilter Elektronenladung herum zu schlagen. Es genügt zu wissen: Die Streichholz-Köpfe mischen sich mit Wasser, die Streichholzschäfte mit Fett und anderen lipophilen Stoffen. Deshalb heissen solche „Streichholz“-Teilchen amphiphil – beides liebend – oder auch „Tensid“.

Die Fettsäure-Anionen, deren „Köpfe“ also eine negative Ladung tragen, gehören zu den „anionischen“ Tensiden. Doch auch Fettsäuren, welche ihr H+-Ion nicht abgegeben haben, sind amphiphil. Sie gehören mangels einer ganzen elektrischen Ladung zu den nichtionischen Tensiden. Ebenso gibt es kationische Tenside mit einer positiven ganzen Ladung am Kopf, und schliesslich amphotere Tenside, die sowohl eine positive als auch eine negative Ladung am Kopf tragen.

 

Wie Seife funktioniert: Streichholz-Tenside und Grenzflächen

Stellt man ein Gefäss mit Wasser an der Luft, hat man zwei Stoffe oder Stoffgemische direkt nebeneinander, die unterschiedlich wechselwirken: Wasser ist hydrophil, während die meisten Luftmoleküle (Luft besteht hauptsächlich aus Stickstoff, N2 und Sauerstoff, O2) lipophil sind. Folglich wollen beide nicht viel miteinander zu tun haben und bilden ihre eigenen Cliquen. Wassermoleküle halten sogar so stur zusammen, dass sie die meisten Luft-Moleküle strikt draussen halten.

Teilchen, die aus der Luft ins Wasser oder umgekehrt passieren möchten, müssen damit Auflagen erfüllen und Mühen auf sich nehmen wie wir mancherorts, wenn wir eine Landesgrenze überschreiten wollen. Dementsprechend wird solch eine trennende Fläche zwischen Luft und Wasser (aber auch zwischen anderen Stoffen) Grenzfläche genannt.

Das Bollwerk, das die zusammenhaltenden Wassermoleküle an der Wasseroberfläche bilden zeigt sich uns als „Oberflächenspannung“: Es ist so fest, dass kleine Tiere wie Wasserläufer darauf laufen können!

Wenn man Seife (Tenside) ins Wasser gibt, sortieren die sich in der bequemsten Ausrichtung – an der Grenzfläche zwischen Luft und Wasser, sodass die hydrophilen Köpfe ins Wasser und die lipophilen Schwänze in die Luft weisen! Damit stören sie den Zusammenhalt der Wassermoleküle an der Oberfläche so empfindlich, dass jeder Wasserläufer auf Seifenwasser umgehend untergehen würde.

Streichholzmodell: Tenside an einer Grenzfläche

Das könnt ihr ganz einfach ausprobieren – aber bitte nicht mit Tieren! Als Ersatz für einen Wasserläufer schwimmt auch eine eiserne Büroklammer (seiner Dichte wegen sollte Eisen sofort sinken!) auf Wasser, wenn man sie vorsichtig darauf legt. Sobald man jedoch Seife in eine Schale Wasser gibt, auf welchem eine Büroklammer schwimmt, wird diese umgehend untergehen.

Die Oberfläche des Wassers in einem Behälter hat jedoch eine begrenzte Grösse. Wenn man genügend Seife hineingibt, wird sie irgendwann gänzlich von Tensiden besetzt sein, sodass die Übrigen keinen Platz mehr finden werden. Diesen ausgegrenzten Molekülen bleibt nichts anderes übrig, als Zuflucht in „Selbsthilfegruppen“ zu suchen: Sie lagern ihre Schwänze so zu einer Kugel zusammen, dass alle Schwanzenden auf deren Zentrum weisen. Damit befinden sich alle Köpfe aussen – dem Wasser zugewandt – sodass sich diese Tensid-Kugeln wunderbar mit dem Wasser mischen können, während ihr lipophiler Anteil in ihrem Inneren verborgen bleibt. Solche Kugeln oder ähnlich abgeschlossenen Tensid-Gebilde werden von Chemikern auch Mizellen genannt.

Streichholzmodell: Tenside bilden eine Mizelle

 

Das Geheimnis der Superwaschkraft

Die Fähigkeit zur Bildung von Mizellen ist auch das Geheimnis der Waschkraft von Seife. Jeder, der schon einmal versucht hat, eine fettige Pfanne bloss mit Wasser zu reinigen, wird festgestellt haben, dass das Fett sich von Wasser reichlich wenig beeindruckt zeigt und kaum von der Stelle weicht. Taucht man die Pfanne samt Fett jedoch in seifenhaltiges Wasser, eröffnen sich für die Tenside darin ganz neue Möglichkeiten:

Jetzt können sich die lipophilen Schäfte nämlich an die Oberfläche der Fettpartikel anlagern und diese dicht an dicht besetzen. So verschaffen die Tenside den Fetten eine mit Wasser mischbare Oberfläche aus „Streichholzköpfen“. Das Ganze geht sogar so weit, dass die Tenside sich regelrecht zwischen Fettpartikel und Pfannenoberfläche drängen, sodass die Partikel bald abgelöst werden und als vollständig geschlossene „Mizellen mit was drin“ durch das Wasser treiben und weggespült werden können!

Streichholzmodell : Die Super - Fettlösekraft der Tenside

 

Tenside als Spielzeug

Nicht nur für die Waschkraft von Seife zeichnen Tenside verantwortlich, sondern auch für ein seit Generationen beliebtes Spielzeug: Seifenblasen. Wenn man die kauft, erhält man meist einen handlichen Kunststoffzylinder mit einer Seifenlösung und einem kleinen Ring am Stab zum Hineintauchen. Wenn man den Ring aus der Lösung nimmt, spannt sich darin ein dünner Film aus Seife, der sich, sobald man sanft hineinbläst, zu einer Blase ausdehnt, abschnürt und in schillernden Regenbogenfarben langsam durch die Luft davontreibt.

Aber woraus bestehen die ätherischen, fast gewichtslos wirkenden Seifenblasen eigentlich?

Hauptsächlich aus Tensiden, die eine besonders trickreiche Anordnung einnehmen! Ausserhalb und innerhalb einer Seifenblase befindet sich nämlich Luft, sodass es sich anbietet, an der Innen- und Aussenfläche einer Seifenblase Schwänze zu haben. Tatsächlich ordnen sich die Tenside dicht an dicht zu einer doppelten Schicht, wobei alle Schäfte der inneren Schicht nach innen und jene der äusseren Schicht nach aussen weisen. Folglich weisen alle Streichholzköpfe in die Mitte zwischen den Schichten. Und da bietet es sich an, gleich noch eine sehr dünne Schicht Wassermoleküle zwischendrin einzuschliessen, damit es zwischen einzelnen Ladungen der gegenüberliegenden Köpfe nicht zu Abstossung kommt.

Streichholzmodell: Tenside formen eine Seifenblase

Seifenblase, dargestellt als Streichholzmodell (Nach: „Schaumbläschen“ by Roland.chem [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons)

 

Die Anziehung zwischen den geordneten Tensiden ist damit so gross, dass sie selbst in bewegter Luft zu einem hauchdünnen, aber sichtbaren Film zusammenhalten und die eingeschlossene Wasser-Schicht tragen können….fast zumindest. Denn wer Seifenblasen genau beobachtet, wird feststellen, dass sie in der Regel zerplatzen bevor sie ganz zu Boden gleiten oder auf ein Hindernis treffen. Und wer besonders grosse Seifenblasen macht und noch genauer hinschaut (oder eine Zeitlupenkamera sein Eigen nennt), mag bemerken, dass die Blasen zuerst oben aufreissen, ehe sie ganz zerfallen.

Das zeigt uns, dass die Schwerkraft am Ende doch gewinnt. Früher oder später werden die Wassermoleküle der Zwischenschicht nämlich doch zu schwer und in der Seifenblassen-Hülle nach unten gezogen. Dort sammeln sie sich an, während die Blase im oberen Bereich zunehmend trocken fällt – bis sich die Tensid-Köpfe schliesslich berühren und abstossen. So gerät die geniale Streichholz-Doppelschicht gänzlich aus den Fugen und reisst auseinander. Die einstmals schillernde Blase wird wieder zu einem schlichten, ungeordneten Tropfen Seifenlösung, der eben dort landet, wo die Seifenblase ihr kurzes Dasein beendet hat.

 

Tenside als Bausteine des Lebens

Auch in und um Lebewesen gibt es zahlreiche mehr oder minder überwindbare Grenzflächen wie jener zwischen Luft und Wasser. So atmen Landsäugetiere wie wir Menschen Sauerstoff-Moleküle, indem wir ihnen ermöglichen, in unseren Lungenbläschen aus der Luft hinaus und in unsere wasserhaltige Blutbahn einzutreten. Wasserlebewesen bewerkstelligen das Gleiche in ihren Kiemen, die dafür geschaffen sind, im Wasser gelösten Sauerstoff in den Körper hinein zu lassen.

Um mit solchen und vielen anderen Grenzflächen umzugehen, hat sogar das Leben seine ganz eigenen Tenside geschaffen! Diese Moleküle unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von Seife, können jedoch ebenfalls in einen hydrophilen Kopf und einen lipophilen Schwanz gegliedert werden. Aus solchen Tensiden besteht zum Beispiel die Aussenhülle von Körperzellen: Dabei handelt es sich um eine doppelte Schicht aus dicht gepackten „Streichhölzern“, deren Schäfte allesamt nach innen und die Köpfe nach aussen weisen – also quasi um eine umgekehrte Seifenblase.  Das ist praktisch, weil sowohl das Innere der Zelle mit Wasser (und vielem anderen) gefüllt ist, als auch Wasser die Zellen im Körper umgibt. Da die Hülle der Zellen jedoch innendrin lipophil sind (dort befinden sich die Tensid-Schäfte!), können sich das Wasser draussen und das Wasser drinnen nicht einfach vermischen! Was hydrophil ist und in die Zelle hinein- oder aus ihr hinaus soll, muss durch speziell dafür vorgesehene „Fenster-“ oder „Tunnel-„Moleküle hindurch.

 

Wann Tenside zum Problem werden

Der Umstand, dass viele Lebewesen sich hervorragend mit den Grenzflächen zwischen ihnen selbst und ihrem Lebensraum „draussen“ arrangiert und allerlei Tricks entwickelt haben, um ihrer Umgebung Nahrung und Sauerstoff zu entnehmen, führt dazu, dass viele Tenside, die wir erfunden haben um ebensolche Grenzflächen zu zerstören (um zum Beispiel Fettreste mit Wasser lösen zu können), für solche Lebewesen giftig sind. Das gilt besonders für Wasserlebewesen, welche die dichten Grenzflächen ihres Lebensraums in vielerlei Hinsicht zum Leben brauchen.

Deshalb müssen die Seifen und anderen Tenside, die wir tagtäglich verwenden, erst abgebaut werden, bevor sie in die Umwelt gelangen dürfen! Das besorgt zum Beispiel ein Klärwerk, in dem Bakterien für genau diesen Job „angeheuert“ werden. Diese Bakterien, die sich im Klärbecken über Tenside hermachen, haben zum Beispiel die zwei folgenden Möglichkeiten, die „Streichholz“-Moleküle unschädlich zu machen:

  1. Sie trennen den Streichholzkopf vom Schaft. Damit bleiben zwei Teilmoleküle, eines wasser- eines fettliebend, die jedes für sich ihre Lieblingsumgebung suchen und keinen Schaden mehr anrichten können.
  2. Sie verpassen dem Schaftende einen zweiten Kopf. So entsteht ein zweiköpfiges „Streichholz“, das nach beiden Enden wasserliebend ist und somit für das Zusammenspiel der Tenside nicht mehr brauchbar ist.

Wer also ein nützliches Tensid „erfinden“ möchte, tut gut daran, nicht nur über die mögliche Giftigkeit des Tensids nachzudenken. Wenn nämlich dessen Abbauprodukte, welche die Bakterien im Klärwerk daraus herstellen, für sich aus irgendeinem Grund ebenso giftig sind, würde die Entsorgung der Tenside damit ihres Sinnes beraubt.

So sind die Seifen unseres täglichen Gebrauchs wohl für viele Wasserlebewesen gefährlich, aber auch für den Abbau im Klärwerk geschaffen. Aus diesem Grund gehört Seifenwasser unbedingt in einen Haushaltsabfluss entsorgt, der an ein Abwassersystem und damit möglichst direkt an eine Kläranlage angeschlossen ist.

Innerhalb eines Gebäudes ist das hierzulande kein Problem. Ein Auto passt jedoch in den seltensten Fällen ins Haus, und das Seifenwasser samt Öl- und anderen Resten beim Autowaschen einfach in die Gegend laufen zu lassen erachten viele wichtige Lebewesen in Wasser und Boden als ganz schlechte Idee (und ist je nach Art des vorhandenen Entwässerungssystems sogar verboten!). Deshalb verdient jedes Auto, das nach einer Wäsche mit Seife verlangt, eine Fahrt durch eine Autowaschanlage, die eine umweltschonende Entsorgung ihrer Abwässer übernimmt.

Richtig problematisch wird es damit erst, wenn Tenside zum Einsatz kommen, um Unmischbares zu mischen, das dazu bestimmt ist, in der Landschaft verteilt zu werden. So stecken in Pflanzenschutzmitteln, die (nicht nur) den berüchtigten Wirkstoff Glyphosat enthalten, in der Regel auch Tenside. Und die gelangen beim Spritzen von Pflanzen auf Äckern und in Gärten ungehindert in die Umwelt, was, wie Sebastian auf Nullius in Verba schreibt der Abschnitt über die Tenside findet sich am Schluss des Beitrags) , die Problematik des eigentlichen Glyphosats, letztlich in den Schatten stellt!

 

Fazit

Tenside gehöhren in Form von Seife zu den am längsten von Menschen genutzten Chemikalien der Welt. Ihre Fähigkeit auf zweierlei Weise mit ihrer Umgebung zu wechselwirken und Grenzflächen durchlässig zu machen macht sie zu starken und vielseitigen Helfern im Alltag. Wo Grenzflächen allerdings lebensnotwendig sind, werden Tenside schnell zur Gefahr. So nützlich ihre Superwasch- und mischkraft auch ist, setzt Seife und andere Tenside mit Bedacht ein und geniesst ihren Nutzen ohne bitteren Beigeschmack!

Und wo begegnen euch Tenside in eurem Alltag?