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Belebtes Wasser ist unwirksam - kein Gesundbrunnen, sondern Fantasieprodukt

Wenn ihr meine Kanäle verfolgt, habt ihr es wahrscheinlich schon mitbekommen: Ich schreibe an einem Mitmachbuch für Forscherkinder – über Wasser. Das ist schliesslich ein ganz besonderer Stoff und megaspannend. Da bleibt es nicht aus, dass Wasser allerorts, auch in den sozialen Medien, meine besondere Aufmerksamkeit weckt. So ist es mir unlängst in einer Kombination begegnet, die spontanes Chemiker-Augenrollen bewirkte: Als belebtes Wasser. Oder war es energetisiertes Wasser? Vitalisiertes Wasser? Aktiviertes Wasser? Magnetisiertes Wasser? Hexagonales Wasser? Oder sogar Grander-Wasser?

Merkt ihr was? So viele verschiedene und nichtssagende Begriffe für praktisch das gleiche. Und das ist nur eine Auswahl der Existierenden! Allein auf Psiram habe ich eine Liste mit 144 Firmen und Produktlinien rund um „verbessertes“ Wasser in vermutlich ebenso vielen Variationen gefunden! Also, worum geht es hier eigentlich? Um Wasser, das in irgendeiner Weise verbessert sein – und folglich positive Wirkungen auf uns haben soll.

Wie sollen wir an belebtes Wasser gelangen?

Die erwähnten Hersteller bieten entweder Gerätschaften und Anlagen zur „Verbesserung“ von Leitungswasser im eigenen Haushalt an oder sie verkaufen es fixfertig , zum Beispiel in Getränkeflaschen. Auffällig ist bei praktisch all diesen Produkten der hohe bis überrissene Preis.

Brauchen wir verbessertes bzw. belebtes Wasser?

Nein. In der Schweiz, Deutschland und Österreich geniessen wir das Privileg, einwandfreies Leitungswasser zu haben, das wir ohne Bedenken trinken können. In der Schweiz gilt das überdies für einen Grossteil der öffentlichen Brunnen.  Ausserdem können wir jederzeit ebenso einwandfreies Mineralwasser in Supermärkten kaufen. Und Leitungs- wie Mineralwasser bieten alles, was wir vom Wasser zum Gesundbleiben brauchen.

Was kann belebtes Wasser dann besser?

Ihr ahnt es sicher schon: Nichts. Zumindest nicht über einen Placeboeffekt hinaus. Und den könnt ihr wesentlich billiger haben.

Ist belebtes Wasser dann womöglich gefährlich?

Nicht direkt. Ausser für euren Geldbeutel. Denn Produkte rund um belebtes Wasser sind in der Regel mächtig teuer. Und bewirken, wie erwähnt, nichts.

Indirekt können sie aber zum Problem werden. Nämlich dann, wenn sie ein falsches Gefühl von Sicherheit vermitteln („das Wasser hält mich schon gesund“). Wenn aus diesem Sicherheitsgefühl heraus Arztbesuche verzögert, Medikamente nicht genommen oder andere wichtige Massnahmen vernachlässigt werden (Infektionsschutz ist zur Zeit ja ein ganz grosses Thema!), kann das schwerwiegende oder im schlimmsten Fall tödliche Folgen haben.

Aus diesem Anlass schreibe ich den Artikel: Nicht nur um eurer Geldbeutel willen, sondern vor allem, um euch dabei zu helfen, wirklich Gutes für die Gesundheit eurer Familie zu tun.

Um euch zu zeigen, warum belebtes Wasser nicht wirken kann, habe ich zunächst eine kleine Einführung in die Chemie des Wassers für euch.

Kleine Wasserkunde

1. Wasser ist eine Verbindung

Wasser ist einer von vielen Stoffen, aus denen unsere Welt aufgebaut ist. Dabei ist es zweifellos einer der wichtigsten Stoffe unserer Alltagswelt. Nahezu jeder von euch wird die chemische Formel, genauer die Summenformel, von Wasser schon einmal gesehen haben: H2O.

Diese Formel verrät uns schon eine ganze Menge über diesen Stoff. Sie sagt uns: Wasser besteht aus Molekülen. Ein Wassermolekül besteht wiederum aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom. Das bedeutet, Wasser ist kein Element, wie antike Philosophen annahmen, sondern eine chemische Verbindung. Ein chemisches Element besteht nämlich nur aus einer Sorte von Atomen – Wasser aber aus zwei Atomsorten.

2. Wassermoleküle sind gewinkelt

Die Atome in einem Molekül sind über Elektronenpaarbindungen miteinander verknüpft. Zwei Elektronen bilden eine solche Bindung. Die Regeln der Chemie besagen, dass ein Sauerstoffatom zwei Bindungen bilden kann und überdies noch zwei weitere, nichtbindende Elektronenpaare hat. Ein Wasserstoffatom kann dagegen nur eine Bindung bilden. Daraus ergibt sich die Strukturformel für Wasser:

Wassermolekül: Lewisformel und Modell
Links: Strukturformel für Wasser, rechts ein Kugel-Stab-Modell des Wassermoleküls

Warum stehen die drei Atome nicht einfach in einer Reihe? Jedes Elektron trägt eine negative elektrische Ladung. Und gleiche elektrische Ladungen stossen einander ab. So gehen die vier äusseren Elektronenpaare – zwei Bindungen und zwei nichtbindende Paare – des Sauerstoffs auf grösstmöglichen Abstand zueinander. Und der entspricht annähernd der Nachbildung eines Tetraeders (einer regelmässigen dreieckigen Pyramide). Das Sauerstoffatom befindet sich im Zentrum dieser Pyramide, die beiden Wasserstoffatome und die Enden der nichtbindenden Elektronenpaare an den Ecken. Zeichnet man nun einen Längsschnitt, auf dem alle drei Atome liegen, durch das Gebilde, erhält man die gewinkelte Strukturformel des Wassermoleküls.

Wassermolekül mit nichtbindenden Elektronenpaaren - die Struktur erinnert an einen Tetraeder
Die gelben Kugeln stellen die nichtbindenden Elektronenpaare dieses Wassermoleküls dar. In dieser Anordnung sind die vier gelben und weissen Kugeln weitestmöglich voneinander entfernt!

3. Wassermoleküle sind elektrische Dipole

Nun verhält es sich so, dass Sauerstoffatome die Elektronen, auch jene in den Bindungen, viel stärker zu sich hinziehen als Wasserstoffatome. Deshalb ist in der Nähe des Sauerstoff-Atoms im Wassermolekül sehr viel mehr von den bindenden Elektronen anzutreffen als in der Nähe der Wasserstoffatome. Da jedes Elektron eine negative elektrische Ladung trägt, heisst das, dass am Sauerstoffatom mehr negative Ladung zu finden ist, als dort sein sollte, während an den Wasserstoffatomen zu wenig negative Ladung zu finden ist. „Mehr“ und „zu wenig“ stehen dabei für Ladungsmengen, die kleiner als die Gesamtladung eines Elektrons sind. 

Nicht desto trotz bedeutet das, dass der Scheitel des Wassermoleküls (mit dem Sauerstoffatom) ein wenig negativ geladen ist, während sein „breites“ Ende mit den Wasserstoffatomen ein wenig positiv geladen ist (denn die positive Ladung der Atomkerne macht sich wegen des Elektronenmangels bemerkbar). Ein Wassermolekül hat also zwei elektrische Pole – deshalb nennt man es einen elektrischen Dipol.

Wasserteilchen mit zwei Ladungs-Schwerpunkten
Ein Wassermolekül trägt zwei elektrische Ladungen: Die negative Seite (-) ist rot, die positive Seite (+) ist blau schattiert.

Verschiedene elektrische Ladungen aber ziehen einander an. So zieht der negativ geladene Scheitel eines Wassermoleküls unweigerlich die Breitseite seines nächsten Nachbarn an. Ebenso werden Wassermoleküle von anderen elektrischen Polen angezogen. Das könnt ihr mit diesem Experiment ganz leicht zu Hause zeigen!

Wasserteilchen: Entgegengesetzte Ladungen ziehen sich an.

4. Wasser ist sowohl eine Säure als auch eine Base

Die sehr „schiefe“ Verteilung der Elektronen im Wassermolekül führt aber nicht nur zu zwei elektrischen Polen, sondern auch dazu, dass die Bindungen zwischen Sauerstoff- und Wasserstoffatomen sehr brüchig sind. Ein Wassermolekül kann also sehr leicht einen Wasserstoffatomkern (ein H+-Ion) verlieren. Damit ist Wasser eine Säure. Ebensogut kann ein Sauerstoffatom eines seiner nichtbindenden Elektronenpaare verwenden, um solch ein verlorenes H+-Ion zu binden.  Damit ist Wasser eine Base.

Von einem Wassermolekül, das ein H+-Ion verloren hat, bleibt ein Hydroxid-Ion (OH):

Ein Wassermolekül, das ein verlorenes H+-Ion aufnimmt, wird damit zum Hydronium-Ion (H3O+):

Tatsächlich kommt es ständig vor, dass ein Wassermolekül ein H+-Ion verliert, welches in einem anderen Wassermolekül Unterschlupf findet:

Ebenso kann das H3O+-Ion das zusätzliche H+-Ion wieder zurückgeben. So gibt es in einer Menge Wasser ein ständiges Herumgereiche von H+-Ionen zwischen den Wassermolekülen. Insgesamt findet man in einem Liter reinem Wasser zu jedem Zeitpunkt 0,0000001 mol oder 10-7 H3O+ – und ebenso viele OH -Ionen. Der Exponent der Zahl der H+-Ionen (als Zehnerpotenz) in einem Liter Flüssigkeit mit umgekehrtem Vorzeichen ist nichts anderes als der pH-Wert. Reines Wasser hat also stets einen pH-Wert von 7.

5. Wassermoleküle können Wasserstoffbrücken bilden

Allerdings wäre das Ganze viel zu einfach, wenn man so strikt zwischen Bindung und keiner Bindung unterscheiden könnte. Das kann man nämlich nicht. Die Elektronen einer Bindung zwischen Sauerstoff- und Wasserstoff-Atom im Wassermolekül sind nämlich so ungleich verteilt, dass ein entblösster Wasserstoffkern sich in die dichte Elektronenhülle eines Sauerstoffatoms im Nachbarmolekül „einkuscheln“ kann, ohne sich dazu von „seinem“ Wassermolekül lösen zu müssen. Das nennen die Chemiker eine Wasserstoffbrücken-Bindung.

Das Resultat ist eine Anziehung zwischen Wassermolekülen, die noch stärker ist als die Anziehung zwischen ihren unterschiedlichen Ladungen (aber viel weniger stark als eine echte Elektronenpaarbindung). Sie zeigt sich zum Beispiel in dem enorm hohen Siedepunkt (100°C) von Wasser – da diese starke Anziehung überwunden werden muss, wenn das Wasser gasförmig werden will. Zum Vergleich: Der sehr eng verwandte Schwefelwasserstoff, H2S, der keine Wasserstoffbrücken bildet, siedet schon bei -60°C!

6. Wasserstoffbrücken entstehen zufällig und sind extrem kurzlebig

Die Darstellung von flüssigem Wasser als H2O ist somit im Grunde genommen eine Vereinfachung. Tatsächlich besteht flüssiges Wasser aus einem wilden Gemisch von Atomen, die sich mal als H2O, mal als H3O+ bzw. OH gruppieren und sich noch viel öfter zu irgendetwas dazwischen zusammenkuscheln. Dabei kann es passieren, dass einige wenige Atome sich zu gut strukturierten Gruppen, sogenannten Clustern, zusammenrotten.

Aber dieser Austausch findet an jedem Ort im Wasser gleichzeitig und im Picosekundentakt statt. Das heisst, würde man ein Foto von den Bindungen zwischen Atomen in flüssigem Wasser machen, dann sähe ein zweites Bild davon, nur 0,000 000 000 001 Sekunden später aufgenommen, völlig anders aus – einschliesslich komplett anderer Molekül-Cluster.

Und das geschieht ganz spontan und zufällig. Die Triebkraft dafür ist zum Einen Wärmeenergie. Mit über 273°C über dem absoluten Nullpunkt (bei Atmosphärendruck) ist flüssiges Wasser nämlich immer ziemlich warm, auch wenn unsere Körper oft anderer Meinung sind. Und zum Anderen hilft das absolute Chaos, das der ständige Umbau mit sich bringt. Die Natur liebt nämlich Chaos – von Physikern und Chemikern „Entropie“ genannt – so sehr, dass sie ohne Energie von aussen ganz von selbst nach grösstmöglicher Unordnung strebt.

Warum man Wasser nicht beleben kann

Die meisten Anbieter in der „Belebtes-Wasser“-Branche behaupten, sie könnten flüssiges Wasser „besser“ machen, indem sie ihm irgendwie eine geordnetere Struktur geben. Einige fügen dem Wasser dafür Energie zu, andere berufen sich darauf, genau das nicht zu tun. Eines haben jedoch alle gemeinsam: Es kommt nichts dabei herum. Denn:

Wasser kann man nicht mit Energieeinsatz „beleben“, indem

  • Man man es über eine eingelegte Antenne mit elektromagnetischen Wellen berieselt. Würde man das mit Mikrowellen (der richtigen Frequenz bzw. Wellenlänge) machen, würde das Wasser allenfalls warm (so funktioniert ein Mikrowellenherd). Denn Mikrowellen der passenden Länge können elektrische Dipole wie Wassermoleküle in Drehung versetzen. Und die nehmen wir, wie jede andere ungerichtete Bewegung von Teilchen, als Wärme wahr. Infrarotwellen, die energiereicher als Mikrowellen sind, können ebenfalls wärmen – indem sie die Bindungen in Molekülen zum Schwingen bringen. Elektromagnetische Wellen mit weniger Energie bewirken hingegen nichts.
  • Man es mittels Elektrolyse ionisiert. Das mag zwar vorstellbar sein (wenn man vermeiden kann, dass statt irgendwelcher Ionen Moleküle von Wasserstoff- und Sauerstoff-Gas entstehen). Allerdings sorgt der stetige Austausch zwischen den Wasserteilchen dafür, dass sich nach dem Ausstellen der Elektrolysevorrichtung innert Picosekunden das oben erwähnte Gleichgewicht zwischen Wasser, H3O+– und OH-Ionen wieder einstellt. Mit anderen Worten: So schnell, wie der pH-Wert von Wasser – sollte es ionisiert worden sein – wieder 7 ist, kann man es unmöglich trinken – geschweige denn anschauen.
  • Man es ebenfalls durch Elektrolyse mit Wasserstoff anreichert. „Wasserstoffwasser“ ist besonders in Japan als Fertigprodukt im Supermarkt beliebt. Grundsätzlich lässt sich Wasserstoff durch Elektrolyse von Wasser herstellen. Allerdings löst der sich nicht besonders gut in Wasser und kann in die allermeisten Festkörper (z.B Getränkeflaschen) problemlos ein- und durch sie hindurch wandern. So lässt sich Wasser nicht nur kaum mit Wasserstoff anreichern, sondern überdies auch kaum lagern. Dazu kommt, dass der menschliche Körper elementaren Wasserstoff (H2) gar nicht verwerten kann.
  • Man Wasser in ein (unveränderliches) Magnetfeld einbringt. Richtig ist: Elektrisch geladene Teilchen in Bewegung ändern im Magnetfeld ihre Bewegungsrichtung. Das gilt aber nur für Teilchen, die als Ganzes eine merkliche Ladung tragen. Wassermoleküle tragen zwar Ladungen, aber jedes von ihnen hat zwei gleich grosse, aber entgegengesetzte Ladungen, die einander aufheben. Von aussen gesehen bleibt so keine Ladung, auf die das Magnetfeld einen Einfluss haben könnte. Überdies ist Wasser ausschliesslich diamagnetisch und lässt sich daher nicht magnetisieren (Was hinter Dia-, Para- und Ferro-Magnetismus steckt erfahrt hier hier).
  • Man Edelsteine hineinlegt, die irgendwelche „Schwingungen“ oder „Informationen“ in das Wasser übertragen sollen. Die einzigen Schwingungen, die so übertragen werden können, sind jene Bewegungen, die wir als Wärme wahrnehmen. Würde man die Steine vorher erhitzen, könnte man so allenfalls das Wasser erwärmen (so funktionieren ein Tauchsieder oder der „heisse Stein“ im Restaurant).

Wasser kann man erst recht nicht ohne Energiezufuhr beleben, indem

  • Man in irgendeiner anderen Weise „Informationen“, „Schwingungen“ oder „Energie“ auf das Wasser überträgt (belebtes Wasser ‚im eigentlichen Sinn‘). Wie ihr in der kleinen Wasserkunde gelernt habt, hat flüssiges Wasser eine äusserst unstete Struktur: Seine Atome gruppieren sich in allerkürzesten Zeitabständen laufend neu. Das macht es zur Speicherung von Information für länger als 0,000 000 000 001 Sekunden vollkommen ungeeignet.

Kommt dazu – wie so oft – der ausdrückliche Verzicht auf Energie von aussen, gibt es zudem ein unlösbares Problem mit der Thermodynamik. Deren zweiter Hauptsatz besagt nämlich, dass die Schaffung von Ordnung in einem geschlossenen System ohne das Einbringen von Energie einfach nicht möglich ist. Und eine Struktur (z.B. in Form gespeicherter „Information“) in vormals chaotischem Wasser zu erzeugen, heisst Ordnung schaffen.

Das gilt gleichermassen für alle Spielarten belebten Wassers, ob sie nun belebtes Wasser, aktiviertes, vitalisiertes, levitiertes Wasser, „Grander-Wasser“ oder sonstwie heissen.

Aber der „Stand der Wissenschaft“ ist doch nicht unumstösslich?

Stimmt. Aber ein Grossteil dessen, was wir über Wasser wissen, ist so deutlich belegt, dass dort keine grossen Anpassungen des heutigen „Lehrbuchwissens“ mehr zu erwarten sind. Das gilt insbesondere für das unstete Betragen der Teilchen in flüssigem Wasser. Wir mögen zwar noch längst nicht alles über die erwähnten Wassercluster wissen. Doch das liegt eben gerade daran, dass diese Strukturen so kurzlebig sind, dass Wissenschaftler sie selbst mit hochtechnischen Apparaturen kaum vermessen können. Und ebendiese Kurzlebigkeit macht das Speichern von jedweder „Information“ in Wasser unmöglich.

Auch die Gesetze der Thermodynamik sind heute derart gut belegt, dass wir sie in unserer Welt getrost als unumstösslich annehmen können. Sollten Physiker dennoch jemals einen Weg finden, der am 2. Hauptsatz vorbei führt, dann nicht in der Welt, wie wir sie kennen, sondern unter höchst exotischen Bedingungen, die weit ausserhalb unserer persönlichen Reichweite liegen. Also nicht in unserem eigenen Keller oder einer mystischen Getränkefabrik.

Ausserdem haben sich die Wissenschaftler, die so gerne auf belastbare Studien pochen, sich nicht lumpen lassen. So gibt es auch Untersuchungen zur Wirksamkeit von belebtem Wasser auf Mensch, Tier und Pflanze – unabhängig von der Frage, ob sie mit heutigem Wissen theoretisch erklärbar wäre. Und hat man – unter belastbaren (also methodisch einwandfreien und wiederholbaren) Versuchsbedingungen – eine Wirkung gefunden? Nein.

Es gibt also weder eine nachweisliche Wirkung noch eine schlüssige Theorie, wie sie zustandekommen könnte. Mit anderen Worten: Belebtes Wasser ist demnach mit höchster Wahrscheinlichkeit ein reines Fantasieprodukt.

Wie ihr derartige Fantasieprodukte oder -angebote erkennen könnt

Einige auffällige Merkmale hat belebtes Wasser mit vielen anderen fragwürdigen Produkten und Angeboten im Gesundheitsbereich gemein: Es wird ihm eine so vielfältige Heilkraft nachgesagt, dass es leicht als Wundermittel durchgehen könnte.

  • Was gleichermassen gegen alles von Hauterkrankungen über Magenbeschwerden, Migräne, Depressionen u.v.a.m. bis hin zu Krebs hilft, kann nicht wirklich nützen. Verschiedene Krankheiten haben verschiedene Ursachen, die verschiedene Behandlungen erfordern. Darüber hinaus ist in der Schweiz und Deutschland die Werbung für Wasser mit Heilversprechen gesetztlich verboten, was eine solche um so unseriöser macht.
  • Ähnliches gilt für Angaben wie ‚hilft bei der „Entgiftung“ (Entschlackung,…). Die Notwendigkeit, Giftstoffe oder „Schlacken“ aus unserem Körper zu entfernen, ist ebenfalls ein Fantasieprodukt entsprechender Anbieter (denn das besorgen gesunde Leber und Nieren ganz allein).
  • Beliebte „Buzzwörter“ aus dem Alternativheilkunde-Bereich in Beschreibungen können ein Hinweis sein, dass dem Produkt das wissenschaftliche Fundament fehlt: Neben den genannten Synonymen für belebtes Wasser bzw. Wasserbelebung sind das z.B. „Schwingungen„, „Energien“ (Naturwissenschaftler verwenden „Energie“ nie in der Plural!), oder „feinstofflich„, die allesamt bedeutungslose Worthülsen sind. Dazu kommen die Namen Nicola Tesla, wenn es um mysteriöse Technik geht, oder – speziell im Wasserbereich – Gerald H. Pollack oder Masaru Emoto, auf deren nicht haltbare Theorien sich viele „Wasserbeleber“ beziehen, sowie Johann Grander.

Dazu kommen einige eigene Merkmale von Produkten rund um „verbessertes“ Wasser.

  • Das Verbot von Werbung für Wasser und Wasseraufbereitungsgeräte mit Heilversprechen in einem Grossteil des D-A-CH-Raums umgehen viele Anbieter, indem sie angebliche Wirkungen ihres Produkts nur über Kundenaussagen „kommunizieren“. Das geht über Kundenbewertungen und Testimonials oder Mund-zu-Mund-Propaganda. Hat euch „nur“ jemand von einem tollen Gerät/Produkt/Angebot erzählt? Findet ihr Aussagen zu gesundheitlichen Wirkungen nur von anderen Kunden und nicht vom Hersteller selbst? Dann ist Vorsicht angesagt!
  • Wirkungslose Anlagen und Geräte zur „Verbesserung“ von Wasser wie auch fixfertig belebtes Wasser werden häufig zu horrenden Preisen angeboten. Wenn ihr ein fragwürdiges Angebot unter die Lupe nehmen möchtet, vergleicht es einmal mit ähnlichen Produkten ohne „Esoterik“-Label. Fixfertig belebtes Wasser also mit Mineralwasser, als besonders wirksam oder geeignet deklarierte Edelsteine mit den gleichen Steinen ohne solche Attribute beim Mineralienhändler, Elektrokleingeräte mit Haushaltsgeräten aus ähnlichen Bestandteilen, Geräte zum Einbau ins Eigenheim mit „herkömmlichen“ Wasserfiltern für die Trinkwasserzuleitung. Beträgt der Unterschied ein Vielfaches, ist da in der Regel etwas faul.

Wenn euch ein Angebot mit solchen Merkmalen über den Weg läuft, verzichtet guten Gewissens darauf. Dann könnt ihr das Geld für andere Dinge einsetzen, die wirklich gesundheitsfördernd sind: Für einen schönen Familienurlaub zum Beispiel, Mitgliedschaften im Sportverein, Musikstunden, oder einfach für abwechslungsreiches Essen.

Und wenn es dazu schon zu spät ist?

Ihr habt bereits eine Anlage zur Wasserbelebung im Keller? Oder ist der bereits in ein Lager für fixfertig belebtes Wasser umgewandelt?

Zunächst einmal: Ihr seid damit nicht allein. Selbst Betreiber von Schwimmbädern, Spitäler oder eine österreichische Gewerkschaft haben sich schon von solchen Angeboten ködern lassen und eine Menge Geld verbraten. Die können nämlich – ganz offensichtlich – ziemlich verlockend sein und auf den ersten Blick sehr seriös wirken. Bloss zeigt das nicht, wie nützlich die Produkte sind, sondern die Geschäftstüchtigkeit ihrer Anbieter. Und die mag nicht zuletzt daher rühren, dass die Hersteller und Vertreiber selbst an die Wirksamkeit ihrer Produkte glauben (zumindest konnten selbst Anwälte vor Gericht ihnen bislang nichts Gegenteiliges nachweisen).

Besonders wenn Mund-zu-Mund-Propaganda ins Spiel kommt – im schlimmsten Fall innerhalb einer eingeschworenen Community rund um Hersteller und Produkt oder im eigenen Freundeskreis – kann der Einfluss bzw. Druck von „aussen“ auf eure Entscheidungen immens werden. Und wer will es sich schon mit der besten Freundin oder dem netten Forum verscherzen, weil er ein ja soo nützliches Ding kategorisch ablehnt?

Wirksames von Fantasieprodukten zu unterscheiden ist manchmal schwierig

Dazu kommt, dass viele Produkte, Angebote und auch Literatur so seriös und „medizinisch“ aussehen, dass es für Laien echt schwierig sein kann, wirklich Sinnvolles von Fantasieprodukten zu unterscheiden.

Selbst ich als Chemikerin habe einmal mit grossem Interesse in einem populärwissenschaftlichen Buch von Gerald H. Pollack gelesen. Das fiel mir in der Stadtbibliothek auf der Suche nach Literatur über Wasser in die Hände. Das las sich spannend und erst einmal schlüssig – davon abgesehen, dass ich von den dargestellten Theorien und Phänomenen weder in der Schule noch im Studium gehört hatte. Doch was wäre ich für eine Chemikerin, würde ich, ein paar Jahre aus dem Uniumfeld draussen, neue Forschungsergebnisse von vorneherein als unmöglich abstempeln? So fühlte ich mich selbst mit Chemie-Diplom nicht in der Lage, das Buch aus dem Stand sicher einzuordnen. Dabei haben mir erst weitere Recherchen geholfen.

Was tun, wenn das Geld weg ist?

Ist das belebte Wasser erst einmal im Haus und das Geld weg, wenn eure Zweifel überhand nehmen, verbucht das Ganze am besten als Gelegenheit zum Lernen. Wie mein Vater immer sagt: Geld ist den grossen Kummer nicht wert. Und ein Grund, sich zu schämen oder hämische Bemerkungen anhören zu müssen, ist das Ganze meines achtens auch nicht (dahingehend können Anhänger der Skeptiker-Szene im Umgang mit Anhängern solcher Fantasien oft noch eine Menge lernen).

Wichtig ist: Selbstreflexion

Stattdessen fragt euch, was euch wirklich dazu gebracht hat, euch auf belebtes Wasser einzulassen und allenfalls viel Geld dafür auszugeben? Hattet ihr wirklich ein eigenes Bedürfnis danach (z.B. um eine Krankheit zu lindern)? Da belebtes Wasser nachweislich nicht wirkt: Überlegt euch – was fehlt euch wirklich (oder hat gefehlt)? Welche andere(n) Massnahme(n) könnte(n) für eine scheinbare Wirkung des Wassers verantwortlich sein?

Oder habt ihr euch unter dem Einfluss anderer entschieden – Familie, Freunde, (Online-)Community? Wie könnt ihr euch solchen Einflüssen künftig entziehen? Und was bedeuten euch die betreffenden Personen oder Gruppen wirklich? Denn im schlimmsten Fall, wenn ein Druck sich nicht abwehren lässt, kann eine Trennung von ihnen der beste Ausweg sein.

Was ihr in jedem Fall tun könnt

Ob ihr nun selbst in die Falle hineingetappt seid oder nicht, ihr könnt eure Mitmenschen davor bewahren, auf solche sinnlosen Angebote einzugehen.

Dabei erachte ich dies als ganz besonders wichtig:

Nehmt euer Gegenüber ernst. Hinter der Entwicklung unsinniger Glaubensvorstellungen stecken praktisch immer Bedürfnisse oder Ängste, die befriedigt oder gelöst werden wollen, und oft ein erheblicher Einfluss eines äusseren Umfelds (Familie, Freundeskreis, Onlinecommunity,…), der eben diese Bedürfnisse bedient.

Ermuntert eure Mitmenschen, diese Bedürfnisse zu ergründen und sich die unter „Selbstreflexion“ vorgeschlagenen Fragen zu stellen.

Verkneift euch, wenn ihr euch zu den „Skeptikern“ zählt, hämische Bemerkungen oder Bezeichnungen. Zeigt den Betroffenen stattdessen, dass ihr sie als Menschen wertschätzt und gebt ihnen so einen Anreiz, die vermeintliche Zuflucht fragwürdiger Glaubenssätze oder Umfelder zu verlassen.

Und tut das vor allem von Anfang an. Denn je früher Anhänger von Glaubenssätzen, wie jenen um belebtes Wasser, Alternativen zu ihren „Alternativen“ aufgezeigt bekommen, desto höher ist die Chance, sie noch zu erreichen.

Auch wichtig ist: Weitere Verbreitung verhindern

Erinnert euch daran, wie diese fragwürdigen Produkte verbreitet werden. Nämlich über Mund-zu-Mund-Propaganda.

Wenn ihr eure Mitmenschen davor bewahren wollt, auf den Hype um belebtes Wasser (oder andere Fantasie-Produkte) hereinzufallen, dann hört, falls ihr das je getan habt, in jedem Fall auf, sie weiter zu verbreiten und schön zu reden. Oder fangt erst gar nicht damit an. Entfernt oder ändert allfällige positive Bewertungen im Internet, sofern ihr das selbst könnt (Testimonials, die Firmen selbst auf ihren Seiten einfügen, werden diese kaum wieder löschen).

Denn was andere auch behaupten: Belebtes Wasser wirkt nicht über einen Placeboeffekt hinaus.

Besonders lobenswert ist natürlich, wenn ihr euch aktiv für die Aufklärung rund um belebtes Wasser und Co. einsetzt. Erst recht, wenn ihr eine Entscheidungsposition bezüglich der Weiterverbreitung fragwürdiger (und nicht fragwürdiger) Angebote innehabt – sei es auf eurer eigenen Website, in den „grossen“ Medien, einschliesslich Magazinen von Krankenversichereren, Grossverteilern und anderen Branchen, oder gar in der Politik.

Dazu könnt ihr gerne diesen Artikel weiterverbreiten und findet weiteres Material in den Links darin. Zum Beispiel diesen Artikel, in dem Dr. Erich Eder, ein grosser Kritiker des „Grander-Wassers“, beschreibt, wie ihr eure Kritik so formulieren könnt, dass ihr möglichst kein juristisches Vorgehen der Anbieter belebten Wassers riskiert (und wie ihr damit umgehen könnt, falls es doch dazu kommt).

Scheut euch dabei nicht, euren eigenen Fehlentscheid einzugestehen, falls euch einer unterlaufen ist. Hört oder lest darüber hinweg, solltet ihr anfangs abfällige Bemerkungen und Kommentare kassieren. Und trennt euch rigoros von jenen, die sie nicht lassen können. Denn (nicht nur) in meinen Augen zeugt es von wahrer Grösse, seine Ansicht aufgrund neuer Erkenntnisse zu ändern und das auch kundzutun. Und letztendlich kann ein „ich habe das selbst durch, ich weiss, wovon ich rede“ eure Position nur stärken.

Seid ihr belebtem oder sonstwie „verbessertem“ Wasser auch schon begegnet? Wie geht ihr mit Leuten um, die darauf schwören oder/und zu seiner Verbreitung beitragen?

Was ist im Grippe-Impfstoff drin?

Eigentlich will ich mich ja gegen die Grippe impfen lassen… aber eine wirklich penetrante Erkältung lässt mich (noch) nicht. Während die ausheilt habe ich Zeit, mich zu fragen: Was ist eigentlich in so einem Grippe-Impfstoff drin?

Die Frage kommt nicht von ungefähr, sind doch Impfungen einmal mehr in aller Munde. Nicht nur die Grippesaison steht vor der Tür. Zudem macht Deutschland mit dem Beschluss einer Impfpflicht gegen die Masern von sich reden.

Heute möchte ich aber vornehmlich beim Grippeimpfstoff bleiben, der einerseits ein spezieller Fall in der Impfstoff-Familie ist, andererseit aber als Beispiel für andere Impfstoffe herhalten mag.

Warum ist der Grippeimpfstoff speziell?

Letztlich aufgrund seiner eingeschränkten Wirksamkeit. Die beruht darauf, dass Grippeviren ganz besonders fiese Arschlöcher sind. Die mutieren nämlich schneller zu immer neuen Stämmen, als die Forscher Impfstoffe gegen sie entwickeln können (wie genau sie das machen, erklärt Mai Thi sehr gut in ihrem aktuellen Video).

So müssen Forscher schon zu Anfang eines neuen Jahres Vermutungen anstellen, wie der fieseste Grippevirus – besser die fiesesten Grippeviren – der kommenden Saison aussehen mögen. Denn Entwicklung, Herstellung und Erprobung einer neuen Impfstoff-Variante dauern gut ein halbes Jahr. Und danach können die Forscher nur hoffen, dass die tatsächlich grassierenden Viren den vermuteten zumindest ähnlich sind.

Anders als die Impfstoffe gegen Masern und andere Kinderkrankheiten, die nahezu immer schützen, bietet eine Grippeimpfung damit nur eingeschränkt Schutz gegen Grippe. Wenn es aber darum geht, ob man eine Woche statt drei Wochen flach liegt, ins Spital muss oder nicht bzw. mit einer massgeblich geringeren Wahrscheinlichkeit krank wird, lohnt sich die Impfung allemal. Auch jedes Jahr aufs Neue. Besonders, wenn man zu einer der Risikogruppen zählt, die das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit nennt.

Die Grippeimpfung ist übrigens auch für Kinder einschliesslich Säuglingen ab 6 Monaten möglich. Und wenn die Kinder in die Krippe, den Kindergarten oder die Schule gehen, mag die Impfung sich für sie ebenso lohnen wie für ihre Lehrer und Erzieher.

Anbei: Für die aus medizinischen Gründen Gefährdeten (Senioren, Bewohner von Pflegeheimen, Kranke, Schwangere, Frühgeborene) übernimmt in der Schweiz die obligatorische Krankenversicherung die Kosten für die Impfung.

Aber was ist nun drin im Impfstoff?

In Impfkritiker-Kreisen kursieren zahllose Gerüchte um Quecksilber, Aluminium und andere angeblich fiese Hilfsstoffe, ganz zu schweigen von angeblich unsicheren Wirkstoffen.

Dabei lassen sich im Netz ziemlich einfach Fachinformationen mit genauen Inhaltsstofflisten im Netz auftreiben. Zum Beispiel im Arzneispezialitätenregister des Österreichischen Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen. Das einzige, was man dafür braucht, ist der Handelsnahme eines Impfstoffs.

Den habe ich mir aus einer Broschüre des Schweizerischen Bundesamtes für Gesundheit herausgepickt. Der Umstand, dass ich einen in der Schweiz gebräuchlichen Impfstoff in der österreichischen Datenbank gefunden habe, lässt mich darauf schliessen, dass solche Impfstoffe im DACH-Raum grenzübergreifend zum Einsatz kommen. Was jetzt kommt, wird demnach auch für Impfstoffe in Deutschland gelten.

Mein Beispiel-Impfstoff ist Fluarix Tetra®, zugelassen für Kinder ab drei Jahren und Erwachsene. Dieser Impfstoff kommt übrigens seit Jahren mit jeweils angepassten Virenstämmen zum Einsatz. Darin sind enthalten:

Inaktivierte Influenza-Virus Spaltantigene

Das ist der eigentliche „Wirkstoff“ im Impfstoff, welcher das Immunsystem veranlassen soll, die Informationen über die gefährlichen Grippeviren zu speichern. Wie das Immunsystem arbeitet und wie das genau funktioniert, könnt ihr übrigens hier in Keinsteins Kiste nachlesen.

Aber was bedeutet dieser Fachausdruck eigentlich?

Um das Immunsystem zur Informationsverarbeitung zu veranlassen, müssen ihm Krankheitserreger „vorgeführt“ werden. Damit der Körper dabei aber nicht krank wird, müssen diese Erreger entweder in einer abgeschwächten („zahnlosen“) Version daher kommen (das nennt man dann einen Lebendimpfstoff), oder man führt dem Immunsystem funktionslose Bruchstücke der Erreger vor (als Totimpfstoff).

Um solche Bruchstücke herzustellen, züchten die Entwickler in speziellen Labors Grippeviren und zerlegen sie dann in ihre Bestandteile. Dabei lösen sie unter anderem Proteine (die fiesen „Stacheln“, die in vielen Virus-Darstellungen zu sehen sind) aus der Aussenhülle der Viren, trennen sie vom Rest und packen sie in den Impfstoff.

Keine Kunst, sondern ein echtes, koloriertes „Foto“ von einem Grippe-Virus, aufgenommen mittels Elektronen-Tomographie (mit einem Elektronenmikroskop, das zum MRT für winzigkleine Dinge umgerüstet wurde). Die Protein-Stacheln in der Virushülle (blau) sind hier grün und gelb dargestellt. (US gov [Public domain], via Wikimedia Commons )

An diesen Proteinen erkennt nämlich unser Immunsystem die Viren. Nur – die Proteine allein, ohne Virenhülle und vor allem ohne Virenerbgut, können keine Grippe verursachen.

Moleküle, die unser Immunsystem erkennt, werden nun Antigene genannt. Da unsere Antigene bei ihrer Herstellung von Viren „abgespalten“ wurden, sprechen die Entwickler von Spaltantigenen. Und da sie allein keine Grippe („Influenza“) mehr verursachen können, sind diese Spaltantigene „inaktiviert“.

Wie züchtet man Grippeviren?

Viren können sich nicht selbst vermehren (und sind damit nach landläufiger Definition der Biologen keine Lebewesen), sondern müssen dazu lebende Zellen befallen und deren Vermehrungsanlagen kapern. Deshalb sind zur Virenzucht lebende Wirtszellen nötig.

In den 1960er Jahren haben Forscher dafür geeignete Zellen in befruchteten Hühnereiern entdeckt. Darin wachsen nämlich nebst dem Küken auch verschiedene blasenartige Hilfsorgane. Und die Zellen von deren Aussenhäuten sind offenbar besonders gut geeignet, um in kurzer Zeit viele Grippe- und andere Viren herzustellen. Und zwar so gut, dass man diese Methode bis heute verwendet:

Befruchtete Hühnereier werden 10 bis 11 Tage lang im Brutschrank bebrütet. Dann wird durch ein kleines Loch in der Schale der gewünschte Virenstamm in das Anhangsorgan eingebracht und drei Tage lang weiter bebrütet. In dieser Zeit vermehren sich die Viren sehr stark und gelangen in die Flüssigkeit im Innern „ihres“ Wirtsorgans. Dann wandern die Eier für einige Stunden in den Kühlschrank, sodass die Embryonen darin absterben (ich habe mir ja sagen lassen, dass der Tod durch Unterkühlung eine schmerzlose Angelegenheit sein soll, aber probiert habe ich es nicht), ehe die Flüssigkeit samt Viren entnommen wird.

Im Eier-Labor der FDA, USA: Ein Mitarbeiter spritzt Grippeviren in befruchtete Hühnereier, damit sie sich darin vermehren können. Im industriellen Massstab gibt es allerdings viel mehr Eier und das Ganze läuft automatisiert. (The U.S. Food and Drug Administration [Public domain], via Wikimedia Commons )

Es folgt das Zerlegen („Inaktivieren“) der Viren mit Hilfe von speziellen Tensiden (Stoffen mit Superwaschkraft – diese können Proteine aus Virushüllen „waschen“, ohne dass die Proteine babei beschädigt werden!) und die Reinigung des Ganzen, damit am Ende nur in der Impfdosis landet, was dort hinein soll.

Moment – dabei sterben doch Tiere?!

Ja, das ist bis dato leider unvermeidbar, wenn wir uns vor der Grippe schützen möchten. Denn einen anderen Schutz vor der Grippe gibt es – besonders für irgendwie geschwächte Menschen – aktuell nicht.

Natürlich ist man heute schon weiter als vor sechzig Jahren und kann Viren auch in Zellkulturen züchten. Bloss funktioniert das mit Grippeviren nicht besonders gut. Die Ausbeuten an Grippeviren aus Zellkulturen sind so schlecht, dass es im Normalfall viel zu teuer wäre, die gewünschte Impfstoffmenge auf diese Weise herzustellen.

Warum Grippe-Impfstoffe manchmal knapp werden

Einzig wenn ein besonders ansteckender oder/und gefährlicher Grippe-Stamm auftritt und besonders flächendeckend geimpft werden soll, können die Entwickler nicht genügend Eier für die Zucht auftreiben und müssen auf die teureren Zellkulturen ausweichen. Doch dabei gibt es ein neues Problem:

Zum Arbeiten mit besonders ansteckenden („pandemischen“) Grippe-Viren braucht man ein Labor der Sicherheitsstufe (BSL) 3. Und die haben viele Eier-Labors nicht. So bleiben die Produktionsmöglichkeiten auch unabhängig von den Kosten beschränkt.

Aber: Abhilfe ist bereits in Sicht

Da die Forscher jedoch weder Tiere töten noch Engpässe bei der Auslieferung wollen, arbeiten sie fleissig an neuen Möglichkeiten für die Virenzucht. Wie zum Beispiel in Münster mit Wimperntierchen (das sind Einzeller) als Wirten. Vielleicht gibt es ja schon ab 2025 eine wirtschaftliche Alternative zu den Hühnereiern.    

Anorganische Salze

Davon finden sich in Fluarix Tetra® eine ganze Reihe:

  • Natriumchlorid, NaCl (das „Kochsalz“)
  • Natriummonohydrogenphosphat, Na2HPO4
  • Kaliumdihydrogenphosphat, KH2PO4
  • Kaliumchlorid, KCl
  • Magnesiumchlorid, MgCl2 * 6 H2O

Alle diese Salze sind im Impfstoff in Wasser aufgelöst, sodass letztendlich folgende Ionen im Impfstoff enthalten sind: Na+, K+, Mg2+, Cl, HPO42-, H2PO4 (und für alle Chemiker, die es ganz genau nehmen, sind in verschwindender Menge auch PO43- und Phosphorsäure H3PO4 zu erwarten). Jedes dieser Ionen ist natürlicher Bestandteil praktisch jeder Körperflüssigkeit.

Die beiden Phosphat-Ionen ergeben zusammen einen Phosphat-Puffer, der dafür sorgt, dass der pH-Wert des Impfstoffs irgendwo zwischen 6 und 8 – also im „biologietauglichen“ Bereich – stabil bleibt. So werden die Virus-Proteine darin nicht durch pH-Abweichungen beschädigt – und der pH-Wert des Impfstoffs passt weitgehend zu dem des Muskels, in welchen er gespritzt werden soll.

Die übrigen Ionen sorgen vermutlich dafür, dass die Impfstoff-Flüssigkeit einer Körperflüssigkeit ähnlich ist (sodass nach der Injektion z.B. kein ungewollter osmotischer Druck entsteht (was der anrichten kann, könnt ihr mit diesen Experimenten – mit Ei, aber ohne Küken – erfahren)).

RRR-alpha-Tocopherolhydrogensuccinat

Oder mit anderen Worten: Vitamin E. Also ein alter Bekannter aus der Ernährung und Hautpflege, der für seine Wirkung als Antioxidans bekannt ist. Das heisst, Vitamin E reagiert gern mit Stoffen, die sonst andere Bestandteile unseres Körpers oxidieren und für Stress in unseren Zellen sorgen würden.

Und ausserhalb des Körpers kann es ebenso gut mit Stoffen reagieren, die sonst Virenproteine und andere Impfstoff-Bestandteile kaputt oxidieren könnten. Damit ist das Vitamin E der einzige Konservierungsstoff (nagut, ausser dem Phosphatpuffer), den ich auf der Liste gefunden habe!

Polysorbat 80 („Tween 80“) und Octozinol 10 („Triton 100“)

Zwei der speziellen Tenside, die mit ihrer Superwaschkraft die Proteine aus den Virenhüllen lösen können. Da die Hüllen von Grippeviren aus fettähnlichen Stoffen (Lipiden) bestehen, sind Proteine, die daraus entfernt werden, naturgemäss nicht sehr scharf darauf, sich in Wasser zu lösen (fettfreundliche Stoffe mischen sich nicht mit Wasser und wasserfreundliche Stoffe nicht mit Fetten!).

Da die genannten Tenside – im Grunde spezielle „Seifen“ –  nicht weitestgehend aus dem Impfstoff entfernt werden, vermitteln sie dort wohl auch weiterhin zwischen Proteinen und Wasser und sorgen so dafür, dass alle Bestandteile des Impfstoffs sich miteinander mischen.

Auf Lebensmittelpackungen werden solche Stoffe als „Emulgatoren“ vermerkt. Tatsächlich ist Polysorbat 80 als Lebensmittelzusatzstoff (E 433) zugelassen, da es chemisch wie biologisch als weitgehend reaktionsträge gilt. Ausserdem zählt es zu den wenigen Emulgatoren, die man nicht nur problemlos verspeisen, sondern auch spritzen kann.

Solvent-Detergent-Verfahren: Eine sichere Sache

Auch Triton 100 ist für seine Sicherheit in Sachen medizinische Anwendungen bekannt. Das „Solvent-Detergent-Verfahren“ (SD-Verfahren), mit welchem die Grippeviren bei der Impfstoffherstellung zerlegt werden, wurde nämlich ursprünglich zur Reinigung von Blutplasma zur Transfusion von darin unerwünschten Viren entwickelt (Und wer hats erfunden…? Nein, ein Amerikaner. Aber die Schweizer – genauer gesagt eine Firma aus dem von hier aus übernächsten Dorf – haben es finanziert und zur Marktreife gebracht).

Die Blutplasma-Reiniger hatten ein ähnliches Problem wie die Impfstoff-Hersteller: Mögliche Viren in gespendetem Blutplasma müssen unschädlich gemacht werden (damit sie den Empfänger nicht infizieren können), aber die Proteine im Plasma – insbesondere die Gerinnungsfaktoren – dürfen dabei ihre Funktion nicht verlieren.

Das SD-Verfahren leistet beides äusserst gründlich: Die Gerinnungs-Proteine in SD-Plasma bleiben zu wesentlichen Teilen funktionsfähig, während nach rund 10 Millionen Transfusionen bis 2009 keine einzige Infektion durch Viren mit Hülle (bei „nackten“ Virenarten funktioniert das Verfahren nicht, sodass man sich um solche anders kümmert) gemeldet worden ist. Ebensowenig wurde je beobachtet, dass mit dem SD-Verfahren gereinigtes Plasma (wobei auch „Triton 100“ zum Einsatz kommt/kam!), in irgendeiner Weise toxisch gewirkt oder eine Allergie ausgelöst hätte.

Wasser zu Injektionszwecken

Lösungsmittel – und zwar das Lösungsmittel, wenn es um lebende Organismen geht. „Zu Injektionszwecken“ meint keimfrei und vermutlich so sauber wie irgend möglich. Schliesslich soll das ja in menschliche Körper gespritzt werden.

Gemäss meiner Annahme ausserdem der Grund dafür, dass die beiden oben genannten Emulgatoren noch in nennenswerter Menge im Impfstoff enthalten sind. Denn ohne sie würden sich die Virenproteine schlecht mit dem Wasser mischen. Und würde man auf ein fettfreundliches Lösungsmittel für den Impfstoff ausweichen, würde der sich mit der wasserfreundlichen Umgebung im Muskel gewiss nicht gut vertragen.

Weitere mögliche Inhaltsstoffe im Spurenbereich

Natürlich ist kein Reinigungsverfahren perfekt. So bleiben in jedem Produkt, das Reinigungsschritte durchläuft, winzige Spuren von Stoffen aus der Produktion zurück. So auch bei Impfstoffen. Die heutige Analytik ist allerdings derart präzise, dass damit festgestellte „Spuren“ wirklich extrem winzig und meist gar nicht von Bedeutung sind.

In Fluorix Tetra® können folgende Stoffe in solch winzigen Spuren gefunden werden:

Bestandteile von Eiern

Unter anderem Proteine: Die bleiben bei der Trennung der Viren (-Bestandteile) vom Material aus dem Ei übrig. Unglücklicherweise (in diesem Fall) ist unser (adaptives) Immunsystem noch präziser als die moderne Spurenanalytik. So können schon einzelne Proteinmoleküle, die das Immunsystem „in den falschen Hals bekommt“, heftige allergische Reaktionen auslösen.

Menschen, die allergisch auf Ei-Proteine reagieren, können daher nicht mit den üblichen Impfstoffen gegen Grippe geimpft werden und sind deshalb auf Herdenschutz angewiesen!

Gentamicinsulfat

Ein Antibiotikum. Die kommen bei der Virenzucht in Eiern nicht zu knapp zum Einsatz (auch das ist ein Grund dafür, bald einen Ersatz für diese Methode zu finden). Die winzigen Mengen, die mit einer Impfdosis in den Muskel wandern, werden dort aber sicher rasch verstoffwechselt, bevor sie irgendetwas bewirken können.

Formaldehyd

Auch: Methanal, CH2O. Ist als Chemikalie in Flaschen ein ziemlich fieser Geselle (ein giftiges, ätzendes, erbgutschädigendes und krebserzeugendes wasserlösliches Gas).

Formaldehyd entsteht allerdings auch als Stoffwechselabfall im menschlichen Körper (und anscheinend auch in Hühnereiern bzw. beim Zerlegen von Viren). Und das in rauhen Mengen von 50 Gramm (!) pro Erwachsenem am Tag! Da solche Mengen Gift uns natürlich nicht zuträglich wären, baut der Körper diesen Abfall aber ratzfatz ab: Die Halbwertszeit von Formaldehyd im menschlichen Körper liegt bei 90 Sekunden bzw. 1,5 Minuten. Nach dieser Zeit ist von ursprünglichem Formaldehyd also nur noch die Hälfte vorhanden.

Mit einer Impfdosis gelangen nun schätzungsweise 1 bis 200 Mikrogramm Formaldehyd in den Körper. Zum Vergleich: Ein Liter Blut enthält normalerweise 2 bis 3 Milligramm davon. Das ist die 10- bis 1000-fache Menge! Enthält eine Impfdosis tatsächlich solche Spuren von Formaldehyd, fallen die vor dem Hintergrund des natürlichen Formaldehyds im Körper gar nicht auf.

Natriumdesoxycholat

Noch ein Tensid, das beim Virenzerlegen zum Einsatz kommt. Und ein Salz der Desoxycholsäure, einer sekundären Gallensäure, die in der Leber und von bestimmten Darmbakterien für den Einsatz im Fettstoffwechsel hergestellt wird.

Das Anion in diesem Salz ist Steroid-Hormonen sehr ähnlich. Vermutlich wird es deshalb – anders als die oben genannten Emulgatoren – vor der Fertigstellung des Impfstoffs vollständig wieder entfernt. Aber falls doch mal ein paar Ionen zurückbleiben, werden auch die zwischen den natürlichen Steroiden nicht weiter auffallen.

Was in diesem Impfstoff nicht enthalten ist

Nicht auf der Liste und damit nicht im Impfstoff enthalten sind folgende berüchtigte Kandidaten:

  • In irgendeiner Form krank machende Viren oder Virenbestandteile
  • Quecksilberverbindungen wie Thiomersal
  • Aluminiumverbindungen
  • Sonstige Konservierungsmittel (ausser Vitamin E und dem Phosphat-Puffer)

In den heutigen Impfstoffen, die meist als Einzeldosen verpackt und gekühlt auf den Markt kommen, ist generell kein Thiomersal mehr enthalten – weil es gar nicht mehr notwendig ist.

In früherer Zeit kamen solche Konservierungsstoffe zum Einsatz, als Impfstoffe noch in handlichen Flaschen zum vielfachen Aufziehen in die Spritze durch ein Septum ausgeliefert wurden.

Vorratsflasche mit Septum zum Durchstechen: So wird die Grippeimpfung bei uns in der Regel nicht mehr verabreicht (Jim Gathany [Public domain], via Wikimedia Commons )

Solche Flaschen kommen heute allenfalls dann noch zum Einsatz, wenn eine Pandemie droht und die Verteilung des Impfstoffs schnell gehen muss.

Und was ist mit anderen Impfstoffen?

Einen kurzen Blick habe dann doch noch auf die Fachinformation zu einem MMRV-Impfstoff (Priorix Tetra, neueste Zulassung in Österreich 2010): Masern-Mumps-Röteln-Windpocken) geworfen. Der wird tatsächlich in Durchstechflaschen vertrieben, allerdings in Pulverform, mit einem Lösungmittel (Wasser), das direkt vor der Benutzung dazugespritzt wird.

So kommt der MMR(V)-Impfstoff Priorix in den Handel: Im Fläschchen links das Impfstoff-Pulver, in der Einwegspritze Wasser als Lösungsmittel, und zwei Kanülen, die auf Spritzen aus dem Bestand jeder Arztpraxis passen (Dctrzl [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons ).

Es handelt sich um einen Lebendimpfstoff, der aus „zahnlosen“ Viren besteht, die wiederum in Zellkulturen gezüchtet werden (Masern und Mumps in embryonalen Hühnerzellen, weshalb Probleme für Ei-Protein-Allergiker auch hier nicht ganz ausgeschlossen werden können).

Darüber hinaus ist in diesem Impfstoff sogar noch weniger drin als im Grippe-Impfstoff. Neben den vier Virenstämmen nämlich Lactose (Milchzucker), die Süssstoffe Sorbitol und Mannitol (irgendetwas braucht man wohl als Trägersubstanz für die Viren) und verschiedene natürliche Aminosäuren. Ausserdem können Spuren des Antibiotikums Neomycin (auch Zellkulturen kommen nicht ohne Antibiotika aus) enthalten sein.

Auch hier: Kein Thiomersal, keine Aluminiumverbindungen, keine anderen Konservierungsmittel (Pulver halten sich oft besser als Flüssigkeiten).

Fazit

Auch wenn ich mir willkürlich nur einen einzigen Grippe-Impfstoff (und einen MMRV-Impfstoff) herausgegriffen habe, zeigt die Auflistung doch deutlich, dass praktisch alle Schreckensgeschichten über „böse“ Bestandteile von Impfstoffen Mythen sind. Und die Stoffe, die tatsächlich darin sind, sind so verträglich, wie Stoffe nur sein können.

Einzig die Herstellung der Impfstoffe in den Hühnereiern ist ein Wehrmutstropfen – vegan oder vegetarisch sind (die meisten) Grippe-Impfstoffe damit sicherlich nicht. Auch als bekennende Allesesserin drücke ich fest die Daumen, dass wir bis in 5 Jahren Alternativen ohne tote (Vielzeller-)Tiere, Probleme für Allergiker und all zu viel Antibiotikaeinsatz haben werden.

Nichts desto trotz werde ich mich gegen die Grippe impfen lassen, sobald meine Erkältung überstanden ist. Nicht nur um meinetwillen, sondern auch aus Solidarität gegenüber meinen Schülern und ihren Familien (denn als Nachhilfelehrerin und eifrige ÖV-Nutzerin habe auch ich mit vielen Menschen zu tun).

Und was ist mit euch? Habt ihr euch gegen die Grippe impfen lassen? Oder werdet ihr noch?

Zeolith und Detox - Taugen Klinoptilolith und Co zum Entgiften?

Im ersten Beitrag über Zeolith – besser Zeolithe, denn es handelt sich um eine ganze Familie von Stoffen – habe ich euch diese ganz besonderen Steine als Wasserenthärter, Spülmaschinentrockner und Rohstoff für Katzenstreu vorgestellt. Die Zeolithe bestehen aus einem festen Ionengitter aus Silizium- und Aluminiumionen, das negativ geladen ist (je grösser der Aluminiumanteil ist, desto mehr). Dieses Gitter enthält relativ grosse Aussparungen, regelrechte „Poren“. In diesen Poren können Wassermoleküle und positiv geladene Ionen (Kationen) angelagert werden. So ist gewährleistet, dass der Zeolith als Ganzes nicht elektrisch geladen ist.

So können Zeolithe mit grossem Aluminiumanteil ( Silizium : Aluminium = 1:1 gilt als gross!) nicht nur viel Wasser aufnehmen, sondern auch als Ionenaustauscher herhalten: Wenn im Wasser ausserhalb des Kristalls Kationen sind, die dem Zeolith besser „passen“, werden diese Ionen in den Poren angelagert und die ursprünglichen dafür freigesetzt. Da der in Waschmitteln eingesetzte synthetische Zeolith A Calcium-Ionen lieber bindet als Natrium-Ionen, kann er das Waschwasser „enthärten“, indem er die Calcium-Ionen daraus aufnimmt und dafür Natrium-Ionen abgibt.

Die „Schwamm-Wirkung“ der Zeolithe führt schnell zu weiteren Anwendungs-Ideen. Warum nicht auch Sachen aufsaugen, die nicht nur lästig, sondern wirklich gefährlich sind?

Zeolith und „Detox“ – Wie sinnvoll ist die „Entgiftung“ mit den saugfähigen Steinen?

Zu den Metall-Kationen, die es sich gern im Zeolith-Gitter gemütlich machen, gehören zum Beispiel auch Cäsium- (Cs+ ) und Strontium-(Sr2+) Ionen. Deren radioaktive Vertreter entstehen als Nebenprodukte in Kernreaktoren und können bei Lecks oder gar einem Reaktorunglück zum Problem werden. So wurden schon nach der Katastrophe von Tschernobyl Zeolithe verwendet, um solche radioaktiven Ionen aus verseuchtem Wasser zu filtern.

Könnte man das nicht nutzen, um – nicht nur radioaktive – Schwermetalle und andere Schadstoffe aus unserem Körper zu entfernen? Mit Hilfe von natürlich vorkommenden Steinen?

So zumindest lautet die Idee verschiedener Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln und ihrer Anhänger.

Was Detox-Zeolithe tun sollen

Produktbeschreibungen für Detox-Kuren mit „Zeolith“ offenbaren eine ganze Palette von Wirkungen. Allen voran steht eine „Reduzierung der Ammonium- und Schwermetallbelastung des Körpers“, indem es „Giftstoffe und überschüssige Säuren im Darm bindet“. In den Beschreibungen angegebene Folgen dessen seien zum Beispiel (wörtliche Zitate von Anbietern von Zeolith-Kuren von Googles Seite 1, die ich hier bewusst nicht verlinke):

  • Entlastung des Stoffwechsels von Leber, Niere, Bauchspeichedrüse und Blut (mittels Entgiftung über den Darm)
  • „schnellere Regenerationen“
  • Stärkung des Immunsystems
  • Anti-Aging-Effekt
  • Steigerung von Energie, Vitalität und Lebensqualität
  • Bindung und Entfernung von freien Radikalen
  • Versorgung mit Calcium und Magnesium (allenfalls durch Beimengung von entsprechenden Verbindungen)

Um all das zu erreichen genüge es laut der Hersteller, regelmässig und allenfalls dauerhaft Zeolithe einzunehmen.

Was Zeolithe im Magen-Darm-Trakt tun können

Stoffe aus dem Darminhalt aufnehmen

Einmal verspeist können Zeolithe Ionen und wasserlösliche Stoffe genau an ihrem Aufenthaltsort aufnehmen: Im Inneren von Magen und Darm – im Nahrungsbrei.

Metallionen aus dem Darminhalt austauschen

Je nach Zusammensetzung können Zeolithe aber nicht nur Schwermetalle, sondern auch wertvolle Nährstoffe wie Calcium oder Eisen aus der Nahrung abgreifen.

Für die Reihenfolge, welche Ionen gegen welche ausgetauscht werden, gibt es eine Faustregel: Zweifach positiv geladene „haften“ besser am Zeolith als einfach positiv geladene Ionen, kleine Ionen besser als grosse. Ein Zeolith, der Natrium (Na+) oder Kalium (K+) enthält, wird diese Ionen demnach für Calcium- (Ca2+), Magnesium-(Mg2+) und Eisen- (Fe2+)ionen abgeben. Währenddessen würde ein Zeolith, der Calciumionen enthält, diese nur gegen kleine zweiwertige Ionen, wie Magnesium- oder Eisenionen wieder hergeben.

Radioaktives Cäsium entfernen

Cäsium ist chemisch den Elementen Natrium und Kalium ähnlich und damit gut wasserlöslich. So können seine Ionen (Cs+) sich – im Unterschied zu denen vieler anderer Schwermetalle – ziemlich frei im Körper bewegen und sich überdies an Klinoptilolith anlagern. Das funktioniert zumindest im Tierversuch bei Ratten und Hühnern. Mit Menschen hat man das im Rahmen einer Studie noch nicht probiert.

Magensäure neutralisieren

Zeolithe sind tatsächlich basisch. Säure zur Neutralisation finden sie auf ihrem Weg durch den Verdauungstrakt auch reichlich vor: Im Magensaft, wo sie wichtige Aufgaben hat. Neben anderen Basen neutralisiert sie auch gleich die Zeolithe. So ist von deren basischen Eigenschaften nach dem Magendurchgang nichts mehr übrig. Für die Neutralisation der Magensäure sorgt der Körper schliesslich selbst beim Übergang in den Darmtrakt: Dessen Inhalt ist nämlich grundsätzlich schwach basisch.

Was Zeolithe im Magen-Darm-Trakt aus Chemikersicht nicht können

Schwermetalle und Giftstoffe aus „Speicherorganen“ wie Leber, Nieren, Haut und Zähnen entfernen

Der Darm ist zur Aufnahme, nicht zur Ausscheidung solcher Stoffe geschaffen. Schliesslich wollen wir die nützlichen darunter ja aus dem Nahrungsbrei herausholen und sie nicht wieder an diesen verlieren. Was einmal aus der Nahrung in den Körper gelangt, bleibt also drin. Ausnahme: Gut wasserlösliche Ionen und Kleinstmoleküle, die durch Ionenkanäle und Transportproteine zwecks Elektrolythaushalt rein und raus können!

Es sei denn, es findet einen anderen Weg hinaus – über die körpereigenen Entgiftungsanlagen: Leber, Nieren und Lunge. Die Leber wiederum hat tatsächlich einen Hinterausgang in den Darm: Die Galle. Gallenflüssigkeit enthält tatsächlich grosse Abfall-Moleküle, die in der Leber so umgebaut wurden, dass sie wasserlöslich sind. So können sie ungehindert über den Darm ausgeschieden werden. Diese Moleküle sind nun aber so gross, dass sie auch nicht fälschlich wieder in den Körper hinein gelangen können.

Schwermetallionen effektiv gegen Natrium-, Kalium- und ähnliche Ionen austauschen

Die meisten Schwermetallionen schwimmen gar nicht frei im Darminhalt oder sonstwo im Körper umher, sondern sind an die verschiedensten Moleküle gebunden. Diese Bindungen müssen erst gebrochen werden, bevor die Ionen in die Poren des Zeoliths gelangen können (denn die meisten „Anhängsel“-Moleküle sind dafür zu gross). Somit ist theoretisch nur ein kleiner Teil der Schwermetalle im Darminhalt für das Zeolith „zu haben“.

Zwischen Giftstoffen und Nützlichem unterscheiden

Neben unerwünschten Stoffen gibt es in Magen und Darm eine Unzahl weiterer Stoffe: Nährstoffe, unverwertbare Nahrungsbestandteile, Bestandteile der Verdauungsflüssigkeiten, die sich alle mehr oder weniger gern um Zeolith-Pulverkörner herum lagern oder in die Poren eindringen. Und all jene, die sich eher gern mit Klinoptilolith oder anderen Zeolithen abgeben, konkurrieren mit jeglichen Giftstoffen um den Platz in den Zeolith-Poren. Da bleibt dann nur noch ein Bruchteil des Platzes für die Dinge, die man eigentlich „ausleiten“ will.

Giftige organische Moleküle aus dem Darminhalt entfernen

Die Moleküle der berühmt-berüchtigten Giftstoffe sind nämlich entweder so gross (Aflatoxine, Pestizide, Antibiotika,…), dass sie gar nicht in die Poren von Naturzeolith (ergo Klinoptilolith) hinein passen. Oder sie sind so klein (z.B. Methanol), dass sie flink an jedem Zeolith vorbei in den Körper gelangen.

Den Körper mit Silizium versorgen

Unsere Magensäure ist nicht in der Lage, das Gitter von Klinoptilolith anzugreifen und Atome heraus zu lösen (und im basischen Inhalt des Darmes geht das erst recht nicht). Das ist auch gut so. Denn wenn sie das könnte, würde zuerst das Aluminium aus dem Zeolith freigesetzt. Und das hat einen denkbar schlechten Ruf, wenn es um die körperliche Gesundheit geht.

einen „Kater“ bekämpfen

Nicht nur, dass sich Ethanol und sein Abbauprodukt Acetaldehyd (der eigentliche Verursacher des Katers) sich kaum an Klinoptilolith anlagern. Das Acetaldehyd und damit der Kater entstehen zudem in Zellen fernab vom Darm, wo die Zeolithe nie hingelangen und etwas daran ändern könnten. Was wirklich gegen einen Kater hilft und was im Körper mit dem Alkohol passiert, könnt ihr hier nachlesen.

Freie Radikale entfernen

Zeolithe sind Ionenaustauscher, keine Radikalfänger. Letztere sind Stoffe, die bei lebensförderlichen Bedingungen zu Redoxreaktionen – also dem Austausch von Elektronen – in der Lage sind. Solche Eigenschaften sind von Zeolithen nicht bekannt. Ausserdem: Freie Radikale entstehen in allen Zellen, die Energie aus der „Verbrennung“ von Sauerstoff gewinnen. Also praktisch im ganzen Körper. Und das ist in den meisten Fällen weit weg vom Inhalt des Darmes.

Ammoniak aus dem Darminhalt entfernen

Ammoniak (NH3) ist ein kleines, dem Wasser ähnliches Molekül. Tatsächlich lässt das sich auch gut in den Poren von Naturzeolith unterbringen. Das Problem: Es gibt im menschlichen Darm keinen Ammoniak. Sofern wir nicht Ammoniak-Lösung trinken, was aber kaum jemand freiwillig tun wird: Die ist ätzend, giftig und stinkt! Allenfalls gibt es Ammonium-Ionen (NH4+) , die im menschlichen Darm entstehen (durch Bakterien, die unverdaute Proteine zersetzen). Die wiederum sind gut wasserlöslich und gelangen über die Blutbahn in die Leber. Dort wird das Ammonium zu Harnstoff verbaut und findet über die Nieren nach draussen. Und das schafft eine gesunde Leber gut und gern allein.

Nur Widerkäuer (Rinder, Schafe,… ) haben Bakterien in ihrem Verdauungstrakt, die wirklich Ammoniak produzieren. Das ist ein Grund für den Einsatz von Zeolithen in Nutztierfutter.

Bakterien, Pilze oder Viren bekämpfen

Bakterien und Pilze sind Lebewesen, die aus mindestens einer kompletten Zelle bestehen Damit sind sie um viele Grössenordnungen grösser als alle bereits erwähnten Moleküle. Nie im Leben passen die in die Poren von Klinoptilolith oder einem ähnlichen Zeolith!

Auch Viren – wenngleich keine klassischen Lebewesen – sind um Grössenordnungen grösser als die Poren im Zeolith-Gitter.

Eine Anwendungsmöglichkeit massgeschneiderter, synthetischer Zeolithe mit grossen Poren ist die Verwendung als „Behälter“ z.B. für Antibiotika-Moleküle oder Silber-(Ag+)Ionen. Letztere haben eine bakterizide Wirkung und lassen sich durch Ionenaustausch im Zeolith deponieren. Solche präparierten Zeolithe werden dann verwendet, um z.B. keimabweisende Oberflächen herzustellen.

Dass Zeolithe ohne solches Gepäck meines Wissens keine Bakterien töten, ist übrigens gut so. Denn in unserem Darm gibt es eine Menge davon, die überaus wichtig für unsere Gesundheit sind. Und falls Zeolithe doch Bakterien töten, wäre das ein triftiger Grund, sie nicht einzunehmen!

Krebs heilen

Wissenschaftler haben tatsächlich Hinweise darauf gefunden, dass Zeolithe in der Nährflüssigkeit in Zellkulturen zu schnellerem Absterben der Zellen führen (und damit ein Zellgift sind). Im Tierversuch führen sie nach Auftragen zudem zur Verkleinerung von Hauttumoren durch extreme Austrocknung derselben. Dementsprechend sind die Krebsforscher an Zeolithen interessiert. Von den genannten Hinweisen zu einem wirksamen und anwendbaren Medikament ist es aber noch ein weiter Weg.

Und was ist mit Bentonit?

Bentonit wird häufig im Zusammenhang mit Zeolithen genannt und vertrieben, obwohl es gar nicht zu letzteren zählt. Bentonit ist nämlich eine Tonerde, die hauptsächlich aus dem Tonmineral Montmorillonit besteht. Das enthält zwar wie die Zeolithe Silizium, Aluminium, Sauerstoff und verschiedene positive Metallionen und kann sehr viel Wasser aufnehmen. Silizium und Aluminium sind aber nicht in einem festen Gerüst angeordnet, sondern bilden locker verbundene Schichten.

Deshalb hat Bentonit – anders als Zeolithe – die Eigenart, im Zuge der Aufnahme von Wasser aufzuquellen und dann fest zu werden. Und das nicht zu knapp. Das kann besonders im Magen-Darm-Trakt, wo im Allgemeinen wenig Platz ist, unangenehme, wenn nicht gar gefährliche Folgen haben: Verstopfung! Daher ist die Einnahme von Bentonit gar nicht zu empfehlen!

Und die übrigen Detox-Wirkungen? Gibt es dazu Untersuchungen?

„Stärkung des Immunsystems“, „Anti-Aging-Effekt“, „Steigerung von Energie, Vitalität und Lebensenergie“ sowie „schnellere Regenerationen“ (warum steht das in der Mehrzahl?!) sind äusserst schwammige Begriffe. So wie die ganze Welt um „Detox“ und „Entgiftung“ als Modeerscheinung eine äusserst schwammige Angelegenheit ist.

Von „Schlacken“, „Toxinen“ und „Umweltgiften“ ist da die Rede, aber kaum jemand (wenn nicht niemand), der Zeolithe und andere Entgiftungshilfen anpreist, weiss diese Stoffe oder ihre Herkunft im Einzelnen zu benennen. Kein Wunder: Die Liste dessen, was Klinoptilolith nicht kann, ist ja ziemlich lang und viele populäre Kandidaten für diese Stoffgruppen darauf vertreten. Damit wären konkrete Angaben zur Wirkweise von Zeolith und anderen Detox-Kuren ja viel zu leicht widerlegbar, um lange geduldet zu werden. Dementsprechend uneinheitlich und diffus sind auch die Beschreibungen der Wirkweise dieses und anderer Detox-Hilfsmittel.

Und was man nicht genau benennen kann, kann man nur schwerlich untersuchen. Deshalb gibt es weder Studien, die einen gesundheitlichen Vorteil von Detox-Kuren (ob nun mit oder ohne Zeolith) belegen, noch solche, welche die gegenteilige Aussage stützen würden.

Anders sieht das aus, wenn sich der Begriff „Detox“ auf die medizinische Behandlung akuter Vergiftungen (im Mediziner-Jargon „Intox“) bezieht. Die wird wiederum wird nur fällig, wenn ein giftiger Stoff in grossen Mengen (meist versehentlich) aufgenommen wurde oder/und das Versagen von Nieren oder Leber aufgefangen werden muss. Solche Entgiftungsmassnahmen gehen oft am empfindlichen Verdauungstrakt vorbei. Ein Beispiel ist die Hämodialyse (maschinelle „Blutwäsche“), die sowohl als Notfallmassnahme als auch langfristig bei Patienten ohne funktionierende Nieren zum Einsatz kommt.

Mit Detox-Kuren im Sinne der Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln haben solche – gut als wirksam belegten – Methoden aber nichts zu tun.

Fazit

Die Wirkweise und der mögliche Nutzen von Detox-Kuren ist im Allgemeinen höchst unklar, nicht zuletzt weil es zu den schwammigen und uneinheitlichen Aussagen der Anbieter kaum bis keine belastbare/n Studien gibt.

Das gilt auch für Zeolithe, insbesondere Klinoptilolith, als Entgiftungs-Hilfsmittel. Meine Fachkollegin Dr. Arnold hat für einen Vortrag zum Thema gerade einmal 19 Veröffentlichungen rund um die Anwendung von Zeolithen am Menschen gefunden – wissenschaftlich unbrauchbare und solche mit fragwürdigen Schlussfolgerungen mit eingeschlossen! Die kommentierte Liste mit Links gibt es am Ende ihres hochinteressanten Handouts zum Vortrag, das auch für meinen Artikel eine wichtige Grundlage ist und viele weitere Einzelheiten enthält.

Die Liste der möglichen Wirkungen, die aus Chemiker-Sicht nicht funktionieren dürften, ist dagegen lang. Das sind (nicht nur) in meinen Augen genügend Gründe, um dem Detox-Hype im Allgmeinen und Zeolithen zum Einnehmen im Besonderen aus dem Weg zu gehen. Und euch zu raten, dasselbe zu tun.

Umweltbelastung und überzogene Preise

Dazu kommt, dass die Gewinnung von Naturzeolith – im Tagebau – naturgemäss nicht eben umweltfreundlich ist. Für ein Mittel ohne nachgewiesene Wirkung die Erde umgraben und Landschaften zerstören? Da gibt es sinnvollere und nachhaltigere Wege, etwas für die Gesundheit zu tun!

In jedem Fall rechtfertigen weder die Herstellungskosten für Naturzeolith noch die Liste den stolzen Preis für Zeolith-Produkte zur Detox-Kur: Angeblich liegt der Preis für ein Kilo Naturzeolith beim Grosshersteller bei rund 35 Eurocent. Fein gemahlen und in einer an Medikamente erinnernden Dose verpackt findet sich das Kilo Steinstaub dann für gut und gerne 150 Euro (!) im Angebot wieder! Da möchte ich gar nicht wissen, wie gross diese Diskrepanz in der teuren Schweiz ausfällt.

Da freue ich mich lieber an dem wasserenthärtenden Zeolith in meinem Waschmittel und denke schmunzelnd an Helge Schneiders „Katzenklo, Katzenklo, ja das macht die Katze froh!“ – mit Zeolithstreu. Und bin mir dabei stets bewusst: Zeolith kann eben doch nicht alles.

Und seid ihr schon einmal mit Zeolithen als Detox-Kur in Kontakt gekommen? Was haltet ihr davon? Was sind eure Erfahrungen?

Ein lebenswichtiges Element - wie es uns wirklich nützt

Ein chemisches Element wird in der Ernährungsbranche immer wieder heiss diskutiert: Das Jod – oder Iod, wie die Wissenschaftler es schreiben. Ist Jod nun gesund oder für die Gesundheit schädlich? Wie kann dieses vielseitige Element uns nützen? Wie können wir die richtige Menge davon zu uns nehmen?

Eines vorweg: Jod ist für uns alle – insbesondere für die gesunde Entwicklung von Kindern – unverzichtbar. Deshalb habe ich für euch Antworten auf wichtige Fragen zu diesem wichtigen Stoff zusammengestellt. Aber fangen wir von vorn an:

 

Was ist eigentlich Jod?

Jod ist eines der wenigen Nichtmetalle unter den chemischen Elementen. Das Elementsymbol ist „I“ (in älteren Periodensystemen findet man auch noch ein „J“). Es gehört zur Gruppe der Halogene, die man im Periodensystem in der siebten Hauptgruppe (= Spalte) findet. Damit ist es chemisch mit den sehr aggressiven Gasen Fluor und Chlor und mit dem ebenfalls aggressiven aber flüssigen Brom verwandt: Wie diese besteht Jod aus Molekülen aus je zwei Atomen: I2.

Das Element Jod ist aus Chemikersicht etwas friedlicher als seine sehr aggressiven Verwandten. In unserer normalen Umgebung (Atmosphärendruck und Raumtemperatur) ist es zudem ein Feststoff: Jod bildet so dunkelviolette Kristalle, dass sie praktisch grauschwarz aussehen und zudem metallisch glänzen.

Eine bei Chemielehrern beliebte Besonderheit des Jods ist, dass es, wenn man es vorsichtig erwärmt, nicht schmilzt, sondern sofort verdampft (das direkte Verdampfen von Feststoffen nennen Chemiker und Physiker „Sublimieren“) – und der violette Dampf beim Abkühlen wieder zu Kristallen wird, ohne vorher zu kondensieren (das wird entsprechend „Resublimieren“ genannt).

Wenn Lehrer im Schulunterricht Jod sublimieren, dann tun sie das in der Regel in weitgehend geschlossenen Gefässen. Denn wenngleich weniger stark als seine Verwandten reagiert auch dieses Halogen rege mit seiner Umgebung, reizt die Haut, die Augen und kann die Atemwege schädigen. Deshalb gilt es als gesundheits- und umweltschädlich und muss mit den entsprechenden Gefahrensymbolen beschriftet werden.

Wie kann das ein Nährstoff sein?

In der Natur kommt Jod nicht als Element – dafür ist es zu reaktionsfreudig – sondern in chemischen Verbindungen vor. Wie Chlor und die anderen Halogene bildet es leicht einfach negativ geladene Ionen (I, genannt Iodid) oder verbindet sich zum Beispiel mit Sauerstoff zu Ionen wie dem Iodat (IO3), die Bestandteile verschiedener Salze sind. Oder Jod-Atome bilden eine Atombindung zu einem benachbarten Atom – zum Beispiel Kohlenstoff – das Ergebnis sind jodhaltige organische Verbindungen.

Und sowohl die Salze als auch die organischen Verbindungen des Jods haben ganz andere – für uns lebenswichtige – Eigenschaften als das Element!

Jod und Kaliumiodid

Oben: Das Element Iod, bestehend aus I2-Molekülen. Die Dämpfe färben Kunststoffbehälter und -löffel braunviolett.
Unten: Das Salz Kaliumiodid , das I-Ionen enthält, besteht aus farblosen Kristallen.

 

Jod für unsere Ernährung

Wofür braucht der menschliche Körper Jod?

Viele Funktionen des Energiestoffwechsels und Wachstumsvorgänge werden von Hormonen geregelt, die in der Schilddrüse – die vorn in unserem Hals zu finden ist – hergestellt werden. Und diese Schilddrüsenhormone sind organische Moleküle, die Jod enthalten. Damit die Schilddrüse solche Hormone herstellen kann, braucht sie natürlich Jod – und zwar in Form von Iodid-Ionen I.

Triiodthyronin und Thyroxin – die Schilddrüsenhormone

Die beiden wichtigsten Schilddrüsenhormone, deren Konzentration im Blut der Arzt misst, um die Schilddrüsenfunktion zu überprüfen, sind das Triiodthyronin, kurz T3, und das Thyroxin, kurz T4.

Schilddrüsenhormone: Strukturformel Triiodthyronin und Thyroxin

Die beiden wichtigsten Schilddrüsenhormone: Der Index am T steht für die Anzahl Jod-Atome im Molekül. T4 unterscheidet sich von T3 nur durch ein zusätzliches Jod-Atom am linken „Benzol-Ring“. Von beiden Molekülen gibt es übrigens je zwei Ausführungen, die einander gleichen wie Bild und Spiegelbild (solche Paare nennen Chemiker „Enantiomere“). Als Hormon wirksam ist aber jeweils nur eine Ausführung – die Chemiker mit dem Buchstaben L kennzeichnen (das gilt übrigens für praktisch alle Spiegelbild-Moleküle in der Biochemie: Nur mit der L-Ausführung kann der Organismus etwas anfangen!). Deshalb enthalten Tabletten zur Behandlung einer Schilddrüsenunterfunktion „L-Thyroxin“ (und nicht dessen wirkungsloses Spiegelbild D-Thyroxin).

 

Tatsächlich entsteht in der Schilddrüse hauptsächlich T4, das an Proteine angehängt seine Reise durch die Blutbahn antritt. Wenn es irgendwo im Körper gebraucht wird, kann das Hormon vom Protein abgekoppelt werden, sodass Zellen es aufnehmen können. Erst im Zellinneren wird dann ein Jod-Atom entfernt (genau: es wird gegen ein Wasserstoffatom (H) getauscht, welches in der Formel nicht mehr sichtbar ist) und so T3 erzeugt. Deshalb genügt es oft, bei einer Schilddrüsenunterfunktion nur T4 („L-Tyroxin“) einzunehmen, um beide Hormone zu ersetzen.

Der Jod-Haushalt und sein Manager

Damit die Schilddrüse bei Bedarf Hormone nachliefern kann, kann sie einen gewissen Vorrat an Iodid-Ionen aufnehmen. Allerdings kann sie nicht feststellen, wann der Körper Bedarf an T4 und T3 hat. Dafür ist die Hirnanhangdrüse zuständig. Der geben die im Blut vorhandenen Schilddrüsenhormone nämlich das Signal „Wir sind da, es braucht nicht mehr“. Wenn dieses Signal zu schwach wird oder gar ausbleibt, schickt die Hirnanhangdrüse das Hormon TSH (Thyroidea stimulierendes Hormon) auf die Reise, welches wiederum der Schilddrüse (auf medizinisch Thyroidea) sagt, dass sie Jod aufnehmen soll (sodass T4 (und T3) hergestellt werden kann).

Deshalb lässt der Arzt bei einer Schilddrüsenuntersuchung auch die Konzentration des TSH im Blut bestimmen: Ist die nämlich niedrig, obwohl es zu wenig Schilddrüsenhormone hat (oder hoch, obwohl es mehr als genug T4/T3 hat), dann ist das Problem bei der Hirnanhangdrüse zu suchen, anstatt bei der Schilddrüse selbst.

Jod als Spurenelement

Damit die Schilddrüse auf Anweisung durch TSH Iodid aufnehmen kann, muss in ihrer Umgebung natürlich welches vorhanden sein. Deshalb müssen Menschen (und andere Tiere) Jod-Verbindungen mit der Nahrung aufnehmen. Jod ist also ein echtes Spurenelement!

Jodmangel und seine Folgen

Fehlt uns das Jod, werden bald die Schilddrüsenhormone knapp. Die Folgen dessen sind Antriebslosigkeit, Neigung zur Gewichtszunahme, ein langsamer Herzschlag und andere Anzeichen fehlender Energie. Dazu kommt, dass der Körper aus dauerhaft fehlenden Schilddrüsenhormonen folgert: Wir brauchen mehr Schilddrüsengewebe (das solche Hormone herstellen kann)! So fängt die Schilddrüse bei lang anhaltendem Jodmangel mitunter zu wachsen an, was zu einer im Extremfall gewaltigen, „Kropf“ (medizinisch: „Struma“) genannten Schwellung am Hals führen kann.

Um ein beginnendes Kropf-Wachstum frühzeitig mitzubekommen und zu stoppen, vermisst der Arzt bei Patienten mit Schilddrüsenproblemen ab und zu die Schilddrüse mit dem Ultraschall-Gerät und vergleicht die Masse mit früheren Ergebnissen.

Besonders wichtig sind die Schilddrüsenhormone und damit das Jod jedoch für Ungeborene und kleine Kinder: Bei Jodmangel (oder nicht richtig arbeitender Schilddrüse) werden sowohl das Körperwachstum als auch die Entwicklung des Gehirns massiv behindert. Die Kinder bleiben kleinwüchsig, ihre Intelligenz und geistigen Fähigkeiten sind vermindert und sie leiden am Kropf und anderen körperlichen Auffälligkeiten.

Die extremsten Folgen von Jodmangel seit der frühen Kindheit – auf medizinisch „Kretinismus“ genannt – waren bis vor rund 100 Jahren hierzulande weit verbreitet. Besonders in den Bergregionen in der Schweiz und Österreichs traf man regelmässig auf Betroffene – so auch im zweisprachigen Kanton Wallis, in welchem diese tragischen Gestalten auf französisch als „Crétins des Alpes“ – in etwa „Idioten der Alpen“ – bezeichnet wurden (das französische Schimpfwort „crétin“ für „Dumpfbacke“ gibt es noch heute – hier hat es seinen Ursprung).

Warum litten so viele Bergbewohner an Jodmangel?

Jod kommt in der Natur meist in wasserlöslichen Verbindungen – genau: Salzen – vor. So kommt es, dass solche Jodverbindungen in Gegenden, in welchen es oft regnet, alsbald ausgewaschen und fortgespült wird. Und wenn kein Jod im Boden ist, können darauf wachsende Pflanzen keines aufnehmen, ebenso wenig wie die Tiere, die davon fressen. Und wir Menschen, die sich von den Pflanzen und Tieren ernähren, bekommen so erst recht wenig Jod ab.

An den Hängen grosser Gebirge regnet (und schneit) es nun besonders rege, sodass in Bergregionen besonders viel Jod ausgewaschen wird und den Bewohnern fehlt. Doch auch im Flachland und an den Meeresküsten Mitteleuropas gibt es reichlich Niederschlag, sodass selbst dort der Boden nicht genug Jod hergibt, um seine Bewohner ausreichend zu versorgen.

Wie beugt man dem Jodmangel heute vor?

Als man vor rund 100 Jahren dahinter kam, wie Kretinismus entsteht und warum so vielen Menschen an Jodmangel litten, hat man damit begonnen, Nahrungsmitteln bei der Herstellung gezielt Jod zuzufügen. Heute verwendet man dazu Salze, die das Iodat-Ion IO3 enthalten, wie das Natriumiodat NaIO3. Im Körper reagieren die Iodat-Ionen dann weiter zum benötigten Iodid (I).

Die Iodate vermischt man entweder mit Speisesalz, welches entweder direkt an die Endkunden verkauft oder bei der Herstellung anderer Produkte wie Würsten, Kartoffelchips oder Fertiggerichten verwendet wird.

Oder man gibt die Iodate in das Kraftfutter für Kühe und Hühner, sodass sich das Jod in ihrer Milch und ihren Eiern wiederfindet.

In der Schweiz tut man seit 1922 von der Regierung angeleitet beides (ebenso wie in Deutschland und Österreich) – und 100 Jahre später sind die Folgen eindrücklich: Die durchschnittliche Jod-Versorgung der Bevölkerung in der Schweiz wie auch in Deutschland liegt heute im unteren Bereich dessen, was die WHO als wünschenswert ansieht. Die „Crétins des Alpes“ und entstellende Kropfleiden gibt es nicht mehr.

Zu letzterem trägt übrigens auch bei, dass Neugeborene heute in den ersten Lebenstagen auf angeborene Schilddrüsendefekte untersucht werden, sodass ein erblich bedingter Hormonmangel sofort behandelt werden kann. Da im Mittel aber nur eines von 5000 Babys mit so einem Defekt zur Welt kommt, können solche Fälle allein nicht für die einst weite Verbreitung des Kretinismus in den Alpen verantwortlich sein.

 

So könnt ihr euch selbst und eure Kinder mit genügend Jod versorgen

  • Verwendet beim Kochen jodiertes Speisesalz – in der Menge, die einen gesunden Salzhaushalt fördert (wieviel Salz gesund ist, könnt ihr hier nachlesen)
  • Wenn ihr euch vegan ernährt, achtet besonders sorgfältig auf eure Jodversorgung, da euch der wichtige Anteil der Jodzufuhr aus dem Tierfutter entgeht! Die Ovo-Lacto-Vegetarier und Fischesser unter euch haben es da einmal mehr einfacher. Denn neben Milch und Eiern ist auch Fisch aus dem Meer eine gute Jod-Quelle (ratet mal, wo das aus dem Boden ausgewaschene Jod hingespült wird…).
  • Beachtet: Als Schwangere und stillende Mütter habt einen erhöhten Jodbedarf – ihr versorgt eure Kinder schliesslich mit!
  • Lasst bei einem Verdacht auf Jodmangel die Jodversorgung bzw. Schilddrüsenwerte vom Arzt prüfen und sprecht mit ihm ab, was ihr an Nahrungsergänzungsmitteln oder Hormonen einnehmt. Der Jod- bzw. Schilddrüsenstoffwechsel ist eine sehr empfindliche Angelegenheit, sodass eine nicht genau angepasste Dosierung oder falsche Auswahl unliebsame bis fatale Folgen haben kann.

 

Jod als Notfallmittel für Atomunfälle

Natürliches versus radioaktives Jod

Es gibt eine ganze Reihe verschiedener Jod-Atomkerne (man nennt solche Kerne „Isotope“: Sie haben bei gleicher Protonenzahl eine unterschiedliche Anzahl Neutronen, sodass sie alle dem gleichen Element angehören und die gleiche Chemie zeigen, obwohl sie aus unterschiedlich vielen Kernteilchen bestehen). Jedoch ist nur einer davon nicht radioaktiv, nämlich das Jod-Isotop mit 127 Kernteilchen (53 Protonen und 74 Neutronen), kurz „Jod-127“.

Deshalb kommt in der Natur auch nur dieses eine Jod-Isotop vor (alle anderen, die früh in der Geschichte des Sonnensystems entstanden sein mögen, sind längst zerfallen). In Atomreaktoren, wo fleissig Atomkerne zertrümmert und umgeformt werden, entstehen jedoch auch radioaktive Jod-Atome. Und wenn die bei einem Reaktorunfall nach draussen gelangen, kann ein menschlicher Körper die radioaktiven Isotope nicht von natürlichem Jod unterscheiden – und lagert sie in die Schilddrüse ein, sobald er ihrer habhaft wird.

Die Strahlung, die von den radioaktiven Jod-Atomen direkt in der Schilddrüse ausgeht, kann das sie umgebende Gewebe schädigen und – so nimmt man an – Erkrankungen bis zum Schilddrüsenkrebs auslösen. Tatsächlich wurde eine Zunahme an Schilddrüsenkrebs-Erkrankungen unter Kindern und Jugendlichen in naher Umgebung des verunfallten Reaktors von Tschernobyl beobachtet (mehr zu diesem schrecklichen Unfall zu meinen Lebzeiten erfahrt ihr hier).

Wie man sich vor radioaktivem Jod schützen kann

Ein Weg die eigene Schilddrüse vor radioaktivem Jod aus einem Reaktorunfall zu schützen besteht darin, im Falle eines solchen Zwischenfalls den Körper mit natürlichem Jod regelrecht zu überschwemmen – und ihn so dazu zu veranlassen, den Jod-Speicher in der Schilddrüse bis unter die Decke aufzufüllen. Wenn ihm dann radioaktives Jod unterkommt, passt dort einfach nichts mehr hinein.

Deshalb werden in der Schweiz an alle Haushalte und Arbeitsorte im Umkreis von 50km um Kernkraftwerke Jodtabletten (sie enthalten Kaliumiodid, also I-Ionen, die der Körper ohne Umwege einlagern kann) ausgegeben, die die Bewohner und Arbeitgeber vor Ort lagern und im Falle eines Unfalls sofort einnehmen können. Denn nur dafür sind sie gedacht: Die allermeisten radioaktiven Jodisotope zerfallen innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen, sodass eine einmalige Überschwemmung mit nicht strahlendem Jod rechtzeitig nach dem Unfall in der Regel genügend Schutz bietet.

Ich habe übrigens keine Jodtabletten daheim – offenbar sind alle Atomkraftwerke weit genug entfernt, dass man uns genügend Zeit zubilligt, um im Ernstfall erst zur Apotheke zu gehen und welche zu holen. An meinem einstigen Arbeitsplatz in Uster im südöstlichen Kanton Zürich habe ich hingegen (auf der Suche nach einem Erste-Hilfe-Kasten) einige Packungen entdeckt.

 

Jod als Kontrastmittel

Einige organische Moleküle, die Jod-Atome enthalten, haben die für Mediziner nützliche Eigenschaft, dass sie Röntgenstrahlen schlucken können. Auch Körpergewebe – vor allem Knochen – besitzen solche Eigenschaften: Ein Röntgenbild entsteht, indem Röntgenstrahlen (eine energiereiche Form von Licht) durch den Körper auf einen lichtempfindlichen Film (bzw. einen entsprechenden digitalen Sensor) geschickt werden. Wenn etwas die Röntgenstrahlen auf ihrem Weg verschluckt („absorbiert“), wirft es einen weissen Schatten auf den Film.

Wenn ein Patient ein Kontrastmittel – zum Beispiel eine jodhaltige organische Verbindung – gespritzt bekommt, gelangt sie in das Gewebe von Verdauungsorganen oder anderen Weichteilen im Körper. Dort schluckt es bei der anschliessenden Röntgenaufnahme oder einer Computertomographie (die auch mit Röntgenstrahlen gemacht wird) Strahlen, sodass die normalerweise kaum sichtbaren Organe nun deutliche Schatten werfen. Später werden die Kontrastmittel-Moleküle vom Körper selbst aufgeräumt und grösstenteils über die Niere wieder ausgeschieden.

jodhaltige Kontrastmittel

Zwei Beispiele für jodhaltige Kontrastmittel: Ähnlich wie in den Schilddrüsenhormonen sind Jod-Atome an ein Kohlenstoffgerüst gebunden (die Kohlenstoff(C-)-Atome zeichnet man der Übersicht halber nicht: jeder Winkel ohne Buchstabe steht für ein C-Atom). Und so, wie Jod-Atome von Schilddrüsenhormonen „abmontiert“ werden können, können in den Prozessen im menschlichen Körper auch diese Jod-Atome abmontiert werden – und bei entsprechender Vorerkrankung zu einer regelrechten Vergiftung führen.

 

 

Nebenwirkungen jodhaltiger Kontrastmittel

Eine typische Kontrastmitteldosis kann rund 15 bis 30 Gramm Jod enthalten. Das ist im Massstab für medizinische Wirkstoffe, die der Körper zu verarbeiten hat, eine gewaltige Menge! Der eigentliche Haken daran ist aber: Die Jodatome, die an die „Benzol“-Ringe solcher Moleküle gebunden sind, können im menschlichen Körper davon abgelöst (ich vermute: durch Austausch („Substitution“) gegen andere Atome oder Atomgruppen) werden. Das so freigesetzte Jod kann dann von der Schilddrüse aufgenommen werden – was dann zu einer gefährlichen Überladung mit Schilddrüsenhormonen führen kann, wenn der Patient eine Schilddrüsenüberfunktion hat oder sich in der Ausgangslage befindet, eine solche zu entwickeln. Deshalb sind jodhaltige Kontrastmittel für Patienten mit solchen Erkrankungen nicht – oder nur nach vorübergehender Blockade der Jodaufnahme durch die Schilddrüse – geeignet.

Ausserdem können jodhaltige Kontrastmittel – wie alle anderen grösseren körperfremden Moleküle auch – allergische Reaktionen auslösen. Wer solch eine Allergie hat, darf diese Art Kontrastmittel natürlich auch nicht verabreicht bekommen (Risikokandidaten mit anderen Allergien können vor einer unumgänglichen Kontrastmittel-Untersuchung vorsorglich allergiehemmende Mittel bekommen).

 

Jod als Desinfektionsmittel

Während jodhaltige Ionen in Salzen ein lebenswichtiger Nährstoff ist, hat elementares Jod, also solches, das aus I2-Molekülen besteht, geradezu gegenteilige Eigenschaften: Es ist sehr reaktionsfreudig und greift Körpergewebe und -zellen an. Aber nicht nur unsere, sondern auch die von Bakterien und anderen Krankheitserregern. Deshalb ist elementares Jod ein beliebtes Desinfektionsmittel.

Warum wirkt Jod desinfizierend?

Jod-Moleküle können im Zuge einer Redox-Reaktion einzelne Sauerstoff-Atome aus Wassermolekülen -die in Körpergewebe allgegenwärtig sind – herauslösen:

Diese Sauerstoff-Atome sind im Augenblick ihrer Freisetzung äusserst reaktionsfreudig (schliesslich fehlen ihnen je zwei Elektronen zu einem zufriedenstellenden (Edelgas-)Zustand) und greifen alles an, was ihnen in die Quere kommt, um sich irgendwie damit zu verbinden. Wenn das Kleinstlebewesen wie Bakterien sind, gehen die rasch daran zugrunde – wenn das menschliches Gewebe ist, reagiert das auf den Angriff mit Entzündungszeichen: Das Desinfizieren von Wunden mit Jod tut weh!

Was genau ist in jodhaltigen Desinfektionsmitteln drin?

Elementares Jod – ein fast schwarzer Feststoff – ist unlöslich in Wasser. Es gibt allerdings Tricks, mit deren Hilfe man Jod trotzdem mit Wasser mischen kann:

Entweder man mischt das Jod mit einer Kaliumiodid-Lösung. Die darin enthaltenen I-Ionen lagern sich mit den I2-Molekülen zusammen und bilden spezielle und wasserlösliche Ionen aus je drei Jod-Atomen (I3). Solche Lösungen werden deshalb auch „Kaliumtriiodid-Lösung“ genannt und sind im Schullabor sehr beliebt.

Oder man verwendet wasserlösliche organische Kettenmoleküle, die mit Triiodid-Ionen Komplexverbindungen eingehen können. Bei Bedarf (d.h. wenn ein attraktiverer Reaktionspartner zugegen ist) können sich die I2-Moleküle aus dem Komplex bzw. dem Triiodid lösen und ihrer desinfizierenden Aufgabe nachgehen. Solche organischen Komplexe findet ihr in jodhaltigen Medikamenten: Das „Polyvidon-Jod“ (kurz „Povidon-Jod“) in „Betaisodona“-Lösung oder -salbe ist einer davon.

Strukturformel Polyvidoniod

Das ist „Polyvidon-Iod“ – Rechts: Der Kunststoff Polyvidon (Polyvinylpyrrolidon, PVP) besteht aus langen Kohlenwasserstoff-Ketten, die mit ringförmigen Atomgruppen besetzt sind (n und m stehen für beliebige Anzahlen solcher Kettenglieder). Links: Die Sauerstoff-Atome von je zwei benachbarten Ringen können ein positiv geladenes Wasserstoff-Ion (H+) „tragen“, an welches ein negativ geladenes I3-Ion bindet (denn entgegengesetzte Ladungen ziehen sich stets an).

 

Seiner aggressiven Wirkung auf Gewebe – vor allem auf Schleimhäute wegen – sind jodhaltige Desinfektionsmittel nur für die Anwendung „aussen“, d.h. auf der Haut bzw. zur Wundversorgung gedacht!

 

Jod als Reagenz zum Experimentieren

Im Schullabor ist der Nachweis von Stärke mit Jod (oder umgekehrt von Jod mit Stärke) sehr beliebt: Wenn man diese beiden zusammenbringt, bleiben die Jod-Moleküle nämlich in den langen Stärkeketten hängen und bilden mit ihnen eine tief blauschwarze Verbindung (Stärke ist dagegen weiss und jodhaltige Lösungen bräunlich).

Wie ihr die Stärke in Kartoffeln oder Pflanzenteilen zu Hause selbst nachweisen könnt – und zwar mit „Betaisodona“ oder einem ähnlichen Desinfektionsmittel! – zeige ich euch hier in meiner Sammlung spannender Experimente mit Pflanzen.

Jod als Reagenz zum Stärkenachweis

Mit Jodlösung – zum Beispiel aus einem Desinfektionsmittel – könnt ihr Stärke in Pflanzenteilen nachweisen!

 

Achtung! Jod als Element ist ein Gefahrstoff!

Achtet beim Experimentieren oder Aufbewahren von Jodlösungen stets darauf, dass ihr sie nicht mit Ammoniak (Ammoniakwasser, ammoniakhaltige Reinigungsmittel, Salmiak, Salmiakgeist…) zusammenbringt! Dabei können nämlich explosive Verbindungen aus Jod und Stickstoff entstehen, die ihr sicher nicht in eurer Wohnung oder im Schulzimmer haben wollt.

Bedenkt zudem immer: Elementares Jod wirkt auf nützliche Wasserlebewesen genauso wie auf schädliche Keime und unsere Schleimhäute. Deswegen darf es nicht ins Abwasser gelangen! Bringt Reste von Experimenten mit Jod ebenso wie abgelaufene jodhaltige Desinfektionsmittel immer zur Sonderabfall-Entsorgungsstelle!

Wenn ihr im Schullabor das Salz Natriumthiosulfat (oder ein anderes passendes Reduktionsmittel) zur Hand habt, könnt ihr Reste von Jodlösungen auch damit mischen: Die I2-Moleküle reagieren damit zu I-Ionen (die braune Farbe der Lösung verschwindet dabei), die ins (Labor-)Abwasser entsorgt werden können.

 

Jod als umstrittener Stoff

Jod und Schilddrüsenüberfunktion

Bei bestimmten Schilddrüsenerkrankungen, speziell bei einer Überfunktion durch unkontrolliert hormonproduzierendes Gewebe, führt die Zufuhr von Jod zu einer Überproduktion von Hormonen, die in regelrechten Vergiftungserscheinungen münden kann: Auch deswegen ist es wichtig, die Behandlung von Schilddrüsenproblemen mit dem Arzt zu besprechen – denn der klärt die Art der Probleme ab und kann allenfalls vor solchen Schwierigkeiten warnen.

Gerne wird übrigens ein Zusammenhang zwischen entzündlichen Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse wie Morbus Hashimoto ins Feld geführt. Ob es einen solchen gibt, konnte jedoch in klinischen Studien bislang nicht einwandfrei geklärt werden.

Gibt es eine Jodallergie?

Eine Überdosierung(!) von Jod kann generell die Bildung von Schilddrüsenhormonen beeinflussen bzw. zu allergieähnlichen Symptomen führen. Dann spricht man von einer Jod-Unverträglichkeit. Auch das ist ein Grund, weshalb eine Nahrungsergänzung mit zusätzlichen jodhaltigen Mitteln (über das Würzen mit Jodsalz und gewöhnliche Lebensmittel hinaus) sorgfältig auf den jeweiligen Körper und seinen Bedarf eingestellt werden sollte.

Aus diesem Grund wird der Zusatz von Jodsalzen zu Speisesalz und Futtermitteln nämlich so begrenzt, dass die Versorgung der Bevölkerung auf diesem Weg in der Schweiz wie auch in Deutschland bei „normaler“ Ernährung im unteren Soll-Bereich liegt – sodass eine Überversorgung durch jodierte Lebensmittel praktisch nicht möglich ist.

Eine „echte“ Jod-Allergie auf Kleinstmengen gibt es jedoch nicht (wie Allergien entstehen könnt ihr hier nachlesen): Sowohl I2-Moleküle als auch IO3 oder I -Ionen sind zu klein für die Wechselwirkung mit Antikörpern, die jeder Allergie zu Grunde liegt.

Allergien gegen jodhaltige organische Moleküle – wie sie zum Beispiel als Kontrastmittel eingesetzt werden – sind dagegen möglich (weil solche Moleküle wesentlich grösser sind als die der anorganischen Jodverbindungen) und bekannt.

 

Mein Fazit

Jod ist ein vielseitiges Element und in seinen Verbindungen ein für den menschlichen Körper unverzichtbares Spurenelement. Mit der Jodversorgung steht und fällt der Schilddrüsenstoffwechsel, der von grösster Bedeutung für unseren Energiehaushalt und die gesunde Entwicklung von Kindern ist.

Deshalb tun die Verantwortlichen in Ländern mit jodarmen Böden – wie der Schweiz und Deutschland – gut daran, für den Zusatz von Jod zu Speisesalz und Nahrungsmitteln zu sorgen. So kommen wir nämlich zu unserem Jod, ohne zusätzliche Kosten und Mühe mit speziellen Nahrungsergänzungsmitteln auf uns nehmen zu müssen. Zudem wird der Zusatz von Jod zu Lebensmitteln so gesteuert, dass eine Überdosierung, die zu Symptomen einer Jodunverträglichkeit führen kann, auf diesem Wege höchst unwahrscheinlich ist.

Elementares Jod hat dagegen ganz andere – aggressivere – Eigenschaften und findet deshalb als Desinfektionsmittel Verwendung, während es zur Einnahme nicht geeignet ist!

Grasblüte und fliegende Pollen

Wir alle spüren es: Der Frühling zeigt sich in seiner ganzen Pracht. Alles grünt und blüht und duftet…und das könnte so schön sein. Aber die Natur höchstpersönlich verleidet mir dieses Jahr die Freude an ihrer selbst, sobald ich mich länger draussen aufhalte. Denn dann jucken und brennen mir die Augen, die Lider sind geschwollen und mitunter läuft mir gar die Nase. Heuschnupfen lässt grüssen – oder mit anderen Worten: Ich habe eine Allergie.

Und damit bin ich nicht allein: 2008 bis 2011 litten rund 15% der Menschen in Deutschland – und vermutlich auch in den Nachbarländern – an Allergien. Heuschnupfen, Asthma, Nesselsucht gehören zu den bekanntesten Erscheinungsformen, und geradezu berüchtigt ist der lebensbedrohliche anaphylaktische Schock.

Aber was ist eigentlich eine Allergie? Was passiert dabei in unserem Körper? Und welche teilweise ähnlichen Symptome gehen nicht auf eine Allergie zurück?

 

Was ist eine Allergie?

Eine allergische Reaktion ist ein Fehlalarm durch unser adaptives, d.h. lernfähiges Immunsystem. Im Artikel über die Wirkweise von Impfungen habe ich die verschiedenen Verteidigungslinien des menschlichen Immunsystems genauer dargestellt: Die mechanischen Barrieren gegen unliebsame Eindringlinge werden vom angeborenen Immunsystem bemannt, das ohne genaues Hinsehen bei allem irgendwie Fremdartigem Alarm auslöst. Dieser Alarm bahnt nicht zuletzt dem adaptiven Immunsystem den Weg. Dessen Bestandteile können Eindringlinge genau identifizieren und sich über Jahre an sie erinnern, sodass eine zielgerichtete, effektive Bekämpfung möglich ist.

Normalerweise sind solch unliebsame Eindringlinge Bakterien, Viren, Parasiten und andere Auslöser von Krankheiten sowie ihre Proteine oder teils giftigen Absonderungen. Doch manchmal haben solche Stoffe „von draussen“ gar nichts mit Krankheitserregern zu tun. Das weiss das Immunsystem aber nicht unbedingt zu unterscheiden. Und wenn solch ein Stoff fälschlich als „gefährlich“ erinnert wird, kann sein Auftauchen das Immunsystem in helle Panik versetzen – und uns eine allergische Reaktion bescheren. Die Fähigkeit zu einer allergischen Reaktion, das heisst der Umstand, dass ein oder mehrere Stoff/e „immun-behördlich bekannt“ sind, wird somit kurz als „Allergie“ bezeichnet.

Nicht zu den Allergien zu rechnen sind dahingegen fehlgeleitete Reaktionen auf Bestandteile des eigenen Körpers. Solche Fehler werden stattdessen „Autoimmunerkrankungen“ genannt.

 

Welche Arten von Allergien gibt es?

Nicht alle Allergien äussern sich auf die gleiche Weise – vielmehr gibt es zahlreiche unterschiedliche Symptome und Verlaufsformen. Den Anfang macht jedoch immer ein Kontakt des Körpers – genauer des Immunsystems – mit einem (fälschlich) als gefährlich eingestuften Stoff. Ein solcher Stoff, der eine allergische Reaktion auslöst, wird seiner Rolle gemäss „Allergen“ genannt.

 

Typ I – der Soforttyp

Die wohl berüchtigtste und aus den Medien bekannteste Allergiesorte ist der Soforttyp oder Typ I. Wie der Name vermuten lässt, zeichnet sich dieser Typ dadurch aus, dass eine Begegnung mit dem jeweiligen Allergen binnen Sekunden oder allenfalls Minuten zur allergischen Reaktion führt – die im Extremfall den ganzen Körper erfassen und so den lebensbedrohlichen Zustand erzeugen kann, den man „anaphylaktischen Schock“ nennt. Letzterer ist grundsätzlich ein Fall für den Notarzt und ein beliebtes dramaturgisches Mittel in Film und Fernsehen. Aber wie kommt es dazu?

Sensibilisierung: Aller Allergien Anfang

Das adaptive Immunsystem ist schnell dabei, körperfremde Stoffe als Bedrohung, d.h. als Antigene einzustufen. Wird ein bislang unbekannter Stoff beim ersten Kontakt als Angreifer gedeutet, aktiviert eine Signalfolge von den Zellen, die das Antigen als solches benennen, schliesslich Plasmazellen. Das sind weisse Blutzellen vom Typ B, die daraufhin passende Antikörper – das sind Proteine, sogenannte Immunglobuline E (kurz IgE) – gegen das Antigen produzieren.

Normalerweise achten andere weisse Blutzellen – regulatorische T-Zellen – darauf, dass nicht gegen jedes harmlose Molekül gleich Antikörper in die Welt gesetzt werden, sondern nur gegen solche, die wirklich gefährlich sind. Bei manchen Menschen sind diese T-Zellen jedoch ziemlich faul oder einfach unterbesetzt, sodass sie ihre Aufgabe nicht wahrnehmen. Dann kann es passieren, dass IgE-Antikörper erzeugt werden, die eigentlich keiner braucht (weil „ihre“ Antigene – oder besser Allergene – an sich für den Körper nicht gefährlich sind).

Die IgE-Antikörper werden durch den Körper geschwemmt und kommen so unweigerlich an Mastzellen oder basophilen Zellen vorbei – weiteren Einsatzkräften des Immunsystems, die überall, aber vor allem in Schleimhäuten, zur Verteidigung gegen Eindringlinge bereitstehen. Die IgE heften sich an die Oberfläche solcher Zellen und dienen ihnen fortan als „Augen und Ohren“ (bis hierhin werden die Vorgänge als „Sensibilisierung“ bezeichnet und gehen unbemerkt vonstatten).

Beim Zweitkontakt: Allergische Reaktion

Sobald das ursprüngliche Antigen erneut auftaucht und an „seine“ IgE-Antikörper bindet, versetzen diese ihre Mastzellen und Basophilen sogleich in Aktion: Die Zellen schütten Stoffe wie Histamin aus, die ihre Umgebung im Handumdrehen zum Schlachtfeld machen. Histamin und andere Entzündungsmediatoren sollen nämlich ein passendes Umfeld für die Abwehr von Eindringlingen schaffen: Gute Durchblutung für das schnelle Nachrücken von Abwehrzellen, unangenehme Umweltbedingungen für den Gegner selbst. Dumm nur, dass es keinen Gegner gibt. Denn was für Eindringlinge ungemütlich ist, ist auch für körpereigenes Gewebe alles andere als bequem.

So sind die Folgen der Ausschüttung von Histamin und Co Entzündungssymptome wie juckende und brennende sowie gerötete und geschwollene Haut oder Schleimhäute und vermehrte Flüssigkeitsabsonderung – kurzum: Entzündete, tränende Augen, eine laufende oder verstopfte Nase, Hautausschlag („Nesselsucht“), verschwollene Bronchien („Asthma“) und im schlimmsten Fall ein körperweiter Aufruhr – der anaphylaktische Schock.

Und da die Schleimhäute mit den IgE-bewehrten Mastzellen an allen Ein- und Ausgängen des Körpers zu finden sind, folgt die allergische Reaktion ohne Umwege, d.h. sehr schnell auf die Begegnung mit dem Antigen.

Allergie : Mechanismus allergische Reaktion vom Typ I

So entsteht eine Allergie Typ I (links): T-Helferzellen erkennen ein Allergen als „gefährlich“ und animieren B-Zellen zur Antikörperproduktion. Regulatorische T-Zellen, welche diesen Vorgang im Zaum halten sollten, fehlen hier. So heften sich die IgE-Antikörper an Mastzellen, die bei folgenden Kontakten mit dem Allergen (rechts) Histamin ausschütten. (by Christopher Streibert [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons)

 

 

Allergien vom  Typ II

Bei diesem Allergie-Typ kommen andere Sorten Antikörper zum Einsatz – nämlich Immunglobuline M (IgM) oder G (IgG). Anders als die IgE schwimmen diese Antikörper frei in der Blutbahn oder den Körperflüssigkeiten mit – teilweise als lebenslange Grundausstattung des menschlichen Körpers. Die frei schwimmenden Antikörper sind dazu geschaffen, fremde Zellen am Aufbau ihrer Oberfläche als feindlich zu erkennen. Wenn das geschieht, rufen die IgM bzw. IgG T-Killerzellen auf den Plan, welche über die feindlichen Zellen herfallen und sie zerstören. Bis die Antikörper ihr Antigen gefunden und die T-Killerzellen angelockt haben, vergeht etwas mehr Zeit als bei der schnellen Typ I – Allergie, sodass 6 bis 12 Stunden vergehen können, bis die allergische Reaktion schliesslich spürbar wird.

Blutgruppen-Unverträglichkeit – eine Typ II – Allergie

Zu den „Typ II“- Antikörpern gehören auch die Blutgruppen-Antikörper „Anti-A“ und „Anti-B“ gegen die Oberflächenmerkmale „A“ und „B“ menschlicher roter Blutzellen. Die roten Blutzellen eines Menschen mit der Blutgruppe A tragen das Oberflächenmerkmal „A“, während in dessen Blutbahn Antikörper gegen das „fremde“ Merkmal B mitschwimmen. Bei Blutgruppe B verhält es sich umgekehrt.

Ich selbst habe die Blutgruppe 0, was bedeutet, dass meine roten Blutzellen keines der beiden Merkmale tragen, während in meiner Blutbahn beide Sorten Antikörper schwimmen. Sollte ich also jemals eine Blutkonserve mit roten Zellen brauchen, verwendet bitte eine mit der Blutgruppe 0. Anderenfalls würden die Antikörper in meinem Blut meine T-Killerzellen auf die Neuankömmlinge hetzen und ich somit eine gefährliche allergische Reaktion vom Typ II erleiden. Um so wertvoller sind meine eigenen roten Zellen für andere: Die sind nämlich für jegliche Blutgruppen-Antikörper unsichtbar und lösen so keine „Blutgruppen-Unverträglichkeitsreaktion“ aus (so lange die Blutflüssigkeit – das „Plasma“ – mit meinen Antikörpern vorher abgetrennt wurde).

 

Allergien vom Typ III

Wie die Allergien des Typs II beruht auch dieser Allergietyp auf dem Vorhandensein überflüssiger IgG- oder IgM-Antikörper. Diese schwimmen jedoch nicht frei, sondern heften sich an Zellen. Wenn solche Antikörper ihrem Antigen begegnen, binden sie auch daran, sodass sie ihre Trägerzellen regelrecht mit den Antigenen verkleben. Die so entstehenden Zellmüll-Klumpen werden von Fresszellen (Granulozyten) des angeborenen Immunsystems entsorgt.

Da Granulozyten jedoch an sich haben, dass sie an ihrer Mahlzeit zu Grunde gehen, werden bei diesem Vorgang unweigerlich ihre Verdauungsenzyme freigesetzt. Die versuchen sich wiederum daran, das umliegende Gewebe gleich mit zu verdauen. Die Folge: Protest seitens des Gewebes – mit anderen Worten: Eine Entzündungsreaktion. Bis es dazu kommt, können vom Kontakt mit dem Antigen – besser Allergen – an 6 bis 12 Stunden vergehen.

Zu den Typ III – Allergien zählen zum Beispiel Berufskrankheiten, die im Volksmund als „Staublunge“ und von Medizinern als „exogen-allergische Alveolitis“ bezeichnet werden. Die auslösenden Allergene werden dabei von den Betroffenen im Arbeitsalltag eingeatmet und führen zu entzündlichen Veränderungen der Lungenbläschen (Alveolen).

 

Typ IV – der Spättyp – bzw. Kontaktallergien

Die zweithäufigste Sorte Allergie nach dem Soforttyp ist der sogenannte Spättyp, der im Volksmund auch als Kontaktallergie bekannt ist. Bei dieser Form sind es die T-Zellen selbst, die ein eigentlich harmloses Antigen erkennen und unnötige Arbeit aufnehmen. So scheiden die T-Zellen Signalstoffe auf, die auf Makrophagen – grosse Fresszellen – wie eine Fährte wirken. Der Spur folgend wandern die Makrophagen durch das Gewebe an den Fundort des Allergens und lösen dort eine Entzündung aus.

Dieser Bindung der allergischen Reaktion an den Kontaktort wegen kann eine Allergie des Typs IV nicht zu einem anaphylaktischen Schock führen.

Die allergische Reaktion äussert sich häufig als Hautausschlag (allergisches Kontaktekzem) an eben der Stelle, die mit dem Allergen in Berührung – Kontakt – gekommen ist. Vom Kontakt bis zum Auftreten des Ausschlags können allerdings 12 Stunden bis 3 Tage vergehen, sodass zuweilen genaue Beobachtung nötig ist, um den Zusammenhang zwischen Auslöser und allergischer Reaktion zu finden.

Ein sehr bekanntes und alltägliches Beispiel für eine Allergie Typ IV ist die allergische Reaktion auf Nickel als Bestandteil von Schmuckstücken. Weniger alltäglich aber auch eine allergische Reaktion des Spättyps ist die Abstossung transplantierter Organe durch den Empfängerkörper (die durch die Gabe von das Immunsystem hemmenden Medikamenten vermieden werden kann).

 

Kreuzallergien

Die Kreuzallergie ist kein eigener Allergietyp, sondern eine Spielart der vorhergehenden Typen: Auch das präzise adaptive Immunsystem ist nicht unfehlbar, wenn es um die Erkennung von Antigenen bzw. Allergenen geht. So kann es einander sehr ähnliche Moleküle miteinander verwechseln: Wenn eine Molekülsorte als Allergen „registriert“ worden ist, also eine Sensibilisierung stattgefunden hat, können die dazu passenden Antikörper mitunter auch an sehr ähnliche Moleküle binden und so eine allergische Reaktion darauf auslösen.

Deshalb sollte sich jemand, der auf Bienenstiche allergisch reagiert, zum Beispiel auch vor Wespen hüten, denn das Gift beider Gattungen enthält ganz ähnliche Proteine. Aber auch verschiedene Pollensorten und Nahrungsmittel können einander ähnliche Allergene enthalten, sodass es nicht einfach wäre, den oder die Verursacher meiner Pollenallergie eindeutig zu entlarven.

 

Nicht alle Symptome, die wie allergische Reaktionen aussehen, gehen auf eine Allergie zurück

Viele Reaktionen des Körpers auf Einflüsse von aussen werden landläufig als „Allergien“ bezeichnet, obwohl ihre Ursache keine allergische Reaktion ist. Eine solche ist schliesslich nur gegeben, wenn das adaptive Immunsystem einen Fremdstoff fälschlich als Gefahr vermerkt und folglich darauf „anspringt“. Einige entzündliche Reaktionen haben aber ganz andere Ursachen:

Pseudoallergische Reaktion

Es kommt vor, dass der Kontakt mit Fremdstoffen ohne Einbezug des adaptiven Immunsystems zu einer „allergischen“ Reaktion führt. In diesen Fällen springt das angeborene Immunsystem, das keine Einzelmoleküle wiedererkennen kann, sondern allgemein auf Fremdstoffe losgeht, auf den Auslöser an. Damit hängt das Ausmass der pseudoallergischen Reaktion direkt von der Menge der Eindringlinge ab, während bei einer „echten“ Allergie schon kleine Mengen des Allergens das adaptive Immunsystem im grossen Stil aufscheuchen können.

Hängt also die Stärke der Reaktion von der Dosis des Auslösers ab, die ein Betroffener abbekommt, handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine pseudoallergische Reaktion. Und die ist überaus weit verbreitet: Bekannte „Pseudoallergene“ sind Duftstoffe, flüchtige Bestandteile von Sprays oder Klebstoffen, Feinstaub, Rauch und andere Umweltschadstoffe.

Nahrungsmittel-Intoleranzen

Eine Fehlfunktion im Stoffwechsel führt bei einigen Menschen dazu, dass sie bestimmte Nahrungsmittel nicht wie Andere verdauen können. Die Folge sind Verdauungsbeschwerden von Bauchweh bis Durchfall, wie sie auch Folge einer „echten“ Nahrungsmittelallergie sein können.

Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Laktoseintoleranz, die dadurch entsteht, dass besonders erwachsenen Menschen oft das Enzym Laktase fehlt, welches dafür zuständig ist, Milchzucker (Laktose) in seine verwertbaren Bestandteile zu zerlegen. Der unzerlegte Milchzucker führt dann zu Darmbeschwerden – ohne dass das Immunsystem darin verwickelt wäre.

Sonnenallergie

Es kommt vor, dass Menschen Hautausschlag bekommen, wenn sie direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt worden sind. Diese Erscheinung wird auch als Sonnenekzem oder Polymorphe Lichtdermatose bezeichnet. Da Licht aber kein „Stoff“ ist, sondern aus elektromagnetischen Wellen besteht, enthält es nichts, woran sich das adaptive Immunsystem erinnern könnte. Eine Allergie gegen Licht kann es damit nicht geben.

Tatsächlich ist die Ursache der Sonnenekzeme noch unklar. Möglicherweise löst die Lichtenergie chemische Reaktionen aus, in welchen körpereigene Stoffe in „fremde“ Allergene oder einfach in reaktive Teilchen, die das Gewebe direkt angreifen, umgewandelt werden.

Wasserallergie

Äusserst selten kommt es vor, dass Menschen auf die Berührung mit Wasser mit Hautauschlag reagieren. Das Phänomen wird auch Wassernesselsucht oder auf medizinisch aquagener Pruritus genannt. Das winzige Wassermolekül kommt jedoch als „echtes“ Allergen nicht in Frage. Dazu ist es viel zu allgegenwärtig in jedem menschlichen Körper und zu simpel, als dass es von Antikörpern eindeutig „erkannt“ werden könnte. Die tatsächliche Ursache der Wassernesselsucht ist hingegen noch nicht geklärt.

Zuckerallergie

Manche Menschen möchten beobachtet haben, dass sie oder ihre Angehörigen eine allergische Reaktion auf Haushalts- und andere Zucker zeigen. Letztlich sind aber genau diese Zucker im menschlichen Körper praktisch allgegenwärtig, sodass sie – ähnlich Wasser – als Allergene nicht in Frage kommen.

Da Zucker gewöhnlich als Bestandteil verschiedenster Nahrungsmittel aufgenommen werden, liegt die Vermutung nahe, dass die als „Zuckerallergie“ beschriebenen Reaktionen in Wirklichkeit allergische oder pseudoallergische Reaktionen auf andere Bestandteile gezuckerter Nahrungsmittel sind.

 

Welche Stoffe können Allergien auslösen?

Grundsätzlich kann jeder Stoff, gleich ob natürlicher oder synthetischer Herkunft, zum Allergen werden, sofern er nicht dem eigenen Körper entstammt. In der Regel sind Allergene aber grössere bis sehr grosse Moleküle, insbesondere Proteine. Diese grossen, Ihre Grösse und ihr komplexer Aufbau machen Protein- und ähnliche Moleküle so einzigartig, dass sie von Antikörpern (fast) verlässlich wiedererkannt werden können – womit die Grundvoraussetzung für eine Allergie gegeben ist.

Proteine kommen praktisch überall in der Natur vor. Bekannte Quellen für die Allergene unter ihnen sind zum Beispiel Pollen, Tierhaare oder Nahrungsmittelbestandteile. Aber auch „Designermoleküle“, die im Labor entworfen und geschaffen wurden, können Allergien auslösen. Aber Achtung: Viele kleinere, als Umweltschadstoffe bekannte Moleküle lösen eine pseudoallergische Reaktion und keine Allergie aus!

Keine Allergien auslösen können zudem Bestandteile des eigenen Körpers, wie Wasser, reines Kochsalz, kurzkettige Zucker und Fette.

 

Was kann man gegen Allergien machen?

 

Allergene meiden

Die simpelste und effektivste Massnahme gegen jede Form von Allergie liegt auf der Hand: Meidet das Allergen!

Zuerst: Wissen, was zu meiden ist

Das klingt jedoch einfacher, als es oft ist. Denn dazu muss das Allergen (oder im Fall von Kreuzallergien: die Allergene), welches die allergische Reaktion auslöst, erst einmal gefunden werden. Das gestaltet sich allein schon deshalb aufwändig, weil jedes Immunsystem auf seine Art reagiert. So gibt es keine Stoffe, die grundsätzlich Allergien auslösen – sondern allenfalls solche, die dafür bekannt sind, dass sie häufiger als andere zu allergischen (oder pseudoallergischen) Reaktionen führen. Damit muss wohl oder übel jeder Allergiker mit der Suche nach seinen persönlichen Allergenen „von vorn“ anfangen.

In einfachen Fällen genügt es, sich und seine Gewohnheiten genau zu beobachten und durch Weglassen von Nahrungsmitteln oder Änderung von Gewohnheiten den Übeltäter zu stellen. Oft gestaltet sich die Suche aber so kompliziert, insbesondere bei möglichen Kreuzallergien, dass ein Facharzt durch gezieltes Nachforschen mit Hilfe von Allergietests schneller und sicherer zum Ziel kommt.

Dem Allergen aus dem Weg gehen – wenn möglich

Ist der Auslöser der Allergie erst einmal identifiziert, könnt ihr euer Möglichstes tun, um ihn zu meiden – und zwar konsequent : Nahrungsmittel mit Allergenen vermeiden, Körperpflegeprodukte mit Allergenen nicht länger verwenden, Tieren, die Allergene tragen, aus dem Weg gehen, Medikamente, die zu allergischen Reaktionen führen, ersetzen,… Dabei gibt es jedoch kein Patentrezept und keine allgemeingültige schwarze Liste mit Allergenen. Denn während der eine Mensch heftig auf einen Stoff reagiert, kommt der andere mitunter prima mit ihm klar – und reagiert womöglich auf etwas ganz anderes allergisch.

Manchmal ist es jedoch geradezu unmöglich, einem Allergen aus dem Weg zu gehen. So ist im Frühling, wenn die allergieauslösenden Pflanzen blühen, unweigerlich die Luft voller Pollen – denn die werden mit dem Wind umher getragen. Und da ich schliesslich atmen muss und möchte, kommen diese Pollen unweigerlich mit meinen Schleimhäuten in Kontakt, sobald ich geschlossene Räume verlasse. So bleibt mir nichts anderes übrig, als den Heuschnupfen zu ertragen oder Massnahmen dagegen zu ergreifen:

Symptome behandeln

Die Wirkung von Histamin und Co kann durch Medikamente gedämpft werden: Antihistaminika, Cortison und andere lindern die Entzündungssymptome. So können sie den unweigerlichen Kontakt mit Allergenen erträglicher machen oder sogar zur Bekämpfung lebensbedrohlicher Zustände eingesetzt werden. Einfache Mittel gegen Heuschnupfen-Symptome gibt es rezeptfrei in der Apotheke, während schwere Geschütze wie viele Cortison-Präparate auf Rezept vom Arzt oder aus der Hand des Notarztes zum Einsatz kommen. Die Ursache der allergischen Reaktionen – die Fehlprägung des Immunsystems – lässt sich damit aber nicht beseitigen.

Hyposensibilisierung

Mit diesem Verfahren – auch Desensibilisierung genannt – wird die Ursache von allergischen Reaktionen direkt angegangen. Dem Körper eines Typ I – Allergikers werden dazu über lange Zeiträume (mehrere Jahre – und zur Erhaltung lebenslang) gezielt kleine Mengen eines Allergens zugeführt, wobei die Dosis langsam ein wenig gesteigert wird. Dadurch sollen die B-Zellen veranlasst werden, statt der verhängnisvollen IgE-Antikörper an Zellen geheftete IgG zu produzieren. Diese sollen letzlich Fresszellen dazu bewegen, später wieder auftretende Allergene unschädlich zu machen (wie bei einer Allergie Typ III), bevor etwaige verbliebene IgE sie finden und eine Sofortreaktion anzetteln können.

Besonders bei Insektengiftallergien (beim Stechen befördern Insekten das Allergen direkt unter die Haut!), die nach einem Stich oft zu schweren Symptomen bis hin zum anaphylaktischen Schock führen können, kann dieses aufwändige Vorgehen Leben retten.

 

Zusammenfassung

Eine allergische Reaktion ist eine Reaktion des adaptiven – also lernfähigen – Immunsystems auf einen Stoff, den dieses sich unnötigerweise als Gefahr „gemerkt“ hat. Der erste Kontakt mit solch einem Stoff – dem Allergen – führt zum symptomlosen Merkvorgang, auch Sensibilisierung genannt. Dabei werden meist Antikörper gebildet, die bei jedem weiteren Kontakt mit dem Allergen das Immunsystem alarmieren und so das Auftreten von Entzündungserscheinungen – der allergischen Reaktion – verursachen. Der Umstand, dass eine Sensibilisierung stattgefunden hat (und fortan entsprechende Allergene Symptome auslösen), wird als Allergie bezeichnet.

Es gibt verschiedene Signalwege, die vom Allergen zur Entzündung führen. Allen gemein ist dabe die tragende Rolle des adaptiven Immunsystems. Andere Vorgänge, die ohne Einbezug des adaptiven Immunsystems zu Entzündungen führen, sind folglich keine allergischen Reaktionen.

Die wirksamste Massnahme gegen allergische Reaktionen ist das Meiden von Allergenen. Da jedoch jedes Immunsystem einzigartig ist, muss jeder Allergiker für sich herausfinden (lassen), auf welche Stoffe er reagiert. Eine allgemeingültige schwarze Liste gibt es nicht.

Wenn das jedoch – wie bei meinem Heuschnupfen – unmöglich ist, können die Entzündungserscheinungen mit Medikamenten gelindert werden. In besonders schweren Fällen – wenn z.B. gefährliche Sofort-Reaktionen zu erwarten sind – kann das Immunsystem im Zuge einer Hyposensibilisierung „umprogrammiert“ werden, um eine gefährliche, schnell überschiessende Reaktion durch eine langsamere und weniger gefährliche zu ersetzen. Das Verfahren ist jedoch aufwändig und mit jahrelangen Behandlungen verbunden.

So bin ich besonders neugierig darauf, was die Forschung bezüglich Allergien in Zukunft an neuen Behandlungswegen eröffnen wird.

Übrigens: Wenn ihr aufmerksam gelesen habt – zu welchem Allergietyp zählt eigentlich meine allergische Bindehautentzündung?

Und leidet ihr auch unter Allergien? Wie geht ihr damit um?

Enthalten rote Nahrungsmittel Eisen?

Eisen als Nährstoff ist heute das Thema in der Alltagskiste: Warum sagt man, dass rotes Essen gesund und gut fürs Blut ist? – fragt eine Leserin.

Auch meine Eisenwerte sind nie die besten gewesen. So riet auch mir einst eine Hausärztin, rotes Fleisch und – weil gerade Frühling war – Erdbeeren zu essen. Rote Nahrungsmittel sollen das Metall liefern, welches für seine roten Oxide – kurzum: Rost – bekannt ist? Das schien mir schon damals ein Zufall zu sein. Mein jetziger Hausarzt sagt zudem, es sei ganz schwierig, Eisen über den Verdauungstrakt in den Körper hinein zu bekommen. Eine einzelne Infusion direkt ins Blut fülle dagegen die Eisenspeicher effektiv wieder auf.

Aber wozu die ganze Mühe? Und was hat es mit dem roten Essen auf sich?

 

Wozu brauchen wir Eisen?

Eisen-Ionen sind unverzichtbare Bestandteile von Enzymen, die im Stoffwechsel verschiedene Aufgaben übernehmen. Die bekannteste Aufgabe des Eisens ist jedoch der Sauerstofftransport in den roten Blutkörperchen. In meinem Artikel über die spannendste Chemikalie der Welt könnt ihr nachlesen, wie der eisenhaltige rote Blutfarbstoff, das „Häm“ im Protein Hämoglobin, als „Lieferwagen“ für Sauerstoffmoleküle funktioniert.

Wir brauchen also Eisen-Ionen, damit unser Stoffwechsel sie in rote Blutzellen einbauen und zum Lieferdienst durch unseren Blutkreislauf schicken kann. Das heisst allerdings auch: Wenn irgendwo Blutzellen verloren gehen, kann der Körper das Eisen darin abschreiben. Und da bekanntlich überall Schwund ist, verliert ein erwachsener Mensch am Tag unweigerlich 1 bis 2 Milligramm Eisen.

Das ist allerdings kein grosses Problem, zumal unsere westliche Nahrung reichlich Eisen enthält, das wir über die Verdauung aufnehmen können. Und für den Fall, dass der Mensch sich mal verletzt oder anderweitig über Gebühr Blut verliert, ist der Körper mit Eisenspeicherproteinen wie Ferritin und Hämosiderin ausgerüstet, welche schnell verfügbare Eisen-Reserven bereithalten.

Doch auch solche Speicher können leer werden, wenn sie stark oder/und dauerhaft beansprucht werden. Schon die monatliche Menstruationsblutung kann eine erhebliche Zusatzbelastung darstellen. Davon kann auch ich ein Lied singen: Pro 2 ml Blut gehen laut Wikipedia etwa 1 mg Eisen verloren – bei 30 bis 60 ml Blut während eines Menstruationszyklus macht das 15 bis 30 Milligramm, also mindestens einen halben zusätzlichen Monatsverlust innerhalb einer Woche! Und ich blute gefühlt eher 60 als 30 Milliliter je Zyklus. Da ist es kein Wunder, dass meine Eisenspeicher selten gut gefüllt sind.

Und wenn die Speicher leer sind, dann droht Eisenmangel, der im schlimmsten Fall zu einer Blutarmut (Eisenmangel-Anämie) führen kann. Deshalb sind Ratschläge zu einer ausreichenden Eisenzufuhr auch in aller Munde.

 

Wo ist Eisen drin?

Viele denken nun sicher an Nägel und andere Metallteile. Die könnten als Eisen-Lieferanten theoretisch sogar funktionieren, da unsere Magensäure die Atome des unedlen Metalls zu verwertbaren Eisen-Ionen (Fe2+) oxidieren können sollte. Allerdings sind Nägel im Magen wenig bekömmlich und Eisen in solch rauhen Mengen überdies giftig. So sind wir gut beraten, unser Eisen direkt in Form von Eisen-Ionen aufzunehmen.

Und Eisen-Ionen findet man reichlich in Muskelfleisch: Dieses enthält das Protein Myoglobin, welches wie das Hämoglobin im Blut eisenhaltiges Häm enthält, um Sauerstoff von den Blutgefässen in die einzelnen Muskelzellen transportieren zu können.

Auch viele Pflanzen enthalten Eisen – allerdings oft in Form von Fe3+-Ionen, die ausserdem teilweise noch an Kohlenhydrate gebunden sind. Da der menschliche Körper nur mit Fe2+-Ionen etwas anfangen kann, muss er das pflanzliche Fe3+ erst von den Kohlenhydraten los bekommen und zu Fe2+ reduzieren. Eisen über diese Umwege aufzunehmen ist so „mühsam“, dass ein guter Teil davon den Verdauungstrakt ungenutzt wieder verlässt. Physiologen und Ernährungsexperten sagen, es ist „schlecht bioverfügbar“.

Allerdings können auch Pflanzen Ferritin und darin gespeichertes Eisen enthalten – dieses ist deutlich besser bioverfügbar als freies Fe3+.

 

Wie kommt das Eisen in unseren Körper?

Eisen wird vornehmlich im Zwölffingerdarm – also dem ersten Dünndarmabschnitt gleich nach dem Magen – aufgenommen. Dort trifft der stark saure Mageninhalt mit basischen Sekreten zusammen, die die Magensäure neutralisieren. So lange ihre Umgebung sauer ist, lösen sich Fe2+– und Fe3+-Ionen gut in Wasser. Bei neutralem oder basischem pH-Wert tun sich jedoch besonders Fe3+– und OH-Ionen zu unlöslischen Eisen-Hydroxiden zusammen, die nicht vom Körper aufgenommen werden können.

Deshalb müssen Fe3+-Ionen vor der vollständigen Neutralisation aus (pflanzlicher) Nahrung herausgelöst (das geschieht schon im Magen), reduziert und von den Darmzellen aufgenommen werden. Für den letzten Schritt ist ein spezielles Protein zuständig, das zweifach positiv geladene Metall-Ionen (neben Fe2+ auch Zink-, Mangan-, Cobalt- und viele andere nützliche und weniger nützliche Ionen) aus dem Darminhalt in die Zellen pumpen kann. Im Menschen-Darm dient dieses Protein allerdings vornehmlich dem Transport von Eisen.

Wenn dieses Tansport-Protein aus irgendeinem Grund nicht funktioniert (zum Beispiel weil das Gen dafür defekt ist), bleibt nur noch ein effektiver Weg für die Eisen-Aufnahme: Die Aufnahme von kompletten Häm-Molekülen samt darin gebundener Fe2+-Ionen durch dafür geschaffene Transport-Proteine. Und die Häm-Moleküle finden sich wie bereits erwähnt in Muskelfleisch.

Der grosse Vorteil dieses Weges besteht darin, dass das Häm das Eisen vor unerwünschten Reaktionen schützt. Der pH-Wert seiner Umgebung ist dem Häm-Eisen und seinem Transporter damit ziemlich egal. Auch von anderen Stoffen, die die Aufnahme von freiem Eisen behindern können, zeigt das Häm-Eisen sich unbeeindruckt.

 

Was stört bei der Eisenaufnahme? Was hilft?

Eisen-Ionen können mit vielen organischen Stoffen sogenannte Komplex-Verbindungen bilden, in welchen die elektronenreichen organischen Moleküle den positiv geladenen Eisen-Ionen ganze Elektronenpaare „ausborgen“ (mehr zur Komplexbildung könnt ihr bei meiner Grillparty erfahren). Das Ergebnis einer solchen Leihgabe kann so „bequem“ (also energietechnisch günstig) ausfallen, dass diese Komplexe sich nicht ohne weiteres wieder zerlegen lassen. In solch stabilen Komplexen gefangene Eisen-Ionen können damit nicht mehr aufgenommen werden.

Stoffe, die Eisen in schwer löslichen Komplexen „fangen“, sind zum Beispiel

  • Pflanzliche Polyphenole (Hülsenfrüchte, Tannine in schwarzem Tee)
  • Phytate, die Salze der Phytinsäure (Getreide, Nüsse, Hülsenfrüchte)
  • Polysaccharide (also verkettete oder vernetzte Zucker-Moleküle) ausser Stärke (Getreide)
  • Oxalate, die Salze der Oxalsäure
  • Phosphat-Anionen

Wer also seinen Eisenbedarf mit pflanzlicher Nahrung decken möchte, ist gut beraten, Zutaten mit diesen Inhaltsstoffen in eisenhaltigen Mahlzeiten zu meiden (laut der Eisen-Infoseite der Uniklinik Hamburg-Eppendorf kann eine einzige Tasse schwarzen Tees zum Essen fast eine ganze Eisen-Mahlzeit „unbrauchbar“ machen!).

Die Eisenaufnahme fördern kann dagegen Vitamin C (Ascorbinsäure) in der Nahrung. Dieses Vitamin wirkt nämlich reduzierend (weshalb es auch als „Antioxidans“ bekannt ist) – auch auf Fe3+-Ionen, die durch die zeitige Reduktion zu Fe2+-Ionen vor dem „Gefangenwerden“ geschützt werden.

Der sicherste Weg zur effektiven Eisen-Aufnahme führt letztlich über das Häm-Eisen aus dem Myoglobin im Fleisch, das nicht von Komplexbildnern abgefangen und so ohne Verlust mit allem gegessen werden kann.

 

Was tun bzw. essen bei Eisenmangel?

Die genannten Hindernisse machen es schwer, wenn nicht gar unmöglich, entleerte Eisenspeicher durch blosses Essen wieder aufzufüllen. Deshalb können Ärzte Eisenpräparate zum Einnehmen als Nahrungsergänzung verschreiben. Solche Mittel enthalten in der Regel „freie“ oder in leicht zerlegbaren Komplexen gebundene Fe2+-Ionen und oft ein Antioxidans, das die Rolle des Vitamin Cs übernimmt. Damit soll das Eisen bestmöglich bioverfügbar gemacht werden. Gegen die oben genannten „Eisenfänger“ sind jedoch auch solche Nahrungsergänzungsmittel nicht gefeit, sodass sie wirkungslos werden, wenn man sie mit der falschen Begleit-Nahrung einnimmt.

Deswegen wird meist die Einnahme auf nüchternen Magen empfohlen – denn keine Begleitung ist zumindest keine falsche Begleitung. Zudem muss Eisen als Nahrungsergänzung oft über Monate eingenommen werden, bis die Eisenspeicher wirklich wieder aufgefüllt sind. Vegetarier und Veganer sind überdies gut beraten, ihre Eisenreserven im Blick zu behalten und ggfs. dauerhaft Eisenpräparate einzunehmen, da ihnen das Häm-Eisen als wichtige Quelle fehlt.

So kann ich nachvollziehen, dass mein Hausarzt mir und sich die Mühe mit allenfalls mässigen Erfolgsaussichten nicht machen wollte und mir das Eisen direkt ins Blut befördert hat.

 

Rotes Essen zum Erhalt vorhandener Eisen-Reserven?

So lange die Eisenspeicher noch nicht entleert sind und es nur gilt, einen möglicherweise erhöhten Eisenverlust bzw. -bedarf auszugleichen, ist fleischhaltige Nahrung die sicherste Quelle dafür. Denn Fleisch enthält Myoglobin und damit Häm-Eisen – und sieht deshalb in rohem Zustand rot aus. In sofern gibt es beim Fleisch tatsächlich einen Zusammenhang zwischen roter Farbe und Eisengehalt.

Bei rotem Obst und Gemüse dürfte das Zusammentreffen von roter Farbe (die vornehmlich ein Zeichen von Reife ist) und Eisengehalt eher zufällig sein – zumal vorhandenes Eisen noch lange nicht bioverfügbar sein muss!

 

Fazit

Die Aufnahme von Eisen über die Verdauung ist nicht einfach. Am einfachsten wird Häm-Eisen aufgenommen, eine Eisenverbindung, die tatsächlich rot und ein Bestandteil von Fleisch ist.

Die Aufnahme von pflanzlichem Eisen ist komplizierter und wird durch viele andere Pflanzen-Inhaltsstoffe erheblich beeinträchtigt. So enthalten viele als eisenreich geltende Pflanzen (Hülsenfrüchte, Nüsse, Spinat,…) auch Komplexbildner, die das Eisen unbrauchbar machen können – und sind zudem nicht rot.

Dass Erdbeeren, laut meiner einstigen Hausärztin eine gute Eisenquelle, rot sind, ist demnach ein Zufall. Der Mythos, dass rote Pflanzenteile viel Eisen enthalten, könnte darauf zurückgehen, dass Eisen für seine roten Oxide wie Rost oder Hämatit weithin bekannt ist und so mit dieser Farbe in Verbindung gebracht wird.

Und wie steht es um euren Eisenhaushalt? Wie stellt ihr eure Versorgung mit diesem Mineralstoff sicher?

Salz : Würzmittel in vielerlei Gestalt

Warum sagt man, dass Salz nicht gesund ist, wenn man es im Nachhinein zum Nachsalzen am Tisch verwendet? Also man sollte es beim Kochen verwenden? So lautet die Leserfrage, die es heute in die Alltagskiste geschafft hat.

Was ist Salz?

Für das Salz in unserer Suppe kennen wir viele Namen: Kochsalz, Speisesalz, Tafelsalz, Steinsalz, Meersalz, Natursalz,… Hinter allen verbirgt sich am Ende ein Stoff – Natriumchlorid – ein wasserlöslicher Kristall aus Natrium- (Na+) und Chlorid- (Cl) Ionen.

Diese Ionen finden sich in grosser Anzahl in den Meeren oder als Mineral „Halit“ bzw. „Steinsalz“ in der Erdkruste. Wenn man Meerwasser verdunsten lässt oder eindampft, formen die Ionen feste Salzkristalle. Dabei werden jedoch auch „fremde“ Ionen in den Kristall eingebaut, wie sie gerade daher kommen, sodass unbehandeltes Meersalz neben Natrium und Chlorid auch Ionen von Kalium, Magnesium und vielen anderen – theoretisch auch weniger erwünschten – Stoffen enthält. Das Gleiche gilt für Steinsalz-Kristalle aus den Tiefen der Erde: Solche sind nicht selten farbig, was auf Fremd-Ionen hindeutet. Denn reines Natriumchlorid ist farblos bzw. weiss.

Salz - Kristall : Zu weiss für "echtes" Steinsalz

Ein Salzkristall – in etwa so gross wie ein Tischtennisball – aus Natriumchlorid ohne farbgebende Verunreinigungen

Bei der Herstellung von Speise- oder Tafelsalz, wie wir es im Supermarkt finden, werden diese Fremdionen grösstenteils entfernt – solches Speisesalz ist folglich weiss. Dafür werden diesem Salz oft jodhaltige (Iodat, IO3) und manchmal auch Fluorid (F)-Ionen zugegeben. So soll die Versorgung der Bevölkerung mit dem seltenen Spurenelement Jod sichergestellt und ausserdem ein Beitrag zur Karies-Vorbeugung geleistet werden (wie Fluorid das schafft, weiss mein Zahn 16).

Wozu braucht der menschliche Körper Salz?

Natrium- und Chloridionen haben in unserem Körper viele Aufgaben: Nervensignal-Weiterleitung, Knochenaufbau, die Bildung von Magensäure (die enthält Salzsäure, „HCl“ bzw. H+ + Cl !), … am augenscheinlichsten ist aber die Rolle der Ionen im Flüssigkeitshaushalt:

Salz löst sich in Wasser. Wenn man eine konzentrierte und eine dünne Salzlösung so verbindet, dass nur Wasser ausgetauscht werden kann, aber keine Ionen, wandern die Wasserteilchen aus der dünnen in die konzentrierte Lösung, bis sich die Konzentrationen angeglichen haben. Dieses Phänomen wird Osmose genannt – und du kannst es mit Hilfe eines Hühnereis ganz einfach beobachten! Zell-und-Blutgefässwände sind in dieser Weise (fast) nur wasserdurchlässig. So kann die Verteilung des Wassers im Körper über die Zufuhr oder Wegnahme von Natrium- und Chlorid-Ionen in den verschiedenen Bereichen gesteuert werden.

Was passiert, wenn zu viel Salz im Körper ist?

Wenn viel Salz in der Blutbahn ist, strömt das Wasser aus den Zellen in die Blutbahn: Das Volumen der Zellen nimmt ab, während das Blutvolumen zunimmt. Das alarmiert die Nieren, die daraufhin eifrig Salz und Wasser ausscheiden, um den Überschuss loszuwerden. Wir müssen aufs WC – und der Wasserverlust beschert uns Durst. So zumindest die althergebrachte Theorie. Neue Untersuchungen haben jedoch ein bislang nicht beachtetes Detail zu Tage gefördert: Die Entsorgung des vielen Salzes über die Nieren kostet eine Menge Energie – und Energieverbrauch beschert dem Körper vor allem Hunger.

Das eigentliche Problem sind allerdings die prall gefüllten Blutgefässe. Ein dauerhaft erhöhtes Blutvolumen kann nämlich Bluthochdruck nach sich ziehen. Um die schwellenden Gefässe im Zaum zu halten, werden die Gefässwände straff, sodass sich durch Salz im Blut angezogene Wasserteilchen in gleichbleibend engen Gefässen drängen: Der Druck steigt an. Und Bluthochdruck kann wiederum das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen.

Neue Untersuchungen weisen allerdings darauf hin, dass viel Salz im Körper die straffen Gefässe nicht direkt verursacht, sondern vor allem dann zum Problem wird, wenn die Straffung aus anderen Gründen schon vorhanden ist. Ausserdem fällt der Effekt von viel Salz in der Nahrung auf den Blutdruck laut jüngerer Studien, vor allem im Vergleich zu anderen „ungesunden“ Einflüssen, ziemlich gering aus.

Was bewirkt zu wenig Salz?

Wenn sehr wenig Salz in der Blutbahn ist, wandert Wasser aus den Gefässen in die „salzigeren“ Zellen. In der Annahme, dass die Gefässe zu viel Wasser (anstatt zu wenig Salz) enthalten, scheiden die Nieren überdies (fast) nur Wasser aus. Das Signal „zu viel Wasser“ hat ausserdem zur Folge, dass der Mensch keinen Durst empfindet, obwohl er Wassermangel erleidet.

Um so erstaunlicher sind die jüngsten Ergebnisse, die darauf hinweisen, dass auch ein Salzmangel Herz-Kreislauf-Krankheiten begünstigen könnte. Eine Bestätigung dieser Ergebnisse und die Durchleuchtung der Hintergründe stehen allerdings noch aus. In der Salzforschung bleibt somit noch jede Menge zu tun.

Wieviel Salz braucht der menschliche Körper nun?

Ein erwachsener Mensch enthält etwa 150-300 Gramm Salz. Davon gehen täglich 3 bis 5 Gramm (in Extremfällen, wie starkem Schwitzen, Fieber, Stillen,… bis 20 Gramm) verloren, die ersetzt werden wollen.

Die WHO empfiehlt deshalb: bis 5 Gramm täglich – um eine Unterversorgung zu vermeiden, sollten es aber mindestens 2 Gramm täglich sein.

5 Gramm Kochsalz

5 Gramm Salz: So viel sollte ein erwachsener Mensch täglich zu sich nehmen. Die 1-Franken-Münze hat in etwa den gleichen Durchmesser wie eine 1-Euro-Münze.

Letztlich ist aber jeder Mensch anders, sodass die einen je nach äusseren und inneren Umständen mehr, die anderen weniger Salz vertragen. Wirklich einheitliche Vorgaben kann es daher gar nicht geben – jeder muss seine passende Salzmenge finden.

Eines gilt jedoch für jeden Menschen: In extrem grossen Mengen ist Salz wegen seiner Wirkung auf den Wasserhaushalt akut giftig!

Wie nehmen wir Salz auf?

Indem wir es essen (und trinken). Einige Grund- (z.B. Käse, Brot) und viele Fertignahrungsmittel enthalten beträchtliche Mengen Salz. Dazu kommt die Würze beim Kochen und das Nachwürzen bei Tisch (nicht vergessen: Auch Fertig-Würzmischungen enthalten Salz!). In Deutschland nehmen Menschen im Schnitt bis 10 Gramm Salz am Tag zu sich. Das ist das Doppelte dessen, was das Bild auf der Waage zeigt!

Salzen beim Kochen oder bei Tisch?

Das abgewogene Salz auf dem Bild zeigt es deutlich: Im Vergleich zum „versteckten“ Salz in Fertig-Produkten fällt das Würzen in der Regel kaum ins Gewicht, sodass die Frage, ob besser beim Kochen oder am Tisch gesalzen wird, eigentlich obsolet ist.

Warum trotzdem gesagt wird, Salzen am Tisch sei ungesünder? Beim Kochen lässt sich das Salz effektiver einsetzen: Es wird mit dem jeweiligen Gericht vermengt und löst sich in der Regel darin auf. Wenn der Koch dabei gut abschmeckt, bringt er dabei eben so viel Salz zum Einsatz, wie nötig ist, um dem Essen Geschmack zu verleihen. Besonders deutlich wird das, wenn statt dem Essen das Kochwasser gesalzen wird: Pasta oder Eier nehmen beim Kochen einen Teil des Salzes im Wasser auf (auch das ist eine Folge von Osmose) und erhalten so einen dezent herzhaften Geschmack.

Wer ein Ei mit ungesalzenem Wasser kocht und am Tisch nachsalzt, streut das Salz obenauf, isst dann die gesamte Menge mit – und bestreut anschliessend die zweite, immernoch ungewürzte Hälfte des Eis noch einmal mit Salz. Dabei kommt sehr wahrscheinlich mehr zusammen als beim Kochen in gesalzenem Wasser.

Ich selbst salze beim Kochen eher zurückhaltend, denn mein Mann und ich bevorzugen unterschiedlich viel Salz. So kann er am Tisch notfalls nachsalzen – während ich das Salz, was mir zu viel ist, schlecht entfernen kann.

Wie kann man Salz sparen?

Wer wirklich Salz sparen will, bereitet sein Essen folglich am besten aus Grundnahrungsmitteln selbst zu, anstatt auf Fertig-Produkte zurückzugreifen, und salzt dabei dezent (unterschiedlich salzempfindliche Familienmitglieder werden es danken!) – ohne darauf ganz zu verzichten. Und bei Klagen wegen fadem Geschmack: Es gibt viele andere Aromen, die das Essen interessant machen – und die mit weniger Salz mehr Würdigung erfahren können.

Im Übrigen sind Natur- und Spezialsalze nicht „gesünder“ als raffinierte Salze – Salz ist Salz und Osmose ist Osmose. Natursalze enthalten allenfalls ein breiteres Spektrum bzw. eine grössere Menge an Spurenelementen, die dabei helfen können, den Bedarf des Körpers an solchen zu decken. An der Wirkung des Salzes selbst – ob die nun gesund oder ungesund ist – ändert seine Herkunft jedoch nichts.

Und wie handhabt ihr das Salzen eures Essens?

Schon im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele in Brasilien legte sich ein gefürchteter, aber auch nur zu bekannter Schatten solcher Sport-Events über Rio: Der Skandal um staatlich organisiertes Doping in Russland, welcher um ein Haar zum Ausschluss sämtlicher russischer Teilnehmer geführt hätte. Die Diskussion um den Entscheid des IOCs zum Teil-Ausschluss hat hohe Wellen geschlagen – und gar nicht überraschend tauchen neue Meldungen über positive Doping-Proben von Athletinnen aus anderen Nationen auf.

Aber nicht nur im Leistungssport wird gedopt – nicht ums sonst liest sich die Dopingliste der Stiftung Antidoping Schweiz wie eine Beweismittel-Liste bei der Drogenfahndung. Denn auch im Breitensport und besonders im alltäglichen Leben scheint viel zu oft nicht mehr zu genügen, was ein Mensch von sich aus leisten kann. Also wird, wo immer möglich ist, am menschlichen Körper geschraubt und manipuliert…

Den oftmals massiven Gesundheitsgefahren, die das mit sich bringt, sind sich (zu) viele gar nicht bewusst. Diese Geschichte soll einen Einblick darin geben, wie verschiedene zum Doping verwendete Substanzen und Methoden auf den Körper wirken, und welche Gefahren sich daraus ergeben. Denn unsere Körperfunktionen sind so komplex und fein aufeinander abgestimmt, dass daran herum zu schrauben gar nicht gesund sein kann.

Die Schraubenzieher: Womit gedopt wird

Der Chemische Reporter hat eine schöne Kurzübersicht über die wichtigsten Dopingmittel zusammengestellt. Die Stoffe, die sich dort und auf der Dopingliste finden, sind nahezu alle als Medikamente zur Behandlung von Krankheiten entwickelt oder entdeckt worden – um eine Schraube, wenn sie locker ist – wieder anziehen zu können. Auf den gesunden Körper, der keiner „Reparatur“ bedarf, wirken sie jedoch ebenso – sodass eine Leistungssteigerung erzielt werden kann. Aber wie bei einer zu fest angezogenen Schraube, die sich festbeisst, ist eine Verschlimmbesserung dabei geradezu abzusehen.

Never change a running system

Dieser Satz sollte jedem, der sich mit IT-Technik beschäftigt, geläufig sein – insbesondere wenn er oder sie beim „Optimieren“ am Computer schon Erfahrung mit derlei Verschlimmbesserungen gemacht hat. Mehr noch als ein Computer ist jedoch der menschliche Körper ein hochkomplexes System aufeinander abgestimmter Prozesse, und dementsprechend sollte dieser Satz ebenso für unsere Gesundheit gelten. Denn wer daran schraubt, kann letztlich kaum überblicken, was er da tut (für diejenigen, die es trotzdem versuchen wollen, gibt es atemberaubende Karten unserer Stoffwechsel-Wege…).

Ich habe die gemäss Doping-Liste verbotenen Substanzen und Methoden nach Art der Einflussnahme auf den menschlichen Körper sortiert, was grob der Sortierung der „offiziellen“ Doping-Liste entspricht. Denn aus der Art der Einflussnahme ergeben sich auch die Gefahren, die der Missbrauch der jeweiligen Substanz oder Methode mit sich bringt:

 

1. Hormon- und Stoffwechselmodulatoren

Hormone, jene „Botenstoffe“, die von körpereigenen Drüsen produziert und ausgeschüttet werden, um – oft in entfernten Körperregionen – Stoffwechselprozesse in Gang zu setzen, zu stoppen und zu regulieren, sind die Schrauben schlechthin – schliesslich ist das Steuern von Körperfunktionen ihre Hauptaufgabe. Die in der internationalen Dopingliste als „Hormon- und Stoffwechselmodulatoren“ bezeichneten Substanzen sind keine Hormone im eigentlichen Sinne, aber sie verändern die Wirkung von Hormonen, indem sie die Bereitstellung bestimmter Hormone fördern oder hemmen oder mit den Bindestellen, an welchen Hormone ihre Botschaften weitergeben, wechselwirken und die jeweilige Botschaft beflügeln oder aufhalten.

Zu den bekanntesten Substanzen dieser Art zählen:

  • Anabolika: darunter Anabole Steroide und b-2-Agonisten:“Anabole“ Stoffe fördern den Aufbau von körpereigenem Gewebe. Anabole Steroide sind chemische Verwandte des männlichen Geschlechtshormons Testosteron, die fördernd auf den Aufbau von Proteinen und damit von Muskelmasse wirken. b-2-Agonisten haben eine vergleichbare Wirkung, entfalten diese aber fernab vom Geschlechtshormon-Haushalt.
  • Myostatininhibitoren:Das Protein Myostatin limitiert im gesunden Körper das Muskelwachstum – ein Stoff, der diese limitierende Wirkung hemmt, kann somit zu ungezügeltem Muskelwachstum führen.
  • Erythropoetin („EPO“):Dieses Protein kann an sogenannte Vorläuferzellen im Knochenmark binden und diesen die Botschaft „entwickelt euch zu roten Blutzellen“ übermitteln. Die so vermehrt gebildeten roten Blutzellen erhöhen die Sauerstoff-Transportkapazität und somit die Leistungsfähigkeit des Körpers.
  • Beta-Blocker: Hemmen die Wirkung der Stress-Hormone Adrenalin und Noradrenalin und vermindern damit Nervosität, Muskelzittern und weitere Stress-Symptome.
  • Glucocorticoide („Cortison“): Beeinflussen den Zuckerstoffwechsel und hemmen Entzündungsreaktionen, die auch Folge körperlicher Belastung sein können.
  • Insulin: Das Hormon aus der Bauchspeicheldrüse senkt den Blutzuckerspiegel, indem es die Einlagerung von Glucose in das (Muskel-)Gewebe fördert, wo es im Wettkampf (wenn Leistung erforderlich ist) als Energielieferant auf Abruf bereit steht. Ausserdem wirkt Insulin auf den Aminosäure- und Fettstoffwechsel.
  • Meldonium: Ursprünglich als Herz-Medikament entwickelt hemmt Meldonium die körpereigene Herstellung von Carnitin, was eine Anreicherung von dessen Vorstufe g-Butyrobetain „GBB“ zur Folge hat. GBB soll im Falle eines Herzkranz-Gefässverschlusses die Energieversorgung der abgeschnittenen Zellen verbessern – im gesunden Körper kann diese Fähigkeit der Leistungssteigerung dienen. Im Übrigen spielt auch Carnitin eine wichtige Rolle im Energiestoffwechsel und gilt als „Fatburner“ schlechthin, der als (erlaubte) Nahrungsergänzung gerade im Ausdauersport ebenfalls beliebt ist.

 

Modulatoren, die Wachstum von Gewebe fördern, tun dies in der Regel nicht besonders zielgenau. Was also das Wachstum von gewünschten Muskeln oder Blutzellen fördern soll, fördert oft auch das Wachstum ganz anderer Dinge, wie von Gliedmassen (Akromegalie), inneren Organen (Herz und Leber) oder von Krebs-Tumoren – und das unumkehrbar.Für die anabolen Steroide kommt der Eingriff in den Geschlechts-Hormonhaushalt hinzu, der bei Männern zur Ausbildung weiblicher (Brustwachstum!), bei Frauen zur Ausbildung männlicher Merkmale (tiefe Stimme und mehr) und bei beiden Geschlechtern zu weiteren Folgen hormonellen Durcheinanders (Akne!), sowie zu Arterienverkalkung bis hin zum Herzinfarkt führen kann.

Wer Insulin zur Leistungssteigerung verwendet, riskiert einen Abfall des Blutzuckerspiegels, welcher zur Unterversorgung des Gehirns mit Energie mit Bewusstseinsverlust – und im schlimmsten Fall mit Todesfolge – führen kann. Ebenso geht nach hinten los, wenn Typ-1-Diabetiker, deren Körper selbst kein Insulin bereitstellen kann, zur Förderung der Fettverbrennung durch „Hungern“ auf die Zufuhr des Hormons verzichten (in meinen Augen ist Insulinpurging auch eine Form von Alltags-Doping – aber zumindest vergleichbar gefährlich) .

In vielen Fällen bewirkt das Schrauben am Stoffwechsel zudem eine sogenannte „negative Rückkopplung“: Viele Stoffwechselprozesse sind so gestaltet, dass ein reichliches Vorhandensein des jeweiligen Produktes dessen Herstellung ausbremst, während ein Mangel sie ankurbelt. Wird ein Modulator nun von aussen zugeführt, stellt der Körper mitunter die Herstellung desselben oder eines entsprechenden Verwandten ein, was zur Entstehung einer Abhängigkeit beitragen kann.

Einen weiteren Beitrag zu einer Abhängigkeit von solchen Dopingmitteln „leisten“ psychische Veränderungen, die mit dem Schrauben am Hormonhaushalt einher gehen und von Libido-Verlust über gesteigerte Aggressivität bis hin zu schweren Erkrankungen wie Depressionen erstrecken können.

 

2.Stimulanzien

Aufputschmittel aller Art sind (leider) in vielen Lebensbereichen Gang und Gäbe. Sie fördern die Bereitstellung von Energie, die für körperliche oder/und geistige Leistung verwendet werden kann, oder heben gar natürliche Grenzen der Energiebereitstellung („Erschöpfung“) auf.

Das vielleicht bekannteste Stimulans – Koffein – ist so alltäglich, dass es nicht verboten ist. Zu dieser Stoffgruppe gehören jedoch auch bekannte Drogen, z.B. Amphetamine wie Ecstasy, Kokain und Medikamente wie Ephedrin und Methylphenidat, oder das hochgiftige Strychnin.

 

Unser Stoffwechsel ist mit „Sicherheitsmechanismen“ ausgestattet, die verhindern, dass mehr Energie aus seinen Speichern bereitgestellt wird, als der Körper regenerieren könnte. Das macht sich bemerkbar, indem wir „müde“ werden, wenn die so festgelegten Untergrenzen erreicht werden. Aufputschmittel hebeln diese Sicherheitsvorkehrungen aus, sodass die Energiespeicher mehr oder minder nach Belieben geleert werden können. Das ermöglicht eine höhere oder anhaltendere Leistungsfähigkeit – im Sport, im Arbeitsalltag oder auch beim „Partymachen“ ebenso wie die vollständige Ausbeutung der körpereigenen Energiereserven bis zur tödlichen Erschöpfung.

Ein anhaltender Wach- oder gar Erregungszustand wird anfangs oft als positiv empfunden, zieht auf Dauer aber schwerwiegende psychische Beeinträchtigungen bis hin zur Abhängigkeit und eine erhebliche Belastung des Herz-Kreislauf-Systems nach sich.

 

3. Narkotika

Starke Schmerzmittel – im Wettkampf verboten sind solche aus der Gruppe der Opioide – vermindern oder unterbinden gar die Schmerzwahrnehmung, die mit starker körperlicher Belastung einhergehen kann. Und wenn der Kontakt mit dem Turngerät oder dem Gegner im Kampfsport, wie auch strapazierte Muskeln im Ausdauersport weniger weh tun, geht es um so akrobatischer, unbezwingbarer oder einfach andauernder zu und her. Zu den Opioiden zählen bekannte Medikamente wie Morphin und Codein, aber auch das als Droge verbreitete Heroin.

 

Auch das Empfinden von Schmerz ist ein Sicherheitsmechanismus unseres Körpers: Was wehtut, veranlasst uns zur sofortigen Änderung möglicherweise gefährlicher Umstände – ob durch reflexartiges Zurückweichen von einer Hitzequelle, Ausruhen bei schmerzenden Muskeln oder Ruhigstellen eines verletzten Körperteils. Die Einnahme von Opioiden vor einem Wettkampf hebelt die schützende Funktion von Schmerzen aus und vermindert überdies die geistige Aktivität, sodass eine Warnung vor drohender Erschöpfung oder folgenschwerer Verletzungen womöglich „ungehört“ bleibt.

Davon abgesehen wird der „in Watte gepackte“ Zustand nach Konsum von Opioiden, in welchem auch Ängste und Probleme verdrängt werden, zunächst als angenehm empfunden und schnell zur Gewöhnung. Dementsprechend schnell stellt sich eine starke Abhängigkeit von solchen Wirkstoffen ein, während der verstärkte Konsum mit schwerwiegenden psychischen Folgen, Apathie, Bewusstseinsstörungen und im Falle einer Überdosis zu Atemlähmung und Kreislaufschock führen kann.

 

4. Blutdoping

Eher eine Methode, denn eine Substanz: Durch Transfusion von eigenem oder Spenderblut oder Blutersatzstoffen soll das Gleiche erreicht werden wie durch die Zufuhr von EPO: Eine Erhöhung des Anteils roter Blutzellen im Blut, die dann um so mehr für körperliche Leistung notwendigen Sauerstoff transportieren können.

 

Ebenso wie beim Missbrauch von EPO zur vermehrten Neubildung von roten Blutzellen kann die Transfusion derselben die Fliesseigenschaften des Blutes zu Ungunsten des Anwenders verändern: Je mehr sperrige rote Zellen das Blut enthält, desto „dickflüssiger“ ist es, und desto schwieriger gelangt es durch enge Blutgefässe hindurch: Es besteht die Gefahr der Entstehung von Thrombosen (Blutgerinnseln) oder Embolien (Blockade eines Blutgefässes durch einen Pfropf). Ein Hämatokrit (also Anteil der (roten) Blutzellen am Gesamtblutvolumen) von 60% und mehr gilt als ernsthaft gesundheitsgefährdend.

Darüber hinaus birgt Blutdoping alle Risiken, die auch mit anderen Transfusionen einher gehen: Infektionen durch unsachgemäss gehandhabte oder gelagerte Konserven oder durch Erreger wie HIV oder Hepatitis-Viren in Fremdblut.

 

5. Diuretika und andere Maskierungsmittel

Diuretika führen zu einer teilweise stark vermehrten Ausscheidung von Flüssigkeit über die Nieren. Das kann dienlich sein, um im Vorfeld von nach Gewichtsklassen eingeteilter Wettkämpfe kurzfristig an Gewicht zu verlieren und als leichter klassifiziert zu werden, oder um andere Substanzen, die nicht gefunden werden sollen, aus dem Körper zu schwemmen.

Eine andere Möglichkeit zur Maskierung stellt die Erhöhung des Blutvolumens durch Infusion von „Plasmaexpandern“ – das sind Stoffe, die nicht durch die Blutgefässwände dringen können – was zur Folge hat, dass dem osmotischen Druck folgend Wasser aus dem umgebenden Gewebe in die Blutgefässe verlagert wird. Auf diese Weise kann der Erhöhung des Hämatokrits durch Blutdoping oder EPO oder den Folgen von Flüssigkeitsverlust beim Ausdauersport entgegengewirkt werden.

 

Der schnelle Flüssigkeitsverlust, der durch Diuretika herbeigeführt werden kann, bringt den Wasser- und Salzhaushalt des Körpers durcheinander, mit allen Folgen einer Dehydrierung: Blutdruckabfall, Herzrhythmusstörungen, Kreislaufschock und die Risiken eines erhöhten Hämatokrits. Die Ausscheidung all der Flüssigkeit über die Nieren kann zudem diese Organe in Mitleidenschaft ziehen.

Plasmaexpander wirken dem zwar entgegen, entziehen das dazu nötige Wasser jedoch dem umliegenden Körpergewebe, sodass das Problem Flüssigkeitsmangel damit nicht behoben, sondern allenfalls verschoben wird.

 

6. Gen-Doping

Stoffwechsel-Modulatoren, die dem Körper von aussen zugeführt werden, sind verboten – solche, die der Körper selbst herstellt, logischerweise nicht. Was wäre also, wenn man den Körper anleiten könnte, die gewünschten Substanzen selbst herzustellen? Die Rezepte und Gebrauchsanweisungen für all unsere Stoffwechselschritte sind in unseren Genen hinterlegt – und die Gen-Technologie erlaubt uns mittlerweile, diese Rezeptsammlung zu editieren – beispielsweise ein Gen für ein leistungsförderndes Protein hinzuzufügen oder die Herstellungsrate für ein natürlich vorgesehenes Protein zu erhöhen oder zu senken. Als „Gentherapie“ zur Korrektur von Defekten, die zu Erbkrankheiten führen, ist das eine tolle Sache – und zur permanenten Leistungssteigerung ohne Einnahme von Substanzen verlockend…

Das klingt im ersten Augenblick nach  Khan Noonien Singh und seinen genetisch aufgewerteten-Kollegen aus Star Trek – aber so weit ist man (zum Glück) noch nicht. Zum einen ist die vorgeburtliche Ausstattung von Menschen mit leistungsförderlichen Merkmalen (noch) nicht möglich, zum anderen steckt auch die Korrektur unseres Erbguts mittels „Gentherapie“ noch in den Kinderschuhen, sodass sie mit Fehleranfälligkeit und begrenzten Erfolgschancen einher geht. Dennoch ist die Verlockung so gross, dass Gen-Doping dieser Art bereits seit einigen Jahren als verbotene Methode auf der Dopingliste steht.

Da die Gen-Therapie heutzutage noch nicht ausgereift und Gen-Doping illegal ist, sind die Risiken dieser Methode vielfältig. Sie reichen von verunreinigtem oder minderwertigem Material aus dem „Hinterhof-Labor“, mangelnder Betreuung, unerprobten Behandlungen über das Risiko von Unverträglichkeiten gegenüber den eingesetzten „Gen-Fähren“ (zum Beispiel Viren, die genetisches Material in das Erbgut des Empfängers einfügen sollen) bis dahin, dass das Ergebnis der Veränderung nicht das Ewünschte, sondern vielmehr eine Beeinträchtigung ist. Denn eine einmal erfolgte „Gen-Therapie“ ist mit heutigen Mitteln nicht rückgängig zu machen.

 

Fazit

Doping – das Schrauben am Stoffwechsel – gefährdet massiv und oft unwiderruflich die Gesundheit. Und nicht nur die von Spitzensportlern, sondern auch all die all jener, die im Breitensport wie beim Krafttraining oder im Berufs- oder Ausbildungsalltag darauf zurückgreifen. Darüber hinaus machen viele dieser Dopingmittel schnell abhängig und sind nicht umsonst als „Drogen“ berüchtigt. Selbst „einmal ausprobieren“ ist also häufig mit erheblichem Risiko verbunden.

Dass unsere Gesellschaft uns zunehmend Leistungen abverlangt, die derart jenseits der menschlichen Leistungsfähigkeit liegen, dass Doping-Mittel und -methoden immer weitere Verbreitung finden, gibt mehr sehr zu denken. Nicht zuletzt, weil auch ich in der Zeit um mein Abitur eine Substanz von der Doping-Liste aus medizinischen Gründen verordnet bekommen habe und mich heute verunsichert frage, ob meine Diagnose damals wirklich gerechtfertigt oder letztlich ein Produkt unserer Leistungsgesellschaft war.

Das Medikament nehme ich übrigens seit bald 10 Jahren nicht mehr und stelle mir heute mehr denn je die Frage: Was können wir – jede/r einzelne – gegen diese bedenkliche Höher-Schneller-Weiter-Tendenz in unserer Gesellschaft tun?

Ich habe in den letzten Jahren zwei Dinge gelernt:

  1. Setze bei dem, was du tust, auf deine eigenen Gaben und Leidenschaften (Stärken hat jeder – die Kunst ist, sich derer bewusst zu werden).
  2. Erkenne deine eigenen Leistungen als solche an. Und das gilt vor allem für die kleinen! Denn was für den Einen vielleicht selbstverständlich ist, kann für den anderen eine Leistung sein – und darf, nein sollte gefeiert werden.

 

Denn wer mit sich selbst zufrieden ist, ist bestens dafür gerüstet, unmenschliche Messlatten links liegen zu lassen und – hoffentlich – kollektiv die Bremse zu ziehen. Je mehr wir Mensch sein dürfen, desto leichter wird es uns fallen, Mensch zu sein – gesund und ohne Gift.

Und ihr? Habt ihr schon Erfahrung mit Doping – in welcher Form auch immer – gemacht? Wie steht ihr zur heutigen Leistungsgeselllschaft?

Feuerwerk - Tradition oder Umweltsünde?

Der Legende nach gründeten Vertreter der drei Ur-Kantone Schwyz, Uri und Unterwalden am 1. August 1291 die Eidgenossenschaft, aus welcher sich die heutige Schweiz entwickelt hat. Deshalb wird der „Geburtstag der Schweiz“ jedes Jahr mit einem Nationalfeiertag voller Bräuche und Traditionen begangen.

Eine dieser Traditionen scheidet jedoch selbst in der Schweiz, ebenso wie an Silvester in Deutschland, Österreich und anderen Ländern, die Geister: Das Feuerwerk. Ähnlich wie zum Jahreswechsel in den Nachbarländern (aber auch in der Schweiz selbst), brennen die Schweizer am Abend ihres Nationalfeiertags traditionell im privaten Rahmen Feuerwerk ab. Im Unterschied zu Silvester jedoch nicht vornehmlich innerhalb von 15 bis 30 Minuten nach Mitternacht, sondern über den ganzen Abend verteilt.

Umso mehr Zündstoff liefert dieses Geburtstagsfeuerwerk auch Tierbesitzern, Lärmempfindlichen oder Atemwegserkrankten, für welche Tage wie diese nicht selten zur Belastung werden. Um den Bedürfnissen sowohl der Anhänger der Tradition als auch der Belasteten gerecht zu werden, hat das Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU) reichlich Zahlen und Studien rund um Feuerwerk und seine Auswirkungen auf die Umwelt gesammelt, die auch Grundlage für diese Geschichte um die Chemie in Feuerwerkskörpern und ihre Bedeutung für die Umwelt sind.

 

Eine Schweizer Tradition: Zahlen zum Feuerwerk – nicht nur am Nationalfeiertag

Das BAFU schätzt, dass in der Schweiz in jüngeren Jahren (2009 bis 2013) jährlich rund 2000 Tonnen Feuerwerkskörper zum Einsatz kommen – der Löwenanteil davon am 1. August und an Silvester. Dabei besteht solch ein Feuerwerkskörper jedoch zu rund 75% aus Hüllenmaterial, also Pappe, Papier, Ton oder Kunststoff, sodass tatsächlich „nur“ 500 Tonnen eigentliches Feuerwerksmaterial (pyrotechnische Sätze) abgebrannt werden.

Die Hälfte davon, also rund 250 Tonnen, machen Treibladungen aus Schwarzpulver aus, die andere Hälfte sogenannte Effekt-Ladungen, welche unter anderem verschiedene Metalle zur Erzeugung farbenfroher Leuchterscheinungen enthalten.

 

Wie funktioniert ein Feuerwerkskörper/eine Rakete?

Feuerwerks-Rakete

Die klassische zylindrische Feuerwerks-Rakete ist „zweistufig“ aufgebaut: Die untere Stufe enthält Schwarzpulver als Treibladung sowie die Anzündung („Lunte“).

Schwarzpulver ist ein Gemisch, in der Regel aus 75% Kaliumnitrat (KNO3), 15% Holzkohlepulver (Kohlenstoff) und 10% Schwefel. Bei Zündung zersetzt sich das Kaliumnitrat und liefert in der von der Aussenluft abgeschlossenen Treiberhülse reichlich Sauerstoff für die Verbrennung der übrigen Komponenten. Dabei entstehen rasch grosse Mengen verschiedener Gase, die durch die Düse gebündelt nach unten austreten und die Rakete mittels Rückstoss in die Luft befördern. Der Leitstab sorgt dabei für eine ruhige Flugbahn der Rakete.

Schwarzpulver in „natürlicher“ Umgebung enthält immer etwas Feuchtigkeit (Wasser, H2O). Beim Entzünden des Gemischs entstehen aus einer kleinen, kompakten Menge von Feststoffen eine grosse Menge von Gasteilchen (Stickstoff – N2, Kohlenstoffdioxid – CO2, Kohlenstoffmonoxid – CO – reagiert mit Sauerstoff weiter zu CO2, Methan – CH4, Schwefelwasserstoff – H2S, Wasserstoff – H2 – reagiert mit Sauerstoff weiter zu Wasserdampf, H2O), die von Natur aus Platz einnehmend und mit hoher Bewegungsenergie (entspricht Wärme!) auseinanderstreben.

Der wesentlich kleinere Anteil der Reaktionsprodukte sind feste Salze (Kaliumcarbonat – K2CO3, Kaliumsulfat – K2SO4, Kaliumsulfit – K2SO3, Kaliumsulfid – K2S, Kaliumthiocyanat oder -rhodanid – KSCN (im Übrigen wie alle anderen genannten Feststoffe ungefährlich), Ammoniumcarbonat – (NH4)2CO3, und Reste von Kohle – 〈C〉 und Schwefel – 〈S〉, die zur Entstehung von Rauch beitragen.

Die schnelle Freisetzung von Gasen verleiht Sprengstoffen wie dem Schwarzpulver ihre Sprengkraft. Triebkraft des Ganzen ist jedoch das Streben der beteiligten Stoffe nach Redox-Reaktionen, also dem Austausch von Elektronen: Bestandteile des Schwarzpulvers wie Kohlenstoff und Schwefel werden oxidiert – sie geben Elektronen an Sauerstoff ab, welcher mit der Aufnahme dieser Elektronen reduziert wird. Vergleichbares geschieht beim Rosten von Eisen und ist in der Geschichte zur Rostparade genauer beschrieben – nur um vieles gemächlicher als bei einer Sprengstoff-Explosion.

 

Während des Flugs verhindert die Trennladung eine vorzeitige Zündung der zweiten Stufe durch das verbrennende Schwarzpulver. Erst die Überzündung im oberen Teil der Treiberhülse ermöglicht nach dem Ausbrennen der Treibladung die Zündung der Zerlegerladung, welche die zweite Stufe der Rakete – die Effekthülle samt Effektladung – auseinander sprengt. Die dabei gezündete Effektladung leuchtet, während sie auseinandergerissen wird, farbig auf und erscheint uns für wenige Sekunden als bunte Sternenkaskade am Himmel.

Damit das funktioniert, enthält die Effektladung ihrerseits sauerstoffliefernde Stoffe, also Nitrate (wie Kaliumnitrat – KNO3) oder/und Perchlorate (wie Kaliumperchlorat – KClO4), und Metalle, die sehr hell und sehr heiss verbrennen – also Magnesium oder Aluminium, oder beide als Legierung „Magnalium“.

Die Verbrennung dieser Metalle geht mit Temperaturen bis 2000°C (!) einher. In einem solchen Inferno können chlorhaltige organische Verbindungen, wie der bekannte Kunststoff Polyvinylchlorid (PVC), Chlor-Atome abgeben, die mit den farbgebenden Metallen neue Verbindungen bilden, welche angeregt von der in den explosionsartigen Reaktionen freigesetzten Energie farbig  am Himmel leuchten (wie das Leuchten vor sich geht, erzählt die Geschichte um Farben, Licht und Glanz).

Dabei gibt zum Beispiel Barium grünes Licht, Strontium rotes, Kupfer blaues und Natrium orangegelbes Licht. Und ebenso entstehen im Feuer der Raketen-Explosion zahlreiche Nebenprodukte.

 

Welche Gefahren gehen von Feuerwerkskörpern aus?

Für Menschen:

Unfall-/Verbrennungsgefahr

Feuerwerkskörper brennen sehr, sehr heiss (wie bereits erwähnt mit bis zu 2000°C – während selbst ein guter Pizzaofen gerade einmal etwa 400°C zustande bringt): Das ist notwendig, um die gewünschten Leuchteffekte zu erzeugen. Deshalb gibt es zu Feuerwerkskörpern, die den Vorgaben der EU entsprechen, stets eine Bedienungsanleitung, die ausweist, wie sie zu handhaben sind, damit man sich verbrennt oder schlimmere Verletzungen erleidet. Deshalb gehören Feuerwerkskörper, vor allem solche mit Leuchteffekt, ebenso wenig in die Hände von (unbeaufsichtigten) Kindern wie in vollbesetzte Fussballstadien – denn auch die als „Pyros“ berüchtigten bengalischen Feuer erreichen derart hohe Temperaturen, bei denen nahezu alles zerstört wird, was man in einem Station finden kann: Menschen, Kleidung, Kunststoffe und vieles mehr. So stellen  Feuerwerkskörper gerade im dichten Gedränge eine erhebliche Verletzungsgefahr dar!

Gehörschädigungen

Feuerwerkskörper sollen laut sein – die Bedienungsanleitung gibt an, wie sie zu verwenden sind, damit sie nicht zu laut werden (Abstand einhalten!): Trotzdem können schnell Grenzwerte überschritten werden – wie Messungen zeigen auch bei Grossfeuerwerken von professionellen Feuerwerkern. Gehörschutz ist daher für Feuerwerker – professionelle wie private dringend, für ihre Zuschauer aber ebenfalls empfohlen. Ich selbst trage bei Grossfeuerwerken, die ich im Freien beobachte, auch wenn sie scheinbar weit entfernt auf Booten auf dem Zürichsee gezündet werden, stets Ohrstöpsel.

Belastung durch Chemikalien: Feinstaub!

Die aus der Sicht des BAFU einzig beachtenswerte Belastung mit Chemikalien aus Feuerwerkskörpern ist die kurzfristige Erzeugung von Feinstaub beim Abbrennen: Aus den 500 Tonnen jährlich verfeuerter pyrotechnischer Sätze werden schätzungsweise rund 360 Tonnen der Sorte Feinstaub, die in unsere Lungen gelangen kann (PM10 genannt) , freigesetzt (bis in unsere Lungenbläschen gelangt davon wiederum ein Bruchteil). Das klingt nach viel, erscheint aber weitaus nebensächlicher, wenn man die Menge dieses Feinstaubs dagegen stellt, die während eines Jahres insgesamt in der Schweiz durch Strassenverkehr und andere Quellen erzeugt wird: 19’000 Tonnen! Der eher kleine feuerwerksbedingte Anteil daran wird jedoch vornehmlich in zwei Nächten freigesetzt: Am Abend des 1. Augusts und in der Silvesternacht. So wird es nicht verwundern, dass in den 24 Stunden rund um ebendiese Nächte in besiedelten Gebieten die vorgeschriebenen Grenzwerte für den Feinstaubgehalt der Luft überschritten werden. Das wiederum kommt allerdings auch an anderen Tagen ziemlich häufig vor – in allen Gebieten der Schweiz bis auf das sehr dünn besiedelte Hochgebirge mindestens 5, in städtischen Gebieten bis zu 30 mal im Jahr.

So stellt der Feuerwerks-Feinstaub denn auch für gesunde Menschen keine nachweisbare Belastung der Atemwege dar. Anders sieht das bei Menschen mit bereits bestehenden Atemwegs- (zum Beispiel Asthma!) oder auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus: Unter solchen wurden in und unmittelbar nach Feuerwerksnächten (zusätzliche) Beeinträchtigungen der Lungenfunktion nachgewiesen und Fälle von akuten Beschwerden nach Umgang mit Feuerwerkskörpern registriert. Das BAFU empfiehlt daher Menschen mit solchen Erkrankungen, die direkte Begegnung mit Feuerwerksrauch zu vermeiden.

 

Was die Vielzahl von chemischen Verbindungen betrifft, die bei einem Feuerwerk freigesetzt werden (dazu zählen neben den Salzen verschiedener Schwermetalle diverse Verbrennungsgase sowie organische Verbindungen – die bedenklichen unter diesen werden von Umweltchemikern gern als „VOC“, „volatile organic compounds“ zusammengefasst):

Die allermeisten dieser Stoffe gelangen aus anderen Quellen in unserer technisierten Welt in wesentlich grösserem Umfang als durch Feuerwerk in unsere Umgebung, sodass eine Feuerwerksnacht in Sachen Belastung damit kaum ins Gewicht fällt. Überdies dürfen die hier verwendeten Feuerwerkskörper besonders giftige Schwermetalle – Blei, Arsen, Quecksilber, aber auch Cadmium – gar nicht enthalten (man findet sie darin auch nur in Spuren, wenn überhaupt, die als Verunreinigungen geduldet werden). Dementsprechend sind Quellen für die Belastung von Menschen mit Schwermetallen und anderen Stoffen wohl anderswo zu  suchen als im Feuerwerk.

 

Für Tiere:

Ein Feuerwerk hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf Menschen – die Tiere in seiner Umgebung sind mindestens ebenso davon betroffen:

Gehörschädigungen

Die meisten Wirbeltiere haben einen Hörsinn, das heisst Ohren, wie wir Menschen, auch wenn man diese – wie bei Vögeln – nicht immer sieht. Und dieser Hörsinn kann ebenso Schaden nehmen wie der unsere. Zudem ist der Hörsinn vieler Tiere – auch unserer Haustiere – um Vieles empfindlicher als menschliche Ohren.

Folgen von Schreckreaktionen

So können unsere Tiere nicht nur ebenso wie wir Hörschäden in Form von Ohrgeräuschen oder Taubheit erleiden, sondern auch durch die knallenden Geräusche eines Feuerwerks erschrecken oder gar in Panik geraten und blindlinks flüchten – im schlimmsten Fall direkt vor ein fahrendes Auto oder in einen Abgrund. Haustierbesitzern wird daher empfohlen, ihre Tiere vor und während Feuerwerks-Nächten im Haus zu behalten und ihnen eine schallgeschützte Zuflucht zu bieten.

Wildtiere, zum Beispiel Wasservögel, die keine menschliche Behausung als Zuflucht haben, werden nicht selten von Feuerwerk vertrieben und lassen sich erst Wochen nach dem Ereignis wieder an ihren angestammten Plätzen blicken. Daher empfiehlt das BAFU, bei der Planung von Feuerwerk im Rahmen von Veranstaltungen stets auch einen Tierschutz-Experten mit einzubeziehen.

 

Welche Feuerwerkskörper sind in der Schweiz (bzw. in der EU) zugelassen?

  • Das Schweizerische Sprengstoffgesetz und die Sprengstoffverordnung, welche Anweisungen zur Umsetzung dieses Gesetzes enthält, sind der EU-Richtlinie 2007/23/EG angepasst, sodass in den EU-Staaten, unter anderem Deutschland und Österreich, vergleichbare Regeln gelten werden: Feuerwerkskörper dürfen in Verkehr gebracht werden, wenn sie den Sicherheitsvorgaben der EU-Richtlinie entsprechen, einer der 4 Kategorien zugeordnet werden können und den Regeln entsprechend gekennzeichnet sind (Bedienungsanleitung!).
  • Die hochgiftigen Schwermetalle Blei, Arsen und Quecksilber und ihre Verbindungen sowie der organische Chlorlieferant Hexachlorbenzol (HCB) sind als Inhaltsstoffe verboten. Ausserdem dürfen Feuerwerkskörper keine Stoffe enthalten, die gemäss dem Chemikaliengesetz verboten sind.
  • Knallkörper am Boden sind verboten (ausgenommen ist Kleinfeuerwerk der Kategorie 1).
  • Die Kantone können weitere Bedingungen stellen und den Verkauf bzw. Gebrauch von Feuerwerk auf bestimmte Anlässe/Tage limitieren
  • Die 4 Kategorien sind:
    • 1: Feuerwerkskörper, die eine sehr geringe Gefahr darstellen und vernachlässigbar laut sind: z.B. Knallteufel, „Frauenfürze“ (Ladycrackers), Tischfeuerwerk. Die Abgabe ist an Personen ab 12 Jahren erlaubt.
    • 2: Feuerwerkskörper, die eine geringe Gefahr darstellen, wenig laut sind und in eingegrenzten Bereichen draussen abzubrennen sind: Vulkane bis 250g Nettoexplosivmasse (NEM), Raketen bis 75g NEM, Römische Fackeln bis 50g NEM. Die Abgabe ist an Personen ab 16 Jahren erlaubt.
    • 3: Feuerwerkskörper, die eine mittlere Gefahr darstellen, draussen im Freien abgebrannt werden müssen, und deren Lärm bei sachgemässer Verwendung nicht gefährlich ist:  Raketen bis 500g NEM, Batterien bis 1000g NEM, Vulkane bis 750g NEM. Die Abgabe ist an Personen ab 18 Jahren erlaubt.
    • 4: Feuerwerkskörper, die eine grosse Gefahr darstellen und daher nur von Inhabern eines Verwendungsausweises ab 18 Jahren – also Profi-Feuerwerkern – verwendet werden dürfen. Solche Feuerwerkskörper sind nicht im freien Handel erhältlich und können nur von Inhabern eines Erwerbsscheins oder einer Abbrandbewilligung bezogen werden: Darunter fällt alles, was die Beschränkungen für Kategorie 3 übersteigt.

(Quelle: Kantonspolizei St.Gallen)

 

Fazit:

Feuerwerkskörper enthalten eine wahrhaft explosive Mischung der verschiedensten Stoffe, die gemeinsam zu wunderschönem – aber geräuschvollem Farbenspiel am Himmel und am Boden führen können. Wie bei vielen unserer technisierten Vergnügungen scheiden sich auch beim Feuerwerk die Geister: Tradition und bestaunenswerter Lichterzauber stehen gegenüber Belästigung oder gar Belastung durch Lärm, Rauch und Chemikalien.

Ich persönlich liebe das Spiel von Licht und Farben am Himmel, kann jedoch auf die Knallerei gut und gern verzichten. So kann ich die Argumente von Traditionsanhängern und Lärmemfindlichen oder Tierbesitzern gleichermassen nachvollziehen. Definierte Abbrandzeiten (bei Grossfeuerwerken und an Silvester weitgehend gegeben) und eine rechtzeitige Vorbereitung (Haustiere einsperren, Gehörschutz zur Hand haben) sollten in meinen Augen einen für beide Seiten vertretbaren Kompromiss ermöglichen.

Jene Kommentare von Tierbesitzern und -freunden auf sozialen Medien oder im Schnellzug, die ich unmittelbar nach dem eben erst begangenen 1.August 2016 zu lesen und zu hören bekam, lassen jedoch vermuten, dass die mir eigentlich sympathische und kompromissförderliche Gesetzgebung der Schweiz in Sachen Feuerwerk leider reichlich Beugung oder gar Umgehung erfährt.

Dabei gefährden jene, die Feuerwerkskörper unsachgemäss verwenden oder gar illegale, ungeprüfte „Polen-Böller“ aus Osteuropa oder anderen Quellen abbrennen, nicht nur ihre Umgebung, sondern vor allem sich selbst. Denn die Energiemengen, die bei der Explosion von Feuerwerkskörpern in Form von Hitze und Schall freigesetzt werden, sind enorm. Und enorme Energiemengen können enormen, nicht wieder gut zu machenden Schaden anrichten.

Was die Chemikalien betrifft, die in Feuerwerk Verwendung finden oder beim Abbrennen entstehen, weckt nicht das Feuerwerk als solches meine Bedenken, sondern der Umstand, dass einige jener Inhaltsstoffe und Produkte des Feuerwerks, die wir nicht gern in unserer Umwelt wissen, so reichlich aus anderen menschlichen Quellen eben da hineingetragen werden, dass der Beitrag durch privates Feuerwerk dazu in den meisten Fällen nicht mehr sonderlich ins Gewicht fällt.

Alles in allem plädiere ich für Kompromissbereitschaft und gegenseitige Rücksichtnahme, ob am 1. August oder in der Silvesternacht – denn nur so können wir alle einen entspannten Feiertag verbringen.

Und wie steht ihr zum Feuerwerk? Brennt ihr selbst welches ab? Beobachtet ihr lieber, oder seid ihr mit euren Tieren beschäftigt? Habt ihr auch das Gefühl, dass das Feuerwerk sich hin zur Knallerei verändert? Ich freue mich über eure Kommentare!

Chemie im Osternest: Ostereier und Farbstoffe

Der Frühling kommt unaufhaltsam, und mit ihm rücken die Ostertage immer näher. Nach dem grauen Winter gibt es wohl kaum jemanden, der sich nicht nach dieser hellen Zeit voller Farben sehnt: Sonne, Frühlingsblumen, bunte Eier… doch bis es soweit ist, und wir uns an den Farben freuen können, steht noch Arbeit an. Im Supermarkt gibt es reichlich Hilfsmittel im Angebot, unter anderem eine breite Palette von Färbemitteln für die Eier. Das verspricht Mal- und Bastelspass für Gross und Klein!

Als ich mir die Packungen – bei den beiden bekanntesten Schweizer Grossverteilern von einem deutschen Hersteller – genauer ansah, war jedoch zunächst einmal meine Chemiker-Neugier geweckt: Das Verzeichnis der Inhaltsstoffe bestand durchweg aus einer umfangreichen Liste von E-Nummern. Nun, die sind für sich erst einmal nichts schlimmes, sind doch einer ganzen Reihe nützlicher und gesunder Substanzen – beispielsweise vielen Vitaminen – E-Nummern zugeordnet, die als Kurzschreibweise die gesetzliche Kennzeichnungspflicht auf kleinstmöglichem Raum erfüllen. Hier jedoch beschlich mich ein Verdacht. Und da ich kein wandelndes E-Nummern-Lexikon bin, habe ich die Zahlensammlung rasch ins Smartphone abgetippt, um sie später in Ruhe nachzuschlagen.

Und ich sollte recht behalten: Die Liste hält eine wahre Fülle synthetischer Farbstoffe bereit, die auf den ersten Blick klangvolle, optimistische Namen haben:

  • E 104 Chinolingelb
  • E 110 Gelborange S
  • E 122 Azorubin
  • E 124 Cochenillerot A
  • E 131 Patentblau V
  • E 132 Indigotin
  • E 133 Brilliantblau FCF
  • E 142 Grün S
  • E 151 Brilliantschwarz BN

All diese Stoffe sind organische Verbindungen, und die Stoffklassen, welchen sie angehören, sind mir (und wohl jedem anderen Chemiker) aus dem Studium wohlbekannt: Zu den sogenannten Triphenylmethan-Farbstoffen zählen viele bekannte Indikatoren, zum Beispiel das Phenolphthalein, aber auch Patentblau V, Brilliantblau FCF und Grün S (E 131, 133 und 142). Einen Vertreter der sogenannten Azofarbstoffe, zu welchen E 110, E 122, E124, E 132 und E 151 zählen, habe ich einst sogar selbst im Labor synthetisiert. Dabei sind mir als sicherheitsbewusster Chemikerin neben den strahlenden Farben besonders diese Eigenschaften dieser Stoffe in Erinnerung geblieben: giftig, potentiell krebserzeugend, überaus wasserlöslich und damit im Handumdrehen überall verteilt. Und sowas sollte für Lebensmittel zugelassen sein?

Aber welche organischen Verbindungen sind eigentlich farbig? Kann man Farbstoffe nach Wunsch „erfinden“? Und wie gesundheitsschädlich sind die synthetischen Ostereier-Farben wirklich? Sollte man sie meiden?

 

Welche organischen Moleküle sind farbig?

Unser Eindruck von Farbigkeit organischer Stoffe entsteht genauso wie bei allen anderen Stoffen auch. In „Farben, Licht und Glanz – Wie die Welt uns bunt erscheint“ habe ich bereits vom Aufbau der Elektronenhülle von Atomen erzählt, innerhalb welcher Elektronen von Etage zu Etage „umziehen“ können, indem sie Licht mit einer genau passenden Wellenlänge schlucken. Was dann vom einstmals weiss erscheinenden Gemisch aller Licht-Wellenlängen übrig bleibt, bestimmt die Farbe, die wir sehen – nämlich die Komplementärfarbe zur geschluckten Wellenlänge.

Farbig sind also solche Teilchen, in deren Elektronenhülle es Abstände zwischen Energieniveaus („Etagen“) gibt, welche durch das Schlucken von Licht-Wellenlängen im sichtbaren Bereich überbrückt werden können. In einem Molekül, in welchem die Atome über Elektronenpaarbindungen miteinander verbunden sind, teilen die Atome gemeinsame Energieniveaus, welche ihrerseits in „Wohneinheiten“, sogenannte Orbitale, für je zwei Elektronen unterteilt sind. Und (nicht nur) für organische Moleküle gilt die Faustregel:

Die Abstände zwischen Energieniveaus liegen dann im sichtbaren Bereich, wenn sich viele Elektronen „Wohngemeinschaften“, also miteinander verbundene „Wohneinheiten“ bzw. Orbitale teilen – in der Chemikersprache gesagt: wenn die Elektronen „delokalisiert“ sind.

In den üblichen Einfach-Elektronenpaarbindungen bleibt allerdings jedes Elektronenpaar unter sich. Erst wenn Doppelbindungen vorkommen, wird die Sache interessant. Denn eine Doppelbindung kann man sich dergestalt vorstellen, dass eine zweite Bindung eine Einfachbindung zwischen zwei Atomen ähnlich einem Schlauch umgibt – und an beiden Enden ein gutes Stück darüber hinaus ragt. Wenn nun zwei Doppelbindungen auftreten, welche nur durch eine Einfachbindung voneinander getrennt sind, können die „überstehenden“ Enden der beiden Doppelbindungen miteinander verschmelzen, sodass die darin enthaltenen vier Elektronen sich entlang aller vier beteiligten Atome bewegen können – also delokalisiert sind.

Sich abwechselnde Doppel- und Einfachbindungen entsprechen also einer für farbige Stoffe massgeblichen atomaren „Wohngemeinschaft“.

Das bedeutet: Es lässt sich an der Lewis- oder Strichformel eines organischen Stoffes abschätzen, inwieweit dieser farbig ist! Dabei gilt grundsätzlich: Je mehr sich abwechselnde Doppel- und Einfach-Bindungen ein Molekül enthält, d.h. je weiter die enthaltenen Elektronen delokalisiert sind, desto farbiger ist der entsprechende Stoff.

Darüber hinaus kann die Farbe eines Stoffes weiter intensiviert werden, wenn das Molekül bestimmte Atomgruppen enthält, die an und für sich schon farbig sind. Eine solche „Chromophor“ genannte Atomgruppe ist die aus zwei Stickstoffatomen bestehende Azogruppe, -N=N-, welche den Azo-Farbstoffen ihren Namen gegeben hat.

 

Wie organische Farbstoffe aufgebaut sind

In einem typischen Farbstoffmolekül sind eine oder mehrere chromophore Gruppen in ein System aus sich abwechselnden Doppel- und Einfachbindungen eingegliedert. Nicht selten sind aromatische Ringe – meist sechseckige „Benzol-Ringe“ aus sechs Kohlenstoff-Atomen – Teil dieses Systems, da diese in ganz besonderer Weise delokalisierte Elektronen aufweisen. Da eben diese Besonderheit die aromatischen Ringe jedoch in vielerlei Hinsicht unreaktiv macht, enthalten gute Farbstoff-Moleküle überdies besonders reaktionsfreudige Atomgruppen, die mit anderen Stoffen feste Bindungen eingehen und dem Farbstoff so erlauben, am zu färbenden Material – zum Beispiel Textilfasern oder Eierschalen – möglichst waschecht zu haften. Solche Gruppen werden „Auxochrome“ – Farbhelfer – genannt.

Azorubin und Brilliantschwarz_BN

Azorubin (linke Formel) ist ein typischer Azofarbstoff, dessen Azogruppe (hellblau gerahmt) zwischen zwei aromatischen Ringen zu finden ist. Doppel- und Einfachbindungen wechseln sich in diesem System also über alle vier Ringe und die Azogruppe hinweg ab. Am Rand des Moleküls finden sich als Auxochrome mehrere Sulfonsäure-Gruppen (rosa gerahmt, dargestellt als Natrium-Salz). Eine Sulfonsäure-Gruppe ist nichts anderes als ein Teil eines Schwefelsäure-Moleküls, welcher mit dem Kohlenstoff-Gerüst des Farbstoffs verknüpft ist. Dementsprechend können diese Gruppen ähnlich wie Schwefelsäure sowohl Ionen- bzw. Säure-Base-Reaktionen eingehen, als auch Ester und andere feste Verknüpfungen über Elektronenpaar-Bindungen bilden. Sulfonsäuren, besser noch ihre Salze, sind also sowohl wasserlöslich als auch in der Lage, feste Bindungen einzugehen.

Die rechte Formel lässt überdies die Bedeutung der Chromophore erahnen: Brilliantschwarz – Schwarz als intensivste „Farbe“ ergibt sich, wenn sämtliche sichtbaren Lichtwellen geschluckt werden – enthält statt einer Azo-Gruppe gleich zwei – und der Stoff ist nicht bloss intensiv farbig, sondern schwarz.

Auch Triphenylmethan-Farbstoffe enthalten aromatische Ringe – wenn solch ein Ring an etwas anderes gebunden ist, nennen die Chemiker ihn „Phenyl-Gruppe“ – aber keine weiteren chromophoren Gruppen. Das Grundgerüst dieser Farbstoffe entspricht also einem Methanmolekül (CH4), in welchem drei der Wasserstoff-Atome durch Phenyl-Gruppen ersetzt sind (links im Bild die Strukturformel für „Triphenylmethan“, welches diesen Farbstoffen ihren Namen gibt). Auch im rechts gezeigten Patentblau V finden sich Sulfonsäuregruppen als Auxochrome.

Triphenylmethan und Patent_blue_V

Die Eigenschaften solcher Farbstoffe lassen sich nicht nur auf diese Weise aus den Strukturformeln ablesen.  Die Regeln der Chemie zur Farberscheinung und zu anderen Eigenschaften sind gar so präzise, dass Chemiker die Farbe eines Moleküls ausrechnen – bzw. sich ein Molekül mit der gewünschten Farbe und weiteren Eigenschaften ausdenken können! Da liegt es nahe, für Ostereier und andere Lebensmittel Farbstoffe zu designen, die sowohl die gewünschten Farben haben, als auch unschädlich für den menschlichen Körper sind.

 

Aber wie gesundheits(un)schädlich sind diese Designer-Farbstoffe wirklich?

Aufnahme und Anreicherung von Lebensmittelfarbstoffen

Der ideale Lebensmittelfarbstoff wird auf seinem Weg durch den Verdauungstrakt gar nicht erst vom Körper aufgenommen und unverändert wieder ausgeschieden. An dieses Ideal kommen die Triphenylmethan-Farbstoffe unter den Ostereierfarben nahe heran: Sie werden weder vom Körper aufgenommen, noch im Verdauungstrakt gespalten oder anderweitig verändert. Die auxochromen Gruppen erweisen sich in diesem Zusammenhang wiederum als nützlich: Aufgrund der guten Wasserlöslichkeit der Moleküle besteht überdies kaum Gefahr, dass diese sich – über längere Zeit aufgenommen – irgendwo im Körper anreichern.

Etwas anders sieht es bei den Azofarbstoffen aus, da der menschliche Organismus in der Lage ist, die Azo-Gruppe solcher Moleküle zu spalten. Somit müssen also nicht nur die Moleküle selbst, sondern auch die Bruchstücke unbedenklich sein. Und unter den Bruchstücken von Azo-Farbstoffen sind aromatische Amine, also solche, die neben einem Benzol-Ring auch eine zusätzliche Stickstoff-Gruppe enthalten, für eine krebserzeugende Wirkung berüchtigt. Jener Azo-Farbstoff, den ich einst im Labor synthetisiert habe, mag ein solches Fragment enthalten haben. Die Lebensmittelfarbstoffe enthalten derlei jedoch aus gutem Grund nicht. Ihre Bruchstücke sind harmlos und werden problemlos wieder ausgeschieden.

Allergische Reaktionen

Nichts desto trotz sind alle „Designer-Stoffe“, zu welchen die synthetischen Lebensmittel-Farbstoffe zählen, aus Sicht des menschlichen Körpers „Fremdstoffe“, welche pseudoallergische Reaktionen auslösen können. Dabei handelt es sich um unspezifische Abwehrreaktionen auf die Gegenwart eines Fremdstoffs: Wie bei einer Allergie können Entzündungssymptome auftreten, von Hautauschlag (Neurodermitis) bis hin zu Asthma. Das Ausmass dieser Symptome hängt dabei von der jeweiligen Dosis des Auslösers ab. Das heisst, ausreichend geringe Mengen des Auslösers werden mitunter gar keine spürbare allergische Reaktion auslösen.

Im Unterschied dazu werden bei einer „echten“ Allergie Antikörper gegen den Auslöser (das „Allergen“) gebildet, welche  das Immunsystem in Gang setzen und so die Abwehrreaktion auslösen. Da dieser Weg der Abwehr nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip funktioniert, können schon kleine Mengen eines Allergens eine heftige Reaktion nach sich ziehen.

Pseudoallergische Reaktionen auf Farbstoffe können also durch die Verwendung ausreichend kleiner Mengen weitgehend vermieden werden. Allerdings ist z.B. bei Personen, die auch auf den Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure pseudoallergisch reagieren, häufig eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Lebensmittelfarbstoffen beobachtet worden.

Hyperaktivität und Konzentrationsstörungen

Seit 2007 ist eine Studie populär, die einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Lebensmittelfarben aus der Gruppe der Azo-Farbstoffe und Hyperaktivität bzw. Konzentrationsstörungen von Kindern festgestellt haben will. Nach dem Arbeitsort ihrer Autoren wird diese Studie kurz als „Southhampton-Studie“ bezeichnet. Sie führte dazu, dass in der EU in jüngster Zeit eine Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel mit Azo-Farbstoffen eingeführt worden ist: Solche Produkte müssen neuerdings eine Aufschrift „kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinträchtigen“ tragen. Ostereier-Farben sind übrigens davon ausgenommen – die bunten Eierschalen werden schliesslich nicht verzehrt, heisst es – weshalb ich auf den Verpackungen „meines“ deutschen Herstellers auch keinen solchen Hinweis gefunden habe.

Das Schweizer Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) bezeichnet die Southampton-Studie allerdings in vielen Punkten als unwissenschaftlich (die Kritikpunkte reichen von der Erhebung von Daten durch ungeschultes, nicht neutrales Personal bis zu unklaren Messgrössen und Untersuchungsgegenständen) und die Schlussfolgerungen daraus als widerlegt. Aus diesem Grund, so das BLV, gibt es in der Schweiz keine entsprechende Kennzeichnungspflicht.

Das Verhalten von Kindern bzw. Schülern ist ebenfalls Forschungsgegenstand in der Erziehungswissenschaft und Didaktik. So habe ich aus meiner Literatur aus der Lehrerausbildung den Eindruck gewonnen, dass wohl kaum ein Forschungsgegenstand schwieriger zu erfassen ist, als Einflüsse von Massnahmen – seien es Chemikalien oder Unterrichtsmethoden – auf das Verhalten von Kindern. Deshalb erfordern der Entwurf, die Durchführung und nicht zuletzt die Auswertung derartiger Studien in meinen Augen allerhöchste Sorgfalt und Vorsicht, sodass ich dazu neige, dem BLV und seinen Kritikpunkten in Sachen Lebensmittelfarbstoffen bei zu pflichten.

Insbesondere einen Zusammenhang zwischen Lebensmittelfarbstoffen und dem als ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-/Hyperaktivitäts-Syndrom) bezeichneten Syndrom, welches gerne in diesem Kontext genannt wird, kann ich nicht nachvollziehen. Viel einleuchtender erscheint mir da, dass pseudoallergischer Juckreiz und ähnliche Reaktionen Kinder unruhig und unaufmerksam werden lassen.

 

Welche Alternativen gibt es zu synthetischen Ostereier-Farben?

Es liegt mir fern, die synthetischen Ostereier-Farben als „gut“ oder „schlecht“ abzustempeln. Vielmehr möchte ich Hintergrundwissen liefern, anhand dessen jeder selbst entscheiden mag, was für ihn, sie oder seine/ihre Kinder das Beste ist. Auf diesem Grundsatz – jeder hat das Recht selbst zu entscheiden, was er verwendet oder gar zu sich nimmt – basiert in meinen Augen auch unser Lebensmittelrecht, sowohl in der Schweiz als auch in der EU, welches die Auflistung von Inhaltsstoffen auf der Verpackung von Lebensmitteln und anderen Waren vorschreibt.

Nach allem, was ich nun gelesen habe, sehe ich keinen Grund zu der Annahme, dass synthetische Ostereier-Farben per se gefährlich sein bzw. unweigerlich krank machen sollten. Ganz und gar unbedenklich sind sie deshalb aber noch lange nicht – nicht zuletzt, weil jeder Körper anders auf einen Stoff reagieren kann. Das gilt übrigens für viele sogenannte Naturstoffe ebenso wie für synthetische Verbindungen, denn auch die meisten Naturstoffe sind aus Sicht des menschlichen Körpers letztlich Fremdstoffe. Und Allergien – auch „echte“ – auf „ganz normale“ Lebensmittelbestandteile sind uns zu Genüge bekannt.

Wer sich schliesslich für die Naturstoff-Variante für seine Ostereier entscheidet, kann eine ganze Reihe wunderschöner Naturfarbstoffe in Lebensmittel-Pflanzen wie Rote Bete (in der Schweiz „Rande“) (rot), Curcuma (gelb), Spinat (grün), Zwiebelschalen (braungelb) oder Rotkohl bzw. Blaukraut (blauviolett) finden.

Eine tolle Anleitung zum Färben mit diesen Farbstoffen und Verzieren der Eier mit Essig-Mustern gibt es auf der Website von GEOLino. Und die dort gezeigten Eier sind fast so strahlend bunt wie die synthetischen Designerfarben – der wärmeren Farbtöne wegen finde ich sie sogar schöner als jene, die auf den Verpackungen der synthetischen Färbemittel abgebildet waren!

Ob nun synthetisch oder mit Naturstoff-Eiern: Ich wünsche euch frohe, farbenreiche Ostern!

Und womit färbt ihr eure Ostereier?