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Es ist ein lichter, sonniger Tag vor rund 180 Millionen Jahren. Ein weites, von zahlreichen Inseln durchsetztes Meer erstreckt sich dort, wo heute Süddeutschland liegt. Das Wasser dieses Jura-Meeres ist nicht sehr tief, sodass die Sonnenstrahlen weit hinein dringen und eine Vielfalt bizarrer Lebewesen darin beleuchten können.

Wahre Ungeheuer von Meeresechsen jagen urzeitliche Fische, Seelilien und Muscheln überziehen die Inselhänge, und im freien Wasser ziehen seltsam anmutende Kopffüssler umher. Anders als die heutigen Tintenfische tragen diese Wesen eine schützende Aussenschale – torpedoförmig langgestreckt oder aufgewickelt und gemasert wie das Horn eines Widders. Und diesem Eindruck folgend hat der Mensch letztere „Ammoniten“, abgeleitet von der griechisch-lateinischen Bezeichnung „Ammon“ für den altägyptischen Sonnengott Amun-Re, der häufig mit einem Widderkopf dargestellt ist.

Aber wie können Menschen überhaupt von diesen Geschöpfen wissen und ihnen einen Namen geben? Schliesslich gibt es „uns“ erst seit vielleicht 100.000 Jahren – einem Wimpernschlag in der Erdgeschichte. Eine Reihe günstiger Zufälle und viel, sehr viel Zeit haben dazu geführt, dass wir heute vielerorts spannende Überreste von Lebewesen längst vergangener Erdzeitalter finden können: Fossilien – Stein gewordenes Leben. Diese Geschichte erzählt das Schicksal eines Ammoniten der Gattung Dactylioceras, der die Jahrmillionen überdauert hat und zum Zeugen seiner Zeit im Jura-Meer geworden ist.

Ein Leben geht zu Ende

Unser Ammonit hat wenig Freude am Sonnenschein, welcher seine Schale in tausend Perlmuttfarben schillern lässt. Mehr denn je bereiten ihm die Schwimmstösse Mühe. Zu viele Kilometer in einem langen Ammonitenleben liegen nun schon hinter ihm. Appetit hat er schon lange nicht mehr, und die Müdigkeit des Alters lässt seine Tentakel schwer werden. Ruhe ist das Einzige, wonach ihn heute verlangt, sich einfach im Strom des Meeres treiben lassen…

Immer langsamer wird unser Ammonit. Er gewahrt nicht, dass er stetig tiefer sinkt, während der letzte Lebensfunke schliesslich aus ihm hinausgleitet. Das Wasser trägt den leblosen Körper noch ein wenig, ehe er still und unbemerkt bis auf den Grund des Jurameeres sinkt.

Verwesung oder Fäulnis: Der Lebenskreis schliesst sich – fast

Jedes Lebensende auf der Erde bedeutet Arbeit – für Aasfresser, zahllose kleine Krabbeltiere und mikroskopisch kleine Bakterien und Pilze. Denn die Aufgabe dieser Geschöpfe besteht darin, nicht mehr benötigte Biomasse in ihre Bestandteile zu zerlegen, aus welchen einmal neue Lebewesen entstehen können. Grosse und kleine Aasfresser zerteilen einen Kadaver in handliche Stücke, welche die Mikroorganismen bequem verstoffwechseln können. Das heisst, sie zerstückeln komplexe Moleküle wie Proteine und DNA, die vornehmlich aus den Elementen Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Sauerstoff (O), Stickstoff (N) und Phosphor (P) bestehen, in Kohlenstoffdioxid (CO2), Wasser (H2O), Harnstoff und Phosphat-Ionen (PO43-): Der Kadaver verwest.

Im Übrigen hat keines dieser Bruchstücke einen merklichen Eigengeruch. Das heisst: Verwesung stinkt nicht.

Unser Ammonit entgeht diesem Schicksal allerdings, denn das Jura-Meer weist eine Besonderheit auf: In der Wasserschicht direkt über seinem Grund gibt es keinen Sauerstoff. Und die für die Verwesung zuständigen Organismen haben eins gemeinsam: Sie sind Sauerstoffatmer, also aerobe Lebewesen, die ohne Sauerstoff weder arbeiten noch leben können.

So bleibt die Entsorgung des Ammonitenkadavers, nachdem er erst auf den Meeresgrund gesunken ist, an den hartgesottensten unter den Mikroorganismen hängen, die auch ohne Sauerstoff zurechtkommen – sogenannten anaeroben Lebewesen. Diese verwenden eine natürliche Form der Gärung, um die komplexen Moleküle im Leib des Ammoniten zu zerlegen – in Bruchstücke wie Propionsäure, Essigsäure, Buttersäure, Ethanol, Amine, Methan, Ammoniak, Schwefelwasserstoff,… Mit anderen Worten: Sie sorgen für üblen Gestank!

Ein dunkles, enges Grab

Dieser Prozess, den wir als Fäulnis kennen, ist zudem längst nicht so allumfassend wie die Verwesung, insbesondere, wenn die Physik sich einmischt. Von der Schwerkraft nach unten geleitet sinken nämlich laufend Schwebstoffe auf den Grund des Jura-Meeres und damit auf unseren Ammoniten – bis seine Überreste nach kurzer Zeit ganz von sich ansammelndem Schlamm bedeckt sind. Das wird selbst den hartgesottensten Anaerobiern irgendwann zu viel.

Zu unserem Glück ist der Ammonit ein Schalentier, denn seiner Kalkschale können die fleissigen Anaerobier bis dahin wenig anhaben, während sie von seinem weichen, skelettlosen Leib mit den Tentakeln kaum etwas übrig lassen. Das heisst, von den komplexen Biomolekülen bleibt nicht viel – aber ihre Atome werden lediglich zu den genannten, „wohlriechenden“ Stoffen umgruppiert. Und im lauen Jura-Meer sind einige dieser Stoffe, zum Beispiel Methan, Ammoniak und Schwefelwasserstoff, gasförmig. Gase haben es allerdings gar nicht gern eng.

Während sich also immer mehr Schlamm über unserem Ammoniten sammelt und auf dem Kadaver lastet, drängt es die Gase zunehmend dazu, zu entweichen. Und zwar dem Auftrieb folgend nach oben. Beim Faulen entstehende Gasbläschen suchen sich also ihren Weg durch den Schlamm, während die flüssigen und festen Fäulnisprodukte im immer enger werdenden Raum verbleiben.

Diagenese: Geheimnisvolle Wandlung

Die Zeit vergeht, und mehr Schlamm lagert sich ab, dazu Überreste von Muscheln und anderen Lebewesen, Sand, und noch mehr Schlamm. Viele Meter hoch stapeln sich die Schichten und lasten Jahrmillionen lang auf unserem Ammoniten. Je mehr Schichten sich sammeln, desto mehr Druck wirkt auf unseren Ammoniten ein. Und wenn allseits zappelige Atome – auch die von Ammoniten-Überresten – unter Druck geraten, stossen sie in der Enge immer häufiger zusammen und werden zunehmend hektischer: Die Temperatur steigt.

Für den Ammoniten hat all das weitreichende Konsequenzen: Unter all dem Druck wird das, was von seiner Schale und seinem Körper übrig ist, richtiggehend platt gedrückt – hätte sein Lebensweg einstmals aufrecht im Schlamm geendet, wäre er zusammengestaucht worden. Und wie aus einer Frucht, die von einem Auto überrollt wird – nur sehr, sehr viel langsamer – weichen nun auch Wasser und andere flüssige Bestandteile aus den Überresten in die sie umgebenden Sedimente.

Auch diese Sedimente sind in dieser Zeit von sich aus „feucht“: Neben festen Schlammpartikeln oder Sandkörnern enthalten sie Lösungen verschiedener Ionen, die Mineralien und Gesteine bilden können (zum Beispiel Calcium (Ca2+) und Carbonat (CO32-), die Calcit bzw. Kalk bilden, Salze der siliziumhaltigen Kieselsäuren oder Phosphate (PO42-)).

So lange die aus dem Druck folgende Temperatur die Teilchen in den Sedimentschichten in Bewegung hält, nimmt diese Bewegung mit der Zeit ihren natürlichen Lauf: Wie alles in der Natur streben sie einem Gleichgewichtszustand, einer möglichst gleichmässigen Durchmischung entgegen. Mit anderen Worten: Der Inhalt des Ammoniten-Überrests und die Zusammensetzung der ihn umgebenden Sedimente gleichen sich immer mehr an.

Und unter genügend Druck über einen genügend langen Zeitraum (in der Regel reichen einige Millionen Jahre) geschieht noch etwas: Aus losem, von Salzlösungen durchsetztem Schlamm und Sand wird, wenn die gelösten Salze auskristallisieren, festes Gestein! Dieses kann, je nach Zusammensetzung der Ausgangslösungen zum Beispiel aus Calciumcarbonat (CaCO3), Calciumphosphat (Ca3(PO4)2) oder Siliziumdioxid (SiO2, dem „Anhydrid“ – also einer „entwässerten“ Form – der Kieselsäure) bestehen.

Das schliesst auch unseren Ammoniten mit ein, bei welchem es sich inzwischen viel mehr um Sedimente mit Zusätzen in Ammonitenform handelt. Was einst ein lebendes Weichtier war, wird so vollkommen hart und steinern – und damit spröde. Wenn nun Erdbeben die Schichten erschüttern, Berge aufgefaltet werden oder ähnlich brutale Kräfte auf das Gestein wirken, können Fossilien darin zerbrechen und die Teile gegeneinander verschoben werden.

Aber unser Ammonit hat Glück. Seine Sedimentschichten bleiben über viele Jahrmillionen unberührt. So kann sich das Gestein unter fortwährendem Druck weiter entwickeln: Die Atome in den ursprünglichen Kristallen werden umgruppiert und es entstehen neue Kristalle, mitunter härter und beständiger als ihre Vorgänger. Dabei hat unser Ammonit wiederum Glück, dass der Druck auf ihn nicht allzu sehr überhandnimmt. Wird dieser nämlich zu hoch, kann die Struktur eines Gesteins – einschliesslich seiner Fossilien – komplett aufgeweicht und umgestaltet werden. Dann entsteht ein sogenanntes metamorphes Gestein, das in Folge seiner Entstehung keinerlei Fossilien mehr enthalten kann.

Rückkehr ans Tageslicht

Nach 180 Millionen Jahren ist das Jura-Meer längst verlandet, die Kontinente haben sich neu gruppiert, und der einstige Meeresgrund liegt nun leicht angehoben in Mitteleuropa. Viele der Schichten, die einst auf dem Schlamm lagerten, welcher das Grab unseres Ammoniten bildet, sind verwittert und abgetragen. Menschen bewohnen das Land und bauen oberflächennahes Gestein für ihre Bauwerke ab.

Einige besonders neugierige Exemplare der Gattung Homo, darunter mein Lebensgefährte und ich, suchen in dabei freigelegten Gesteinsschichten nach Spuren der Vergangenheit unseres Planeten. Der kleine Ort Holzmaden in Baden-Württemberg ist für besonders gut erhaltene Fossilien aus dem unteren Jura – so heisst das geologische Zeitalter, das die Erde vor rund 180 Millionen Jahren durchlebte – bekannt. Deshalb hat man dort eigens für neugierige Laien wie uns Besuchersteinbrüche eingerichtet, in welchen jedermann für ein kleines Entgelt den ganzen Tag nach Herzenslust schürfen kann.

Das Grab unseres Ammoniten bei Holzmaden - und Kathi Keinstein bei der Exhumierung der Fossilien

Posidonienschiefer im Besuchersteinbruch: Das Grab unseres Ammoniten bei Holzmaden – und Kathi Keinstein bei der Exhumierung

 

Mit Geologenhämmern bewaffnet haben wir einen strahlend schönen Tag genutzt, um die einstigen Schlammschichten des Jura-Meeresgrundes, welche nun dunkle Schieferplatten bilden, behutsam eine nach der anderen abgetragen, bis wir schliesslich zwischen zwei Platten auf das 180 Millionen Jahre alte Grab unseres Ammoniten gestossen sind!

Wie sich zeigte, ist das, was von der einst zentimeterdicken Schale des Tieres übrig ist, heute dünner als ein Blatt Papier, und hauchdünne, wie Blattgold anmutende Reste eines kupferfarben schimmernden Materials sind das einzige, was von dem einstigen Lebewesen nach all der Zeit übrig ist. Am Eindrücklichsten ist damit der Abdruck, welchen die Schale des Ammoniten im Schlamm – heute zu einem schieferartigen Gestein versteinert – hinterlassen hat. Jede Maser, jedes Detail der Musterung dieses Geschöpfes es nach unvorstellbar langer Zeit noch detailgenau zu erkennen.

Fossilien gefunden: Ammonit, Ohmden bei Holzmaden

Fossiler Abdruck unseres Ammoniten mit bräunlichen Überresten der eigentlichen Schale, wie wir ihn gefunden haben. (Originaldurchmesser ca. 4 cm, Posidonienschiefer, aus Ohmden bei Holzmaden)

 

Paläontologen – Wissenschaftler, die sich mit der Erforschung von Lebewesen vergangener Erdzeitalter beschäftigen – hatten in Holzmaden sogar das Glück, auf die Überreste von Weichteilen, wie Tentakeln, Tintensäcken und mehr, von Ammoniten zu stossen und damit ein schlagendes Argument dafür zu finden, dass es sich bei diesen Geschöpfen tatsächlich um urzeitliche Tintenfische gehandelt hat. Solche herausragenden Funde und zahllose andere Fossilien bishin zu den gewaltigen Skeletten von Dinosauriern können in zahlreichen Naturkundemuseen auf der ganzen Welt bewundert werden.

Fossilien selber finden

Wenn euch nun das Schatzsucher-Fieber gepackt hat und ihr es uns nachtun möchtet: Fossilien selbst finden ist gar nicht so schwer. Einige Dinge solltet ihr jedoch beachten:

1. Sucht am richtigen Ort:

Wer aufmerksam gelesen hat, weiss es schon: Fossilien gibt es nur in – möglichst unverformtem – Sedimentgestein, zum Beispiel in Kalkstein oder Tonstein (wie dem Posidonienschiefer in Holzmaden). Auch das Vorkommen von Kohleflözen nahe der Oberfläche kann mit Fossilien im umgebenden Gestein einher gehen: Steinkohle ist nichts anderes als fossiles, extrem kohlenstoffreiches Material aus vorzeitlichen Pflanzen. So sind wir auch schon im deutschen Ruhrgebiet, südlich von Essen, fündig geworden. Wer gezielt suchen möchte, dem können geologische Karten verraten, wo fossilienhaltige Gesteinsschichten an der Erdoberfläche zugänglich sind.

2. Rüstet euch mit allem Notwendigen aus, um eure Funde bergen zu können:

Gut spaltbares Gestein wie der Posidonienschiefer in Holzmaden oder auch der Solnhofener Plattenkalk erleichtern das Finden und Bergen von Fossilien erheblich. Ein Geologenhammer und ein scharfer(!) Meissel leisten wertvolle Hilfe. Eine Schutzbrille kann die Augen vor herumfliegenden Splittern schützen, und stabile Arbeitshandschuhe bewahren zarte Hände vor Aufrauhung und Verletzungen. In Besucher-Steinbrüchen wie jenem in Holzmaden kann man Hämmer und Meissel auch ausleihen. An vielen Orten können Fossilien jedoch auch ganz ohne Hilfsmittel gesammelt werden: Auf Abraumhalden, am Strand, in Kiesgruben oder in natürlichem Schutt, der von fossilienhaltigen Schichten stammt.

3. Stellt sicher, dass auf dem ausgewählten Gelände gesucht werden darf:

Gewerblich genutzte Steinbrüche oder Kiesgruben dürfen in der Regel nicht betreten werden! Felsrutsch-Gebiete können gefährlich sein – beachtet entsprechende Kennzeichnungen. Respektiert überdies Schutzgebiete und Privateigentum (Absperrungen und Zäune!), und beschädigt die Landschaft und was darin wächst und lebt nicht mehr als unbedingt notwendig. Wer ganz sicher gehen möchte, kann in Besucher-Steinbrüchen suchen, die zum Schürfen und Wühlen angelegt sind.

4. Wenn ihr im Ausland sucht:

Beachtet die Ausfuhrbestimmungen des jeweiligen Landes, bevor ihr etwas mitnehmt. In manchen Ländern dürfen Steine (auch Fossilien) und andere Fundstücke aus der Natur nicht gesammelt bzw. ausgeführt werden!

5. Überlegt euch, wie ihr eure Funde abtransportiert:

Steine sind schwer! Altes Zeitungspapier zum Einwickeln schützt fossilienhaltige Steinplatten vor Kratzern und euch und eure Transporthilfsmittel vor scharfen Kanten. Dünne Steinplatten lassen sich in stabilen Plastikbeuteln oder einem grossen Rucksack tragen. Wer mit einer grösseren Menge Funden rechnet, dem sei eine stabile Kunststoff- oder Holzkiste empfohlen.

6. Reinigt eure Funde behutsam:

Säubert eure Schätze mit Wasser und einer weichen Bürste oder Zahnbürste. Da die meisten fossilienhaltigen Sedimentgesteine in irgendeiner Form Kalk enthalten, meidet saure Reinigungsmittel (zum Beispiel Essig) unbedingt – Kalk löst sich mitsamt der Fossilien, die ihn enthalten, darin auf! Wenn eure Fossilien besonders filigrane Teile enthalten, die weggespült werden könnten, bürstet das sie umgebende Gestein vorsichtig mit einer trockenen Bürste ab.

7. Ein besonderer Kniff zum Schluss:

Innerhalb von fossilienhaltigem Gestein enthalten nicht immer alle Schichten gleichermassen Fossilien. Wenn ihr in einer Lagerstätte irgendwo fündig werdet, merkt euch die Lage dieser Schicht und sucht auf der gleichen Höhe weiter!

 

Habt ihr schon einmal Fossilien gefunden? Welche? Wo lohnt es sich danach zu suchen? Gebt den anderen Lesern einen Tipp, wo sie fündig werden können! Oder seid ihr nun neugierig geworden und möchtet selbst suchen?