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Death Valley : Aussicht vom Zabriskie Point

Endlos weite, steinige Leere, ein weites, wüstes Land unter allzeit erbarmungslos gleissender Sonne. Das Death Valley, buchstäblich ein ‚Tal des Todes‘, scheint wirklich kein Ort für Leben zu sein. Doch über das Jahr hinweg ist das Wetter im Todestal ebenso vielfältig wie seine Bewohner, die den Schutz eines der extremsten Nationalparks in den USA geniessen.

Wir haben das Death Valley im Hochsommer erkundet – in einer Jahreszeit, die zweifellos hitzetoleranten Abenteurern vorbehalten ist. Doch mit einem modernen Auto können heute inbesondere grössere und grosse Forscher dieses Abenteuer ohne Schwierigkeiten bestreiten. Und obwohl der Sommer im Death Valley nicht dazu einlädt, lange im Freien herum zu laufen, gibt es doch eine Menge zu entdecken und zu tun. Fünf Vorschläge dafür möchte ich heute vorstellen.

Abenteuer Death Valley: Gute Vorbereitung ist unerlässlich!

Wie bereits erwähnt, ist ein modernes Auto das A und O für eine Fahrt in bzw. durch das Todestal. Denn besonders im Sommer geht dort für die meisten von uns ohne Klimaanlage gar nichts. Ausserdem habe ich die angenehme Erfahrung machen dürfen, dass moderne Motoren auch mit extremer Hitze problemlos zurecht kommen.

Dennoch sollte man im Death Valley eine Panne nach Möglichkeit vermeiden, denn dort gibt es über Dutzende Meilen hinweg gar nichts: Keine Tankstelle, keine Autowerkstatt, keinen Abschleppdienst, kein flächendeckendes Handynetz – und keinen Schatten.

Strasse ins Death Valley: Die nächsten 116 Kilometer gibt es weder Sprit noch Wasser noch Werkstatt!
Strasse ins Death Valley: Die nächsten 116 Kilometer gibt es weder Sprit noch Wasser noch Werkstatt!  Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz by Reto Lippuner

Reiseführer empfehlen deshalb, vor der Einfahrt in den Nationalpark den Öl- und Kühlwasserstand zu überprüfen und gegebenenfalls nachzufüllen. Ausserdem ist voll tanken angesagt, denn es gibt keine Garantie, dass die einzige Tankstelle innerhalb des Tales geöffnet und Treibstoff vorrätig hat.

Wir sind im Sommer 2014 von Las Vegas kommend von Südost nach Nordwesten durch den Park gefahren. So sind wir an der Westausfahrt in Panamint Springs an einer der wohl teuersten Tankstellen der vereinigten Staaten vorbei gekommen – und waren froh, auch dort noch nicht tanken zu müssen.

Doch auch für das Expeditionsteam muss gesorgt sein. Reichlich Wasser – mehrere Liter pro Person und Tag – sind überlebenswichtig! Nicht nur könnt ihr euch dann leisten, jederzeit zu trinken, wenn euer Körper danach verlangt. Sondern ihr habt auch dann genug, wenn doch einmal eine Panne passiert und ihr länger als geplant in der Hitze verweilen müsst. Wir hatten für unsere eineinhalbtägige Durchfahrt für zwei Personen fast 20 Liter im Auto, sodass wir uns um Durst keine Sorgen machen mussten.

Der gleissenden Sonne wegen sind UV-undurchlässige Kleidung, eine Kopfbedeckung und Sonnencreme mit einem hohen Lichtschutzfaktor ebenfalls sehr empfehlenswert, ganz besonders für hellhäutige Expeditionsteilnehmer.

Bei den folgenden Forscher-Aktivitäten können zudem folgende besondere Ausrüstungsgegenstände von Nutzen sein: Ein Thermometer mit einer Skala bis mindestens 50°C (besser mehr), ein Magnet, für Himmelsunkundige eine Sternkarte und gegebenenfalls eine Taschenlampe mit einem Rotfilter bzw. einer roten Folie vor der Lichtquelle.

Warum der ganze Aufwand?

Im Death Valley steigen die Temperaturen im Sommer tagsüber weit über 40°C, zuweilen sogar über 50°C und sinken auch nachts nur wenig ab! Nebst Sonnenbrand kann das schnell zu einem Hitzschlag oder Flüssigkeitsmangel führen – und beides kann unbehandelt tödlich enden. Das Auto mit Klimaanlage hat sich uns daher als unverzichtbare allgegenwärtige Zuflucht erwiesen.

Bleibt daher immer in der Nähe eures Wagens und mit diesem an den (asphaltierten) Hauptstrassen. Dort sind im Death Valley nämlich auch im Sommer regelmässig Autos unterwegs, sodass ihr dort nicht lange auf Hilfe warten müsst.

Längere Spaziergänge und Wanderungen sind damit im Sommer nicht möglich – aber auch in der Nähe der Strasse(n) gibt es im Tal des Todes reichlich zu tun und zu entdecken!

Forscher-Aktivitäten (auch) im Sommer

1. Eine Salzpfanne erkunden

Die Badwater Road (Highway Nr. 178), eine der asphaltierten Hauptstrassen im Death Valley Nationalpark, verläuft in Nord-Süd-Richtung mitten durch das Tal des Todes. Dabei führt sie direkt am der weiten Salzpfanne im „Badwater Basin“ vorbei. Das Gebiet ist mit 86 Metern unter dem Meeresspiegel der tiefstgelegene Landstrich Nordamerikas und war einmal der Grund eines grossen Sees. Der ist heute praktisch ausgetrocknet – und eine Schicht aus einst darin gelösten Salzen ist das einzige, was davon übrig ist.

Etwa auf halber Strecke entlang der Salzfläche gibt einen grossen Parkplatz, von welchem aus ein Holzsteg auf die Salzfläche hinaus führt. Eine Tafel markiert auf dem Steg den „tiefsten Punkt Nordamerikas“.

Badwater Basin: Die Salzpfanne am tiefstgelegenen Punkt der USA
Badwater Basin: Die Salzpfanne am tiefstgelegenen Punkt der USA.
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Anders als viele ähnliche Stege kann man diesen am Ende verlassen und einen Spaziergang auf der Salzfläche wagen.  Begehbare Flächen sind sichtbar flach getreten. Aber Achtung! Im Sommer ist es hier extrem heiss und gleissend hell, sodass ihr euch in keinem Fall weit von Steg und Auto entfernen solltet! Dafür gibt es auch bereits in der Nähe des Steges bizarre Salzkrusten zu entdecken. Und selbst im Hochsommer (wir waren Ende Juli dort) verraten Wasserlachen auf dem Salz, dass es selbst im Death Valley auch mal regnet. Das Wasser in den Lachen dürfte extrem salzig und daher nicht trinkbar sein: das „Badwater“ Basin hat seinen Namen nicht von ungefähr.

Wasserrest in der Salzpfanne des Badwater Basin
Völlig versalzen: Das ’schlechte Wasser‘ im Badwater Basin ist nicht zum Trinken geeignet! 
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Im Norden des Beckens (es gibt dort einen weiteren Parkplatz) nimmt die dicke, zersprungene Salzkruste geradezu groteske Formen an. Eine rauhe, bis auf angelegte Pfade vollkommen unwegsame Oberfläche aus zerborstenen Salzschollen erstreckt sich hier so weit das Auge reicht. Hier scheint es nichts zu geben – wir kamen uns vor wie auf einem fremden, lebensfeindlichen Planeten. Nicht umsonst wird dieses Gebiet „Devil’s Golfcourse“, der Golfplatz des Teufels genannt.

Mitten im Death Valley: Devil's Golfcourse - Der Golfplatz des Teufels
Devil’s Golfcourse – Der Golfplatz des Teufels. 
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Die Geographie des Death-Valleys

Das Tal des Todes liegt im Westen Nordamerikas, an der Ostgrenze des Bundesstaates Kalifornien. In diesem Gebiet wird der nordamerikanische Kontinent in Folge der stetigen Erdplattenbewegungen seit vielen Millionen Jahren auseinander gezogen. In Folge dessen bekommt die Erdkruste hier an vielen Stellen lange Risse, wie eine spröde Oberfläche eines Kuchens, der beim Backen aufgeht. Einige der Krustenbruchstücke werden durch die Bewegung empor gehoben, andere sinken immer weiter ab. So ist ein gewaltiges System aus Bergketten („ranges“) und Tälern („basins“) entstanden, die allesamt grob in Nord-Süd-Richtung verlaufen und sich von der Pazifik-Küste bis nach Utah hinein erstrecken (im Englischen heisst diese Region „Basin-and-Range“).

Das Death Valley liegt mitten in der Basin-and-Range-Region und wird von zwei Gebirgszügen umschlossen: Der Panamint Range im Westen und der Amargosa Range im Osten. Die Entstehung des Tales und der Bergketten hat vor rund 13 Millionen Jahren begonnen. Seither hat es sich durch die Bewegung der Krusten-Bruchstücke in waagerechter Richtung besonders tief abgesenkt – so tief, dass es unweigerlich mit Meerwasser volllaufen würde, hielten die Berge im Westen den Pazifik nicht draussen.

Dabei bleibt es nicht aus, dass von Zeit zu Zeit Magma durch die Risse zwischen den Schollen an die Oberfläche dringt. So beweist der „Split Cinder Cone“, ein gerade einmal 300’000 Jahre alter Vulkankegel mitten im Death Valley, dass die Bewegung bis in die geologische Gegenwart andauert: Er liegt genau auf einem dieser Risse und wird seit seiner Entstehung mit den wandernden Schollen zur Hälfte in die eine, und zur anderen Hälfte in die entgegengesetzte Richtung verschoben.

Luftaufnahme des Split Cinder Cone
Luftaufnahme vom Split Cinder Cone: Der Erdboden verschiebt sich entlang der gestrichelten Verwerfungslinie und hat den Vulkankegel binnen 300’000 Jahren entzwei gerissen

Tiefer wird das Todestal dennoch nicht mehr, denn während es sich absenkt, tragen Wind und Wetter die umliegenden Berge ab und spülen den Abraum, Sand und Gesteinstrümmer, ins Tal hinab. So füllt es sich seit geraumer Zeit ebenso schnell mit den Sedimenten, wie es absinkt.

Dabei war das Death Valley längst nicht immer so trocken wie heute. Im Zuge der Eiszeiten in den letzten Zwei- bis Dreimillionen Jahren floss immer wieder Schmelzwasser von Gletschern in die abflusslosen Täler und sammelte sich in grossen Seen. Gänzlich unter Wasser stand das Tal des Todes zuletzt vor rund 20’000 bis 10’000 Jahren, als der gewaltige Lake Manley, 145 km lang, 16 km breit und bis 187 m tief, sich darin erstreckte. Dagegen war der Recent Lake mit seinen 10 Metern Tiefe, der erst vor wenigen Jahrtausenden austrocknete und die heutigen Salzpfannen hinterliess, ein kleiner Tümpel.


2. Besonders im Sommer: Extreme Temperaturen messen und erleben

Sobald wir am Boden des Death Valley das Auto verlassen haben, liessen uns unsere Körper umgehend und deutlich spüren, was Sache war: Hier ist es heiss, verdammt heiss. So heiss, dass man hier nicht verweilen kann. Einen derartigen Drang zurück in klimatisierte Umgebung habe ich vor dieser Tour noch nicht erlebt! Da kommt man erst gar nicht auf den Gedanken, sich unnötig weit vom Fahrzeug zu entfernen.

Welche Temperaturen tatsächlich vorherrschen, verrät ein Thermometer: Ich habe meinen batteriebetriebenen elektronischen Temperaturfühler im Hosentaschenformat zum Einsatz gebracht. Auf der Salzfläche des Badwater-Basins zeigte er am Mittag 42°C Lufttemperatur (an der Sonne, Schatten gibt es hier nicht). Rund 20 Meilen weiter nördlich am Zabriskie Point, einem ganz leicht erhöhten Aussichtspunkt hatte es am frühen Nachmittag 44,5°C in der Luft bei leichtem Wind. Wenige Millimeter in den Boden gebohrt zeigte das Thermometer sage und schreibe 55,2°C! Die Schuhe auszuziehen ist da nicht ratsam – man verbrennt sich nur die Füsse!

Thermometer an der Furnace Creek - Oase
Thermometer an der Furnace Creek-Oase am 29.7.2014 gegen 16 Uhr: 119°F entsprechen rund 48°C. Die höchste Temperatur auf der Erde wurde vor rund 100 Jahren hier gemessen. Die niedrigste Temperatur (im Winter wrd es hier knackig kalt!) und den meisten Niederschlag bis dahin lieferte das Jahr 1913 gleich mit!
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Wer kein eigenes Thermometer dabei hat, findet an der Furnace Creek Ranch, einer ausgebauten Oase mitten im Tal, eine Info-Tafel mit einer grossen Temperaturanzeige auf der Fahrenheit-Skala. Wir kamen am späten Nachmittag dort an und konnten umgerechnet 48°C ablesen. Das sind rund 11°C mehr als die übliche Temperatur im Inneren eines menschlichen Körpers! Da läuft Mensch unweigerlich ganz schnell heiss. So waren wir dankbar, nach ein- bis zweihundert Metern Fussweg auf dem Gelände ein klimatisiertes kleines Museum vorzufinden, in dem wir vor dem Rückweg zum Auto eine Abkühlungspause einlegen konnten.

Wetterextreme im Death-Valley und ihre Entstehung

Seine aussergewöhnliche Lage beschert dem Tal des Todes extreme Wetterbedingungen: Es gehört zu den trockensten und heissesten Gegenden der Welt! Warum ist das so?

Der Westen Nordamerikas wird mit Feuchtigkeit aus dem Pazifischen Ozean versorgt. Meerwasser verdunstet, und der entstehende Dampf wird von Luftströmungen landeinwärts getrieben. Stehen solch feuchten Luftströmungen Bergketten im Weg, verdichtet sich der Wasserdampf zu Wolken, die schliesslich an den Berghängen abregnen. In Folge dessen sind die Berge nahe der Westküste von fantastischen Regenwäldern und gewaltigen Baumriesen bedeckt, wie man sie im Sequoia National Park in der Sierra Nevada bewundern kann, bedeckt.

Das Problem dabei: Um das Death Valley zu erreichen, müssen die Wolken aus dem Pazifik ganze fünf Bergrücken überwinden – und damit unweigerlich fünfmal regnen. Und nach fünfmal Regnen bleibt von der ursprünglichen Feuchtigkeit praktisch nichts mehr übrig. Alles, was im Tal des Todes ankommt, ist in der Regel trockener Wind. Und selbst der macht sich im Sommer rar, sodass sich in dem engen, kargen Tal die Hitze staut. So fallen dort im Laufe eines ganzen Jahres gerade einmal 5 Zentimeter Niederschlag pro Quadratmeter.

Einzig wenn „El Niño“ mit seinen sintflutartigen Regenfällen alle paar Jahre die Westküsten Nord- und Südamerikas heimsucht, kommt auch im Death Valley wirklich Regen an. Das geschah zuletzt im Oktober 2015, als regelrechte Unwetter über dem Nationalpark niedergingen und ihm den nassesten Oktober aller Zeiten bescherten. Das bedeutet, dass im Norden des Parks binnen 5 Stunden etwa 7,5 Zentimeter Regen und Hagel niedergingen, wo sonst im Jahr gerade einmal 10 Zentimeter zusammen kommen. Die Folgen davon sind regelrechte Sturzfluten, die die an Trockenheit gewöhnte Landschaft stark verändern und an Gebäuden und Strassen erhebliche Schäden verursachen können. Selbst am Furnace Creek mitten auf dem trockenen Talgrund sind während der gesamten Unwetterperiode rund 3,5 Zentimeter Niederschlag gefallen.

Und wie reagiert die Natur darauf?

Die Wassermassen, die während eines solchen Wetterereignisses den Boden durchtränken, wecken zahllose im Wüstensand verborgene Samen aus langem Schlaf. So wird das Tal des Todes während der milden Wintermonate von einem farbenprächtigen Blumenmeer erfüllt. Für wenige Wochen herrscht das volle Leben, bis die zurückkehrende Hitze das Grün verdorren lässt. Doch bis dahin haben die Pflanzen neue Samen gebildet, welche im Wüstensand schlummernd auf den nächsten Besuch von „El Niño“ warten.


3. Bunte Farben und Muster in Gesteinsformationen entdecken

Die Beschreibung einer leblosen Wüste mag die Vorstellung einer leeren, langweiligen Landschaft wecken. Doch tatsächlich ist diese Landschaft nicht reizlos und öde, sondern farbenfroh und von bizarren Mustern und Strukturen erfüllt. Denn im Death Valley gibt es eine Vielzahl von Mineralien und Erzen, die, einmal Wind und Wetter ausgesetzt, die verschiedensten Farben annehmen.

Im Sommer lässt sich dieses Farbenspiels am einfachsten entlang des „Artist’s Drive“ bewundern. Diese asphaltierte Seitenstrasse zweigt nördlich von des Teufels Golfplatz von der Badwater Road ab zu einem Rundkurs durch eine Hügelllandschaft, die zu Recht „Artist’s Palette“ genannt wird. Denn hier sind Gesteinsschichten von weiss, gelb, braun, bis hin zu rot und grün offen sichtbar, dicht an dicht zusammengefügt wie auf der Farbpalette eines Malers. Und das Ganze kann bequem aus dem klimatisierten Auto heraus erkundet werden!

Artists Palette: Bunte Farbenpracht im Death Valley dank Eisen und Co.
Farbenpracht der „Artists Palette“: Farbenfrohe Metall-Verbindungen, hauptsächlich des Eisens, sorgen hier für bunte Vielfalt.
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Die Route ist eine Einbahnstrasse und recht kurvig. Deshalb darf sie nur mit Fahrzeugen mit einer Gesamtlänge bis 7,7 Meter (25 Fuss) befahren werden. Wer mit einem grösseren Camper unterwegs ist, kann jedoch einen Halt am Zabriskie Point einlegen und dort nach wenigen Schritten zu Fuss den Ausblick über die herrlich bizarren erodierten Hügel aus farbenfrohen Ablagerungen vom Grund eines der einstigen Seen im Tal geniessen.

Zabriskie Point: Bizarre Hügellandschaft durch Erosion
Erodierte Hügel am Zabriskie Point: Dieser Aussichtspunkt ist nach ein paar Schritten hügelaufwärts vom grossen Parkplatz zu erreichen. 
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Darüber hinaus gibt es rund um das Tal verschiedene Wanderwege, die zur Erkundung der Gesteine des Todestals einladen. Im Sommer solltest du jedoch allerhöchstens in den Höhenlagen der umliegenden Berge längere Spaziergänge oder Wanderungen unternehmen – am Talgrund ist es dazu einfach zu heiss und gefährlich!

Mineralien im Death Valley

Die weissen bis grauen Salzablagerungen im Badwater Basin bestehen grossteils aus Natriumchlorid (NaCl), dem Stein- oder Kochsalz, mit welchem wir auch unser Essen würzen. Daneben findet man jedoch eine ganze Reihe weiterer löslicher oder weniger löslicher Salze der Alkali- und Erdalkalimetalle (der Metalle in den ersten beiden Spalten des Periodensystems). Dazu zählen zum Beispiel Sylvin (Kaliumchlorid, KCl), Calcit (Calciumcarbonat, „Kalk“, CaCO3 ) und Gips (Calciumsulfat, CaSO4 * 2H2O ).

Weltweit selten ist Borax (Na[B2O5(OH)4)] * 8H2O ). Dieses Mineral enthält das seinerseits auf der Erde seltene Element Bor, das unter anderem für die Herstellung von Glas, Porzellan und Holzschutzmitteln verwendet wird. Damit war das Borax Ende des 19. Jahrhunderts so begehrt, dass es sogar mitten im Tal des Todes, unweit von Furnace Creek, abgebaut und in grossen Wagen in weit entfernte Fabriken abtransportiert wurde. Nahe der Hauptstrasse nördlich von Furnace Creek kann die Geschichte der „Harmony Borax Works“ auf einem kurzen beschilderten Rundweg – auch im Sommer – nachvollzogen werden. Vergiss nicht, Sonnenhut und Getränkevorrat mitzunehmen!

Für den Farbenreichtum der Gesteine sind all diese Verbindungen jedoch nicht verantwortlich – sie sind weitestgehend farblos. Bunt wird es hingegen, wenn die Metalle in der Mitte des Periodensystems – die sogenannten Übergangsmetalle – ins Spiel kommen, denn sie bilden Salze in vielen verschiedenen Farben. Rote und auch gelbe Gesteine enthalten zum Beispiel Eisenoxide („Rost„). Das grüne Mineral Chlorit, das die grünen Farbkleckse zur „Artist’s Palette“ beisteuert, enthält neben Eisen unter anderem Zink und zuweilen etwas Mangan und Nickel.

Zudem gibt es rund um das Death Valley wie vielerorts in Kalifornien Gold- und Silbervorkommen. Auch diese beiden Edelmetalle gehören zu den wenigen Rohstoffen, die genügend Begehrlichkeiten geweckt haben, um in dieser unwirtlichen Gegend ernsthaft danach zu schürfen.


4. In den Mesquite Flat Sand Dunes Magnetit-Sand aufspüren

Die Mesquite Flat Sand Dunes in unmittelbarer Nachbarschaft von Stovepipe Wells sind nicht nur eine atemberaubende Dünenlandschaft inmitten der steinigen Ödnis des Death Valley. Sie bergen ein kleines Geheimnis, welchem man mit einem einfachen Hilfsmittel auf den Grund gehen kann. Einige der Sandkörner in den Dünen bestehen nämlich aus Magnetit. Dieses Mineral, ein Eisenerz, hat seinen Namen daher, dass es ebenso von Magneten angezogen wird wie metallisches Eisen!

In den Sanddünen der Mesquite Flat kannst du die Magnetit-Sandkörner deshalb ganz einfach aufspüren: Fahre mit einem Magneten langsam mit wenigen Millimetern Abstand über den Sand. Die schwarzen Magnetit-Körner werden vom Magneten angezogen und bleiben daran haften.

Einfacher Kühlschrankmagnet mit Magnetit-Körnern
Über den Sand geführt: Einfacher Kühlschrankmagnet mit Magnetit-Körnern

Weil der Boden – auch der Sand – im Death Valley an sonnigen Sommertagen sehr heiss werden kann, empfehle ich, dieses kleine Experiment mit einem Abend- oder Morgenspaziergang zu verbinden, zum Beispiel von einem Nachtquartier in Stovepipe Wells aus.

Warum ist Magnetit magnetisch?

Das Mineral Magnetit ist ein Eisenoxid, welches zwei verschiedene Sorten Eisen-Ionen enthält. Seine chemische Formel lautet Fe3O4 , wobei zwei der drei Eisen-Ionen Fe3+-Ionen sind und das dritte Eisen-Ion ein Fe2+-Ion. Zusammen bringen diese Ionen also acht positive Ladungen mit, die durch vier Oxid-Anionen (O2-) mit jeweils zwei negativen Ladungen aufgewogen werden.

Eisen-Atome bzw. -Ionen sind dafür bekannt, dass sie magnetische Eigenschaften haben und sich wie winzige Kompass-Nadeln in Magnetfeldern ausrichten können. Das führt dazu, dass metallisches Eisen, in welchem sich diese „Elementarmagnete“ fein säuberlich in der gleichen Orientierung (parallel) anordnen können, von einem Magneten angezogen wird. Diese Eigenschaft, die für Eisen so charakteristisch ist, wird nach eben diesem Element (lat. ferrum) „Ferromagnetismus“ genannt.

Ähnlich ergeht es dem Magnetit: Die Mischung verschiedener Eisen-Ionen beschert diesem Mineral nämlich ein ganz besonderes Kristallgitter. Darin gibt es verschieden starke Elementarmagnete, die sich ebenfalls parallel anordnen lassen, allerdings in entgegengesetzter Orientierung (man nennt das „antiparallel“). Entgegengesetzt orientierte Elementarmagnete heben ihre Wirkung gegenseitig auf – da sie unterschiedlich stark sind, aber nicht vollständig. Deshalb wird auch Magnetit von Magneten angezogen (oder zieht sie seinerseits an) und kann – wie Eisen – so magnetisiert werden, dass es ein eigenes Magnetfeld erzeugt! Dieser Magnetismus ist jedoch schwächer als der von „echten“ Ferromagneten, weshalb dafür ein neuer Name erfunden wurde: „Ferrimagnetismus“.

Eine ausführliche Erklärung zu den geheimnisvollen Magnet-Kräften findest du in dieser Geschichte rund um den Magnetismus!


5. Im Tal übernachten und die Sterne und mit etwas Glück(?) Tiere beobachten

Richtig, man kann im Death Valley übernachten. Es gibt am Grund des Tales mehrere Campingplätze – im Sommer auch nachts ein heisses Vergnügen – und zwei feste Unterkünfte mit klimatisierten Zimmern: Furnace Creek und das Stovepipe Wells Village. Wir haben während unseres Trips in Stovepipe Wells Quartier bezogen (vorab reservieren!) und waren heilfroh um unser kleines Motel-Zimmer mit Dusche und Klimaanlage.

Stovepipe Wells ist ein kleines Motel mit Restaurant und angeschlossenem Campingplatz mitten in der Wüste, sodass es mehr noch als Furnace Creek eine fantastische Gelegenheit für einen Blick nach oben bietet. Mitten im Todestal gibt es nämlich keinerlei störendes Licht von menschlichen Errungenschaften auf der Erde, sodass sich schon wenige Schritte abseits der Häuser ein vollkommen ungetrübter Blick in den Nachthimmel geniessen lässt. Und dieser Nachthimmel ist wahrhaft atemberaubend!

Sonnenuntergang über den Mesquite Flat Sand Dunes
Ein Fest für die Sinne schon vor dem eigentlichen Nachthimmel: Sonnenuntergang über den Mesquite Flat Sand Dunes. 
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Anders als in besiedelten Gebieten unseres Planeten oder gar Städten zieren hier nämlich abertausende Sterne den Himmel. So ist die Kante der Milchstrasse leicht mit blossem Auge zu beobachten, und wer nach fernen Galaxien und anderen Weltraumnebeln sucht, hat hier die besten Aussichten. Im Hochsommer, insbesondere Ende Juli und Mitte August, können zudem vermehrt Sternschnuppen beobachtet werden, da unser Planet sich in dieser Zeit durch zwei Meteorschauer bewegt.

Eine Sternkarte kann dabei helfen, sich in dem leuchtenden Überfluss am Himmel zurecht zu finden, und mit einem Teleskop kannst du Nebel und Planeten beobachten. Um die Sternkarte im Dunkeln zu lesen, verwende eine Taschenlampe, deren Leuchte mit einer roten Folie oder ähnlichem gedämpft wird, damit deine Augen an die Dunkelheit gewöhnt bleiben!

Die Informationszeitung des Nationalpark-Service gibt Auskunft über die Mondphasen (bei und um Neumond ist die Sicht mangels störendem Mondlicht am besten) und sichtbare Planeten und andere Himmelsereignisse.

Achtung vor Tieren!

Nicht nur wir Menschen empfinden die das Tal des Todes bei Nacht als erträglicher. Auch mag man des Nachts vermehrt Tieren begegnen, die sich oft erst bei oder nach Sonnenuntergang aus ihren kühlen Verstecken wagen. Die meisten sind harmlos, doch gibt es Klapperschlangen, Skorpione und schwarze Witwen (Spinnen), die giftig sind. Trage also auch und vor allem nachts Hosen und Schuhe und tritt oder greife nirgendwo hin, ohne vorher hinzusehen (das gilt auch bei Tag und in der Dämmerung)!

Ich bin zum Sterne schauen ein paar Schritte die Strasse aus Stovepipe Wells hinausgegangen und bin direkt abseits des Strassenrandes auf ebener Erde stehen geblieben, um nach oben zu sehen. Ein Liegestuhl hätte hier eine bequemere Haltung ermöglicht. Auf den Boden legen wollte ich mich nämlich dessen tierischer Bewohner wegen nicht. So bin ich ausser einigen farblosen nachtaktiven Libellen, die vom Licht im Dorf angezogen wurden, keinen Tieren begegnet.

Fazit

Auch wenn die extremen Temperaturen eine besondere Herausforderung darstellen, ist das Death Valley auch im Sommer eine Reise wert. Erwachsene mit gesundem Kreislauf und ältere Kinder (kleinere Kinder sind nahe dem Boden nur noch mehr der Hitze ausgesetzt – mit ihnen bereist du das Death Valley besser im Frühjahr) können dabei viel Spannendes entdecken und bestaunen. Wer schon immer einmal einen lebensfeindlichen fremden Planeten erkunden will, kann genau das hier auf der Erde ausprobieren! Mehr Informationen und aktuelle Hinweise findest du auf der Death-Valley-Website des Nationalpark-Service.

Und hast du dich auch schonmal in das Tal des Todes gewagt?

Du möchtest schon immer einmal zwischen Vulkankegeln wandeln? Lavalandschaften erkunden? Die Hitze aus der Erde spüren? Die urtümliche Wildheit einer jungen Erde erfahren und einmalige „Urzeit“-Vegetation entdecken?

Die kanarischen Inseln vor der Küste Nordwestafrikas gehören politisch zu Spanien und damit zur EU. Nur drei bis vier Flugstunden von Zentraleuropa entfernt sind sie auch und gerade in den Wintermonaten ein attraktives Reiseziel. Denn dank ihrer Nähe zum Äquator herrschen dort ganzjährig milde Temperaturen (im Sommer kann es dort allerdings auch sehr heiss werden) und viel Sonnenschein.

 

Lanzarote: Eine besondere Insel

Alle kanarischen Inseln sind vulkanischen Ursprungs: Unter ihnen bewegt sich ein „Hot Spot“ von Ost nach West(?), der sich in Vulkanausbrüchen entlädt und immer neue Inseln erzeugt. Die geheimnisvollste der Kanaren-Inseln ist Lanzarote ganz im Osten des Archipels: Sie ist zugleich die älteste und die jüngste der Kanaren-Inseln – denn obwohl sie als erstes entstand, geschah der letzte grosse Vulkanausbruch von 1730 bis 1736, gefolgt von einem weiteren, kleineren Ausbruch 1824!

Nicht einmal 300 Jahre sind ein erdgeschichtlicher Wimpernschlag, sodass weite Teile Lanzarotes wirken, als wären sie erst gestern (oder bestenfalls vorgestern) erst von bizarren erkalteten Lavamassen verschüttet worden. Ihrer geringen Höhe wegen (max. 609m) stauen sich an der Landmasse von Lanzarote, anders als bei den jüngeren Kanaren, keine Passatwolken an, sodass es auf der Insel praktisch keinen Niederschlag und dafür fast immer Sonne gibt. Der ungehindert über die Insel wehende Passatwind ist dafür ein ständiger Begleiter.

Das trockene Klima trägt dazu bei, dass die rauen Lavafelder und Vulkankegel Lanzarotes nur langsam von Pflanzen und darauf folgend von Tieren erobert werden und so ihr urtümliches, an eine Mondlandschaft erinnerndes Aussehen lange behalten. Und wenn dann doch etwas wächst, sind das zunächst Flechten und später wasserspeichernde (Sukkulenten), gegen Trockenheit resistente (Xerophyten) und salztolerante Pflanzen. Da die kanarischen Inseln rund 140km vor dem afrikanischen Festland liegen, konnten sich auf ihnen zahlreiche endemische Arten entwickeln. 68 dieser Pflanzen kommen auf Lanzarote vor, 13 davon findet man ausschliesslich auf dieser Insel.

Ausser Fledermäusen und der Kanaren-Spitzmaus Crocidura canariensis gibt es keine wirklich einheimischen Säugetiere auf Lanzarote – alle anderen vorkommenden Arten wurden vermutlich – gewollt oder ungewollt – vom Menschen mitgebracht. Dafür gibt es Reptilien (darunter die Ostkanareneidechse Gallotia atlantica) und rund 35 Vogelarten, darunter See- und Greifvögel.

 

Was Forscher auf Lanzarote erleben können

Wir haben im Februar 2014 eine gute Woche auf Lanzarote verbracht, die mit einer Vielzahl von einmaligen Naturerlebnissen gefüllt war. Um die fast immer abseits der grossen Touristenzentren gelegenen Naturwunder bequem erreichen zu können, ist ein Mietwagen mehr als nützlich (Am Flughafen von Arrecife sind die gängigen internationalen Ketten vertreten). Wer auf der Insel Rad fahren möchte, sollte bedenken, dass dort häufig ein starker Wind weht.

Für kleine und grosse Naturbegeisterte und -forscher hält Lanzarote so viele verschiedener Abenteuer bereit, dass hier nur für eine Auswahl Platz ist:

 

1. Für Trittsichere: Über ein Lavafeld laufen

Nur wenige hundert Meter nördlich unseres damaligen Quartiers in La Hoya im Osten der Salinas de Janubio erstreckt sich eine schier endlose grauschwarze Wüstenei aus ungewöhnlich schroffem, praktisch unbewachsenem Gestein (Bild). Solche Lavafelder werden auf Spanisch „Malpaís“, also „schlechtes Land“ genannt. Der Name is sehr passend – denn die harte, unwegsame Basaltlava verbietet nicht nur jeglichen Ackerbau, sondern auch nahezu alle Arten von Bauvorhaben.

Lavafeld auf Lanzarote

Warum Lava seltsame Namen trägt

Lava kann verschiedene Formen annehmen. Die beiden wichtigsten Sorten, die Lavaströme bilden, tragen hawaiianische Namen. Auf Hawaii nämlich kann man heute noch die Entstehung von Lavaströmen und -feldern live beobachten – die Inselgruppe liegt nämlich über ihrem eigenen aktiven Hot Spot.

Das Malpaís bei La Hoya ist der Überrest eines Stromes aus zähflüssiger, weniger heisser Lava, der sich einst in glühenden Brocken über die Insel gewälzt hat. Diese nach dem Erstarren oft scharfkantige, unwegsame Lava wird von den Geologen ‚A’a-Lava, zu deutsch Brocken- oder Zackenlava genannt. Das hawaiianische ‚A’a bedeutet soviel wie „brennend, feurig, steinig“. Er könnte aber ebensogut die Laute beschreiben, die ein Mensch von sich gibt, wenn er versucht, über einen solchen (erkalteten!) Lavastrom zu laufen.

Heissere, dünnflüssige Lava fliesst wesentlich schneller, wobei die zunächst glatte Oberfläche des Lavastroms zuerst auskühlt und zu erstarren beginnt. Die darunter weiter fliessende Lava schiebt die erstarrende „Haut“ an der Stromoberfläche zu strickartigen Gebilden zusammen, weshalb diese Lavasorte „Pahoehoe“- oder Stricklava genannt wird. Auf Pahoehoe-Lava lässt es sich meist wesentlich bequemer laufen als auf ‚A’a-Lava. Wenn allerdings der Lavastrom unter seiner erstarrten Haut vollständig abgeflossen ist, bleibt ein mitunter tiefer Hohlraum zurück. Und nicht selten ist die Pahoehoe-Decke eines solchen Lavatunnels so dünn, dass ein Mensch darin einbrechen kann (tatsächlich wurden verschiedene Lavatunnel auf den Kanaren auf genau diese Weise entdeckt)! Stricklava-Flächen in wilder, nicht erschlossener Landschaft solltest du deshalb nicht betreten!

Wenn du das erste Mal am Rand eines solchen Lavafeldes stehst, glaubst du vielleicht auch, dass dieser grotesk zerklüftete Untergrund vollkommen unbegehbar ist. Die Fähigkeiten des (gesunden) menschlichen Körpers sind, wenn es um Fortbewegung geht, jedoch überaus erstaunlich. Wenn du trittsicher bist und ein kleines Abenteuer suchst, probier es einfach mal aus. Nimm dir jedoch Zeit und gehe weder allein, noch zu weit in das Lavafeld hinein! Schon nach wenigen Metern wirst du merken: Das Vorankommen auf der rauhen Lava ist mächtig anstrengend und erfordert grösste Aufmerksamkeit. Zu schnell kann sich ein unaufmerksamer Erkunder hier den Fuss umknicken!

Ganz wichtig: Die schroffe Basaltlava kann sehr scharfkantig sein! Tragt daher unbedingt Wanderschuhe mit robusten Sohlen – Die Sohlen von Retos Marken-Turnschuhen waren nach unseren 100 Metern querfeldein sichtlich zerschlissen, während meine Trekking-Halbschuhe tadellos gehalten haben! Passt auch auf eure Hände auf: Wer sich am Gestein abstützt oder festhalten muss, riskiert Schrammen!

 

2. Für Mineralienfans: Olivin finden

Im auf Lanzarote allgegenwärtigen Basaltgestein finden sich häufig Einschlüsse aus gelblich- bis dunkelgrünen Kristallen. Diese gehören zu einer Mineraliengruppe, die zusammenfassend „Olivin“ genannt wird. Die Olivine im Gestein von Lanzarote bilden in der Regel nur wenige Millimeter grosse, trübe Kristalle. Grössere Kristalle von besonderer Reinheit, die als Schmucksteine beliebt sind, bezeichnet man auch als „Peridot“ oder „Chrysolit“.

Olivin von Lanzarote und Peridot - Schmuck

Warum kein Olivin dem anderen gleicht

Olivin-Kristalle bestehen aus positiv geladenen Magnesium- und Eisen-Ionen sowie negativ geladenen Silicat-Anionen. Dabei sind die Plätze der positiven Ionen im Gitter willkürlich entweder von Magnesium- oder von Eisenionen besetzt. Je nachdem, welchen Ausschnitt aus dem Kristallgitter man sich anschaut, erscheint dieser wie Magnesiumsilicat (Mg2SiO4, „Forsterit“) oder wie Eisensilicat (Fe2SiO4, „Fayalit“).

Da sich das Verhältnis zwischen Magnesium- und Eisen-Ionen von Kristall zu Kristall unterscheidet (in der Regel überwiegt dabei der Anteil des Magnesiums), sprechen die Mineralienfachleute von einer „Mischkristallreihe“, die Olivin-Kristalle mit allen möglichen Verhältnissen zwischen Magnesium und Eisen enthält. Die „Endglieder“ dieser Reihe bilden die beiden Extreme Forsterit und Fayalit, die jeweils nur Magnesium- bzw. nur Eisen-Ionen enthalten.

Der in Souvenir-Geschäften auf Lanzarote angebotene Olivin- bzw. Peridot-Schmuck stammt deshalb in der Regel nicht von den kanarischen Inseln (Bild Olivinkette?). An den schwarzen Stränden im Westen der Insel und vielen anderen Orten kann man jedoch handliche Gesteinsbruchstücke mit Olivin-Einschlüssen finden. Achtung! Das Gebiet im Westen nördlich von Yaiza und der Region La Geria (die genaue Ausdehnung ist auf touristischen Karten verzeichnet) ist ein Naturschutzgebiet, der Kernbereich dessen ein Nationalpark! Nehmt in diesen Gebiet der Natur zuliebe keine Steine mit!

 

3. Einen Vulkankegel erkunden: Volcán del Cuervo (Rabenvulkan) und die Caldera Blanca

Wer schon immer einmal das Innere eines Vulkankegels zu Fuss erkunden wollte, hat auf Lanzarote die Gelegenheit dazu. An der Landstrasse LZ-56 im Osten des Parque Natural de los Volcánes liegt ein Wanderparkplatz, von dem aus ein bequemer Pfad auf loser, feinkörniger Schlacke (Lapilli) über das Lavafeld zum Schlackekegel des „Rabenvulkans“ führt.

Rabenvulkan - Volcan del Cuervo

Dieser Kegel ist seit langem inaktiv und kann durch eine Einkerbung an der Seite fast ohne Höhenunterschied betreten werden. Der Fussweg zum Kegeleingang ist weniger als einen Kilometer lang, sodass auch jüngere Kinder ihn ohne Schwierigkeiten meistern können. Im Inneren des Kegels offenbart der eigentlich schwarzgraue Basalt eine faszinierende Farbenpracht, die so gar nicht zum Namen dieses Kegels  passen möchte.

Lanzarote: Farbenpracht im Rabenvulkan

Die erstarrte Schlacke hat überdies oft bizarre Formen angenommen, in welchen sich fantasievollen Beobachtern fantastische Geschöpfe zeigen können.

Vulkanschlacke: Pferdekopf made by Natur

Schlacke im Rabenvulkan: Wer findet diesen Pferdekopf?

Wie entsteht Vulkanschlacke und weshalb ist sie bunt?

In flüssigem Gestein, also Magma, können wie in anderen Flüssigkeiten auch Gase gelöst sein. Der hohe Druck im Erdinnern sorgt dafür, dass solche Gase auch bei den hohen Temperaturen im Magma in Lösung verbleiben – ähnlich dem Kohlenstoffdioxid in einer verschlossenen Mineralwasserflasche (Le Chatelier erklärt auf dem Flughafen, was es mit solchen Gleichgewichten auf sich hat). Wenn Magma mit wenig oder keinen darin gelösten Gasen als Lava an die Oberfläche tritt, erstarrt es dort zu hartem, kompakten Gestein, auf Lanzarote ist das in der Regel Basalt.

Wenn jedoch viel Gas im Magma gelöst ist und beim Ausbruch eines Vulkans der Druck darauf plötzlich stark nachlässt, verhält sich die Sache wie beim Öffnen einer Mineralwasserflasche: Die Gase bleiben nicht länger gelöst und nehmen damit schlagartig sehr viel mehr Raum ein. Durch die explosionsartige Ausdehnung entstehen in der Lava Blasen und die flüssige Masse wird auseinandergerissen und aus dem Krater geschleudert. Im Flug oder kurz nach der Landung in der Umgebung des Kraters erstarren die Lavafetzen zu Aschekörnern, Staub und bizarr geformten, porösen Steinen (Solche Wurfgeschosse mit einem Durchmesser ab 6,4cm werden auch vulkanische Bomben genannt). Solche Schlacken bestehen aus dem gleichen Basalt wie das kompaktere Gestein der Insel. Sie sollten also von dunkelgrauer bis schwarzer Farbe sein.

Der Schlackenkegel des Rabenvulkans ist dafür jedoch erstaunlich farbenfroh. Grund dafür ist, dass Basalt häufig Atome verschiedener Metalle – allen voran Eisen – enthält, die mit dem Sauerstoff in der Luft zu farbenfrohen Oxiden reagieren können (mehr dazu erfährst du bei der Rostparade). Und die enorm grosse, poröse Oberfläche der Schlackenfetzen bietet überdies reichlich Eisen im Gestein die Gelegenheit, mit Luftsauerstoff in Kontakt zu kommen.

Rote Farbtöne weisen somit auf Eisen im Basalt hin, das an der Luft „gerostet“ ist. Helle, gelbe Verfärbungen können entstehen, wenn im Anschluss an einen Ausbruch weitere reaktionsfreudige Gase in Fumarolen aus dem Kegel strömen und mit ihrer Umgebung reagieren, oder wenn der Basalt in Jahrhunderttausenden an der Luft langsam verwittert. Es lohnt sich jedoch genau hinzuschauen: Die Flechten, die als erste Bewohner einer „neuen“ Vulkanlandschaft auf den Schlacken wachsen, können ebenfalls weiss bis gelb erscheinen!

Wer schon mehr Ausdauer mitbringt, kann auch von Mancha Blanca aus auf Wanderwegen über das sonst fast unbegehbare (s. 1.) Lavafeld wandern und die Caldera Blanca besteigen. Der Blick in diesen alten, verwitterten Riesenkegel und über die Vulkanlandschaft des Timanfaya-Nationalparks ist atemberaubend. Achtung, festhalten! Auf dem oberen Rand der Caldera kann ein sehr starker Wind wehen (Weglänge bis zum oberen Kraterrand: eine Strecke ca. 4,5km)!

Kathi Keinstein auf dem Rand der Caldera Blanca

 

4. Für Neugierige: Den Eingang zur Hölle besuchen: Timanfaya-Nationalpark mit Besucherzentrum

Wusstest du, dass der Vulkan unter Lanzarote auch heute alles andere als erloschen ist? Keine Sorge, heute kennen die Wissenschaftler die Vorzeichen eines Ausbruchs, sodass keiner der Feuerberge hier plötzlich und ohne Warnung wieder Lava spucken wird. Und trotzdem ist die Hitze des gesammelten Magmas unter der Insel im Herzen des Nationalparks bis an die Oberfläche spürbar!

a) In der Ausstellung über Vulkanismus lernen

Im Besucherzentrum (Centro de Visitantes) kannst du in einer Ausstellung Spannendes über Vulkane und den Hotspot unter den kanarischen Inseln bzw. Lanzarote sowie über die Pflanzen und Tiere im Park lernen. Die Info-Tafeln und Ausstellungsstücke sind neben Spanisch auch auf Englisch (ich bin nicht mehr sicher, ob auch auf Deutsch) beschriftet. Dank Video-Aufnahmen von Ausbrüchen an anderen Orten kannst du unter anderem zuschauen, wie die bizarren Lava-Landschaften Lanzarotes vor 300 Jahren oder noch früher entstanden sind.

Hot Spot-Vulkanismus: Warum ist es unter Lanzarote warm?

Vulkane, also Orte, an welchen flüssiges Gestein aus der Erde tritt, gibt es nur in speziellen Bereichen der Erdkruste. Das heisse Material aus dem Erdmantel, das einen Vulkan speisen könnte, ist nämlich nicht flüssig, sondern ähnlich fest wie Gummi. Das rührt daher, dass ein gewaltiger Druck auf dem Mantel lastet – und je höherer Druck auf etwas lastet, desto höher muss die Temperatur sein, damit etwas schmilzt.

Wo Magma entsteht: Geotherme versus Solidus

By Woudloper (Own work) [GFDL or CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons, mit der folgenden Erklärung hier gefunden

 

Die Schmelztemperatur für Erdkrusten- und -mantelgestein ist in den Diagrammen unten für jede Tiefe bis über 150km eingezeichnet, sodass sich aus all diesen Punkten die grüne, „Solidus“ (lat. „fest“) genannte Linie ergibt. Erst bei Temperaturen rechts der grünen Linie kann das Gestein in der jeweiligen Tiefe flüssig sein. Die tatsächliche Temperatur des Gesteins für jede Tiefe markiert die rote, „Geotherm“ (griech.: „Erdwärme“) genannte Linie. Diese verläuft im Normalfall (A) links von der grünen Linie, also im Bereich des festen Gesteins.

An einem mittelozeanischen Rücken (B), wo zwei Erdplatten auseinanderdriften, ist der kalte Bereich der Erdkruste sehr dünn, d.h. die Temperatur steigt schon in sehr geringer Tiefe bis über 1000°C an, sodass die rote Kurve im oberen Bereich rechts der grünen verläuft: Hier kann dicht unter der Erdoberfläche flüssiges Gestein entstehen (roter Bereich in der Grafik unten). In einer Subduktionszone, wo sich eine Erdplatte unter eine andere schiebt (D), sorgen die dabei wirkenden Kräfte für eine Veränderung der Druckverhältnisse, die dem Gestein erlauben, bei niedrigeren Temperaturen zu schmelzen: Die grüne Kurve verläuft weiter links und kreuzt so die rote – flüssiges Gestein entsteht in der Tiefe und kann nach oben vordringen.

Die kanarischen Inseln befinden sich jedoch mitten auf einer Erdplatte. Tief unter ihnen durchzieht jedoch ein sogenannter Mantel-Plume (engl. oder franz. „plume“ = Hutfeder) den Erdmantel (C). Das ist ein Kanal, durch den extrem heisses Material aus dem tiefen Erdinneren nach oben in die äusseren Schichten des Erdmantels dringt. Würde man sich von der Erdoberfläche aus einem solchen Gebilde nähern (also der roten Kurve folgen), würde es einem relativ schnell extrem heiss, bis die rote Temperaturkurve schliesslich am oberen Ende des Mantel-Plumes die grüne kreuzt. Dort kann sich also in mittlerer Tiefe flüssiges Gestein, also Magma bilden und in die Erdkruste eindringen. Dabei bleibt es heiss und – weil der Druck nach oben hin tendenziell weiter sinkt – flüssig.

Dicht unter Lanzarote sammelt sich solches Magma in einem Hohlraum, der Magma-Dom genannt wird und strahlt von dort solche Hitze ab, dass in einem Erdspalt an der Oberfläche trockene Pflanzen spontan in Flammen aufgehen können (ein „hot spot“ ist buchstäblich ein „heisser Fleck“)! Erst wenn es dem Magma in seinem Dom zu eng wird, bricht es zuweilen als Lava durch die Kruste, wie zuletzt vor rund 300 Jahren auf Lanzarote: Am heissen Fleck bricht ein Vulkan aus.

 
b) Hitze aus der Erde spüren Feuerloch-Vorführung und Vulkan-Grill

Im Herzen des Nationalparks auf dem Hügel „Islote de Hilario“ thront das Restaurant „El Diablo“, welches direkt auf einem der heissesten Orte Lanzarotes errichtet worden ist. In unmittelbarer Umgebung des Gebäudes gibt es Löcher im Boden, welchen man nicht zu nahe kommen sollte. Keine Sorge, sie sind sorgfältig markiert und zu Besuchszeiten nicht zu übersehen! Denn Park-Ranger demonstrieren hier den Besuchern die Hitze im Boden, indem sie trockenes Gestrüpp in ein Loch schieben oder einen Eimer Wasser hinein schütten (Abstand halten! Das Wasser kommt zurück!).

Brennender Busch im Timanfaya - Nationalpark

Hier wird nicht gezündelt: Die Hitze im Boden entzündet das Feuer!

 

Im Restaurant kannst du auf dem Vulkan Gegrilltes kosten – eines der heissen Erdlöcher ist hier mit einer Mauer eingefasst und wird als Grill verwendet!

c) Busfahrt oder geführte Wanderung durch Mondlandschaft/Lavatunnel

Jenseits der Zufahrt des „El Diablo“ ist die bizarre Vulkanlandschaft des Nationalparks für Autos und die eigenständige Erkundung zu Fuss gesperrt. Vom Parkplatz vor dem Restaurant starten jedoch regelmässig Bustouren über einen 14 Kilometer langen Rundkurs durch die Feuerberge (im Parkeintritt inbegriffen).

Über den Bus-Lautsprecher gibt es (mehrsprachig!) nebst Erklärungen zu einzelnen Stationen Auszüge aus dem Tagebuch des Pfarrers von Yaiza, der den Ausbruch vor 300 Jahren miterlebt hat, sowie sehr stimmungsvolle musikalische Untermalung. Die Fenster unseres Busses waren überdies so sauber, dass wir sogar brauchbare Fotos machen konnten!

Lavakanal im Timanfaya Nationalpark

Der Bus passt soeben durch diesen einstigen Lavakanal

 

Wenn du mindestens 16 bist und mehr Zeit und Ausdauer mitbringst, kannst du dich am Besucherzentrum auch einer kostenlosen geführten Wanderung anschliessen (Anmeldung 14 Tage im Voraus!) und dir die Geologie, Flora und Fauna auf Englisch oder Spanisch erklären lassen.

 

Noch mehr Spannendes für Naturforscher

Und wer noch nicht genug hat, findet auf und um Lanzarote noch viele weitere Möglichkeiten, die Natur zu erkunden. So zum Beispiel

  • beim Besuch der Cueva de los Verdes im Norden der Insel, einem begehbaren Abschnitt eines echten Lavatunnels, den du im Zuge einer Führung (mehrsprachig, ca. 2h45min) erkunden kannst
  • auf den Spuren der bizarren Pflanzenwelt Lanzarotes: Mit Hilfe einer Digitalkamera kannst du deine Funde in einem Herbarium sammeln, ohne die Pflanzen anrühren zu müssen (mehr dazu findest du hier)! Das meiste Grün findest du dabei im Norden der Insel!
  • Beim Besuch der Jameos del Agua: In diesem kurzen Lavatunnel-Abschnitt ganz in der Nähe der Cueva des los Verdes gibt es einen Teich, in welchem geheimnisvolle kleine weisse Krebse leben, die sonst nur in der Tiefsee vorkommen. Hier kommen zudem auch Kunst- und Gartenfreunde auf ihre Kosten, hat doch Cesar Manrique, der Star-Künstler der Insel, jenseits des Krebsteichs mitten im Lavafeld eine herrliche, begrünte Pool-Landschaft angelegt.
  • Bei der Überfahrt mit der Autofähre von Playa Blanca im Süden Lanzarotes auf die Nachbarinsel Fuerteventura, die unter anderem eine atemberaubende Dünenlandschaft bereithält und von ziemlich zutraulichen Atlashörnchen bewohnt wird.

Und bist du schon einmal auf Lanzarote gewesen? Was hast du dort erlebt? Was möchtest du ausprobieren, wenn du Lanzarote (oder eine der anderen Kanarischen Inseln) besuchst? 

Es ist ein lichter, sonniger Tag vor rund 180 Millionen Jahren. Ein weites, von zahlreichen Inseln durchsetztes Meer erstreckt sich dort, wo heute Süddeutschland liegt. Das Wasser dieses Jura-Meeres ist nicht sehr tief, sodass die Sonnenstrahlen weit hinein dringen und eine Vielfalt bizarrer Lebewesen darin beleuchten können.

Wahre Ungeheuer von Meeresechsen jagen urzeitliche Fische, Seelilien und Muscheln überziehen die Inselhänge, und im freien Wasser ziehen seltsam anmutende Kopffüssler umher. Anders als die heutigen Tintenfische tragen diese Wesen eine schützende Aussenschale – torpedoförmig langgestreckt oder aufgewickelt und gemasert wie das Horn eines Widders. Und diesem Eindruck folgend hat der Mensch letztere „Ammoniten“, abgeleitet von der griechisch-lateinischen Bezeichnung „Ammon“ für den altägyptischen Sonnengott Amun-Re, der häufig mit einem Widderkopf dargestellt ist.

Aber wie können Menschen überhaupt von diesen Geschöpfen wissen und ihnen einen Namen geben? Schliesslich gibt es „uns“ erst seit vielleicht 100.000 Jahren – einem Wimpernschlag in der Erdgeschichte. Eine Reihe günstiger Zufälle und viel, sehr viel Zeit haben dazu geführt, dass wir heute vielerorts spannende Überreste von Lebewesen längst vergangener Erdzeitalter finden können: Fossilien – Stein gewordenes Leben. Diese Geschichte erzählt das Schicksal eines Ammoniten der Gattung Dactylioceras, der die Jahrmillionen überdauert hat und zum Zeugen seiner Zeit im Jura-Meer geworden ist.

Ein Leben geht zu Ende

Unser Ammonit hat wenig Freude am Sonnenschein, welcher seine Schale in tausend Perlmuttfarben schillern lässt. Mehr denn je bereiten ihm die Schwimmstösse Mühe. Zu viele Kilometer in einem langen Ammonitenleben liegen nun schon hinter ihm. Appetit hat er schon lange nicht mehr, und die Müdigkeit des Alters lässt seine Tentakel schwer werden. Ruhe ist das Einzige, wonach ihn heute verlangt, sich einfach im Strom des Meeres treiben lassen…

Immer langsamer wird unser Ammonit. Er gewahrt nicht, dass er stetig tiefer sinkt, während der letzte Lebensfunke schliesslich aus ihm hinausgleitet. Das Wasser trägt den leblosen Körper noch ein wenig, ehe er still und unbemerkt bis auf den Grund des Jurameeres sinkt.

Verwesung oder Fäulnis: Der Lebenskreis schliesst sich – fast

Jedes Lebensende auf der Erde bedeutet Arbeit – für Aasfresser, zahllose kleine Krabbeltiere und mikroskopisch kleine Bakterien und Pilze. Denn die Aufgabe dieser Geschöpfe besteht darin, nicht mehr benötigte Biomasse in ihre Bestandteile zu zerlegen, aus welchen einmal neue Lebewesen entstehen können. Grosse und kleine Aasfresser zerteilen einen Kadaver in handliche Stücke, welche die Mikroorganismen bequem verstoffwechseln können. Das heisst, sie zerstückeln komplexe Moleküle wie Proteine und DNA, die vornehmlich aus den Elementen Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Sauerstoff (O), Stickstoff (N) und Phosphor (P) bestehen, in Kohlenstoffdioxid (CO2), Wasser (H2O), Harnstoff und Phosphat-Ionen (PO43-): Der Kadaver verwest.

Im Übrigen hat keines dieser Bruchstücke einen merklichen Eigengeruch. Das heisst: Verwesung stinkt nicht.

Unser Ammonit entgeht diesem Schicksal allerdings, denn das Jura-Meer weist eine Besonderheit auf: In der Wasserschicht direkt über seinem Grund gibt es keinen Sauerstoff. Und die für die Verwesung zuständigen Organismen haben eins gemeinsam: Sie sind Sauerstoffatmer, also aerobe Lebewesen, die ohne Sauerstoff weder arbeiten noch leben können.

So bleibt die Entsorgung des Ammonitenkadavers, nachdem er erst auf den Meeresgrund gesunken ist, an den hartgesottensten unter den Mikroorganismen hängen, die auch ohne Sauerstoff zurechtkommen – sogenannten anaeroben Lebewesen. Diese verwenden eine natürliche Form der Gärung, um die komplexen Moleküle im Leib des Ammoniten zu zerlegen – in Bruchstücke wie Propionsäure, Essigsäure, Buttersäure, Ethanol, Amine, Methan, Ammoniak, Schwefelwasserstoff,… Mit anderen Worten: Sie sorgen für üblen Gestank!

Ein dunkles, enges Grab

Dieser Prozess, den wir als Fäulnis kennen, ist zudem längst nicht so allumfassend wie die Verwesung, insbesondere, wenn die Physik sich einmischt. Von der Schwerkraft nach unten geleitet sinken nämlich laufend Schwebstoffe auf den Grund des Jura-Meeres und damit auf unseren Ammoniten – bis seine Überreste nach kurzer Zeit ganz von sich ansammelndem Schlamm bedeckt sind. Das wird selbst den hartgesottensten Anaerobiern irgendwann zu viel.

Zu unserem Glück ist der Ammonit ein Schalentier, denn seiner Kalkschale können die fleissigen Anaerobier bis dahin wenig anhaben, während sie von seinem weichen, skelettlosen Leib mit den Tentakeln kaum etwas übrig lassen. Das heisst, von den komplexen Biomolekülen bleibt nicht viel – aber ihre Atome werden lediglich zu den genannten, „wohlriechenden“ Stoffen umgruppiert. Und im lauen Jura-Meer sind einige dieser Stoffe, zum Beispiel Methan, Ammoniak und Schwefelwasserstoff, gasförmig. Gase haben es allerdings gar nicht gern eng.

Während sich also immer mehr Schlamm über unserem Ammoniten sammelt und auf dem Kadaver lastet, drängt es die Gase zunehmend dazu, zu entweichen. Und zwar dem Auftrieb folgend nach oben. Beim Faulen entstehende Gasbläschen suchen sich also ihren Weg durch den Schlamm, während die flüssigen und festen Fäulnisprodukte im immer enger werdenden Raum verbleiben.

Diagenese: Geheimnisvolle Wandlung

Die Zeit vergeht, und mehr Schlamm lagert sich ab, dazu Überreste von Muscheln und anderen Lebewesen, Sand, und noch mehr Schlamm. Viele Meter hoch stapeln sich die Schichten und lasten Jahrmillionen lang auf unserem Ammoniten. Je mehr Schichten sich sammeln, desto mehr Druck wirkt auf unseren Ammoniten ein. Und wenn allseits zappelige Atome – auch die von Ammoniten-Überresten – unter Druck geraten, stossen sie in der Enge immer häufiger zusammen und werden zunehmend hektischer: Die Temperatur steigt.

Für den Ammoniten hat all das weitreichende Konsequenzen: Unter all dem Druck wird das, was von seiner Schale und seinem Körper übrig ist, richtiggehend platt gedrückt – hätte sein Lebensweg einstmals aufrecht im Schlamm geendet, wäre er zusammengestaucht worden. Und wie aus einer Frucht, die von einem Auto überrollt wird – nur sehr, sehr viel langsamer – weichen nun auch Wasser und andere flüssige Bestandteile aus den Überresten in die sie umgebenden Sedimente.

Auch diese Sedimente sind in dieser Zeit von sich aus „feucht“: Neben festen Schlammpartikeln oder Sandkörnern enthalten sie Lösungen verschiedener Ionen, die Mineralien und Gesteine bilden können (zum Beispiel Calcium (Ca2+) und Carbonat (CO32-), die Calcit bzw. Kalk bilden, Salze der siliziumhaltigen Kieselsäuren oder Phosphate (PO42-)).

So lange die aus dem Druck folgende Temperatur die Teilchen in den Sedimentschichten in Bewegung hält, nimmt diese Bewegung mit der Zeit ihren natürlichen Lauf: Wie alles in der Natur streben sie einem Gleichgewichtszustand, einer möglichst gleichmässigen Durchmischung entgegen. Mit anderen Worten: Der Inhalt des Ammoniten-Überrests und die Zusammensetzung der ihn umgebenden Sedimente gleichen sich immer mehr an.

Und unter genügend Druck über einen genügend langen Zeitraum (in der Regel reichen einige Millionen Jahre) geschieht noch etwas: Aus losem, von Salzlösungen durchsetztem Schlamm und Sand wird, wenn die gelösten Salze auskristallisieren, festes Gestein! Dieses kann, je nach Zusammensetzung der Ausgangslösungen zum Beispiel aus Calciumcarbonat (CaCO3), Calciumphosphat (Ca3(PO4)2) oder Siliziumdioxid (SiO2, dem „Anhydrid“ – also einer „entwässerten“ Form – der Kieselsäure) bestehen.

Das schliesst auch unseren Ammoniten mit ein, bei welchem es sich inzwischen viel mehr um Sedimente mit Zusätzen in Ammonitenform handelt. Was einst ein lebendes Weichtier war, wird so vollkommen hart und steinern – und damit spröde. Wenn nun Erdbeben die Schichten erschüttern, Berge aufgefaltet werden oder ähnlich brutale Kräfte auf das Gestein wirken, können Fossilien darin zerbrechen und die Teile gegeneinander verschoben werden.

Aber unser Ammonit hat Glück. Seine Sedimentschichten bleiben über viele Jahrmillionen unberührt. So kann sich das Gestein unter fortwährendem Druck weiter entwickeln: Die Atome in den ursprünglichen Kristallen werden umgruppiert und es entstehen neue Kristalle, mitunter härter und beständiger als ihre Vorgänger. Dabei hat unser Ammonit wiederum Glück, dass der Druck auf ihn nicht allzu sehr überhandnimmt. Wird dieser nämlich zu hoch, kann die Struktur eines Gesteins – einschliesslich seiner Fossilien – komplett aufgeweicht und umgestaltet werden. Dann entsteht ein sogenanntes metamorphes Gestein, das in Folge seiner Entstehung keinerlei Fossilien mehr enthalten kann.

Rückkehr ans Tageslicht

Nach 180 Millionen Jahren ist das Jura-Meer längst verlandet, die Kontinente haben sich neu gruppiert, und der einstige Meeresgrund liegt nun leicht angehoben in Mitteleuropa. Viele der Schichten, die einst auf dem Schlamm lagerten, welcher das Grab unseres Ammoniten bildet, sind verwittert und abgetragen. Menschen bewohnen das Land und bauen oberflächennahes Gestein für ihre Bauwerke ab.

Einige besonders neugierige Exemplare der Gattung Homo, darunter mein Lebensgefährte und ich, suchen in dabei freigelegten Gesteinsschichten nach Spuren der Vergangenheit unseres Planeten. Der kleine Ort Holzmaden in Baden-Württemberg ist für besonders gut erhaltene Fossilien aus dem unteren Jura – so heisst das geologische Zeitalter, das die Erde vor rund 180 Millionen Jahren durchlebte – bekannt. Deshalb hat man dort eigens für neugierige Laien wie uns Besuchersteinbrüche eingerichtet, in welchen jedermann für ein kleines Entgelt den ganzen Tag nach Herzenslust schürfen kann.

Das Grab unseres Ammoniten bei Holzmaden - und Kathi Keinstein bei der Exhumierung der Fossilien

Posidonienschiefer im Besuchersteinbruch: Das Grab unseres Ammoniten bei Holzmaden – und Kathi Keinstein bei der Exhumierung

 

Mit Geologenhämmern bewaffnet haben wir einen strahlend schönen Tag genutzt, um die einstigen Schlammschichten des Jura-Meeresgrundes, welche nun dunkle Schieferplatten bilden, behutsam eine nach der anderen abgetragen, bis wir schliesslich zwischen zwei Platten auf das 180 Millionen Jahre alte Grab unseres Ammoniten gestossen sind!

Wie sich zeigte, ist das, was von der einst zentimeterdicken Schale des Tieres übrig ist, heute dünner als ein Blatt Papier, und hauchdünne, wie Blattgold anmutende Reste eines kupferfarben schimmernden Materials sind das einzige, was von dem einstigen Lebewesen nach all der Zeit übrig ist. Am Eindrücklichsten ist damit der Abdruck, welchen die Schale des Ammoniten im Schlamm – heute zu einem schieferartigen Gestein versteinert – hinterlassen hat. Jede Maser, jedes Detail der Musterung dieses Geschöpfes es nach unvorstellbar langer Zeit noch detailgenau zu erkennen.

Fossilien gefunden: Ammonit, Ohmden bei Holzmaden

Fossiler Abdruck unseres Ammoniten mit bräunlichen Überresten der eigentlichen Schale, wie wir ihn gefunden haben. (Originaldurchmesser ca. 4 cm, Posidonienschiefer, aus Ohmden bei Holzmaden)

 

Paläontologen – Wissenschaftler, die sich mit der Erforschung von Lebewesen vergangener Erdzeitalter beschäftigen – hatten in Holzmaden sogar das Glück, auf die Überreste von Weichteilen, wie Tentakeln, Tintensäcken und mehr, von Ammoniten zu stossen und damit ein schlagendes Argument dafür zu finden, dass es sich bei diesen Geschöpfen tatsächlich um urzeitliche Tintenfische gehandelt hat. Solche herausragenden Funde und zahllose andere Fossilien bishin zu den gewaltigen Skeletten von Dinosauriern können in zahlreichen Naturkundemuseen auf der ganzen Welt bewundert werden.

Fossilien selber finden

Wenn euch nun das Schatzsucher-Fieber gepackt hat und ihr es uns nachtun möchtet: Fossilien selbst finden ist gar nicht so schwer. Einige Dinge solltet ihr jedoch beachten:

1. Sucht am richtigen Ort:

Wer aufmerksam gelesen hat, weiss es schon: Fossilien gibt es nur in – möglichst unverformtem – Sedimentgestein, zum Beispiel in Kalkstein oder Tonstein (wie dem Posidonienschiefer in Holzmaden). Auch das Vorkommen von Kohleflözen nahe der Oberfläche kann mit Fossilien im umgebenden Gestein einher gehen: Steinkohle ist nichts anderes als fossiles, extrem kohlenstoffreiches Material aus vorzeitlichen Pflanzen. So sind wir auch schon im deutschen Ruhrgebiet, südlich von Essen, fündig geworden. Wer gezielt suchen möchte, dem können geologische Karten verraten, wo fossilienhaltige Gesteinsschichten an der Erdoberfläche zugänglich sind.

2. Rüstet euch mit allem Notwendigen aus, um eure Funde bergen zu können:

Gut spaltbares Gestein wie der Posidonienschiefer in Holzmaden oder auch der Solnhofener Plattenkalk erleichtern das Finden und Bergen von Fossilien erheblich. Ein Geologenhammer und ein scharfer(!) Meissel leisten wertvolle Hilfe. Eine Schutzbrille kann die Augen vor herumfliegenden Splittern schützen, und stabile Arbeitshandschuhe bewahren zarte Hände vor Aufrauhung und Verletzungen. In Besucher-Steinbrüchen wie jenem in Holzmaden kann man Hämmer und Meissel auch ausleihen. An vielen Orten können Fossilien jedoch auch ganz ohne Hilfsmittel gesammelt werden: Auf Abraumhalden, am Strand, in Kiesgruben oder in natürlichem Schutt, der von fossilienhaltigen Schichten stammt.

3. Stellt sicher, dass auf dem ausgewählten Gelände gesucht werden darf:

Gewerblich genutzte Steinbrüche oder Kiesgruben dürfen in der Regel nicht betreten werden! Felsrutsch-Gebiete können gefährlich sein – beachtet entsprechende Kennzeichnungen. Respektiert überdies Schutzgebiete und Privateigentum (Absperrungen und Zäune!), und beschädigt die Landschaft und was darin wächst und lebt nicht mehr als unbedingt notwendig. Wer ganz sicher gehen möchte, kann in Besucher-Steinbrüchen suchen, die zum Schürfen und Wühlen angelegt sind.

4. Wenn ihr im Ausland sucht:

Beachtet die Ausfuhrbestimmungen des jeweiligen Landes, bevor ihr etwas mitnehmt. In manchen Ländern dürfen Steine (auch Fossilien) und andere Fundstücke aus der Natur nicht gesammelt bzw. ausgeführt werden!

5. Überlegt euch, wie ihr eure Funde abtransportiert:

Steine sind schwer! Altes Zeitungspapier zum Einwickeln schützt fossilienhaltige Steinplatten vor Kratzern und euch und eure Transporthilfsmittel vor scharfen Kanten. Dünne Steinplatten lassen sich in stabilen Plastikbeuteln oder einem grossen Rucksack tragen. Wer mit einer grösseren Menge Funden rechnet, dem sei eine stabile Kunststoff- oder Holzkiste empfohlen.

6. Reinigt eure Funde behutsam:

Säubert eure Schätze mit Wasser und einer weichen Bürste oder Zahnbürste. Da die meisten fossilienhaltigen Sedimentgesteine in irgendeiner Form Kalk enthalten, meidet saure Reinigungsmittel (zum Beispiel Essig) unbedingt – Kalk löst sich mitsamt der Fossilien, die ihn enthalten, darin auf! Wenn eure Fossilien besonders filigrane Teile enthalten, die weggespült werden könnten, bürstet das sie umgebende Gestein vorsichtig mit einer trockenen Bürste ab.

7. Ein besonderer Kniff zum Schluss:

Innerhalb von fossilienhaltigem Gestein enthalten nicht immer alle Schichten gleichermassen Fossilien. Wenn ihr in einer Lagerstätte irgendwo fündig werdet, merkt euch die Lage dieser Schicht und sucht auf der gleichen Höhe weiter!

 

Habt ihr schon einmal Fossilien gefunden? Welche? Wo lohnt es sich danach zu suchen? Gebt den anderen Lesern einen Tipp, wo sie fündig werden können! Oder seid ihr nun neugierig geworden und möchtet selbst suchen? 

Seltene Erden : Mine in Ytterby

Was sind „seltene Erden“? Warum ist dieser Name eigentlich irreführend? Was haben die chemischen Elemente, die diese Bezeichnung tragen, gemeinsam? Und warum haben sie gerade in den letzten Jahren häufig Schlagzeilen gemacht?

Das Artikelbild zeigt die aufgelassene Grube Ytterby heute (By Svens Welt (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons). Traditionell statten alle Empfänger eines Nobelpreises dieser Fundgrube einzigartiger chemischer Elemente einen Besuch ab. Denn vor über 200 Jahren begann dort die Geschichte der seltenen Erden.

Ein Ausflug in die Geschichte: Als die seltenen Erden noch selten waren

Ytterby, Schweden, 1787. Leutnant Carl Axel Arrhenius streift über die Abraumhalden der Grube nahe des kleinen Dorfes auf einer Insel vor Stockholm. Schon seit dem sechzehnten Jahrhundert hat man hier Quarz für die Eisenhütten der Umgebung abgebaut, und neuerdings gewinnt man ausserdem Feldspat für die Porzellan- und Glasindustrie. Arrhenius interessiert sich jedoch nicht für diese beiden gar zu häufigen Mineralien, sondern für das, was die Minenarbeiter unweigerlich mit ihnen zu Tage fördern und als unbrauchbar auf den Halden entsorgen. Für den Leutnant ist die Stationierung im nahen Vaxholm ein Glücksfall, gibt sie ihm doch die Gelegenheit, hier in Ytterby seinem grossen Hobby, der Geologie, nachzugehen und nach Mineralien zu suchen.

Die Abraumhalden von Ytterby haben schon manch interessantes Fundstück für ihn bereit gehalten, sodass es Arrhenius immer wieder hier hinaus zieht. Doch was er nun in der Hand hält, ist wahrhaft aussergewöhnlich. Der schwarze Stein, ein raues Felsbruchstück, ist bemerkenswert schwer, und Arrhenius‘ Sammlerinstinkt lässt ihn ahnen: Das ist etwas ganz besonderes.

Gadolinit : Mineral mit seltenen Erden

Gadolinit: Grosser Einkristall (8.2 x 7.1 x 5.2 cm), Tuftane-Steinbruch, Frikstad, Norwegen (by Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0 [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons)

 

Welch ein Glück, dass er mit einigen der berühmtesten skandinavischen Chemiker seiner Zeit bekannt ist, und diese sich der Untersuchung seines seltsamen Fundstücks annehmen. Professor Johan Gadolin von der Universität von Åbo gelingt schliesslich eine vielversprechende Analyse: Rund 38% des schwarzen Minerals bestehen demnach aus einer ganz neuartigen „Erde“, welche Gadolin aus seinen Proben aus Ytterby isolieren kann. Als „Erden“ bezeichnen die Chemiker zu dieser Zeit die Oxide der Metalle – die Begriff „Oxid“ ist wesentlich jüngeren Datums.

Gadolins Erde erhält nach ihrem Herkunftsort den Namen „Yttererde“, und der Chemiker erkennt, dass darin ein neues Element enthalten ist. Später erhält dieses Element – wiederum nach dem Ort seiner ersten Entdeckung – den Namen Yttrium, während das schwarze Mineral zu Ehren seines Untersuchers „Gadolinit“ genannt wird.

Die eigentliche Überraschung, welche dieses Mineral in sich birgt, wird jedoch erst im Laufe eines Jahrhunderts voller Arbeit vieler Chemiker offenbar: Die Yttererde besteht nicht, wie man annehmen mag, aus reinem Yttriumoxid, sondern lässt sich in mehrere verschiedene Oxide auftrennen! Und mit vielen ähnlichen neuen „Erden“ verhält es sich ebenso.

Heute wird die chemische Formel des Gadolinits, welchem die Yttererde entstammt, mit (Ce,La,Nd,Y)2FeBe2Si2O10 angegeben. Damit enthält das Mineral nicht bloss eines, sondern gleich vier Elemente, welche Leutnant Arrhenius und Professor Gadolin ihrerzeit nicht bekannt waren: Yttrium (Y), Cer (Ce), Lanthan (La) und Neodym (Nd). Und die Aufzählung ihrer Symbole innerhalb der runden Klammern deutet an, warum Gadolin sie nicht gleich alle entdeckt hat: Diese Elemente sind sich chemisch so ähnlich, dass sie in natürlichen Kristallen (d.h. Mineralien) stets bunt gemischt vorkommen und mit den Methoden des späten 18. Jahrhunderts kaum zu trennen waren.

Reiche Erzlagerstätten dieser und weiterer einander täuschend ähnlicher Elemente, wie die Mine in Ytterby, sind nicht besonders häufig. So waren wohl auch die Oxide dieser Elemente anfänglich nicht nur neu und merkwürdig, sondern in der Welt der Chemiker und Mineralogen überdies selten, was den Elementen und ihren Verbindungen ihren bis heute verbliebenen gemeinsamen Namen eingebracht haben wird: „Seltene Erden“.

 

Ein Steckbrief der „seltenen Erden“

Seltene Erden sind:

  • nach heutiger Auffassung die Elemente Scandium, Yttrium, Lanthan und die 14 auf Lanthan folgenden Elemente, die auch „Lanthanoiden“ genannt werden: Cer, Praseodym, Neodym, Promethium, Samarium, Europium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium und Lutetium:

Scandium, Yttrium und Lanthan sind sogenannte Übergangsmetalle, die im Periodensystem untereinander stehen. Das bedeutet, ihre Elektronenhüllen sind analog aufgebaut, was allein schon ihre chemische Ähnlichkeit erklärt. Die 14 Lanthanoiden werden (gemeinsam mit den Actinoiden) häufig in einer separaten Zeile unterhalb des Periodensystems aufgelistet, damit das Ganze vernünftig auf ein Blatt Papier passt. Eigentlich gehören sie nämlich in die sechste Periode zwischen Lanthan und Hafnium.

  • auf der Erde gar nicht so selten:

Grössere Seltenerd-Erzlagerstätten sind zwar selten, aber kleine Mengen der Elemente sind über eine Vielzahl von Mineralien und Erzen weit verteilt. So findet man das häufigste Seltenerd-Element Cer auf der Erde häufiger als Kupfer, während das seltenste, Thulium, noch häufiger ist als Silber.

  • einander sehr ähnliche Metalle:

Die elementaren Seltenerdmetalle sind silberweiss, metallglänzend und formbar – typische Metalle eben. Darüber hinaus sind sie in sehr ähnlicher Weise unedel und sehr reaktiv. Alle Seltenerdmetalle sind hochentzündlich, manche Lanthanoiden neigen sogar zur Selbstentzündung an der Luft. Deshalb werden viele Seltenerdmetalle für industrielle Zwecke häufiger in Form stabilerer chemischer Verbindungen verkauft anstatt als reines Metall.

Lanthanoide : Viele seltene Erden sind f-Elemente

Die Lanthanoiden (ausser Promethium) als reine Metalle by Tomihahndorf at the German language Wikipedia [GFDL or CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

 

  • Unverzichtbare Bestandteile der modernen Technik:

Ob als Bestandteil von Nickel-Metallhydrid-(NiMH)-Akkus, in „Supermagneten“, z.B. in Windkraftanlagen und Lasern, Computern, Bildschirmen und Energiesparlampen als Katalysatoren oder gar als Kontrastmittel in der Medizin: In kaum einem Bereich des modernen, technischen Lebens begegnet man den Seltenerd-Metallen nicht. Deshalb sind sie insbesondere für die Industriestaaten als Rohstoffe so unverzichtbar.

  • nicht radioaktiv:

Mit einer Ausnahme: Das Lanthanoid Promethium kommt nur in Form des β-strahlenden Pm-147 mit einer Halbwertszeit von rund 2,6 Jahren in der Natur vor – in kleinsten Mengen als Zerfallsprodukt von Uran in dessen Erzen. Das langlebigste (künstlich erzeugte) Promethium-Isotop ist Pm-145 mit einer Halbwertszeit von 17,7 Jahren. Somit sind alle Promethium-Isotope, die vielleicht einmal in der Materie, welche die Erde formen sollte, enthalten waren, in den viereinhalb Milliarden Jahren Erdgeschichte längst zerfallen.

  • Im Vergleich zu vielen bekannten Schwermetallen nur wenig bis gar nicht giftig:

Viele weitere Bestandteile der Erze (darunter finden sich nicht selten sogar radioaktive Elemente wie Uran und Thorium!), aus welchen sie gewonnen werden, hingegen schon. Deshalb ist der beim Abbau von Seltenerd-Metallen zurückbleibende Schlamm Umwelt und Gesundheit zuliebe sicher zu verwahren oder zu entsorgen.

  • Im Internet für jedermann erhältlich:

In den gängigen Online-Auktionshäusern werden immer wieder Seltenerd-Metalle angeboten. Aber Achtung: Längst nicht alles, was dort als „Seltenerd-Metall“ oder bezeichnet wird, ist auch ein solches – dazu zählen nur die oben genannten bzw. in der folgenden Tabelle aufgezählten Elemente!. In der Regel sind reine Seltenerd-Metalle unter einer reaktionsträgen Atmosphäre (meist Argon) in Glasphiolen eingeschlossen, damit sie nicht mit ihrer Umgebung reagieren können. Ein hochwertiger Schaukasten mit allen Lanthanoiden ausser Promethium ist meist für gute 350 Euro bzw. knapp 400 Franken zu haben.

Element Element-symbol Bedeutung des Namens Verwendung in der Technik (Beispiele)
Scandium Sc lat.: Scandia für Skandinavien, wo das erste Erz entdeckt wurde Stadionbeleuchtung, Brennstoffzellen, Laser
Yttrium Y nach Ytterby, dem Ort seines Erstfundes Leuchtdioden, Flachbildschirme, Laser
Lanthan La griech.: lanthanein = versteckt sein Ni-MH-Akkus, Katalysatoren
Cer Ce nach dem zur gleichen Zeit entdeckten Zwergplaneten Ceres Abgas-Katalysatoren, UV-Schutzgläser
Praseodym Pr griech.: prásinos = lauchgrün, didymos = doppelt : der lauchgrüne Zwilling Dauermagnete, Elektromotoren, Glasfarbstoff
Neodym Nd griech.: neos = neu, didymos = doppelt : der neue Zwilling Dauermagnete (z.B. in Windkraftanlagen), CD-Spieler
Promethium Pm nach Prometheus, einer Figur der griechischen Mythologie Leuchtziffern, Wärmebatterien in Raumfahrzeugen (da radioaktiv!)
Samarium Sm nach dem Mineral Samarskit, in welchem es erstmals nachgewiesen wurde Dauermagnete in elektronischen Kleingeräten, auch Raumfahrt
Europium Eu nach dem Kontinent Europa roter Leuchtfarbstoff: Leuchtdioden, Plasmabildschirme, Energiesparlampen
Gadolinium Gd nach dem Mineral Gadolinit Kontrastmittel für die Kernspin- tomographie, grüner Leuchtfarbstoff in Radarschirmen
Terbium Tb nach Ytterby, dem Ort des Erstfundes einer seltenen Erde Dauermagnete, Sonartechnik
Dysprosium Dy griech.: dysprosios = unzugänglich Dotierung von Kondensatoren, Dosimeter, Halogenlampen
Holmium Ho lat.: Holmia für Stockholm, die Hauptstadt Schwedens Laser
Erbium Er nach Ytterby, dem Ort des Erstfundes einer seltenen Erde Laser, Glasfaserkabel bzw. -verstärker
Thulium Tm nach Thule, der Bezeichnung für Skandinavien in der klassischen Antike Dotierung in der Röntgentechnik, Gamma-Strahlenquelle für die Werkstoff- prüfung
Ytterbium Yb nach Ytterby, dem Ort des Erstfundes einer seltenen Erde Kunststoff-Zahnfüllungen, Laser
Lutetium Lu lat.: Lutetia für Paris, die Hauptstadt Frankreichs Beta-Strahlenquelle: Positronen-Emissions-Tomografie

Warum sich die seltenen Erden chemisch so sehr ähneln

Die Seltenerd-Metalle gleichen einander in ihrer Chemie derart, dass selbst die Natur sie ständig miteinander verwechselt: Ein Seltenerd-Erz enthält stets mehrere verschiedene Metalle, deren Ionen ihre Plätze im Kristall wechselweise einnehmen, als gehörten sie allesamt zur selben Ionensorte. Wenn Chemiker versuchen, für solch einen Kristall eine chemische Formel aufzustellen, kommt so etwas herum wie für das schon erwähnte Mineral Gadolinit: (Ce,La,Nd,Y)2FeBe2Si2O10 . Es handelt sich dabei um ein Silikat, also ein Salz einer Kieselsäure, welches neben einem Eisen- und zwei Beryllium-Ionen zusätzlich zwei Seltenerdmetall-Ionen je Formeleinheit enthält. Innerhalb der runden Klammern ist die Auswahl derjenigen Metalle angegeben, aus welcher diese beiden Ionen stammen: Cer, Lanthan, Neodym und Yttrium. Welche beiden dieser Ionen man in einem beliebigen Ausschnitt des Kristalls, für welchen die Formel steht, jeweils antrifft, ist freilich dem Zufall überlassen.

Doch warum sind sich die Seltenerd-Metalle chemisch so ähnlich? Die Chemie eines Atoms, also seine Neigung zu Reaktionen sowie seine „Passform“ bei der Entstehung eines Ionenkristalls, wird vom Aufbau seiner Elektronenhülle bestimmt. Und der ist normalerweise von Element zu Element verschieden – einzig die Elemente, die im Periodensystem untereinander stehen (wie Scandium, Yttrium und Lanthan), ähneln sich ein Stück weit, da sich ihre Elektronenhüllen nur in der Anzahl besetzter Energieniveaus („Etagen“ im Elektronenhüllen-Haus) unterscheiden, nicht aber in der Besetzung des massgeblichen äussersten Niveaus.

Die Lanthanoiden unter den seltenen Erden haben alle miteinander eine einzigartige Stellung im Periodensystem inne, da sie die ersten Elemente mit Elektronen in einem zusätzlichen „Zwischengeschoss“ sind, dessen Elektronen-„Wohnungen“ die Chemiker als f-Orbitale bezeichnen. Das besetzte f-Zwischengeschoss der Lanthanoiden gehört dabei rein formal zur vierten „Etage“ des Elektronenhülle, obwohl es in der sechsten Zeile (Periode) des Periodensystems auftauchen und dementsprechend auch erst nach dem ersten Orbital der sechsten „Etage“ aufgefüllt werden.

Gemäss den Spielregeln der Chemie sind jedoch die Elektronen der äussersten Schale (die auch als „Valenzelektronen“ bezeichnet werden) für das Verhalten eines Atoms entscheidend – bei den Lanthanoiden also die drei Elektronen, welche den ersten drei Positionen in der sechsten Periode des Periodensystems entsprechen. Wie viele Elektronen darüber hinaus im f-Zwischengeschoss sind, ist hingegen ziemlich egal. So wird es niemanden wundern, dass alle Seltenerd-Metalle dreifach positiv geladene Ionen bilden, indem sie ihre drei Valenzelektronen abgeben und damit ihre Aussen-Etage vollkommen entleeren (einige bilden darüber hinaus auch zwei- oder vierfach positiv geladene Ionen, da sie ihre Elektronen noch anderweitig „energetisch günstig“ zu sortieren wissen).

Dieser besondere Aufbau der Elektronenhüllen der Lanthanoide hat noch einen weiteren einzigartigen Effekt zur Folge: Normalerweise sind Ionen der Elemente umso grösser, je mehr Elektronen in ihrer Hülle „Wohnungen“ bzw. Orbitale besetzen. Logisch, denn je mehr bewohnte Wohnungen man haben will, desto höher wird man das Haus bauen müssen.

Bei den Lanthanoiden wirkt sich der Einzug der Elektronen in die Orbitale des f-Zwischengeschosses jedoch nicht auf die Höhe des Hauses aus – gehört dieses Zwischengeschoss doch zur vierten Etage und nicht zur sechsten. Da mit der wachsenden Anzahl Elektronen jedoch auch die positive Ladung des Atomkerns zunimmt, steigt auch die Anziehungskraft, die der Kern auf seine Elektronenhülle ausübt – ohne dass diese durch zusätzliche Wohnungen und Etagen dicker würde. Und diese Anziehungskraft macht sich so stark bemerkbar, dass die Ionen der Lanthanoiden von links nach rechts im Periodensystem tatsächlich kleiner werden, anstatt wie bei allen anderen Elementen grösser! Dieser Effekt, den die Chemiker „Lanthanoidenkontraktion“ nennen, ist so stark, dass ein Dysprosium-Ion (das neunte Element in der Reihe der Lanthanoiden) ebenso klein ist wie ein Yttrium-Ion, dessen äusserste besetzte Etage die fünfte anstatt der sechsten ist!

 

Warum in den letzten Jahren so ein Aufstand um seltene Erden gemacht wurde

Ohne die seltenen Erden könnte es unsere High-Tech-Welt, wie sie zur Zeit aussieht, nicht geben. Das zeigt allein schon die oben gelistete Auswahl an technischen Anwendungen dieser einzigartigen Metalle. Ihre Gewinnung ist jedoch mit grossem Aufwand und Risiken für die Umwelt verbunden. Wohl deshalb leistet zu Beginn des 21. Jahrhunderts China weit über 90% der weltweiten Förderung der seltenen Erden – nennt es doch die weltweit grössten zusammenhängenden Vorkommen an Seltenerd-Erzen sein Eigen, welche etwa 30% der weltweiten Reserven ausmachen.

All jene Industriestaaten, die sich die Hände nicht in dieser Weise schmutzig machen wollen, sind damit weitestgehend auf die Einfuhr von seltenen Erden aus China angewiesen. Als die Chinesen 2010 entschieden, die Ausfuhr ihrer seltenen Erden zu beschränken, gerieten ihre Abnehmer somit gehörig ins Schwitzen – denn alternative Quellen waren auf die Schnelle nicht zur Hand. Die Begründung Chinas, die Beschränkung der Umwelt zuliebe einzuführen (Warum sollten wir uns für euch andere die Hände bzw. die Umwelt schmutzig machen?), erschien der Weltöffentlichkeit zudem als reichlich wenig glaubwürdig.

So schien es nur noch zwei Möglichkeiten zu geben einen Engpass in Sachen seltene Erden zu vermeiden: Die Ansiedelung von Hightech-Produktionsfirmen in China, um anstelle der Seltenerd-Erze die fertigen Produkte aus China auszuführen, oder eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation WTO – denn die Ausnutzung eines Rohstoff-Monopols um einheimischen Firmen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen ist gemäss den Spielregeln der Weltwirtschaft nicht erlaubt.

Nachdem jene westlichen Firmen, die sich für eine Ansiedelung in China entschieden, auch dort von Benachteiligungen gegenüber den einheimischen Konkurrenten berichteten und eine geplante Erhöhung der Ausfuhrzölle für seltene Erden die Lage noch mehr zu verschärfen drohte, zogen die USA, gefolgt von der EU und Japan, am 13. März 2012 schliesslich vor das Gericht der WTO – und erhielten Recht. Doch obwohl dieser Schiedsspruch schon im Jahr 2013 erfolgte, sträubten die Chinesen sich noch bis Anfang 2015, ehe sie die Ausfuhr der seltenen Erden endgültig freigaben.

Die Ironie dabei: Tatsächlich wurde die Beschränkung der Ausfuhr von seltenen Erden auf rund 31.000 Tonnen pro Jahr nie ausgeschöpft – im Jahr 2013 wurden laut der FAZ gerade einmal 22.493 Tonnen exportiert, bis November 2014 waren es 24.886 Tonnen. Hat China die Ausfuhrbeschränkung also letztlich aufgehoben, weil sie keinen Nutzen mehr hatte?

Wenn der ganze Zwist um die chinesischen seltenen Erden für den Rest der Welt einen Nutzen hatte, dann wohl jenen, dass er diese wichtigen, der Allgemeinheit aber eher unbekannten Elemente populär machte und zum Nachdenken über andere Gewinnungsmöglichkeiten – vor allem durch Recycling von „High-Tech-Abfällen“ – angeregt hat und anregt.

Und welche seltene(n) Erde(n) sind euch in eurem Alltag schon begegnet?

Literatur:

[1] L.F.Trueb (2005). Die chemischen Elemente – Ein Streifzug durch das Periodensystem. Stuttgart: S.Hirzel Verlag

[2] Der einmal wirklich gute Wikipedia-Artikel zu den Seltenen Erden

Grand Prismatic Spring : Lebendiges Farbenspiel im Yellowstone - Nationalpark

Geologie – Wissenschaft vom Aufbau des Planeten Erde – beschäftigt sich zumeist mit dem „Lesen“ von Steinen, stummen Zeugen von oft unvorstellbar ferner Vergangenheit. Doch im Yellowstone-Nationalpark in den USA offenbarte die Erdkruste sich uns im Sommer 2015 von ihrer lebendigen Seite: Die gewaltige Energie, welche in unserem Planeten steckt und Steine schafft, verändert und verschwinden lässt, ist in der Yellowstone-Caldera vielerorts sicht- und hautnah spürbar.


Ein Schweinekotelett verhält sich unerwartet

Der 5. September 1989, als ich meine ersten Vulkanbücher las und noch davon träumte die Geysire des Yellowstone zu sehen, beginnt im Norris-Geysir-Becken innerhalb der Caldera als ganz normaler Tag. Die viele Hektar weite Senke ist von grünen Hochgebirgs-Wäldern umgeben. Ihr Boden ist von bizarren, meist hellgrauen Strukturen bedeckt – Gestein wie von einem anderen Stern. Heisses Wasser ist allgegenwärtig. Es brodelt in oft kreisrunden Becken, rinnt in farbenfrohen Mäandern über den kargen Untergrund, steigt in weissen Dampfwolken gen Himmel auf. Und über allem liegt ein unverkennbarer Schwefelgeruch. Aus einer besonders bizarren Struktur, die ihrer Form nach an ein Schweinekotelett erinnert, schiesst mit ohrenbetäubendem Getöse ein Wasserstrahl neun Meter hoch in die Luft, ehe er vom Wind zerfasert und um reichlich Dampf erleichtert zur Erde zurückfällt.

Der lautstarke Wasserstrahl ist ein Geysir, der – anders als die meisten seiner Art – seit dem Frühling 1985 ununterbrochen heisses Wasser in den Himmel speit. Vielleicht wirkt er deswegen nicht besonders anziehend auf die wenigen Besucher, die sich an jenem Tag im Norris-Becken aufhalten – andere, periodisch ausbrechende Geysire sind womöglich spannender.

Dann, ganz plötzlich, wächst die Wassersäule über dem Kotelett, erreicht das Dreifache ihrer ursprünglichen Höhe. Einen Moment später gibt es einen Knall, alles fliegt auseinander. Gesteinsbrocken mit Durchmessern bis 1,88m fliegen durch die Luft, die kleinsten Trümmer bis zu 67 Meter weit.

Als der verbleibende Dampf sich verzieht und Stille einkehrt, wird ein Krater von 13,9 x 11,7 m Grösse sichtbar, umringt von aufgerichteten Trümmern der obersten Gesteinsschicht. In seinem Zentrum dringt immer noch heisses Wasser aus dem Untergrund, leicht bewegt von aufsteigendem Gas. Glücklicherweise ist keiner der Zeugen dieser hydrothermalen Explosion verletzt worden.

Der Krater, in welchem die Kotelett-Form nach wie vor zu erkennen ist, hat seinen Namen bis heute behalten: Porkchop-Geysir. Doch woher stammt die unglaubliche Energie, die dieses Gebilde an jenem Septembertag 1989 auseinander gerissen hat?

Porkchop Geysir 2015

Porkchop Geysir 2015 CC BY-SA 4.0 by Keinsteins Kiste : Die Überreste der hydrothermalen Explosion des Porkchop-Geysirs können Parkbesucher heute aus einer sicheren Entfernung von einigen Dutzend Metern begutachten.


Die Energiequelle: Der Ofen auf dem wir leben

Vor rund 4,5 Milliarden Jahren begann reichlich Staub, der in der Umlaufbahn unserer jungen Sonne gefangen war, sich zu einem Planeten zusammen zu ballen: Unserer Erde. Die Schwerkraft drückte den Staub zu einer zunehmend massiven Kugel zusammen. Und wo Druck auf Materie herrscht, entsteht unweigerlich Wärme. Im Inneren der jungen Erde hat diese Wärme ausgereicht, um den festen Staub bzw. das daraus entstehende feste Gestein zu schmelzen (mehr zur Umwandlung der Energie hierbei findest du unter Schmelzwärme), sodass die Erde in ihren ersten Lebensjahrmillionen eine glühende Kugel aus flüssiger Gesteinsmasse war. An der Oberfläche dieser Kugel konnte Wärme an den kalten Weltraum abgegeben werden, sodass die Erdoberfläche im Laufe von Jahrmilliarden abkühlen und zu einer harten Kruste erstarren konnte. Auf dieser Kruste leben wir heute und graben darin nach Kohle und Erzen.

Im Innern der Erde ist es jedoch über vier Milliarden Jahre hinweg heiss geblieben, teils aufgrund des nach wie vor herrschenden Drucks, teils durch zusätzliche Wärme, die beim stetigen Zerfall radioaktiver Elemente im Erdinnern entsteht.

Wärme aus der Tiefe: Ein Mantelplume als Heizungsrohr

Heute gilt der Kern der Erde als flüssig, während der Erdmantel, der das weit grösste Volumen im Innern des Planeten einnimmt, zwar fest, aber glühend heiss und plastisch wie Knetgummi ist. So geschieht es manchmal, dass heisses Gestein aus grosser Tiefe im Erdmantel aufsteigt (ähnlich einem Heissluftballon in kalter Luft): Das Ergebnis ist ein langer Schlauch heisser Materie, der in Richtung Erdoberfläche reicht und nach oben immer weiter wird: ein sogenannter Mantelplume. Im oberen Bereich eines Mantelplumes kühlt das Gestein kaum ab, während der Druck darauf merklich sinkt, sodass das Material schliesslich schmelzen kann: Es entsteht eine Magmakammer irgendwo dicht unter der Erdkruste.

Ein solcher Mantelplume, der gleich zwei Magmakammern speist, befindet sich unter dem Yellowstone-Nationalpark und heizt dort die Erdkruste auf. Wenn sich Magma in der Kammer sammelt und schliesslich an die Erdoberfläche dringt, entsteht ein Hot-Spot-Vulkan. Ein grosser Ausbruch des Yellowstone-Hot Spots ereignete sich vor etwa 630.000 Jahren:

Im Magma in der Kammer unter dem heutigen Nationalpark ist eine Menge Wasser gelöst. An der Erdoberfläche, bei Atmosphärendruck, würde Wasser sich nicht in flüssigem Gestein lösen – bei dem hohen Druck, der in der reichlich gefüllten Magmakammer herrscht, hingegen schon. Allerdings wird selbst Gestein, wie es die Kammer nach oben abschliesst, mit der Zeit brüchig, und Gase – vielleicht auch kleinere Lavamengen – können entweichen. So bleibt  dem übrigen Magma mehr Raum in der Kammer: Der Druck, sinkt. Und wenn das geschieht, wird das Wasser sich irgendwann nicht mehr lösen (der Lösungsvorgang ist ein Prozess im Gleichgewicht- Le Chatelier weiss am Flughafen genaues über die Abhängigkeit der Gleichgewichtslage vom Druck zu berichten), und es bildet Dampfblasen.

Nun braucht Wasserdampf etwa 1000 mal mehr Platz als Wasser, das in Magma gelöst ist, sodass das Volumen des Kammerinhalts sprungartig grösser wird. Das kann auch das härteste Gestein nicht zusammenhalten. Die Magmakammer platzt auf und riesige Mengen Asche (man schätzt bis zu 1000 km³, die später bis 300m dicke Ablagerungen bilden sollten) werden in einer gewaltigen Explosion hinaus- und in die Atmosphäre geschleudert. Über dem zurückbleibenden Hohlraum in der Kammer bricht die dünne Kruste zusammen – eine riesige Caldera – eine durch Einsturz des Bodens entstandene Senke – bleibt zurück. In den folgenden Jahrhunderttausenden ist jedoch weiteres Magma aufgestiegen und als Lava (Rhyolit) über und in die Caldera geflossen, sodass die Ränder der Yellowstone-Caldera heute nicht mehr überall auszumachen sind.

Wo früher Explosionen die Erde zerrissen und flüssiges Gestein sich in Lavaströmen über die Erde wälzte, erstreckt sich heute eine friedliche, von Pflanzen und Tieren belebte und von Touristen gern besuchte Landschaft.

Doch noch immer sammelt sich heisses Magma in der Kammer nur wenige Meilen unter dem Park und heizt die dünne Kruste auf. Die Folge ist eine einzigartige Landschaft, in welcher die Erde selbst zu leben scheint.

Wasser kommt ins Spiel: Hydrothermale Gebilde

Die Yellowstone-Caldera ist so gewaltig (sie hat einen Durchmesser von 48 bis 72 Kilometern!), dass man sie nicht als „Krater“ eines einzelnen feuerspeienden Berges bezeichnen kann. Vielmehr umfasst das Gebiet über dem Magmadom heute ein ganzes Gebirge: Der gleichnamige Nationalpark liegt praktisch vollständig in einer Höhe über 2000 Metern über dem Meer. So ergibt sich eine Hochgebirgsregion mit allem, was dazugehört: Viel Schnee, im kurzen Sommer Regen, dazu Flüsse und Seen. Mit anderen Worten: Es gibt jede Menge Wasser. Und wo es Oberflächenwasser gibt, gibt es ebenso reichlich Grundwasser.

Das Grundwasser sickert tief in die steinige Kruste über der Magmakammer, bis es tief in der Erde auf eine undurchlässige Gesteinsschicht trifft. Dort sammelt es sich und wird von der Wärme, die von der Kammer ausgeht, erhitzt (mehr über die Übertragung von Wärme kann die Energie höchstselbst dir hier erzählen). Dabei erreicht es Temperaturen von 100 – 250°C – der Druck der Wassersäule, die auf dem tiefsten Wasser lastet, hindert es vorerst daran zu sieden.  Doch sobald das Wasser genug Energie hat um diesen Druck zu überwinden, beginnen Dampfblasen aufzusteigen, die sich ihren Weg durch Spalten und Aussparungen – eine Art natürliches Leitungssystem – nach oben suchen.


Heisse Quellen

Wenn solch ein Leitungssystem bis an die Erdoberfläche reicht, endet die darin enthaltene Wassersäule häufig in einem trichterförmigen Teich, dessen Wasser trotz einer Temperatur von „nur“ noch 40 – 60°C an der Oberfläche lebhaft zu kochen scheint, wenn Dampfblasen aus der Tiefe aufsteigen.

Heisse Quelle im Yellowstone-Nationalpark

Heisse Quelle am Fountain Paint Pot Trail CC BY-SA 4.0 by Reto Lippuner : Der Eindruck kochenden Wassers entsteht durch Dampfblasen, die aus der trichterförmigen Tiefe aufsteigen. Obwohl das Wasser an der Oberfläche nicht siedet: Zum Baden sind solche Quellen definitiv zu heiss!  

Durch das Aufsteigen des Dampfes sinkt der Druck in der Tiefe der Quelle leicht, was zur Entstehung von noch mehr Dampfblasen führt. Wenn das Leitungssystem zur Oberfläche weit genug ist, bleiben die Druckunterschiede klein, da Wasser und Dampf sich weitgehend frei bewegen können, und das Ergebnis ist eine permanent, aber weitgehend friedlich brodelnde heisse Quelle.


Schlammtöpfe

Damit eine heisse Quelle nicht versiegt, muss sie durchgehend von neuem Grundwasser gespeist werden. Allerdings schwankt der Wassergehalt im Untergrund der Yellowstone-Caldera im Laufe der Jahreszeiten erheblich: Die Schneeschmelze im Frühjahr bringt reichlich Wasser, während der Boden im Spätsommer und Frühherbst ziemlich trocken werden kann. Wenn eine heisse Quelle deshalb nicht mehr vollständig „nachgefüllt“ werden kann, schrumpft ihre Wassersäule, was an der Oberfläche zu gravierenden Veränderungen führt.

Manche dieser Quellen verwandeln sich bei Wassermangel in Löcher voller weissem, zähem Schlamm, durch welchen sich die Dampfblasen ihren Weg nach oben mühsam erkämpfen müssen. Wenn sie dort erst einmal angelangt sind, zerplatzen sie mit dem schmatzenden Geräusch eines kochenden Eintopfs und schleudern den Schlamm zuweilen meterweit empor.

Schlammtopf am Artists' Paintpots Trail

Schlammtopf am Artists‘ Paintpots Trail Ende Juli 2015 CC BY-SA 4.0 by Keinsteins Kiste : Während des wasserarmen Sommers trocknen diese schlammigen Quellen zunehmend aus, wobei sich an den trockenen Rändern die typischen Risse bilden. Das Geräusch der platzenden Dampfblasen erinnert eindrücklich an kochenden Eintopf – dieser hier riecht aber nicht so gut!


Fumarolen

Manchmal kann selbst solch ein Schlammkessel vollkommen austrocknen, oder die Oberfläche der Wassersäule einer heissen Quelle sinkt einfach bis tief in den Untergrund. Dann tritt der aufsteigende Dampf direkt aus der Öffnung an die Erdoberfläche, oft deutlich hörbar wie beim Entweichen aus einem Dampfkessel.

Fumarolen im Yellowstone-Nationalpark

Fumarolen am Artists‘ Paintpots Trail  CC BY-SA 2.0 by Reto Lippuner : Diese beiden heissen Quellen führen Ende Juli kein sichtbares Wasser mehr – der Dampf scheint direkt dem Erdboden zu entströmen. Andere Fumarolen an den erhöhten Rändern von Geysir-Becken speien ganzjährig Dampf.  

Solche Fumarolen finden sich auch häufig an erhöhten Rändern hydrothermaler Becken, die keine unterirdische Wassersäule erreicht.

Die spannendsten und zugleich lebendigsten Gebilde entstehen jedoch, wenn es in einer heissen Quelle eng wird.


Geysire

Ist nämlich das natürliche Leitungssystem einer heissen Quelle zu eng um den darin entstehenden Wasserdampf ungehindert zur Erdoberfläche abzuleiten, entsteht innerhalb der unterirdischen Leitungen Stau. Im Bereich unter einer Engstelle kann der Druck durch die Wärme sehr hoch werden, weil das Gestein ringsum das Wasser an jeder Ausdehnung hindert. Bei einer entsprechend hohen Temperatur beginnt dieses Wasser erst zu sieden, und entsprechend viel Dampf entsteht auf einmal, wenn der Druck durch erstes Sieden erst abzufallen beginnt.

All dieser Dampf entweicht schliesslich mit hoher Geschwindigkeit durch die enge Öffnung des Geysirs nach oben, sodass er mitsamt mitgerissenem bzw. durch Kondensation entstehendem Wasser viele Meter hoch in die Luft schiesst. Der grösste Geysir in der Yellowstone-Caldera, der Steamboat-Geysir, kann so eine Fontäne von bis zu 130 Metern Höhe erzeugen!

Ein Grossteil des so ausgespienen Wassers versickert im umliegenden Boden oder fliesst direkt in die Öffnung des Geysirs zurück. Zurück in den unterirdischen Leitungen wird es wieder erwärmt, staut sich dabei wieder unter der Engstelle, und schliesslich bricht der Geysir aufs Neue aus.

Geysire im Yellowstone-Nationalpark

Zwei Geysire in Aktion  CC BY-SA 4.0 by Reto Lippuner : Links: White Dome Geyser: Ablagerungen aus im Wasser enthaltenen Mineralstoffen haben sich rings um die Öffnung des Geysirs zu einem „Dom“ aus Kieselsinter bzw. Geyserit aufgetürmt – Rechts: Dieser Geysir auf dem Upper Geyser Basin erhebt sich aus einem flachen Teich, der während seiner Ruhephase zeitweise trocken fällt.

Je grösser die Fontäne eines Geysirs ist, und je länger ein Ausbruch dauert, desto mehr Zeit benötigt er in der Regel zum „Aufladen“, und nicht alle Geysire brechen mit der gleichen Regelmässigkeit aus. Die Zeitspanne, die zwischen ‚grossen‘ Ausbrüchen des Steamboat-Geysirs liegt, bewegt sich in der Grössenordnung von Jahren und ist zudem nicht vorhersagbar. Der Grand Geyser, der immerhin bis zu 60 Meter Höhe erreicht, speit etwa alle 13 Stunden 10 bis 15 Minuten lang Wasser. Der berühmte „Old Faithful“ präsentiert sich relativ genau alle eineinhalb Stunden mit bis zu 56 Metern Höhe, und kleine Geysire wie den lebhaften Vixen-Geyser, einen Nachbarn des Schweinekoteletts, kann man alle paar Minuten beim Ausbruch auf etwa 2 Meter Höhe beobachten.


Schwefel in den hydrothermalen Becken

Neben bis zu kochend heissem Wasser setzen die meisten dieser hydrothermalen Gebilde Schwefelverbindungen, insbesondere Schwefelwasserstoff und kleinere Mengen Schwefeldioxid, frei. Beide Stoffe sind bei den Bedingungen an der Erdoberfläche Gase, die sich gut in Wasser lösen. Schwefelwasserstoff macht sich durch seinen markanten Geruch nach faulen Eiern schon in kleinen Mengen bemerkbar, während Schwefeldioxid keinen eigentlichen Geruch hat, dafür aber spürbar unsere Schleimhäute angreift (beide Gase sind in hohen Konzentrationen sehr giftig – allerdings kommen im Yellowstone-Nationalpark wohl kaum giftige Mengen zusammen, bevor nicht jeder Tourist freiwillig das Weite sucht).

Schwefeldioxid reagiert, wenn es in Wasser gelöst wird, zu schwefliger Säure:

Schwefelwasserstoff ist schon als solches eine Säure (denn eine Säure ist ein Stoff, der mindestens ein H+ -Ion (an ein Wassermolekül) abgeben kann):

Deshalb reagiert das Wasser der meisten hydrothermalen Gebilde saurer als „normales“ Wasser. Das wird besonders deutlich angesichts abgestorbener Bäume in der direkten Umgebung dieser Gebilde, die an Waldschäden durch sauren Regen erinnern (auch saurer Regen entsteht (unter anderem) aus Schwefeldioxid, welches in die Erdatmosphäre gelangt und sich im Wasser von Wolken löst).


Gibt es in dieser lebensfeindlichen Umgebung Leben?

Kochendes Wasser, giftige Gase, Säure…man sollte meinen, unter solch lebensfeindlichen Umständen seien Geysirfelder und andere hydrothermale Gebilde leblose geologische Kuriositäten. Umso überraschender mag es erscheinen, dass die Becken von Geysiren, die seichten Ufer und Abläufe von heissen Quellen, die Oberflächen von Sinterterrassen und sogar der sauerste Schlammtopf des Parks (dessen Säuregehalt mit Magensäure vergleichbar ist und dessen „Schwefelgeruch“ sogar abgehärteten Chemikern unangenehm werden kann!) regelrecht von Leben wimmeln.

Erkennbar ist das (von Fussabdrücken verirrter Bisons und vereinzelten Strandläufern im flachen Wasser abgesehen) an den kräftigen Farben, in welchen aktive, d.h. wasserführende hydrothermale Gebilde sich präsentieren. Die Ablagerungen von Siliziumoxid-Verbindungen aus dem Wasser, Kieselsinter oder Geyserit genannt, die die steinernen Strukturen formen, sind nämlich von Natur aus weiss.

Dass die Ränder vieler heisser Quellen in sattem Gelb, Orange, Braun oder Rot erscheinen, ist verschiedenen thermophilen Mikroben, also wärmeliebenden Kleinstlebewesen (hauptsächlich Bakterien) zu verdanken, die in riesigen Kolonien – regelrechten Matten – das flache Wasser besiedeln.

Thermophile Bakterien im Yellowstone-Nationalpark

Thermophile Bewohner der Sinterterrassen der Mammoth Hot Springs  CC BY-SA 4.0 by Reto Lippuner : Im heissen Wasser, das über die Terrassen fliesst, leben thermophile Bakterien, die Carotin-Farbstoffe enthalten und daher rostrot und braun erscheinen. Links oben, wo es mit 38-56°C etwas kühler ist, leben grüne Cyanobakterien, die Photosynthese betreiben können. Diese Bewohner des Parks machen übrigens niemanden krank: Sie fühlen sich in unseren „kalten“ Körpern (unsere Körpertemperatur beträgt gewöhnlich ca. 37°C) schliesslich garnicht wohl.  

Diese Bakterien gewinnen ihre Energie zum Leben aus chemischen Reaktionen von Stoffen aus ihrer Umgebung und ihr Stoffwechsel funktioniert bei Temperaturen von bis zu 91°C, bei welchen die am Stoffwechsel beteiligten Proteine von Tieren (und uns) und den allermeisten Pflanzen längst denaturieren und den Geist aufgeben würden. Die gelben, roten und braunen Farbtöne rühren daher, dass die besonders Wärmeliebenden, ab etwa 60°C Heimischen unter den thermophilen Bakterien Carotin-ähnliche (also mit dem Vitamin A verwandte) Farbstoffe enthalten. Dabei gibt der Farbton Auskunft über die Wassertemperatur: Je höher die Temperatur des Wassers, desto heller sind die Bakterien darin.

Wenn das abfliessende heisse Wasser aus den hydrothermalen Gebilden auf offener Fläche etwas weiter abgekühlt ist (bei 38 – 56°C), finden sich – zum Beispiel auf den Terrassen der Mammoth Hot Springs – mancherorts strahlend smaragdgrüne Matten. Hier leben Cyanobakterien, die ihre Energie mittels Photosynthese aus Sonnenlicht gewinnen und dazu das grüne Protein Chlorophyll verwenden – ganz wie grüne Pflanzen.

Das Artikelbild zeigt die wohl bekannteste und farbenfroheste Ansammlung thermophiler Lebewesen, das Ufer der „Grand Prismatic Spring“, die sonst hauptsächlich von Luftaufnahmen bekannt ist.


Kann auch der Mensch die Energie in der Yellowstone-Caldera nutzen?

Angesichts solch vielfältiger, geradezu greifbarer Erscheinungen von Energie drängt sich die Frage nach ihrer Nutzung geradezu auf. Die Besuchereinrichtungen im Nationalpark brauchen Strom, der Swimmingpool und die Räume im Besucherhotel wollen geheizt, das Essen im Park-Restaurant erwärmt werden. Warum also nicht die reichlich vorhandene Energie aus dem Erdinnern in die gewünschten, nutzbaren Formen umwandeln?

So dachten vor genau einhundert Jahren auch die Betreiber des Old Faithful Inn nahe dem gleichnamigen Geysir, und installierten eine Rohrleitung, welche Wasser aus einer abgelegenen heissen Quelle direkt in den Swimmingpool des Hotels beförderte. Das so geschaffene „Geysir-Bad“ dürfte sich prima verkauft haben. Allerdings hatten seine Schöpfer nicht damit gerechnet, dass das Absinken des Wasserspiegels ihrer angezapften Quelle durch den zusätzlichen Abfluss eine Engstelle der natürlichen Öffnung an genau die richtige Position rückte, um einen Geysir zu schaffen. Seither entleert sich der „Solitary Geyser“ etwa alle fünf Minuten in einer bis 2 Meter hohen Fontäne (einzig als wir vor Ort waren schien er dazu nicht in Stimmung gewesen zu sein – vielleicht des trockenen Sommers wegen?), obwohl der künstliche Abfluss schon seit Jahrzehnten nicht mehr verwendet wird.

Diese und ähnliche Geschichten machen deutlich, wie empfindlich das Zusammenspiel von Erdwärme und Wasser in den Geysir-Becken des Yellowstone ist. Neben menschlichen Einflüssen sind auch natürliche Veränderungen der hydrothermalen Gebilde nur sehr begrenzt vorhersagbar – die unvermittelte Explosion des Porkchop-Geysers ist nur ein spektakuläres Beispiel dafür. Deshalb sieht man seit geraumer Zeit von der Nutzung der Energie aus den Tiefen der Yellowstone-Caldera ab.

In weniger fragiler Umgebung kann die Erdwärme jedoch genutzt werden und zählt, da sie unbegrenzt zur Verfügung steht, so lange die Erde nicht abkühlt, zu den „erneuerbaren“ Energieformen (auch wenn wer die Wahrheiten über die Energie kennt weiss, dass Energie eigentlich nicht unbegrenzt „erneuert“ werden kann). Die erfolgreiche Nutzung von Erdwärme durch den Menschen ist jedoch eine andere Geschichte.

Und hast du auch schon einmal ein Geysirfeld besucht? Welche Energieformen und -Umwandlungen hast du dort erlebt?

Creative Commons Lizenzvertrag

Artikelbild: Grand Prismatic Spring  by Reto Lippuner

Literatur: J.Chapple (2002). Yellowstone Treasures – The Traveler’s Companion to the National Park. Providence: Granite Peak Publications; Dokumentation im Park