Tag Archive for: Ostern

Oster-Experiment: Wie geht das Ei in die Flasche?

Lang ist es nicht mehr hin: Nächste Woche ist schon Ostern – da ist noch gerade eben Zeit für ein schnelles Freihand-Experiment, bis der Osterhase kommt. Besser gesagt, für ein kleines Rätsel, das ihr eurer Familie oder euren Freunden zum Osterfest aufgeben könnt:

Wie bekommt ihr ein Ei in eine scheinbar zu enge Flasche – ohne es mit der Hand zu quetschen?

Ihr braucht dazu

  • Ein hartgekochtes Ei, ohne Schale
  • Eine Glasflasche, deren Öffnung nur wenig kleiner als das Ei ist
  • Streichhölzer – oder ein Feuerzeug und einen Streifen Papier

Was ihr braucht: Glasflasche mit weiter Öffnung, hartes Ei und Streichhölzer

Wie ihr das Experiment durchführt

Präsentiert euren Zuschauern das gepellte Ei, die Flasche und die Streichhölzer bzw. das Feuerzeug samt Papier. Stellt ihnen die Aufgabe: Bringt das Ei in die Flasche, ohne dass es kaputt geht – also nicht mit der Hand quetschen! Wenn sie die Antwort nicht selbst herausfinden, macht wie folgt weiter:

  1. Entzündet 3 Streichhölzer gleichzeitig und lasst sie sogleich brennend in die Flasche fallen. Alternativ: Steckt das Papier mit dem Feuerzeug in Brand und lasst es ebenfalls brennend in die Flasche fallen.
  2. Sobald das Feuer erlischt, setzt das gepellte Ei mit dem schmalen Ende nach unten auf die Öffnung, sodass es diese dicht schliesst.
Streichhölzer sind aus - das Ei ist auf der Öffnung.
Bis hier hin und nicht weiter: Da brauchte ich dann schwerere Geschütze.
  • Wartet einige Minuten: Das Ei wird wie von selbst in die Flasche gleiten!
  • Das Ei wandert in die Flaschenöffnung.
    Jetzt geht es besser: Das Ei schiebt sich in den Flaschenhals.
  • Sollte das Ei nicht ganz durch den Flaschenhals gleiten, könnt ihr die Flasche auch ein paar Minuten in den Kühlschrank – oder an diesem voraussichtlich kalten Osterfest nach draussen – stellen.
  • Das Ei steckt fast ganz im Flaschenhals!
    Noch ein Bisschen, dann…

    Wenn die Flaschenöffnung zu schmal (oder das Ei zu gross für die Öffnung ist) – da können Millimeter entscheidend sein – kann dabei passieren, was mir passiert ist:

    Die Flasche war zu eng fürs Ei : Jetzt ist nur die Hälfte drin!
    Dumm gelaufen: Die Kräfte der Natur haben das Ei entzwei gerissen.

    Das Ei wird förmlich halbiert! Wenn ihr bei eurer Vorführung Wert auf ein heiles Ei legt, probiert das Ganze vorher aus, bis ihr die passende Flasche zu euren Eiern bzw. die passenden Eier zur Flasche habt.

    Was passiert da?

    Teilchen-Bewegung ist Wärme

    Luft ist ein Gas (genau: ein Gemisch aus mehreren Gasen), das aus unzähligen winzig kleinen Teilchen besteht. Diese Teilchen sausen kreuz und quer durch den Raum und stossen ständig gegeneinander und gegen feste (und flüssige) Stoffe, die ihnen im Weg sind. Mit anderen Worten: Die wuseligen Luft-Teilchen brauchen eine Menge Platz – so wie die Kinder einer Schule, die auf dem Pausenplatz spielen.

    Wie sehr die Luft-Teilchen wuseln, können wir direkt spüren – wir nehmen ihre Bewegung nämlich als Wärme wahr. Das heisst: Je mehr die Teilchen sich bewegen, desto wärmer ist die Luft. Und das heisst wiederum: Je wärmer die Luft ist, desto mehr Platz braucht sie!

    Teilchen-Bewegung ist Druck

    Indem ihr brennende Streichhölzer oder Papier in die Flasche werft, sorgt ihr dafür, dass das Feuer die Luft ordentlich aufwärmt, sodass die Luft-Teilchen in der Flasche sich schneller bewegen und häufiger gegeneinander und gegen die Flaschenwände rempeln. So brauchen die Teilchen mehr Platz – und diejenigen, die nun nicht mehr in die Flasche passen, werden durch die Öffnung nach draussen gedrängt. Da der Raum draussen – die Erdatmosphäre – praktisch unbegrenzt ist, wird so gewährleistet, dass in der Flasche und draussen letztendlich der gleiche Druck herrscht.

    Sobald ihr das Ei auf die Öffnung setzt, verschliesst es diese vollständig. Wenn danach die Luft in der Flasche langsam wieder abkühlt, bewegen die Teilchen sich weniger und brauchen weniger Platz: Die Luft-Teilchen rempeln weniger gegeneinander, gegen die Flaschenwände und gegen das Ei. Da die Flasche nun verschlossen ist, können die zuvor hinausgedrängten Teilchen jedoch nicht wieder hinein. So entsteht im Inneren der Flasche ein Unterdruck.

    Wie die Luft-Teilchen das Ei bewegen

    Draussen bleibt der Druck dagegen stets gleich – und damit höher als drinnen. So drückt die Luft draussen die Umhüllung der Luft drinnen zusammen. Der Glasflasche macht das jedoch nichts – die ist hart und steif. Das Ei hingegen ist bis zu einem gewissen Grad formbar und überdies nicht fest mit der Flasche verbunden. Im Gegenteil: Es ist ziemlich glatt, sodass es an der Glaswand entlanggleiten kann.

    So können die Luft-Teilchen, die von aussen gegen das Ei rempeln – also Druck machen – das Ei damit in den Flaschenhals hinein schieben, sobald die Luft-Teilchen innen mangels Wärme nicht mehr dagegen halten können! Wenn durch das Abkühlen der Temperatur- und damit der Druckunterschied zwischen drinnen und draussen gross genug wird, kann das Ei vollständig in die Flasche hinein geschoben – oder, wenn die Öffnung zu eng ist, im schlimmsten Fall entzwei gequetscht werden.


    Wie ihr das Ei wieder aus der Flasche bekommt

    Es ist dazu nicht nötig, die Flasche zu zerschlagen! Geht stattdessen einfach wie folgt vor:

    1. Dreht die Flasche um, sodass das Ei von innen auf die Öffnung fällt und den Flaschenhals vollständig verschliesst.
    2. Lasst heisses fliessendes Wasser über den Flaschenbauch laufen (passt dabei auf eure Finger auf!) oder erwärmt die Flasche mit einem Haarföhn. So wie sich die Luft in der Flasche wieder ausdehnt, gleitet das Ei genauso wieder nach draussen, wie es in die Flasche hinein gekommen ist. Das hat sogar mit meinem halben Ei funktioniert!

    Ihr könnt das Ei natürlich auch mit Hilfe des Haarföhns oder heissen Wassers in die Flasche hinein bekommen, wenn ihr kein offenes Feuer verwenden möchtet. Dann benutzt allerdings besser einen Kochhandschuh um die Flasche festzuhalten, während ihr sie gründlich erwärmt.

    Entsorgung

    Gibt es keine! Das hartgekochte Ei (oder seine beiden Hälften) könnt ihr nach dem Experiment einfach aufessen. Sollte Russ daran gekommen sein, könnt ihr ihn vorher leicht abwaschen. Die Flasche könnt ihr sauber machen und für das nächste Osterfest und weitere Experimente aufheben!

    Mehr Experimente mit Eiern findet ihr übrigens hier – und hier könnt ihr mehr über die Farbstoffe erfahren, mit denen wir unsere Ostereier färben.

    Damit wünsche ich euch viel Spass beim Experimentieren und schöne Ostern!

    Und wie sehen eure Naturforscher-Ostern aus?

    Hast du das Experiment nachgemacht: 

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    Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!

    Deko im Frühling mit Superabsorber

    Es ist die Zeit der Hasen, Küken Blumen…. Wie wäre es mit einer Osterdeko im Forscher-Stil – die gleich noch ein Experiment beinhaltet? Und (nicht nur) im Frühling jedes Heim-Labor verschönert? Ich habe ein tolles Gadget gefunden, das nicht nur eine besondere Sicht auf das Leben von Pflanzen gewährt, sondern auch eine verblüffende Eigenschaft von bestimmten Riesenmolekülen offenbart: Superabsorber!

    Ich habe das Material für das Experiment aus eigenem Antrieb beschafft. Für die Idee dazu danke ich Marion Rotter vom Luxury Lifestyle Magazine, in welchem diese spannende Frühlingsdekoration auch einen Platz finden wird.

    Superabsorber statt Pflanzenerde für Zwiebelblumen

    Hydroperlen aus Superabsorbern sind ganz besondere Kunststoffgebilde, die unglaubliche Mengen Wasser speichern und wieder abgeben können. Dabei sind sie durchsichtig und nach Wunsch bunt. So geben sie nicht nur einen praktischen Ersatz für Pflanzenerde ab (das kann z.B. Blähton für die Hydrokultur auch), sondern gewähren, wenn man sie in gläsernen Blumentöpfen verwendet, einen spannenden Blick auf das Wurzelwerk der Pflanzen.

    Und da Zwiebelblumen sich besonders leicht ein- und umsetzen lassen, bietet der Frühling die ideale Gelegenheit zum Experimentieren mit Superabsorbern!

    Ihr braucht dazu

    • Glasgefässe mit weiter Öffnung: Für den Labor-Stil können das zweckentfremdete Behälter sein, wie mein Honigglas, mein Einmachglas oder der Glaszylinder aus meinem Windlicht. Auch ein Labor-Becherglas eignet sich natürlich.
    • Zwiebelblumen, die idealerweise schon ein wenig ausgetrieben haben
    • Superabsorber: Die gibt es als „Hydrokristalle“ oder „Hydroperlen“ für kleines Geld in verschiedenen Shops für Krimskrams, Gadgets oder Geschenkartikel (meine Bezugsquelle hat mich letztlich nicht zu einer Erwähnung überzeugt, da sie stark verspätet und erst nach meiner Nachfrage geliefert und mich überdies trotz meiner Nicht-Zustimmung mit einer ganzen Flut von Newslettern zugeschüttet haben).
    • Leitungswasser, ein Lavabo bzw. Spülbecken zum Reinigen von Pflanzenwurzeln
    • Ein paar Stunden Zeit für viele Tage Freude
    Material : Zwiebelpflanzen, Hydroperlen, leere Gläser

    Wie ihr eure gläsernen Topfpflanzen setzt

    Zunächst müsst ihr die Superabsorber in Wasser ziehen lassen, damit sie sich ordentlich voll saugen. Das dauert ein paar Stunden, sodass es sich anbietet, sie über Nacht ziehen zu lassen. Eine Anleitung dazu liegt normalerweise der Verpackung der Hydrokristalle oder Hydroperlen bei. So bin ich mit meinen vorgegangen:

    • Schätzt ab, wieviele (Milli)Liter Wasser in die Gefässe passen würden, die ihr bepflanzen wollt. Entnehmt der Verpackung so viele Perlen bzw. Kristalle, wie ihr laut Angaben auf der Packung für dieses Volumen braucht. Achtung! Das sieht nach verdammt wenig aus, aber das passt schon: Ihr habt die grosse Überraschung ja noch vor euch!
    Hydroperlen bzw. Hydrokristalle für etwa 600ml Wasser
    Das sind genug Hydroperlen für die zwei Gläser oder insgesamt 600 Milliliter Wasser!
    • Verteilt die Hydroperlen bzw. Hydrokristalle auf die leeren Gefässe entsprechend ihrer Grösse. Dann füllt die Gefässe mit Wasser auf.
    Hydroperlen bzw. Hydrokristalle in Wasser
    Die Hydroperlen in den Gläsern, gleich nach dem Auffüllen mit Wasser. Und wirklich: Das genügt!
    • Stellt die Gefässe dorthin, wo sie nicht stören und deckt sie ggfs. gegen Staub ab (z.B. Deckel lose auflegen). Schaut in den nächsten Minuten bzw. Stunden immer mal wieder nach den Gläsern: Schon in den ersten Minuten werden die Perlen/Kristalle merklich wachsen und dabei zunehmend durchsichtiger erscheinen.
    Superabsorber in Aktion: Hydroperlen trocken und nach einer Nacht im Wasser
    Nach einer Nacht: So gross sind die Perlen geworden!
    • Nach einer Nacht sind meine Perlen von ursprünglich rund 2 mm im Durchmesser auf sage und schreibe 12 mm angewachsen und füllen die Gläser fast vollständig! Wenn es bei euch so weit ist, giesst das übrige Wasser ab.
    Superabsorber: Hydroperlen bzw. Hydrokristalle nach einer Nacht in Wasser
    Am nächsten Morgen: Die Hydroperlen sind über Nacht gewachsen und haben fast alles Wasser aufgesogen!

    Jetzt könnt ihr mit dem Bepflanzen beginnen.

    • Wenn ihr bereits ausgetriebene Blumenzwiebeln umsetzt: Nehmt die Zwiebeln aus dem Topf und befreit die Wurzeln vorsichtig von der Erde (die könnt ihr zum Gärtnern aufheben). Spült die Wurzeln dann gründlich unter fliessendem Wasser, bis sie blitzsauber sind.
    • Nehmt einen Teil der Hydroperlen bzw. Hydrokristalle aus eurem Pflanzgefäss, legt sie in einem anderen Behälter beiseite (die Perlen sind jetzt elastisch wie Gummibälle – passt auf, dass sie euch nicht davonspringen!).
    • Platziert die Zwiebel mit den Wurzeln nach unten im Gefäss und füllt die Zwischenräume zwischen den Wurzeln behutsam mit den beiseite gelegten Perlen bzw. Kristallen auf (die Superabsorber gehen nicht so leicht kaputt, die Pflanzenwurzeln können dagegen recht empfindlich sein).
    Zwiebelblumen in Hydroperlen: Frühlings-Deko im Labor-Style
    Fertig! Jetzt heisst es geduldig warten!
    • Wenn die Zwiebel stabil untergebracht ist, platziert das Gefäss an einem hellen, nicht zu warmen Ort (wenn es nicht mehr friert auch draussen). Zwiebelblumen wie Krokusse, Narzissen und andere Frühlingsblüher sind für kühles Frühlingswetter geschaffen und welken bei zu hoher Raumtemperatur schnell.
    • Freut euch die nächsten Wochen an eurer Forscher-Frühlingsdeko und beobachtet die Pflanze und ihre Wurzeln beim Wachsen! Die Hydroperlen oder -kristalle werden mit der Zeit wieder schrumpfen, wenn das Wasser verdunstet oder die Pflanze davon trinkt. Insgesamt sollten die Pflanzen aber bis zu zwei Wochen ohne Giessen auskommen! Danach giesst einfach etwas Wasser nach, und die Superabsorber sollten wieder aufgehen.

    Was passiert da?

    Was genau sind eigentlich Superabsorber?

    Superabsorber sind riesige Moleküle, sogenannte Polymere. Das sind lange Ketten aus sich immer wiederholenden kleinen Atomgruppen, die bei der Herstellung der Polymere miteinander verbunden werden. Was wir als „Plastik“ oder „Kunststoff“ bezeichnen, besteht aus solchen Riesen-Kettenmolekülen. Doch auch die Natur hält verschiedenste Polymere bereit, wie Proteine, Stärke, Zellulose oder unsere DNA.

    Die Superabsorber unter den Polymeren haben zwei besondere Eigenschaften:

    1. Die langen Kettenmoleküle sind über Querstreben aus weiteren Atomgruppen miteinander vernetzt. Das Ergebnis ist ein regelrechter Molekül-Schwamm, dessen Poren in der Grössenordnung von einigen Atomdurchmessern liegen. Das bedeutet, eine Hydroperle bzw. ein Hydrokristall ist im Grunde genommen ein einziges gigantisches Molekül – so gross, dass wir es sehen und anfassen können!
    2. Die Atomgruppen, aus welchen die Superabsorber-Polymere bestehen, sind so gestaltet, dass sie und Wassermoleküle einander anziehen: Chemiker sagen, die Atomgruppen sind „hydrophil“ – sie mögen Wasser. Wie Atomgruppen aussehen müssen, die Wasser mögen, und wie die gegenseitige Anziehung funktioniert, habe ich im Artikel über Tenside genauer beschrieben.

    Kurz gesagt: Zu den wasserfreundlichsten Kohlenstoffverbindungen (zu diesen zählen die meisten Kunststoffe) gehören solche, die elektrische Ladungen tragen, also Ionen sind. Deshalb tragen die riesigen Superabsorber-Moleküle eine Unzahl an negativen Ladungen auf ihrem Netz aus Atomketten. Die wiederum ziehen nicht nur Wasser an, sondern auch positiv geladene Metall-Ionen. Mit solchen gehen die negativ geladenen Atomgruppen des Molekül-Schwamms Ionen-Bindungen ein – wie die Natrium- und Chlorid-Ionen in einem Kochsalzkristall!

    Woraus meine (und höchstwahrscheinlich auch eure) Hydroperlen bestehen

    Superabsorber sind also riesige Molekül-Netze, die aus zahllosen kleinen Carbonsäure-Gruppen (sehr häufige Monomere sind Acrylsäure bzw. ihre stickstoffhaltige Variante Acrylamid*, aus denen auch meine Hydroperlen bestehen) zusammengesetzt sind. In trockenem Zustand werden die Ladungen durch in den Maschen gebundene Natrium (Na+)-Ionen ausgeglichen, sodass das Netz sich auf sehr engem Raum dicht zusammenpacken lässt. So fühlen sich die trockenen, winzigen Hydroperlen hart und massiv an. Tatsächlich kann man sagen: Ein (trockener) Superabsorber ist sowohl ein Polymer als auch ein Salz!

    *Wenn der Begriff „Acrylamid“ bei euch die Alarmglocken klingeln lässt: In verketteter Form, also als Polyacrylamid bzw. „Polyamid“ ist diese Verbindung absolut nicht giftig!

    Wie funktionieren Superabsorber?

    Wenn ihr trockene Hydroperlen oder Hydrokristalle in Wasser legt, passiert mit ihnen das selbe, was auch mit meinem nackten Ei (ein weiteres spannendes Oster-Experiment!) passiert ist: Die Ionen im Inneren des Molekül-Schwamms streben danach, sich mit Wassermolekülen zu mischen und mit ihnen zu wechselwirken. Dabei sind zunächst im Schwamm viele Ionen zwischen wenigen bis gar keinen Wassermolekülen, während das Wasser draussen nur wenige Ionen enthält – und die Natur verlang danach, diesen Unterschied auszugleichen: Physiker nennen dieses Verlangen „osmotischer Druck“.

    Mit Osmose zum Gel

    Dem osmotischen Druck folgend dringen die Wassermoleküle rasch in den Molekül-Schwamm ein. Dort umlagern sie die Natrium-Ionen, welche sich daraufhin vom Molekül-Netz lösen, und die Anionengruppen. Letztere bleiben allerdings fest mit den Kohlenstoff-Maschen des Polymers verbunden, sodass der Schwamm selbst sich nicht auflöst. Dabei stossen sich die negativen Ladungen, die nicht länger von Natriumionen aufgehoben werden, gegenseitig ab und treiben das anfangs eng gepackte Netz immer weiter auseinander.

    Das Ergebnis ist ein riesiges Schwamm-Molekül, in dessen wachsenden Poren Wassermoleküle regelrecht kleben, während es immer mehr Raum einnimmt. Solch ein Gebilde, das weder wirklich ein Feststoff noch wirklich in Wasser gelöst ist, nennen die Physiker ein Hydrogel. Damit die Hydroperlen für eure Topfpflanzen bei all dem aber nicht völlig aus dem Leim gehen, ist ihre Oberfläche von einem zusätzlichen Polymer-Netz umgeben, das sich nur begrenzt ausdehnt und so dafür sorgt, dass die Perlen ihre Form behalten und so lustig herumspringen können.

    Wo finden Superabsorber sonst noch Verwendung?

    Ihrer Supersaugkraft wegen werden Superabsorber auch in Babywindeln eingebaut, damit Babys Popo auch die ganze Nacht trocken bleibt (ebenso saugen sie wirksam die Folgen einer Blasenschwäche auf). Dabei wird auf die formgebende Aussenhülle verzichtet, denn die Windel selbst hält ja alles an Ort und Stelle. Was passiert, wenn man Superabsorber ohne begrenzende Hülle mit Wasser tränkt, zeigen die Simple Chemics hier sehr eindrücklich:


    Da kann man bestimmt auch Pflanzen hinein setzen, aber man sieht dabei auch nicht mehr als in richtiger Erde. Ausserdem haben die springenden Gelbällchen es mir wirklich angetan. Man kann damit wunderbar herumspielen!

    Indem man kleine Superabsorber-Körner mit Erde mischt, wird zudem Blumenerde hergestellt, die auch ohne den „Labor-Look“ besonders viel Wasser speichern kann.


    Entsorgung

    Polyacrylsäure und Polyamid sind nicht giftig. Polyacrylsäure wird sogar als Grundstoff für Medikamente und Kosmetik wie Gels zum Auftragen oder Augentropfen als Tränenersatz verwendet. Deshalb machen sie auch bei der Entsorgung keine Umstände.

    Die Hydroperlen oder Hydrokristalle können immer wiederverwendet werden – es ist nicht nötig, sie nach einmaliger Benutzung wegzuwerfen! Falls ihr sie doch irgendwann nicht mehr braucht, können sie in den Restmüll gegeben werden. Blumenzwiebeln könnt ihr bis im Herbst in den Garten oder auf den Balkon auspflanzen. Welke Pflanzenteile können ganz normal auf den Kompost oder in den Bioabfall.

    Und wir sieht eure – vielleicht auch ungewöhnliche – Frühlings- oder Osterdekoration aus?

    Hast du das Experiment nachgemacht: 

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    Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!

    Experiment im Frühling: Blumen färben

    Endlich macht sich der Frühling bemerkbar, und bis Ostern ist es auch nicht mehr lange hin. Die ersten Blumen zeigen sich draussen, und in den Auslagen der Pflanzenhändler reihen sich Primeln, Zwiebelblumen und andere Frühlingsblüher aneinander. Das ist die Gelegenheit für ein blumiges Experiment, das auch dem Osterfest eine besondere Note geben kann! Bringen wir Farbe in die Blumen!

    Blogparade: Kinder sind Forscher!

    Anne von X-mal anders hat in ihrer Blogparade dazu aufgerufen, darüber erzählen, wie unsere Kinder ihre Welt erforschen. Denn unsere Kinder sind die Forscher von morgen, die in ein paar Jahren ihre Neugier verwenden, um seltene (und weniger seltene) Krankheiten und Heilungsmöglichkeiten dafür zu erforschen. Schon heute werden immer wieder atemberaubende Möglichkeiten gefunden, mit den verschiedensten Erkrankungen fertig zu werden. Damit das auch in Zukunft so bleibt lohnt es sich allemal, unseren Kindern die Welt der Naturwissenschaften, die hinter solchen Behandlungsmöglichkeiten steht, als spannend zu präsentieren und ihre Neugier darauf zu befeuern.

    Da ich Keinsteins Kiste genau dazu geschaffen habe, führt für mich kein Weg an dieser Blogparade vorbei!

    Nun, ich habe wohl keine Kinder, aber ich bin auch mal eins gewesen – und ich hatte (und habe noch!) einen richtig echten Physiker-Forscher zum Papa. Da wurde natürlich immer wieder gemeinsam experimentiert.

    So ist auch dieses Experiment alles andere als neu. Ich glaube mich daran zu erinnern, dass es vor rund 30 Jahren etwa so bei uns Einzug hielt:

    Beim Einkauf im Gartencenter durfte ich mich an der Pflanzenauswahl für den Garten beteiligen. Blaue Hortensien hatten mir es besonders angetan.

    Papa daraufhin: „Aber wir haben doch schon Hortensien im Garten…“

    Klein-Kathi: „Aber die sind rosa!“ (Und meine Lieblingsfarbe war -und ist- eben blau.)

    Papa: „Dann machen wir unsere eben blau – dazu müssen wir keine neuen kaufen.“

    Er dachte daran, die Hortensien mit der gewünschten Farbe zu giessen, sodass die Pflanzen den Farbstoff selbst aufnehmen und in ihrem Innern verteilen sollten. Nur ist Papa eben Physiker, und kein Botaniker. Letzterer hätte vermutlich voraussagen können, dass der Plan nicht funktioniert – so wie mein Plan heute, das Ganze frühlingsgerecht mit einer weissen Primel im Topf zu wiederholen, auch nicht funktioniert hat.

    Dafür zeige ich euch jetzt, wie ihr tatsächlich Blumen umfärben und dabei beobachten könnt, wie Pflanzen trinken! Denn dank den Angelones habe ich einen passenden Plan B.

    Experiment: Wir färben Blumen um

    Für die Hortensien vor dem Haus ist es jetzt noch etwas früh. Deshalb habe ich passend zum Frühling einen Strauss weisser Tulpen erstanden: Die gibt es zur Zeit sehr preisgünstig in jedem Gartencenter oder Supermarkt mit Blumenabteilung. Und da Blau nach wie vor zu meinen Lieblingsfarben zählt, sollen auch meine Tulpen blau werden. Und ihr könnt natürlich mitexperimentieren!

    Ihr braucht dazu

    • weisse Schnittblumen (Tulpen, Rosen oder auch Gerbera sollen gut funktionieren)
    • Wasserlösliche Tinte (in eurem Lieblings-Farbton), zum Beispiel in Patronen für den Fülli
    • Ggfs. Gummi- bzw. Einmalhandschuhe
    • Eine kleine Vase oder anderes Glasgefäss
    • Ein paar Stunden, ggfs. einen Tag Zeit
    Alles zum Blumen färben : weisse Tulpen, Tinte, Gewürzgläser

    Die leeren Gewürzgläser geben passende Blumenvasen ab. Die Tulpen habe ich weiss gekauft – am Morgen danach waren sie rosa angehaucht. Das bescherte mir am Ende zweifarbige Blüten!

    Wie ihr das Experiment durchführt

    • Kürzt die Schnittblumen auf eine zu eurer Vase passende Länge (falls sie schon passend lang sind, schneidet in jedem Fall die Stiele frisch an!), entfernt überflüssige Blätter und stellt sie in die Vase
    • Löst die Tinte in etwas Wasser auf (wer keine blauen Finger mag, sollte dabei Handschuhe tragen). Die Lösung sollte kräftig gefärbt sein, da sie sich später in der ganzen Pflanze verteilen wird.
    Tinte zum Blumen färben: Taucht die Patrone kopfüber ins Wasser und erlebt ein faszinierendes Extra

    Schneidet den schmalen Teil der Tintenpatronen ganz oben ab und taucht die Patrone kopfunter in euer Wasserglas. Dann könnt ihr beobachten, wie die Tinte – sie ist dichter als Wasser – von selbst hinausläuft und faszinierende Schlieren formt!

    • Füllt das farbige Wasser in die Vase mit den Blumen.

    Vorher : Die Blumen zum Färben stehen in Vasen mit Tinte in Wasser

    • Wartet ein paar Stunden bzw. bis zum nächsten Tag – schaut währenddessen immer mal wieder nach den Blumen. Mit der Zeit wird die Farbe in die Blüten und Blätter übergehen!

    Was passiert da?

    Ihr könnt an diesem Experiment wunderbar beobachten, wie Pflanzen trinken! Anlässlich weiterer Experimente zur wunderbaren Welt der Pflanzen habe ich ausführlich erklärt, wie das von statten geht: Pflanzenstiele, Blätter und Blütenblätter sind von feinen „Rohrleitungen“ durchzogen, ähnlich unseren Blutgefässen. Durch diese Gefässe können sie Wasser von den Wurzeln bis in jeden beliebigen Pflanzenteil transportieren.

    Die Adern in den Blütenblättern sind deutlich blau gefärbt

    Einen Tag später : Die Wasserleitungen in den Blütenblättern sind deutlich blau gefärbt!

    Und was ist der „Antrieb“ dieser Wasserversorgung?

    Pflanzen sind in der Lage zu „schwitzen“: Über Poren in ihren Blattoberflächen geben sie Wasser (-dampf) an ihre Umgebung ab. Dadurch entsteht im Innern der Blätter ein Wassermangel, der neues Wasser von unten – also gegen die Schwerkraft! – durch die Leitungen nachströmen lässt. Dass die Wasserteilchen regelrecht an den Leitungswänden kleben, hilft ihnen entscheidend beim Emporklettern (Physiker nennen das den Kapillareffekt).

    Normalerweise sind Wasserteilchen farblos, sodass man sie in den Pflanzen nicht sieht. Wenn aber ein Farbstoff im Wasser gelöst ist, werden die Farbstoffteilchen mit den kletternden Wasserteilchen in die Pflanzen hinauf geschwemmt und sammeln sich vornehmlich am Ende der Leitungen – also ganz oben. Erst durch Rückstau bzw. durch die Ansammlung einzelner Farbstoffteilchen, die früher hängen bleiben, werden die Gefässe auf der ganzen Länge farbig.

    Warum funktioniert das nicht mit Topfpflanzen?

    Bei frisch angeschnittenen Schnittblumen tauchen die offenen Leitungen in den Stängeln direkt in das farbige Wasser. Wasser- und Farbstoffteilchen können also ungehindert in die Gefässe eindringen.

    Topfpflanzen haben dagegen Wurzeln, die in Erde stecken. Die Wurzeln sind Gewebe aus Zellen, die eine Oberfläche bilden, durch die Wasser und Nährstoffe geschleust werden müssen. Ob durch Poren, Kanäle oder einfach durch Zellzwischenräume – die sehr kleinen Wasserteilchen müssen sich dabei durch Engpässe kämpfen, durch welche grössere Farbstoffteilchen nicht unbedingt hindurch passen.

    Dazu kommt, dass sich Wasser und Farbstoffteilchen auch in der Pflanzenerde verteilen und darin hängenbleiben. So ist, selbst wenn ein Farbstoff durch die Wurzeln in die Pflanze gelangt, eine wesentlich grössere Menge Farbstoffteilchen nötig, um eine Topfpflanze sichtbar einzufärben, als für das Färben von Schnittblumen. Ganz extrem ist das im Garten, wo der „Topf“ geradezu unendlich gross ist.

    Mein Physiker-Papa dachte damals freilich nicht an Zellen und Gewebe. Nachdem ich einst selbst in der Zellbiologie geforscht habe, war ich gespannt, ob Lebensmittel- oder Tintenfarbstoffteilchen in Pflanzenwurzeln eindringen würden. Taten sie nicht – jedenfalls nicht in sichtbarem Umfang.

    Woraus besteht Tinte? Eignen sich alle Tinten zum Blumen färben?

    Wasserlösliche Tintenfarbstoffe gehören meist der gleichen Molekül-Familie an wie viele Lebensmittelfarbstoffe: Es handelt sich um sogenannte Triphenylmethan-Farbstoffe, wie zum Beispiel „Wasserblau“.

    Wie diese Stoffe zu ihrem Namen kommen und was sie farbig macht, habe ich im Artikel über Ostereier-Farbstoffe – unter denen findet man ebenfalls Triphenylmethan-Farbstoffe – genau beschrieben.

    Andere Tinten bzw. Tuschen enthalten wasserunlösliche Farbkörner, die sehr viel grösser als Moleküle sind – sogenannte Pigmente. Die Pigmentkörner setzen sich mitunter auf dem Boden eines Tintenfasses ab, sodass man es vor der Benutzung schütteln sollte. Ihrer Grösse wegen eignen sich solche Pigmente weniger zum Pflanzen färben.

    Viele (vor allem wasserfeste) Schreiber enthalten zudem Tinten, die sich nur in organischen Lösungsmitteln wie Alkoholen oder Aceton lösen. Die erkennt ihr an dem typischen Geruch nach „Chemie“. Auch solche Tinten sind zum Pflanzenfärben nicht geeignet, weil die meisten organischen Lösungsmittel giftig für Zellen sind – sie bekämen den Blumen also gar nicht gut!

    Entsorgung

    Wasserlösliche Schreibtinten können im Restmüll entsorgt werden. Ungeöffnete Tintenpatronen oder ein angebrochenes Tintenfass verwendet aber besser noch zum Schreiben oder für weitere Experimente. Kleine Mengen Tintenlösung aus den Blumenvasen könnt ihr auch in den Abfluss geben (vorsichtig, damit keine farbigen Flecken im Spülbecken bleiben) oder für spätere Versuche abfüllen und aufheben.

    Wenn die gefärbten Schnittblumen verblüht sind, könnt ihr sie ebenfalls in den Restmüll geben. Wo der Bioabfall verbrannt wird wie in der Schweiz könnt ihr die gefärbten Pflanzen auch in die Biotonne geben.

    Ich wünsche euch viel Spass beim Experimentieren! Und verratet uns doch, welche Experimente ihr mit euren Kindern am liebsten macht!

    Hast du das Experiment nachgemacht:

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    Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!

    Osmose mit Ei : Experiment zu Ostern

    Ostern rückt näher und es wird fleissig gebastelt, gekocht, gebacken und dekoriert. Doch auch für Naturforscher hat die Osterzeit einiges zu bieten – schliesslich dreht sich in diesen Tagen alles um ein kleines Wunder der Natur: Das Ei. Und ich verrate euch, was man mit einem Ei spannendes anstellen – und davon lernen kann.

    Richtig gelesen: Die folgenden drei Experimente kannst du nacheinander mit einem einzigen rohen Ei durchführen! Lies dir die Anleitung daher vor dem Ausprobieren vollständig durch, damit du alles zum richtigen Zeitpunkt zur Hand hast. Die Inspiration dazu stammt übrigens aus dem englischsprachigen Raum, wo ebenfalls fleissig experimentiert wird.

    Dieser Artikel ist ausserdem Teil der Blogparade „Gemeinsam durch die Osterzeit“ bei den Berggeschwistern. Dort findet ihr weitere Tipps und Ideen rund um Ostern!

    1. Das nackte Ei

    Wusstest du, dass du ein rohes Ei schälen kannst, ohne dass sein Inneres beschädigt wird oder auseinander fliesst?

    Du brauchst dazu

    • ein rohes Hühnerei
    • Haushaltsessig (ca. 10% Essigsäure in Wasser)
    • ein abdeckbares Gefäss, in dem ein Ei gut Platz hat, zum Beispiel ein Honigglas
    • etwa 24 Stunden Zeit

    Durchführung

    Fülle das Gefäss etwa 5 bis 7 Zentimeter hoch mit Haushaltsessig und lasse das Ei vorsichtig hineingleiten. Decke die Öffnung ab, zum Beispiel mit einem passenden Schraubdeckel (nur auflegen, nicht fest zuschrauben!), und lasse das Gefäss einen Tag lang ruhig stehen.

    Was du beobachten kannst

    Sobald das Ei mit dem Essig in Berührung kommt, bilden sich an seiner Oberfläche kleine Bläschen und steigen langsam zur Wasseroberfläche auf. Da findet eine chemische Reaktion statt, bei welcher ein Gas entsteht!

    Experiment 1 : Gasbläschen steigen von der Eierschale auf.

    Deshalb darfst du das Gefäss in keinem Fall fest verschliessen. Denn sonst ist das Gas darin gefangen, und es entsteht ein Überdruck, der die Reaktion zum Erliegen bringt (warum das so ist, erklärt Le Châtelier am Flughafen).

    Wenn du das Ei nach einem Tag wieder aus dem Essig nimmst (die menschliche Haut ist mit einem Säureschutz ausgestattet: In 10%igen Haushaltsessig kannst du gefahrlos mit der blossen Hand greifen und das Ei herausfischen. Spüle danach Ei und Hand gründlich unter fliessendem Wasser ab!), ist die harte Schale verschwunden. Dafür schwimmen vielleicht schaumige Reste auf der Essigoberfläche, die, wenn du wie ich ein braunes Ei verwendest, braune Farbstoff-Schlieren enthält. All das ist harmlos und kann einfach mit abgespült werden.

    Geblieben ist das Innere des rohen Eis, umgeben von einer dünnen, samtweichen Haut. Das Ei ist jetzt elastisch: Es lässt sich mit den Fingern (vorsichtig) eindrücken.

    Experiment 1: Das nackte Ei ist elastisch.

    Und es ist durchscheinend: Du kannst durch die Aussenhaut den gelben Dotter sehen oder das Ei gegen das Licht halten, um ihn als dunklen Schatten sichtbar zu machen. Ausserdem – es ist dir vielleicht schon aufgefallen – ist das Ei grösser als vor seinem Bad im Essig!

    Experiment 1: Das nackte Ei ist grösser als das Vergleichs-Ei mit Schale.“, Bildunterschrift: „Das ‚nackte‘ Ei rechts ist grösser als das Vergleichs-Ei mit Schale links!
    Das ‚nackte‘ Ei rechts ist grösser als das Vergleichs-Ei mit Schale links!

    Wie ist ein Ei aufgebaut?

    Ein Hühnerei enthält in erster Linie Proteine, Fette und Wasser. Dazu kommen nahezu alle Vitamine(Link) (einzig Vitamin C wird erst beim Ausbrüten eines befruchteten Eis gebildet) und viele Mineralstoffe. Schliesslich ist das Ei dafür geschaffen, ein sich entwickelndes Küken zu ernähren.

    Der Mittelpunkt eines Eis ist der Dotter, auch Eigelb genannt, die Hauptnahrungsquelle des jungen Hühnerembryos. Er besteht zu 16% aus Proteinen, 32% aus Fetten und zu 50% aus Wasser. Die restlichen 2% entfallen auf Mineralstoffe und Kohlenhydrate. Der Eidotter entsteht im Eierstock der Henne und wandert, von einer dünnen Membran umgeben (diese Membran hält das Eigelb auch auf einem Spiegelei zusammen!), nach dem Eisprung den Eileiter hinab.

    Dabei wird der Dotter schrittweise von mehreren Schichten Eiklar umgeben: Zunächst von einer dickflüssigen Schicht, die in den Hagelschnüren ausläuft, welche den Dotter in der Mitte des Eis fixiert halten. Dann kommen zwei dünnflüssige Schichten, deren äussere von einer doppelten inneren Eischalenmembran umgeben ist (die Eischalenmembran ist die dünne Haut, die sich beim gekochten Ei oft einzeln ablösen lässt). Das Eiklar dient nicht nur als zweite Nahrungsquelle für das Küken, sondern auch als Stossdämpfer. Es besteht zu 87% aus Wasser und nur zu 11% aus Proteinen – die restlichen Inhaltsstoffe machen nicht mehr als 2% aus.

    Zum Schutz der feinen Eischalenmembran ist das Ei aussen von einer harten Kalkschale umgeben. Etwa 10’000 Poren in der Schale ermöglichen den Austausch von sehr kleinen Molekülen, zum Beispiel Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid, sodass das sich entwickelnde Küken „atmen“ kann. Eine hauchdünne Oberhaut auf der Schale (die Kutikula) wirkt, ebenso wie das Eiklar, keimabweisend, sodass intakte Eier nicht nur unter der Henne, sondern auch bei Raumtemperatur relativ lange haltbar sind.

    Mehr zu Aufbau und Entstehung von Ei und Küken gibt es übrigens hier.

    Was geschieht im Essig?

    Essig, unter Chemikern „Essigsäure“, ist eine schwache, aber wirksame Säure. Das bedeutet, Essig-Moleküle können H+-Ionen abgeben, die von einer „Base“ aufgenommen werden:

    Eine stärkere Base als Wasser ist das Carbonat-Ion im Kalk (unter Chemikern Calciumcarbonat, CaCO3), sodass Essig um so leichter mit dem Kalk in der Eierschale reagiert:

    Es entsteht Kohlensäure (H2CO3), die schnell in Kohlenstoffdioxid und Wasser zerfällt:

    Das Kohlenstoffdioxid sammelt sich in Gasbläschen und steigt von der Eierschale zur Essig-Oberfläche auf. Übrig bleiben Calcium-(Ca2+) und Acetat-(H3C-COO)-Ionen, die sich gemeinsam recht gut in Wasser lösen. Da die Eierschale zu 90% aus Kalk besteht, löst sie sich bei der Reaktion mit dem Essig vollständig auf. Die übrigen 10% – unter anderem die Farbe brauner Eier – sammeln sich dabei als mehr oder minder flüssiger Überrest an der Essigoberfläche.


    2. Das Schrumpf-Ei

    Wenn ein Ei ohne Schale grösser wird, kann es dann auch kleiner werden? Und wie kommt es dazu?

    Zum Ausprobieren brauchst du

    • das nackte Ei aus Versuch 1
    • das gesäuberte Gefäss aus Versuch 1
    • Glucosesirup oder einen stark zuckerhaltigen Süssgetränkesirup
    • etwa 12 bis 18 Stunden Zeit

    Durchführung

    Lege das nackte Ei in das leere Gefäss und fülle es bis nahezu zum Rand mit dem Sirup auf. Das Ei wird an der Oberfläche schwimmen.

    Experiment 2 : Das Ei wird mit Sirup übergossen.

    Schliesse also den Deckel dieses Mal vollständig oder beschwere eine lose Abdeckung, sodass das Ei in die Flüssigkeit hinabgedrängt wird. Dann lasse das Ganze über Nacht ruhig stehen.

    Was du beobachten kannst

    Wenn du das Ei nach seinem nächtlichen Bad wieder aus dem Sirup fischst und abspülst, ist es spürbar weicher und nachgiebiger. So wird es jetzt schon durch sein eigenes Gewicht deutlich eingedrückt, wenn man es auf deine flache Oberfläche legt.

    Experiment 2: Das geschrumpfte Ei ist nachgiebiger als das ‚nackte‘ Ei aus Versuch 1.

    Ausserdem ist es auf seine ursprüngliche Grösse, vielleicht sogar noch weiter geschrumpft!

    Experiment 2: Das Ei ist geschrumpft!
    Das geschrumpfte Ei ist ein wenig kleiner als das Vergleichs-Ei mit Schale. Der Sirup hat es zudem dunkel gefärbt!

    Da ich einen dunklen Getränkesirup verwendet habe, hat mein Ei ausserdem die braune Farbe des Sirups angenommen.

    Warum schrumpft das Ei?

    Alle Stoffe bestehen aus winzigen Teilchen, die (oberhalb des absoluten Nullpunkts) immerzu in Bewegung sind. In einem Feststoff sind diese Teilchen zwar in einem festen Gitter geordnet, schwingen an ihren Plätzen aber laufend hin und her. In einer Flüssigkeit oder einem Gas schwirren die Teilchen dagegen weitgehend frei umeinander, wie Menschen auf einem belebten Stadtplatz.

    Bringt man also zwei Flüssigkeiten oder Gase zueinander, wuseln ihre Teilchen zwangsläufig durcheinander: Teilchen des einen Stoff dringen in den zweiten, die des zweiten Stoffes in den ersten. Diese unwillkürliche Bewegung ineinander nennen Chemiker (und Physiker) „Diffusion“.

    Die Eischalenmembran ist nun eine „halbdurchlässige“ Haut: Sie enthält winzige Poren, durch die nur sehr kleine Moleküle, wie Wasser (H2O), Sauerstoff (O2), Stickstoff (N2), Kohlenstoffdioxid (CO2) hindurch gelangen können. Grössere Moleküle, wie zum Beispiel Zuckermoleküle (ein Molekül Haushaltszucker (Saccharose) besteht aus 45 Atomen, Traubenzucker (Glucose) aus 24 Atomen!) kommen da nicht durch. Wenn den wuselnden Teilchen zweier (oder mehrerer) Stoffe solch eine Membran in den Weg kommt, können nur solche Teilchen in den jeweils anderen Stoff wandern, die die Membran durchlässt.

    Das Eiklar im Ei besteht aus Proteinen – sehr grossen Molekülen – und Wasser, während der Sirup hauptsächlich aus Zucker, also grösseren Molekülen, und Wasser besteht. So gelangen nur Wassermoleküle durch die Eischalenmembran: Aus dem Ei, wo es viele gibt (87% des normalen Eiklars bestehen aus Wasser, im nackten Ei sogar noch mehr!), wandern viele nach draussen. Dagegen wandern nur ganz wenige aus dem Sirup in das Ei, da es im Sirup nur wenige Wassermoleküle gibt. Dabei bleibt dem Ei immer weniger Wasser: Es schrumpft! Das Ganze funktioniert so lange, bis im Verhältnis zum Zucker bzw. Eiweiss draussen und drinnen gleich viel Wasser vorhanden ist – denn dann wandern stets gleich viele Wassermoleküle raus und rein.

    Die Diffusion durch eine halbdurchlässige Membran in nur eine Richtung wird „Osmose“ genannt und von lebenden Zellen zum Stoffaustausch genutzt. Viele Zellmembranen haben nämlich viele Poren für Wasser, aber weniger für Salz(e ) bzw. Ionen. Nehmen wir sehr grosse Mengen Kochsalz zu uns(der penetrante Salzgeschmack bewahrt uns normalerweise davor) , sodass sich zwischen den Zellen unseres Körpers sehr viel Salz einfindet, wandert Wasser vornehmlich aus den Zellen hinaus, sodass diese einschrumpfen wie das Ei. Und das kann tödliche Folgen haben, wie der „Chemische Reporter“ zu berichten weiss.

    Die Poren in der Eischalenmembran lassen im Übrigen auch für den braunen Farbstoff im Sirup durch: Da die Farbstoffmoleküle anfangs nur draussen im Sirup vorhanden waren, sind einige davon in das Ei hineingewandert, sodass es nach dem Bad im Sirup braun aussieht. Das zeigt, dass die Diffusion tatsächlich zeitgleich in beide bzw. alle Richtungen abläuft!


    3. Der Eier-Springbrunnen

    Kann das Ei auch wieder wachsen? Und wieviel grösser kann es werden?

    Zum Ausprobieren brauchst du

    • das nackte, geschrumpfte Ei aus Versuch 2
    • das gesäuberte Gefäss aus Versuch 2
    • Leitungswasser
    • eventuell Lebensmittelfarbe
    • 12 bis 18 Stunden Zeit
    • einen Eierbecher und ggfs. einen Teller zum Unterlegen
    • einen spitzen Zahnstocher oder eine Nadel

    Durchführung

    Fülle das Gefäss mit Leitungswasser, mindestens etwa 5 cm hoch. Wenn du in Versuch 2 einen farblosen Sirup verwendet hast, kannst du nun etwas Lebensmittelfarbe in das Wasser mischen, bis es kräftig gefärbt ist. Lege dann das geschrumpfte Ei hinein. Das Ei ist nun dichter als das Wasser und sinkt von selbst auf den Boden des Gefässes.

    Lege das geschrumpfte Ei in Wasser!

    Lasse das Ei weitere 12 bis 18 Stunden im Wasser ruhen. Dann nimm es heraus, trockne es vorsichtig ein wenig ab und setze es auf den Eierbecher, mit der Spitze nach oben. Stich mit der Nadel oder dem Zahnstocher das Ei oben an der Spitze an – und beobachte den Springbrunnen!

    Was du beobachten kannst

    Während seines zwölfstündigen Bades in Leitungswasser wird das Ei mindestens so gross, wie es nach Versuch 1 war, aber nicht nennenswert grösser. Wenn du in Versuch 2 dunklen Sirup verwendet hast, wird das anfangs farblose Wasser dabei leicht eingefärbt.

    Ein Teil der Farbe ist aus dem Ei ins Wasser gewandert.

    Wenn du stattdessen farblosen Sirup und im letzten Schritt Lebensmittelfarbe verwendet hast, nimmt das Ei deren Farbe an (ein richtiges Osterei !). In jedem Fall fühlt es sich wieder prall an im Vergleich zum geschrumpften Zustand nach Versuch 2.

    Das ‚nackte‘ Ei ist wieder gross und prall.
    Das nackte Ei ist nun wieder deutlich grösser als das Vergleichs-Ei.

    Wenn du das aufgerichtete Ei oben kräftig anstichst, tritt Flüssigkeit, hauptsächlich Wasser, in einer kleinen Fontaine aus. Lege daher, wenn dein Eierbecher keine Auffangrinne hat, einen Teller darunter!

    Der osmotische Druck im Ei lässt das Wasser herausschiessen.

    Hast du keine Scheu vor Glibber, kannst du anschliessend die Überreste des Eis auseinander und näher in Augenschein nehmen. Mein Eidotter war nach den dreitägigen Wechselbädern wie hart gekocht: Etwas, das dabei ins Ei eingedrungen ist – Essigsäure, eine kleine Menge Alkohol aus dem Sirup oder viel Wasser – hat anscheinend die Proteine darin zum Gerinnen gebracht.

    Entsorgung

    Alle drei Versuche werden ausschliesslich mit Lebensmittelbestandteilen durchgeführt (Haushaltsessig ist auch nichts anderes als konzentrierter, sauberer Speiseessig). Alle Reste können daher in den Abfluss gespült werden. Die festen Überreste des Eis kannst du in den Bioabfalll geben. Wasche dir nach dem Umgang mit dem offenen rohen Ei in Versuch 3 gründlich die Hände!

    Der osmotische Druck und seine Folgen

    Legt man das geschrumpfte Ei in sauberes Wasser, wird die Richtung der Bewegung durch Osmose einfach umgekehrt: Im Verhältnis zu grösseren Molekülen ist ausserhalb des Eis sehr viel mehr Wasser als drinnen. So wandern jetzt mehr Wassermoleküle in das Ei hinein als hinaus: Das Ei wächst wieder (aus diesem Grund ist es auch beim Auflösen der harten Schale gewachsen: Wasser aus der Essiglösung ist hineingewandert).

    Wenn das Wasser ausserdem Lebensmittelfarbe enthält, wandern Farbstoffmoleküle, für welche die Eischalenmembran ebenfalls durchlässig ist, wie das Wasser in das Ei hinein und „färben“ es.

    Durch die stete Zuwanderung von Wassermolekülen wird es im Ei zunehmend eng: Es baut sich Druck auf – man spricht vom osmotischen Druck. Dieser Druck kann die weitere Zuwanderung von Molekülen bremsen (wenn es im Ei eng wird, kommt es an den Poren der Membran zu Stau), oder, wenn er überhand nimmt, die Membran zum Platzen bringen!

    Die doppelte Eischalenmembran hält allerdings eine Menge aus, sodass der osmotische Druck die Einwanderung des Wassers ausbremst, bevor die Membran platzen kann. Spürbar ist dieser Druck dennoch: Er strafft die Membran, wie der Druck in einem gefüllten Luftballon die Ballonhaut. Wenn man das Ei dann gezielt ansticht, lässt der darin aufgebaute Druck das Wasser im hohen Bogen durch das Loch hinausschiessen.

    Die Körperzellen von Menschen und Tieren sind da weniger robust: Bringt man zum Beispiel rote Blutzellen in reines Wasser, wandern viele Wassermoleküle durch die Zellmembran in sie hinein. In Folge des sich aufbauenden osmotischen Drucks blähen die Zellen sich auf – schlimmstenfalls, bis sie platzen. Und das ist dem Leben überaus abträglich. Deshalb enthält eine Infusion vom Arzt immer so viel Salz und grössere Moleküle wie normales Blutplasma (die Blutflüssigkeit) auch. Das Blutplasma ist nämlich gerade so geschaffen, dass weder übermässig viel Wasser in die Blutzellen hinein, noch aus ihnen hinaus wandern kann.

    Pflanzenzellen kommen mit Verschiebungen des osmotischen Drucks übrigens besser klar: Sie haben eine feste Aussenwand, die sie am Platzen hindert und im Innern ein eigenes Reservoir für überschüssiges Wasser. So schrumpfen die Zellen innerhalb ihrer Zellwände, wenn die Pflanze durstet, sodass sie schlaff und welk aussieht, aber ihre Form nicht ganz verliert. Wenn man dann kräftig giesst, wandert Wasser in die Zellen und füllt auch das Reservoir (die Vakuole), sodass die Zellwände gestützt werden und die Pflanze binnen kürzester Zeit wieder straff und frisch aussieht.


    Ich wünsche dir viel Spass beim Experimentieren mit dem „nackten“ Ei und seinen Osmose-Fähigkeiten – und schöne, kreative und lehrreiche Ostern!

    Hast du die Experimente nachgemacht: 

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    Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!

    Chemie im Osternest: Ostereier und Farbstoffe

    Der Frühling kommt unaufhaltsam, und mit ihm rücken die Ostertage immer näher. Nach dem grauen Winter gibt es wohl kaum jemanden, der sich nicht nach dieser hellen Zeit voller Farben sehnt: Sonne, Frühlingsblumen, bunte Eier… doch bis es soweit ist, und wir uns an den Farben freuen können, steht noch Arbeit an. Im Supermarkt gibt es reichlich Hilfsmittel im Angebot, unter anderem eine breite Palette von Färbemitteln für die Eier. Das verspricht Mal- und Bastelspass für Gross und Klein!

    Als ich mir die Packungen – bei den beiden bekanntesten Schweizer Grossverteilern von einem deutschen Hersteller – genauer ansah, war jedoch zunächst einmal meine Chemiker-Neugier geweckt: Das Verzeichnis der Inhaltsstoffe bestand durchweg aus einer umfangreichen Liste von E-Nummern. Nun, die sind für sich erst einmal nichts schlimmes, sind doch einer ganzen Reihe nützlicher und gesunder Substanzen – beispielsweise vielen Vitaminen – E-Nummern zugeordnet, die als Kurzschreibweise die gesetzliche Kennzeichnungspflicht auf kleinstmöglichem Raum erfüllen. Hier jedoch beschlich mich ein Verdacht. Und da ich kein wandelndes E-Nummern-Lexikon bin, habe ich die Zahlensammlung rasch ins Smartphone abgetippt, um sie später in Ruhe nachzuschlagen.

    Und ich sollte recht behalten: Die Liste hält eine wahre Fülle synthetischer Farbstoffe bereit, die auf den ersten Blick klangvolle, optimistische Namen haben:

    • E 104 Chinolingelb
    • E 110 Gelborange S
    • E 122 Azorubin
    • E 124 Cochenillerot A
    • E 131 Patentblau V
    • E 132 Indigotin
    • E 133 Brilliantblau FCF
    • E 142 Grün S
    • E 151 Brilliantschwarz BN

    All diese Stoffe sind organische Verbindungen, und die Stoffklassen, welchen sie angehören, sind mir (und wohl jedem anderen Chemiker) aus dem Studium wohlbekannt: Zu den sogenannten Triphenylmethan-Farbstoffen zählen viele bekannte Indikatoren, zum Beispiel das Phenolphthalein, aber auch Patentblau V, Brilliantblau FCF und Grün S (E 131, 133 und 142). Einen Vertreter der sogenannten Azofarbstoffe, zu welchen E 110, E 122, E124, E 132 und E 151 zählen, habe ich einst sogar selbst im Labor synthetisiert. Dabei sind mir als sicherheitsbewusster Chemikerin neben den strahlenden Farben besonders diese Eigenschaften dieser Stoffe in Erinnerung geblieben: giftig, potentiell krebserzeugend, überaus wasserlöslich und damit im Handumdrehen überall verteilt. Und sowas sollte für Lebensmittel zugelassen sein?

    Aber welche organischen Verbindungen sind eigentlich farbig? Kann man Farbstoffe nach Wunsch „erfinden“? Und wie gesundheitsschädlich sind die synthetischen Ostereier-Farben wirklich? Sollte man sie meiden?

     

    Welche organischen Moleküle sind farbig?

    Unser Eindruck von Farbigkeit organischer Stoffe entsteht genauso wie bei allen anderen Stoffen auch. In „Farben, Licht und Glanz – Wie die Welt uns bunt erscheint“ habe ich bereits vom Aufbau der Elektronenhülle von Atomen erzählt, innerhalb welcher Elektronen von Etage zu Etage „umziehen“ können, indem sie Licht mit einer genau passenden Wellenlänge schlucken. Was dann vom einstmals weiss erscheinenden Gemisch aller Licht-Wellenlängen übrig bleibt, bestimmt die Farbe, die wir sehen – nämlich die Komplementärfarbe zur geschluckten Wellenlänge.

    Farbig sind also solche Teilchen, in deren Elektronenhülle es Abstände zwischen Energieniveaus („Etagen“) gibt, welche durch das Schlucken von Licht-Wellenlängen im sichtbaren Bereich überbrückt werden können. In einem Molekül, in welchem die Atome über Elektronenpaarbindungen miteinander verbunden sind, teilen die Atome gemeinsame Energieniveaus, welche ihrerseits in „Wohneinheiten“, sogenannte Orbitale, für je zwei Elektronen unterteilt sind. Und (nicht nur) für organische Moleküle gilt die Faustregel:

    Die Abstände zwischen Energieniveaus liegen dann im sichtbaren Bereich, wenn sich viele Elektronen „Wohngemeinschaften“, also miteinander verbundene „Wohneinheiten“ bzw. Orbitale teilen – in der Chemikersprache gesagt: wenn die Elektronen „delokalisiert“ sind.

    In den üblichen Einfach-Elektronenpaarbindungen bleibt allerdings jedes Elektronenpaar unter sich. Erst wenn Doppelbindungen vorkommen, wird die Sache interessant. Denn eine Doppelbindung kann man sich dergestalt vorstellen, dass eine zweite Bindung eine Einfachbindung zwischen zwei Atomen ähnlich einem Schlauch umgibt – und an beiden Enden ein gutes Stück darüber hinaus ragt. Wenn nun zwei Doppelbindungen auftreten, welche nur durch eine Einfachbindung voneinander getrennt sind, können die „überstehenden“ Enden der beiden Doppelbindungen miteinander verschmelzen, sodass die darin enthaltenen vier Elektronen sich entlang aller vier beteiligten Atome bewegen können – also delokalisiert sind.

    Sich abwechselnde Doppel- und Einfachbindungen entsprechen also einer für farbige Stoffe massgeblichen atomaren „Wohngemeinschaft“.

    Das bedeutet: Es lässt sich an der Lewis- oder Strichformel eines organischen Stoffes abschätzen, inwieweit dieser farbig ist! Dabei gilt grundsätzlich: Je mehr sich abwechselnde Doppel- und Einfach-Bindungen ein Molekül enthält, d.h. je weiter die enthaltenen Elektronen delokalisiert sind, desto farbiger ist der entsprechende Stoff.

    Darüber hinaus kann die Farbe eines Stoffes weiter intensiviert werden, wenn das Molekül bestimmte Atomgruppen enthält, die an und für sich schon farbig sind. Eine solche „Chromophor“ genannte Atomgruppe ist die aus zwei Stickstoffatomen bestehende Azogruppe, -N=N-, welche den Azo-Farbstoffen ihren Namen gegeben hat.

     

    Wie organische Farbstoffe aufgebaut sind

    In einem typischen Farbstoffmolekül sind eine oder mehrere chromophore Gruppen in ein System aus sich abwechselnden Doppel- und Einfachbindungen eingegliedert. Nicht selten sind aromatische Ringe – meist sechseckige „Benzol-Ringe“ aus sechs Kohlenstoff-Atomen – Teil dieses Systems, da diese in ganz besonderer Weise delokalisierte Elektronen aufweisen. Da eben diese Besonderheit die aromatischen Ringe jedoch in vielerlei Hinsicht unreaktiv macht, enthalten gute Farbstoff-Moleküle überdies besonders reaktionsfreudige Atomgruppen, die mit anderen Stoffen feste Bindungen eingehen und dem Farbstoff so erlauben, am zu färbenden Material – zum Beispiel Textilfasern oder Eierschalen – möglichst waschecht zu haften. Solche Gruppen werden „Auxochrome“ – Farbhelfer – genannt.

    Azorubin und Brilliantschwarz_BN

    Azorubin (linke Formel) ist ein typischer Azofarbstoff, dessen Azogruppe (hellblau gerahmt) zwischen zwei aromatischen Ringen zu finden ist. Doppel- und Einfachbindungen wechseln sich in diesem System also über alle vier Ringe und die Azogruppe hinweg ab. Am Rand des Moleküls finden sich als Auxochrome mehrere Sulfonsäure-Gruppen (rosa gerahmt, dargestellt als Natrium-Salz). Eine Sulfonsäure-Gruppe ist nichts anderes als ein Teil eines Schwefelsäure-Moleküls, welcher mit dem Kohlenstoff-Gerüst des Farbstoffs verknüpft ist. Dementsprechend können diese Gruppen ähnlich wie Schwefelsäure sowohl Ionen- bzw. Säure-Base-Reaktionen eingehen, als auch Ester und andere feste Verknüpfungen über Elektronenpaar-Bindungen bilden. Sulfonsäuren, besser noch ihre Salze, sind also sowohl wasserlöslich als auch in der Lage, feste Bindungen einzugehen.

    Die rechte Formel lässt überdies die Bedeutung der Chromophore erahnen: Brilliantschwarz – Schwarz als intensivste „Farbe“ ergibt sich, wenn sämtliche sichtbaren Lichtwellen geschluckt werden – enthält statt einer Azo-Gruppe gleich zwei – und der Stoff ist nicht bloss intensiv farbig, sondern schwarz.

    Auch Triphenylmethan-Farbstoffe enthalten aromatische Ringe – wenn solch ein Ring an etwas anderes gebunden ist, nennen die Chemiker ihn „Phenyl-Gruppe“ – aber keine weiteren chromophoren Gruppen. Das Grundgerüst dieser Farbstoffe entspricht also einem Methanmolekül (CH4), in welchem drei der Wasserstoff-Atome durch Phenyl-Gruppen ersetzt sind (links im Bild die Strukturformel für „Triphenylmethan“, welches diesen Farbstoffen ihren Namen gibt). Auch im rechts gezeigten Patentblau V finden sich Sulfonsäuregruppen als Auxochrome.

    Triphenylmethan und Patent_blue_V

    Die Eigenschaften solcher Farbstoffe lassen sich nicht nur auf diese Weise aus den Strukturformeln ablesen.  Die Regeln der Chemie zur Farberscheinung und zu anderen Eigenschaften sind gar so präzise, dass Chemiker die Farbe eines Moleküls ausrechnen – bzw. sich ein Molekül mit der gewünschten Farbe und weiteren Eigenschaften ausdenken können! Da liegt es nahe, für Ostereier und andere Lebensmittel Farbstoffe zu designen, die sowohl die gewünschten Farben haben, als auch unschädlich für den menschlichen Körper sind.

     

    Aber wie gesundheits(un)schädlich sind diese Designer-Farbstoffe wirklich?

    Aufnahme und Anreicherung von Lebensmittelfarbstoffen

    Der ideale Lebensmittelfarbstoff wird auf seinem Weg durch den Verdauungstrakt gar nicht erst vom Körper aufgenommen und unverändert wieder ausgeschieden. An dieses Ideal kommen die Triphenylmethan-Farbstoffe unter den Ostereierfarben nahe heran: Sie werden weder vom Körper aufgenommen, noch im Verdauungstrakt gespalten oder anderweitig verändert. Die auxochromen Gruppen erweisen sich in diesem Zusammenhang wiederum als nützlich: Aufgrund der guten Wasserlöslichkeit der Moleküle besteht überdies kaum Gefahr, dass diese sich – über längere Zeit aufgenommen – irgendwo im Körper anreichern.

    Etwas anders sieht es bei den Azofarbstoffen aus, da der menschliche Organismus in der Lage ist, die Azo-Gruppe solcher Moleküle zu spalten. Somit müssen also nicht nur die Moleküle selbst, sondern auch die Bruchstücke unbedenklich sein. Und unter den Bruchstücken von Azo-Farbstoffen sind aromatische Amine, also solche, die neben einem Benzol-Ring auch eine zusätzliche Stickstoff-Gruppe enthalten, für eine krebserzeugende Wirkung berüchtigt. Jener Azo-Farbstoff, den ich einst im Labor synthetisiert habe, mag ein solches Fragment enthalten haben. Die Lebensmittelfarbstoffe enthalten derlei jedoch aus gutem Grund nicht. Ihre Bruchstücke sind harmlos und werden problemlos wieder ausgeschieden.

    Allergische Reaktionen

    Nichts desto trotz sind alle „Designer-Stoffe“, zu welchen die synthetischen Lebensmittel-Farbstoffe zählen, aus Sicht des menschlichen Körpers „Fremdstoffe“, welche pseudoallergische Reaktionen auslösen können. Dabei handelt es sich um unspezifische Abwehrreaktionen auf die Gegenwart eines Fremdstoffs: Wie bei einer Allergie können Entzündungssymptome auftreten, von Hautauschlag (Neurodermitis) bis hin zu Asthma. Das Ausmass dieser Symptome hängt dabei von der jeweiligen Dosis des Auslösers ab. Das heisst, ausreichend geringe Mengen des Auslösers werden mitunter gar keine spürbare allergische Reaktion auslösen.

    Im Unterschied dazu werden bei einer „echten“ Allergie Antikörper gegen den Auslöser (das „Allergen“) gebildet, welche  das Immunsystem in Gang setzen und so die Abwehrreaktion auslösen. Da dieser Weg der Abwehr nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip funktioniert, können schon kleine Mengen eines Allergens eine heftige Reaktion nach sich ziehen.

    Pseudoallergische Reaktionen auf Farbstoffe können also durch die Verwendung ausreichend kleiner Mengen weitgehend vermieden werden. Allerdings ist z.B. bei Personen, die auch auf den Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure pseudoallergisch reagieren, häufig eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Lebensmittelfarbstoffen beobachtet worden.

    Hyperaktivität und Konzentrationsstörungen

    Seit 2007 ist eine Studie populär, die einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Lebensmittelfarben aus der Gruppe der Azo-Farbstoffe und Hyperaktivität bzw. Konzentrationsstörungen von Kindern festgestellt haben will. Nach dem Arbeitsort ihrer Autoren wird diese Studie kurz als „Southhampton-Studie“ bezeichnet. Sie führte dazu, dass in der EU in jüngster Zeit eine Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel mit Azo-Farbstoffen eingeführt worden ist: Solche Produkte müssen neuerdings eine Aufschrift „kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinträchtigen“ tragen. Ostereier-Farben sind übrigens davon ausgenommen – die bunten Eierschalen werden schliesslich nicht verzehrt, heisst es – weshalb ich auf den Verpackungen „meines“ deutschen Herstellers auch keinen solchen Hinweis gefunden habe.

    Das Schweizer Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) bezeichnet die Southampton-Studie allerdings in vielen Punkten als unwissenschaftlich (die Kritikpunkte reichen von der Erhebung von Daten durch ungeschultes, nicht neutrales Personal bis zu unklaren Messgrössen und Untersuchungsgegenständen) und die Schlussfolgerungen daraus als widerlegt. Aus diesem Grund, so das BLV, gibt es in der Schweiz keine entsprechende Kennzeichnungspflicht.

    Das Verhalten von Kindern bzw. Schülern ist ebenfalls Forschungsgegenstand in der Erziehungswissenschaft und Didaktik. So habe ich aus meiner Literatur aus der Lehrerausbildung den Eindruck gewonnen, dass wohl kaum ein Forschungsgegenstand schwieriger zu erfassen ist, als Einflüsse von Massnahmen – seien es Chemikalien oder Unterrichtsmethoden – auf das Verhalten von Kindern. Deshalb erfordern der Entwurf, die Durchführung und nicht zuletzt die Auswertung derartiger Studien in meinen Augen allerhöchste Sorgfalt und Vorsicht, sodass ich dazu neige, dem BLV und seinen Kritikpunkten in Sachen Lebensmittelfarbstoffen bei zu pflichten.

    Insbesondere einen Zusammenhang zwischen Lebensmittelfarbstoffen und dem als ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-/Hyperaktivitäts-Syndrom) bezeichneten Syndrom, welches gerne in diesem Kontext genannt wird, kann ich nicht nachvollziehen. Viel einleuchtender erscheint mir da, dass pseudoallergischer Juckreiz und ähnliche Reaktionen Kinder unruhig und unaufmerksam werden lassen.

     

    Welche Alternativen gibt es zu synthetischen Ostereier-Farben?

    Es liegt mir fern, die synthetischen Ostereier-Farben als „gut“ oder „schlecht“ abzustempeln. Vielmehr möchte ich Hintergrundwissen liefern, anhand dessen jeder selbst entscheiden mag, was für ihn, sie oder seine/ihre Kinder das Beste ist. Auf diesem Grundsatz – jeder hat das Recht selbst zu entscheiden, was er verwendet oder gar zu sich nimmt – basiert in meinen Augen auch unser Lebensmittelrecht, sowohl in der Schweiz als auch in der EU, welches die Auflistung von Inhaltsstoffen auf der Verpackung von Lebensmitteln und anderen Waren vorschreibt.

    Nach allem, was ich nun gelesen habe, sehe ich keinen Grund zu der Annahme, dass synthetische Ostereier-Farben per se gefährlich sein bzw. unweigerlich krank machen sollten. Ganz und gar unbedenklich sind sie deshalb aber noch lange nicht – nicht zuletzt, weil jeder Körper anders auf einen Stoff reagieren kann. Das gilt übrigens für viele sogenannte Naturstoffe ebenso wie für synthetische Verbindungen, denn auch die meisten Naturstoffe sind aus Sicht des menschlichen Körpers letztlich Fremdstoffe. Und Allergien – auch „echte“ – auf „ganz normale“ Lebensmittelbestandteile sind uns zu Genüge bekannt.

    Wer sich schliesslich für die Naturstoff-Variante für seine Ostereier entscheidet, kann eine ganze Reihe wunderschöner Naturfarbstoffe in Lebensmittel-Pflanzen wie Rote Bete (in der Schweiz „Rande“) (rot), Curcuma (gelb), Spinat (grün), Zwiebelschalen (braungelb) oder Rotkohl bzw. Blaukraut (blauviolett) finden.

    Eine tolle Anleitung zum Färben mit diesen Farbstoffen und Verzieren der Eier mit Essig-Mustern gibt es auf der Website von GEOLino. Und die dort gezeigten Eier sind fast so strahlend bunt wie die synthetischen Designerfarben – der wärmeren Farbtöne wegen finde ich sie sogar schöner als jene, die auf den Verpackungen der synthetischen Färbemittel abgebildet waren!

    Ob nun synthetisch oder mit Naturstoff-Eiern: Ich wünsche euch frohe, farbenreiche Ostern!

    Und womit färbt ihr eure Ostereier?