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Was ist im Grippe-Impfstoff drin?

Eigentlich will ich mich ja gegen die Grippe impfen lassen… aber eine wirklich penetrante Erkältung lässt mich (noch) nicht. Während die ausheilt habe ich Zeit, mich zu fragen: Was ist eigentlich in so einem Grippe-Impfstoff drin?

Die Frage kommt nicht von ungefähr, sind doch Impfungen einmal mehr in aller Munde. Nicht nur die Grippesaison steht vor der Tür. Zudem macht Deutschland mit dem Beschluss einer Impfpflicht gegen die Masern von sich reden.

Heute möchte ich aber vornehmlich beim Grippeimpfstoff bleiben, der einerseits ein spezieller Fall in der Impfstoff-Familie ist, andererseit aber als Beispiel für andere Impfstoffe herhalten mag.

Warum ist der Grippeimpfstoff speziell?

Letztlich aufgrund seiner eingeschränkten Wirksamkeit. Die beruht darauf, dass Grippeviren ganz besonders fiese Arschlöcher sind. Die mutieren nämlich schneller zu immer neuen Stämmen, als die Forscher Impfstoffe gegen sie entwickeln können (wie genau sie das machen, erklärt Mai Thi sehr gut in ihrem aktuellen Video).

So müssen Forscher schon zu Anfang eines neuen Jahres Vermutungen anstellen, wie der fieseste Grippevirus – besser die fiesesten Grippeviren – der kommenden Saison aussehen mögen. Denn Entwicklung, Herstellung und Erprobung einer neuen Impfstoff-Variante dauern gut ein halbes Jahr. Und danach können die Forscher nur hoffen, dass die tatsächlich grassierenden Viren den vermuteten zumindest ähnlich sind.

Anders als die Impfstoffe gegen Masern und andere Kinderkrankheiten, die nahezu immer schützen, bietet eine Grippeimpfung damit nur eingeschränkt Schutz gegen Grippe. Wenn es aber darum geht, ob man eine Woche statt drei Wochen flach liegt, ins Spital muss oder nicht bzw. mit einer massgeblich geringeren Wahrscheinlichkeit krank wird, lohnt sich die Impfung allemal. Auch jedes Jahr aufs Neue. Besonders, wenn man zu einer der Risikogruppen zählt, die das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit nennt.

Die Grippeimpfung ist übrigens auch für Kinder einschliesslich Säuglingen ab 6 Monaten möglich. Und wenn die Kinder in die Krippe, den Kindergarten oder die Schule gehen, mag die Impfung sich für sie ebenso lohnen wie für ihre Lehrer und Erzieher.

Anbei: Für die aus medizinischen Gründen Gefährdeten (Senioren, Bewohner von Pflegeheimen, Kranke, Schwangere, Frühgeborene) übernimmt in der Schweiz die obligatorische Krankenversicherung die Kosten für die Impfung.

Aber was ist nun drin im Impfstoff?

In Impfkritiker-Kreisen kursieren zahllose Gerüchte um Quecksilber, Aluminium und andere angeblich fiese Hilfsstoffe, ganz zu schweigen von angeblich unsicheren Wirkstoffen.

Dabei lassen sich im Netz ziemlich einfach Fachinformationen mit genauen Inhaltsstofflisten im Netz auftreiben. Zum Beispiel im Arzneispezialitätenregister des Österreichischen Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen. Das einzige, was man dafür braucht, ist der Handelsnahme eines Impfstoffs.

Den habe ich mir aus einer Broschüre des Schweizerischen Bundesamtes für Gesundheit herausgepickt. Der Umstand, dass ich einen in der Schweiz gebräuchlichen Impfstoff in der österreichischen Datenbank gefunden habe, lässt mich darauf schliessen, dass solche Impfstoffe im DACH-Raum grenzübergreifend zum Einsatz kommen. Was jetzt kommt, wird demnach auch für Impfstoffe in Deutschland gelten.

Mein Beispiel-Impfstoff ist Fluarix Tetra®, zugelassen für Kinder ab drei Jahren und Erwachsene. Dieser Impfstoff kommt übrigens seit Jahren mit jeweils angepassten Virenstämmen zum Einsatz. Darin sind enthalten:

Inaktivierte Influenza-Virus Spaltantigene

Das ist der eigentliche „Wirkstoff“ im Impfstoff, welcher das Immunsystem veranlassen soll, die Informationen über die gefährlichen Grippeviren zu speichern. Wie das Immunsystem arbeitet und wie das genau funktioniert, könnt ihr übrigens hier in Keinsteins Kiste nachlesen.

Aber was bedeutet dieser Fachausdruck eigentlich?

Um das Immunsystem zur Informationsverarbeitung zu veranlassen, müssen ihm Krankheitserreger „vorgeführt“ werden. Damit der Körper dabei aber nicht krank wird, müssen diese Erreger entweder in einer abgeschwächten („zahnlosen“) Version daher kommen (das nennt man dann einen Lebendimpfstoff), oder man führt dem Immunsystem funktionslose Bruchstücke der Erreger vor (als Totimpfstoff).

Um solche Bruchstücke herzustellen, züchten die Entwickler in speziellen Labors Grippeviren und zerlegen sie dann in ihre Bestandteile. Dabei lösen sie unter anderem Proteine (die fiesen „Stacheln“, die in vielen Virus-Darstellungen zu sehen sind) aus der Aussenhülle der Viren, trennen sie vom Rest und packen sie in den Impfstoff.

Keine Kunst, sondern ein echtes, koloriertes „Foto“ von einem Grippe-Virus, aufgenommen mittels Elektronen-Tomographie (mit einem Elektronenmikroskop, das zum MRT für winzigkleine Dinge umgerüstet wurde). Die Protein-Stacheln in der Virushülle (blau) sind hier grün und gelb dargestellt. (US gov [Public domain], via Wikimedia Commons )

An diesen Proteinen erkennt nämlich unser Immunsystem die Viren. Nur – die Proteine allein, ohne Virenhülle und vor allem ohne Virenerbgut, können keine Grippe verursachen.

Moleküle, die unser Immunsystem erkennt, werden nun Antigene genannt. Da unsere Antigene bei ihrer Herstellung von Viren „abgespalten“ wurden, sprechen die Entwickler von Spaltantigenen. Und da sie allein keine Grippe („Influenza“) mehr verursachen können, sind diese Spaltantigene „inaktiviert“.

Wie züchtet man Grippeviren?

Viren können sich nicht selbst vermehren (und sind damit nach landläufiger Definition der Biologen keine Lebewesen), sondern müssen dazu lebende Zellen befallen und deren Vermehrungsanlagen kapern. Deshalb sind zur Virenzucht lebende Wirtszellen nötig.

In den 1960er Jahren haben Forscher dafür geeignete Zellen in befruchteten Hühnereiern entdeckt. Darin wachsen nämlich nebst dem Küken auch verschiedene blasenartige Hilfsorgane. Und die Zellen von deren Aussenhäuten sind offenbar besonders gut geeignet, um in kurzer Zeit viele Grippe- und andere Viren herzustellen. Und zwar so gut, dass man diese Methode bis heute verwendet:

Befruchtete Hühnereier werden 10 bis 11 Tage lang im Brutschrank bebrütet. Dann wird durch ein kleines Loch in der Schale der gewünschte Virenstamm in das Anhangsorgan eingebracht und drei Tage lang weiter bebrütet. In dieser Zeit vermehren sich die Viren sehr stark und gelangen in die Flüssigkeit im Innern „ihres“ Wirtsorgans. Dann wandern die Eier für einige Stunden in den Kühlschrank, sodass die Embryonen darin absterben (ich habe mir ja sagen lassen, dass der Tod durch Unterkühlung eine schmerzlose Angelegenheit sein soll, aber probiert habe ich es nicht), ehe die Flüssigkeit samt Viren entnommen wird.

Im Eier-Labor der FDA, USA: Ein Mitarbeiter spritzt Grippeviren in befruchtete Hühnereier, damit sie sich darin vermehren können. Im industriellen Massstab gibt es allerdings viel mehr Eier und das Ganze läuft automatisiert. (The U.S. Food and Drug Administration [Public domain], via Wikimedia Commons )

Es folgt das Zerlegen („Inaktivieren“) der Viren mit Hilfe von speziellen Tensiden (Stoffen mit Superwaschkraft – diese können Proteine aus Virushüllen „waschen“, ohne dass die Proteine babei beschädigt werden!) und die Reinigung des Ganzen, damit am Ende nur in der Impfdosis landet, was dort hinein soll.

Moment – dabei sterben doch Tiere?!

Ja, das ist bis dato leider unvermeidbar, wenn wir uns vor der Grippe schützen möchten. Denn einen anderen Schutz vor der Grippe gibt es – besonders für irgendwie geschwächte Menschen – aktuell nicht.

Natürlich ist man heute schon weiter als vor sechzig Jahren und kann Viren auch in Zellkulturen züchten. Bloss funktioniert das mit Grippeviren nicht besonders gut. Die Ausbeuten an Grippeviren aus Zellkulturen sind so schlecht, dass es im Normalfall viel zu teuer wäre, die gewünschte Impfstoffmenge auf diese Weise herzustellen.

Warum Grippe-Impfstoffe manchmal knapp werden

Einzig wenn ein besonders ansteckender oder/und gefährlicher Grippe-Stamm auftritt und besonders flächendeckend geimpft werden soll, können die Entwickler nicht genügend Eier für die Zucht auftreiben und müssen auf die teureren Zellkulturen ausweichen. Doch dabei gibt es ein neues Problem:

Zum Arbeiten mit besonders ansteckenden („pandemischen“) Grippe-Viren braucht man ein Labor der Sicherheitsstufe (BSL) 3. Und die haben viele Eier-Labors nicht. So bleiben die Produktionsmöglichkeiten auch unabhängig von den Kosten beschränkt.

Aber: Abhilfe ist bereits in Sicht

Da die Forscher jedoch weder Tiere töten noch Engpässe bei der Auslieferung wollen, arbeiten sie fleissig an neuen Möglichkeiten für die Virenzucht. Wie zum Beispiel in Münster mit Wimperntierchen (das sind Einzeller) als Wirten. Vielleicht gibt es ja schon ab 2025 eine wirtschaftliche Alternative zu den Hühnereiern.    

Anorganische Salze

Davon finden sich in Fluarix Tetra® eine ganze Reihe:

  • Natriumchlorid, NaCl (das „Kochsalz“)
  • Natriummonohydrogenphosphat, Na2HPO4
  • Kaliumdihydrogenphosphat, KH2PO4
  • Kaliumchlorid, KCl
  • Magnesiumchlorid, MgCl2 * 6 H2O

Alle diese Salze sind im Impfstoff in Wasser aufgelöst, sodass letztendlich folgende Ionen im Impfstoff enthalten sind: Na+, K+, Mg2+, Cl, HPO42-, H2PO4 (und für alle Chemiker, die es ganz genau nehmen, sind in verschwindender Menge auch PO43- und Phosphorsäure H3PO4 zu erwarten). Jedes dieser Ionen ist natürlicher Bestandteil praktisch jeder Körperflüssigkeit.

Die beiden Phosphat-Ionen ergeben zusammen einen Phosphat-Puffer, der dafür sorgt, dass der pH-Wert des Impfstoffs irgendwo zwischen 6 und 8 – also im „biologietauglichen“ Bereich – stabil bleibt. So werden die Virus-Proteine darin nicht durch pH-Abweichungen beschädigt – und der pH-Wert des Impfstoffs passt weitgehend zu dem des Muskels, in welchen er gespritzt werden soll.

Die übrigen Ionen sorgen vermutlich dafür, dass die Impfstoff-Flüssigkeit einer Körperflüssigkeit ähnlich ist (sodass nach der Injektion z.B. kein ungewollter osmotischer Druck entsteht (was der anrichten kann, könnt ihr mit diesen Experimenten – mit Ei, aber ohne Küken – erfahren)).

RRR-alpha-Tocopherolhydrogensuccinat

Oder mit anderen Worten: Vitamin E. Also ein alter Bekannter aus der Ernährung und Hautpflege, der für seine Wirkung als Antioxidans bekannt ist. Das heisst, Vitamin E reagiert gern mit Stoffen, die sonst andere Bestandteile unseres Körpers oxidieren und für Stress in unseren Zellen sorgen würden.

Und ausserhalb des Körpers kann es ebenso gut mit Stoffen reagieren, die sonst Virenproteine und andere Impfstoff-Bestandteile kaputt oxidieren könnten. Damit ist das Vitamin E der einzige Konservierungsstoff (nagut, ausser dem Phosphatpuffer), den ich auf der Liste gefunden habe!

Polysorbat 80 („Tween 80“) und Octozinol 10 („Triton 100“)

Zwei der speziellen Tenside, die mit ihrer Superwaschkraft die Proteine aus den Virenhüllen lösen können. Da die Hüllen von Grippeviren aus fettähnlichen Stoffen (Lipiden) bestehen, sind Proteine, die daraus entfernt werden, naturgemäss nicht sehr scharf darauf, sich in Wasser zu lösen (fettfreundliche Stoffe mischen sich nicht mit Wasser und wasserfreundliche Stoffe nicht mit Fetten!).

Da die genannten Tenside – im Grunde spezielle „Seifen“ –  nicht weitestgehend aus dem Impfstoff entfernt werden, vermitteln sie dort wohl auch weiterhin zwischen Proteinen und Wasser und sorgen so dafür, dass alle Bestandteile des Impfstoffs sich miteinander mischen.

Auf Lebensmittelpackungen werden solche Stoffe als „Emulgatoren“ vermerkt. Tatsächlich ist Polysorbat 80 als Lebensmittelzusatzstoff (E 433) zugelassen, da es chemisch wie biologisch als weitgehend reaktionsträge gilt. Ausserdem zählt es zu den wenigen Emulgatoren, die man nicht nur problemlos verspeisen, sondern auch spritzen kann.

Solvent-Detergent-Verfahren: Eine sichere Sache

Auch Triton 100 ist für seine Sicherheit in Sachen medizinische Anwendungen bekannt. Das „Solvent-Detergent-Verfahren“ (SD-Verfahren), mit welchem die Grippeviren bei der Impfstoffherstellung zerlegt werden, wurde nämlich ursprünglich zur Reinigung von Blutplasma zur Transfusion von darin unerwünschten Viren entwickelt (Und wer hats erfunden…? Nein, ein Amerikaner. Aber die Schweizer – genauer gesagt eine Firma aus dem von hier aus übernächsten Dorf – haben es finanziert und zur Marktreife gebracht).

Die Blutplasma-Reiniger hatten ein ähnliches Problem wie die Impfstoff-Hersteller: Mögliche Viren in gespendetem Blutplasma müssen unschädlich gemacht werden (damit sie den Empfänger nicht infizieren können), aber die Proteine im Plasma – insbesondere die Gerinnungsfaktoren – dürfen dabei ihre Funktion nicht verlieren.

Das SD-Verfahren leistet beides äusserst gründlich: Die Gerinnungs-Proteine in SD-Plasma bleiben zu wesentlichen Teilen funktionsfähig, während nach rund 10 Millionen Transfusionen bis 2009 keine einzige Infektion durch Viren mit Hülle (bei „nackten“ Virenarten funktioniert das Verfahren nicht, sodass man sich um solche anders kümmert) gemeldet worden ist. Ebensowenig wurde je beobachtet, dass mit dem SD-Verfahren gereinigtes Plasma (wobei auch „Triton 100“ zum Einsatz kommt/kam!), in irgendeiner Weise toxisch gewirkt oder eine Allergie ausgelöst hätte.

Wasser zu Injektionszwecken

Lösungsmittel – und zwar das Lösungsmittel, wenn es um lebende Organismen geht. „Zu Injektionszwecken“ meint keimfrei und vermutlich so sauber wie irgend möglich. Schliesslich soll das ja in menschliche Körper gespritzt werden.

Gemäss meiner Annahme ausserdem der Grund dafür, dass die beiden oben genannten Emulgatoren noch in nennenswerter Menge im Impfstoff enthalten sind. Denn ohne sie würden sich die Virenproteine schlecht mit dem Wasser mischen. Und würde man auf ein fettfreundliches Lösungsmittel für den Impfstoff ausweichen, würde der sich mit der wasserfreundlichen Umgebung im Muskel gewiss nicht gut vertragen.

Weitere mögliche Inhaltsstoffe im Spurenbereich

Natürlich ist kein Reinigungsverfahren perfekt. So bleiben in jedem Produkt, das Reinigungsschritte durchläuft, winzige Spuren von Stoffen aus der Produktion zurück. So auch bei Impfstoffen. Die heutige Analytik ist allerdings derart präzise, dass damit festgestellte „Spuren“ wirklich extrem winzig und meist gar nicht von Bedeutung sind.

In Fluorix Tetra® können folgende Stoffe in solch winzigen Spuren gefunden werden:

Bestandteile von Eiern

Unter anderem Proteine: Die bleiben bei der Trennung der Viren (-Bestandteile) vom Material aus dem Ei übrig. Unglücklicherweise (in diesem Fall) ist unser (adaptives) Immunsystem noch präziser als die moderne Spurenanalytik. So können schon einzelne Proteinmoleküle, die das Immunsystem „in den falschen Hals bekommt“, heftige allergische Reaktionen auslösen.

Menschen, die allergisch auf Ei-Proteine reagieren, können daher nicht mit den üblichen Impfstoffen gegen Grippe geimpft werden und sind deshalb auf Herdenschutz angewiesen!

Gentamicinsulfat

Ein Antibiotikum. Die kommen bei der Virenzucht in Eiern nicht zu knapp zum Einsatz (auch das ist ein Grund dafür, bald einen Ersatz für diese Methode zu finden). Die winzigen Mengen, die mit einer Impfdosis in den Muskel wandern, werden dort aber sicher rasch verstoffwechselt, bevor sie irgendetwas bewirken können.

Formaldehyd

Auch: Methanal, CH2O. Ist als Chemikalie in Flaschen ein ziemlich fieser Geselle (ein giftiges, ätzendes, erbgutschädigendes und krebserzeugendes wasserlösliches Gas).

Formaldehyd entsteht allerdings auch als Stoffwechselabfall im menschlichen Körper (und anscheinend auch in Hühnereiern bzw. beim Zerlegen von Viren). Und das in rauhen Mengen von 50 Gramm (!) pro Erwachsenem am Tag! Da solche Mengen Gift uns natürlich nicht zuträglich wären, baut der Körper diesen Abfall aber ratzfatz ab: Die Halbwertszeit von Formaldehyd im menschlichen Körper liegt bei 90 Sekunden bzw. 1,5 Minuten. Nach dieser Zeit ist von ursprünglichem Formaldehyd also nur noch die Hälfte vorhanden.

Mit einer Impfdosis gelangen nun schätzungsweise 1 bis 200 Mikrogramm Formaldehyd in den Körper. Zum Vergleich: Ein Liter Blut enthält normalerweise 2 bis 3 Milligramm davon. Das ist die 10- bis 1000-fache Menge! Enthält eine Impfdosis tatsächlich solche Spuren von Formaldehyd, fallen die vor dem Hintergrund des natürlichen Formaldehyds im Körper gar nicht auf.

Natriumdesoxycholat

Noch ein Tensid, das beim Virenzerlegen zum Einsatz kommt. Und ein Salz der Desoxycholsäure, einer sekundären Gallensäure, die in der Leber und von bestimmten Darmbakterien für den Einsatz im Fettstoffwechsel hergestellt wird.

Das Anion in diesem Salz ist Steroid-Hormonen sehr ähnlich. Vermutlich wird es deshalb – anders als die oben genannten Emulgatoren – vor der Fertigstellung des Impfstoffs vollständig wieder entfernt. Aber falls doch mal ein paar Ionen zurückbleiben, werden auch die zwischen den natürlichen Steroiden nicht weiter auffallen.

Was in diesem Impfstoff nicht enthalten ist

Nicht auf der Liste und damit nicht im Impfstoff enthalten sind folgende berüchtigte Kandidaten:

  • In irgendeiner Form krank machende Viren oder Virenbestandteile
  • Quecksilberverbindungen wie Thiomersal
  • Aluminiumverbindungen
  • Sonstige Konservierungsmittel (ausser Vitamin E und dem Phosphat-Puffer)

In den heutigen Impfstoffen, die meist als Einzeldosen verpackt und gekühlt auf den Markt kommen, ist generell kein Thiomersal mehr enthalten – weil es gar nicht mehr notwendig ist.

In früherer Zeit kamen solche Konservierungsstoffe zum Einsatz, als Impfstoffe noch in handlichen Flaschen zum vielfachen Aufziehen in die Spritze durch ein Septum ausgeliefert wurden.

Vorratsflasche mit Septum zum Durchstechen: So wird die Grippeimpfung bei uns in der Regel nicht mehr verabreicht (Jim Gathany [Public domain], via Wikimedia Commons )

Solche Flaschen kommen heute allenfalls dann noch zum Einsatz, wenn eine Pandemie droht und die Verteilung des Impfstoffs schnell gehen muss.

Und was ist mit anderen Impfstoffen?

Einen kurzen Blick habe dann doch noch auf die Fachinformation zu einem MMRV-Impfstoff (Priorix Tetra, neueste Zulassung in Österreich 2010): Masern-Mumps-Röteln-Windpocken) geworfen. Der wird tatsächlich in Durchstechflaschen vertrieben, allerdings in Pulverform, mit einem Lösungmittel (Wasser), das direkt vor der Benutzung dazugespritzt wird.

So kommt der MMR(V)-Impfstoff Priorix in den Handel: Im Fläschchen links das Impfstoff-Pulver, in der Einwegspritze Wasser als Lösungsmittel, und zwei Kanülen, die auf Spritzen aus dem Bestand jeder Arztpraxis passen (Dctrzl [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons ).

Es handelt sich um einen Lebendimpfstoff, der aus „zahnlosen“ Viren besteht, die wiederum in Zellkulturen gezüchtet werden (Masern und Mumps in embryonalen Hühnerzellen, weshalb Probleme für Ei-Protein-Allergiker auch hier nicht ganz ausgeschlossen werden können).

Darüber hinaus ist in diesem Impfstoff sogar noch weniger drin als im Grippe-Impfstoff. Neben den vier Virenstämmen nämlich Lactose (Milchzucker), die Süssstoffe Sorbitol und Mannitol (irgendetwas braucht man wohl als Trägersubstanz für die Viren) und verschiedene natürliche Aminosäuren. Ausserdem können Spuren des Antibiotikums Neomycin (auch Zellkulturen kommen nicht ohne Antibiotika aus) enthalten sein.

Auch hier: Kein Thiomersal, keine Aluminiumverbindungen, keine anderen Konservierungsmittel (Pulver halten sich oft besser als Flüssigkeiten).

Fazit

Auch wenn ich mir willkürlich nur einen einzigen Grippe-Impfstoff (und einen MMRV-Impfstoff) herausgegriffen habe, zeigt die Auflistung doch deutlich, dass praktisch alle Schreckensgeschichten über „böse“ Bestandteile von Impfstoffen Mythen sind. Und die Stoffe, die tatsächlich darin sind, sind so verträglich, wie Stoffe nur sein können.

Einzig die Herstellung der Impfstoffe in den Hühnereiern ist ein Wehrmutstropfen – vegan oder vegetarisch sind (die meisten) Grippe-Impfstoffe damit sicherlich nicht. Auch als bekennende Allesesserin drücke ich fest die Daumen, dass wir bis in 5 Jahren Alternativen ohne tote (Vielzeller-)Tiere, Probleme für Allergiker und all zu viel Antibiotikaeinsatz haben werden.

Nichts desto trotz werde ich mich gegen die Grippe impfen lassen, sobald meine Erkältung überstanden ist. Nicht nur um meinetwillen, sondern auch aus Solidarität gegenüber meinen Schülern und ihren Familien (denn als Nachhilfelehrerin und eifrige ÖV-Nutzerin habe auch ich mit vielen Menschen zu tun).

Und was ist mit euch? Habt ihr euch gegen die Grippe impfen lassen? Oder werdet ihr noch?

Impfbuch: Das Protokoll zum Impfen

Wie funktioniert unser Immunsystem? Was passiert damit beim Impfen? Sind Impfstoffe gefährlich?

Das Titelbild zeigt mein Impfbuch – ein treuer Begleiter seit über 35 Jahren, wie der Zustand unschwer erkennen lässt. Da lässt sich erahnen, dass mir die Wertschätzung für das Impfen förmlich in die Wiege gelegt worden ist. Tatsächlich vermittelten meine Eltern mir den Gang zum „Onkel Doktor“ für den kleinen Pieks als eine Selbstverständlichkeit – das gehörte zum Leben dazu wie der Besuch beim Coiffeur. Als ich schliesslich zur Schule ging, konnte ich den Sinn des Ganzen auch selbst auf den Plakaten in der Kinderarztpraxis lesen: „Schluckimpfung ist süss, Kinderlähmung ist grausam!“

Und je mehr ich im Laufe meines Lebens über diese und andere Infektionskrankheiten erfuhr, desto dankbarer war und bin ich meinen Eltern dafür, dass sie dereinst so bereitwillig für meine Grundimmunisierung gesorgt haben. Denn damit bin nicht nur ich vor Masern, Röteln und Co geschützt, sondern muss mich auch nicht darum sorgen, solche Krankheiten auf meine kleinen Nichten oder andere (noch) nicht Geimpfte zu übertragen.

So habe ich bis meiner Impfschutz-Sammlung auch aus eigenem Antrieb Ergänzungen beigefügt, wie zum Beispiel gegen die Zecken-Enzephalitis („FSME“), nachdem ich heute in einem Verbreitungsgebiet lebe und hobbybedingt gerne durch die Botanik streife.

Aber was bewirkt so ein Impfstoff eigentlich, und wie kann er uns vor Infektionen schützen? Das verstehen Wissenschaftler heute sehr gut, da sie (nicht nur) das menschliche Immunsystem gut verstehen. Und damit auch ihr Impfstoffe verstehen könnt, möchte ich hier zunächst das Immunsystem vorstellen – anhand eines grossen Lehrbuchs für Zellbiologie [1], in welchem die Wissenschaftler ihr Wissen für uns aufgeschrieben haben:

Wie funktioniert die Immunabwehr?

Das Immunsystem unseres Körpers muss eine Vielfalt unterschiedlichster Erreger und Bedrohungen abwehren. Wie jedes wirksame Sicherheitssystem besteht es deshalb aus mehreren Verteidigungslinien, die sich gegenseitig ergänzen:

1. Angeborenes (natives) Immunsystem

Mauern und Barrieren: Der Körper als Festung

Die erste dieser Verteidigungslinien besteht aus mechanischen Barrieren, die dem Körper selbst gegeben sind: Der ganze Organismus ist von der schwer durchdringbaren Haut umgeben, die Aussen- und Innenleben strikt getrennt hält. Nähr- und Abfallstoffe werden hauptsächlich in begrenzten Bereichen (vornehmlich in Hohlräumen innerhalb des Körpers wie Mund, Atemwegen und Verdauungsorganen) ausgetauscht. In diesen Bereichen ist die Haut um dieses Austausches willen dünner und durchlässiger, aber mit Schleim (man spricht deshalb von Schleimhaut), keimtötenden Stoffen und stets nach ‚draussen‘ gerichteten Transportsystemen besonders gesichert. Zudem ist sie mit nützlichen, dort sehr willkommenen Bakterien „bemannt“.

Die meisten unerwünschten Kleinstlebewesen aus unserer Umgebung – Bakterien, Pilze oder Parasiten – bleiben so auf die Hautoberfläche beschränkt oder werden mit Schleim oder anderen Ausscheidungen gleich wieder vor die Tür gesetzt. Oder sie gehen ein, ehe sie merken, dass sie es in eine der Körperhöhlungen geschafft haben.

Einige Erreger sind jedoch findiger: Sie klammern sich an Schleimhäuten oder Flimmerhärchen fest, finden einen Weg durch Hautverletzungen oder lassen sich als blinde Passagiere von stechenden oder beissenden Tieren (vornehmlich Insekten) direkt durch die Haut befördern. Einmal im Körperinnern angekommen verstecken sie sich in körpereigenen Zellen, indem sie – wie manche Bakterien – sich absichtlich von ihnen „fressen“ lassen, sich durch die Zellwand oder andere Barrieren bohren – wie Parasiten – oder, wenn es sich um Viren handelt, ihr Erbgut in die Zelle schmuggeln.

Alarmanlage: Das Komplementsystem

Mikroorganismen sind glücklicherweise grundlegend anders gebaut als Menschenzellen: So gibt es Proteine, die „fremde“ Muster und Bauweisen erkennen können und Alarm schlagen, wenn ihnen Befremdliches begegnet. Dieser Alarm äussert sich in einer typischen Entzündungsreaktion (Rötung, Schwellung, Schmerzen/unangenehmes Empfinden,..). Im Zuge dieses Alarms werden Giftstoffe freigesetzt, welche die Zellhüllen der Eindringlinge angreifen, aber auch die menschlichen Zellen in der direkten Umgebung nicht kalt lassen (daher und von vermehrter Auslastung der körpereigenen Verkehrswege durch anrückende Verstärkung rührt die Entzündung). Ausserdem ruft der Alarm weitere Teile des Immunsystems auf den Plan.

Die Gesamtheit der an dieser Alarmanlage beteiligten Stoffe wird „Komplementsystem“ genannt. Teile eines solchen Komplementsystems findet man auch in Pflanzen. Somit können auch Pflanzen beim Eindringen von Erregern im betroffenen Bereich in Verteidigungsbereitschaft gehen. Allerdings fehlen ihnen die weiteren Verteidigungslinien, die sich erst in den evolutionsgeschichtlich jüngeren Tieren und Menschen entwickelt haben.

Schnelle Eingreiftruppe: Zellen für die unspezifische Abwehr

Die Zellen des Immunsystems werden als weisse Blutzellen oder „Leukozyten“ (dasselbe auf griechisch) zusammengefasst. Eine Beschreibung dieser Zellen nach Zellsorten findet ihr in dieser Geschichte über die spannendste Chemikalie der Welt: Das Blut.

Der Alarm des Komplementsystems reisst nun zunächst die weissen Zellen in der unmittelbaren Umgebung aus ihrem inaktiven Dasein. Im Gewebe werden so die ‚Makrophagen‘ (griechisch für grosse Fresszellen), in den umliegenden Blutgefässen die ’neutrophilen Granulozyten‘, kleinere Fresszellen, geweckt und machen Jagd auf die Erreger.

links: Neutrophiler Granulozyt, rechts: Makrophage
Links: Mikroskop-Aufnahme eines Neutrophilen Granulozyten (nebst roten Blutzellen) bei deutlich stärkerer Vergrösserung als die Aufnahme eines Makrophagen einer Maus rechts. Makrophagen nutzen ihre tentakelartigen Ausstülpungen zum Einfangen ihrer ‚Beute‘. (Bild rechts by Obli at English Wikipedia (Transferred from en.wikipedia to Commons.) [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons

Die Fresszellen erkennen die Eindringlinge an ihrem „fremden“ Muster, fressen sie auf und verdauen sie anschliessend. Dabei sterben die kleineren ‚Neutrophilen‘ meist ab, während die Makrophagen mehrere Mahlzeiten verkraften können. Die Zell-Leichenberge, die von einem Grosseinsatz von ‚Neutrophilen‘ übrig bleiben, erscheinen unserem blossen Auge dann als Eiter.

Spezialmassnahmen gegen besondere Querulanten

Manche Erreger lassen sich so aber nicht klein kriegen: Sie benutzen eine schleimige Zuckerhülle als Tarnkappe, um dem Komplementsystem zu entgehen, setzen die Entzündungs-Alarmanlage ausser Kraft, erweisen sich als unverdaulich, schalten die Verdauungssäfte der Fresszellen aus oder flüchten sogar aus deren „Magen“ und verstecken sich in ihrem Zellinnenraum.

Viren werden vom angeborenen Alarmsystem meist ohnehin nicht erkannt und können in aller Ruhe ihr Erbgut in Wirtszellen einschleusen. Dafür erkennen die Bestandteile so infizierter Zellen das fremde Erbgut häufig und legen ihre ganze Protein-Herstellung lahm, um die Virus-Vermehrung zu verhindern. Ausserdem holen sie dabei die „Flaggen“ (sogenannte I-MHC-Proteine an ihrer Oberfläche) ein, welche eine Wirtszelle als „dem Körper eigen“ kennzeichnen. So können die Spezialagenten unter den Immunzellen, sogenannte ’natürliche Killerzellen‘, die infizierten Zellen an der fehlenden Beflaggung erkennen und mitsamt dem Viren-Erbgut zum Absterben bringen.

Die angeborene Immunabwehr ist damit nicht auf bestimmte Eindringlinge ausgelegt. Sie reagiert auf alles Fremde, und das sehr schnell. Schliesslich soll sie kleinere Angriffe schon im Keim ersticken. Allerdings können manche Angreifer auch diese Verteidigungslinie durchdringen. Besonders bei grösseren Angriffen auf einen komplexen Wirbeltier- bzw. menschlichen Organismus ist die unspezifische Abwehr schnell überfordert.

Deshalb haben Menschen und andere Wirbeltiere eine dritte Verteidigungslinie entwickelt – und auf die kommt es beim Impfen letztlich an.

2. Erworbenes (adaptives) Immunsystem

Das Sondereinsatzkommando: T-Lymphozyten

Das Alarmsystem des angeborenen Immunsystems aktiviert auch das adaptive, das heisst, das anpassungsfähige oder „lernende“ Immunsystem. So können Fress- und andere Zellen Bruchstücke ihrer Mahlzeit auf ihrer Oberfläche zur Schau stellen. Diese „Antigen-präsentierenden Zellen“ werden damit regelrecht zu wandelnden Litfasssäulen, an welchen andere Zellen die Art der Bedrohung ablesen können. Die Meldereiter unter den Antigen-präsentierenden Zellen sind die sogenannten ‚dendritischen‘ (also verästelten) Zellen, die vom Schlachtfeld um die einfallenden Keime in den nächsten Lymphknoten wandern, um den dort ansässigen T-Lymphozyten ihre Beute zu zeigen.

Dendritische Zelle
Mikroskop-Aufnahme einer dendritischen Zelle. Die feinen Verästelungen haben dieser Zellsorte zu ihrem Namen verholfen. (By Judith Behnsen, Priyanka Narang, Mike Hasenberg, Frank Gunzer, Ursula Bilitewski, Nina Klippel, Manfred Rohde, Matthias Brock, Axel A. Brakhage, Matthias Gunzer [CC BY 2.5], via Wikimedia Commons)

Die T-Lymphozyten sind eine Sammlung von Spezialisten, einer (oder wenige) für jedes nur erdenkliche Antigen. Wenn eine dieser Zellen ihr persönliches Feindbild auf der Anzeige eines dendritischen Meldereiters erkennt, fängt sie an, sich zu vermehren. Je nach Art des Spezialisten entstehen dabei in den Lymphknoten T-Killerzellen, die sich auf den Weg zum Schlachtfeld zu machen, um „ihre“ Feinde auszuschalten bzw. T-Helferzellen, die die verschiedenen Beteiligten an der Abwehr-Schlacht koordinieren.

Lymphozyt unter dem Elektronenmikroskop
Elektronenmikroskop-Aufnahme eines Lymphozyten. Inaktive B- und T-Lymphozyten lassen sich äusserlich nicht voneinander unterscheiden. Erst wenn diese Zellen alarmiert werden und ihre Arbeit aufnehmen, entwickeln sie und ihre Nachkommen eine eindeutige und an ihre jeweilige Aufgabe angepasste Gestalt.

Spezialagenten mit Langzeitgedächtnis: B-Lymphozyten

Ausserdem wird der Alarm an weitere Spezialisten im Knochenmark weitergereicht: Aus B-Lymphozyten gehen dort B-Effektorzellen (auch als Plasmazellen bekannt) hervor, welche vom Knochenmark aus massenhaft (bis zu 2000 pro Zelle und Sekunde!) Antikörper gegen „ihr“ Antigen in die Welt setzen. Diese Antikörper sind Proteine, die exakt auf den jeweiligen Angreifer zugeschnitten sind und mit dem Blut durch den Körper geschwemmt werden, bis sie am Schlachtfeld ankommen. Dort heften sie sich an „ihre“ Antigene, markieren diese für die Fresszellen deutlich erkennbar als Feinde und verkleben die Erreger überdies noch miteinander, sodass die Fresszellen den ganzen Haufen schliesslich nur noch aufräumen müssen

Antikörper - Modell
Darstellung der Moleküloberfläche eines Antikörpers. Ein solches Protein besteht aus einer langen und schweren (blau) sowie zwei kürzeren und leichten (grün) Aminosäureketten. Die beiden zweifarbigen Enden des „Y“ können sich an je eines ihrer ‚persönlichen‘ Antigene heften und diese so aneinander kleben.

Zudem bringen die ursprünglichen B- und T-Lymphozyten die B- und T-Gedächtniszellen hervor. Diese hochtrainierten Spezialisten für ‚ihr‘ Antigen sind äusserst langlebig: Sie können viele Jahre oder sogar ein ganzes Menschenleben überdauern! Bei neuerlichem Kontakt mit ‚ihrem‘ ganz eigenen Feind können sie zudem sehr schnell viele neue Effektorzellen hervorbringen, die diesem Angreifer im Handumdrehen den Garaus machen – noch ehe der Besitzer des infizierten Körpers wirklich bemerkt, was vor sich geht! Hinzu kommt, dass auch einige der Plasmazellen ein langes Leben haben und während diesem laufend Antikörper ausschütten können. Diese sind dann jederzeit und allerorts zur Hand, wenn ein bekannter Erreger erneut auftaucht, und verhelfen den Fresszellen der angeborenen Verteidigung zu einem schnellen wie effektiven Gegenschlag.

So wird bei einem Angriff auf den Körper stets nur der Teil des adaptiven Immunsystems aktiviert (beim Erstkontakt dauert es in der Regel ein paar Tage, bis dessen volle Leistung erreicht ist), der auf die vorliegende Bedrohung spezialisiert ist. So werden die Ressourcen des Organismus optimal genutzt. Ausserdem „lernt“ das adaptive Immunsystem mit der Zeit, worauf es schnell und heftig zu reagieren hat. Denn die Antwort der Gedächtniszellen auf eine Bedrohung geht – ganz abgesehen von dem Vorsprung durch bereits vorhandene Antikörper – wesentlich schneller vonstatten als die ‚jungfräulicher‘ Lymphozyten bei einem Erstkontakt.

Wie fehlerfrei ist das Ganze?

Ein dermassen effektives Abwehrsystem darf natürlich keine Fehler machen. Das heisst, es darf nur auf Angreifer reagieren, und nicht etwa auf die Vielzahl körpereigener Stoffe oder harmloser Mitbewohner, die wir alle in uns tragen. Deshalb durchlaufen Lymphozyten an ihrem Entstehungsort (B-Zellen entstehen im Knochenmark („bone marrow“), T-Zellen in der Thymusdrüse) eine strenge Qualitätskontrolle und werden angepasst oder sofort verschrottet, wenn sie in der „Testphase“ auf irgendwelche körpereigenen Stoffe, sogenannte „Selbst-„Antigene, reagieren. Das trifft übrigens die allermeisten heranwachsenden Lymphozyten, sodass nur die Besten der Besten unter ihnen im Immunsystem zum Einsatz kommen.

Als zweite Sicherung ist das adaptive Immunsystem redundant gestaltet: Für die ordnungsgemässe Aktivierung von Lymphozyten braucht es zusätzlich zum abgelesenen Antigen ein allgemeines Signal aus dem angeborenen Infektions-Alarmsystem. Wer wegen irgendetwas unruhig wird, ohne dass Infektionsalarm gegeben ist, wird so bei seiner Aktivierung sofort ausser Gefecht gesetzt und postwendend entsorgt.

Doch manchmal macht das adaptive Immunsystem trotz allem Fehler.

Wenn es dabei ein eigentlich harmloses Molekül als Angreifer erachtet, äussert sich so ein Fehler als Allergie: Allergene bleiben dabei ebenso im „Gedächtnis“ wie andere Antigene, sodass das Immunsystem bei jedem neuen Kontakt damit einen neuen Gegenschlag (allergische Reaktion) ausführt.

Wenn trotz aller Vorsicht Lymphozyten oder andere weisse Zellen auftreten, die Bestandteile des eigenen Körpers als feindlich ansehen, ist die Folge eine sogenannte Autoimmunerkrankung – denn was immer die fehlgeleiteten Zellen angreifen, kann seine Funktion nicht mehr erfüllen, was den Betrieb im Körper stört und schlimmstenfalls unmöglich macht.

Zu den Autoimmunkrankheiten zählt zum Beispiel der Diabetes mellitus Typ 1, im Zuge dessen fehlgeleitete Immunzellen die Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse angreifen und zerstören, sodass diese das lebensnotwendige Hormon Insulin nicht mehr herstellen können. So muss ein Typ-1-Diabetiker dieses Hormon einnehmen (in der Regel spritzen oder mit einer Pumpe zuführen), damit sein Zuckerstoffwechsel ordnungsgemäss funktionieren kann.

Wie macht man sich das adaptive Immunsystem beim Impfen zu Nutze?

Viele Erreger, die durchtrieben genug sind, um die angeborene Abwehr zu durchdringen, mischen die Körperfunktionen so gehörig auf, dass wir uns krank fühlen. Das rührt zum Einen von der Entzündungsreaktion im Zuge der Schlacht mit dem angeborenen Immunsystem her. Wir spüren diese Schlacht in Form von Schwellungen, Rötung, Schmerzen, ggfs. Eiterbildung, und manchmal Fieber (die erhöhte Temperatur soll es den Angreifern im Körper ungemütlich machen und die Verteidiger auf Trab bringen). Zum Anderen verursachen Manipulationen durch die Erreger selbst oder von ihnen freigesetzte Giftstoffe uns Unannehmlichkeiten, wie z.B. Durchfall, Husten oder eine laufende Nase – alles, was die sich vermehrenden Keime auf möglichst viele neue Wirte verteilen kann, oder den Erregern anderweitig bei der Besiedelung des Körpers hilft.

Das alles funktioniert, weil die Antwort des adaptiven Immunsystems auf einen Erstkontakt einschliesslich der Botengänge zu den Lymphorganen, Signalübermittlung und Verarbeitung sowie Wanderung bzw. Zirkulation zum Schlachtfeld Zeit braucht. In dieser Zeit können die Erreger, welche die Hürde der angeborenen Abwehr nehmen, sich in (fast) aller Ruhe vermehren und Gift ausschütten.

Wenn ein Erreger jedoch bekannt ist, sorgen die entsprechenden Gedächtniszellen für die Bereitstellung einer besonders schnellen Eingreiftruppe, während der Antikörpervorrat im Blut den angeborenen Verteidigungskräften zu einem entscheidenden Vorteil verhilft. So können bekannte Erreger oft eliminiert werden, bevor sie Gelegenheit haben, ihren Wirt sonderlich krank zu machen – der Wirt erfährt „Immunität“.

Da liegt es nahe, dem adaptiven Immunsystem mit einer Erstinfektion auf die Sprünge zu helfen, die weniger oder gar nicht krank macht. Und dazu hat man mehrere Möglichkeiten entwickelt:

  • Man züchtet einen Erregerstamm, der seine krankmachenden Eigenschaften verloren hat. Das kann z.B. ein Bakterienstamm sein, der kein Gift produziert, oder ein Virenstamm, dessen Zell-Invasions-Werkzeug nicht funktioniert. Solch einen Impfstoff nennt man Lebendimpfstoff ( auch wenn der Begriff bei Viren, die ja nicht wirklich leben, nicht so ganz passt). Laut Impfpass waren meine Impfdosen gegen Masern, Mumps, Röteln und Kinderlähmung in den 1980ern und 1990ern von dieser Sorte und „halten“ ein Leben lang.
  • Man erzeugt Bruchstücke von Erregern, die als solche erkannt werden, aber nicht funktionstüchtig sind, z.B Fetzen von Bakterien-Aussenhaut mit feindlichem Muster oder ebensolche Virenhüllenteile ohne Inhalt. Solche Bruchstücke nennt man Totimpfstoffe – sie haben gegenüber Lebendimpfstoffen den Vorteil, dass sie nicht durch spontane Mutationen zu wieder funktionsfähigen Erregern für böse Überraschungen sorgen können. Dafür müssen Impfungen mit Totimpfstoffen regelmässig (alle 1 bis 2 Jahrzehnte) wiederholt werden, um den Impfschutz aufrecht zu erhalten. Heutzutage wird gegen Kinderlähmung – wie gegen vieles andere auch – mit einem Totimpfstoff geimpft.
  • Wenn der Wirt bereits (möglicherweise) mit einem Erreger in Kontakt gekommen ist, gibt es eine Express-Lösung: Man spielt die Rolle der langlebigen Plasmazellen und verabreicht fertige Antikörper gegen den jeweiligen Erreger. Solch ein Passiv-Impfstoff kann eine bereits begonnene Infektion im Keim ersticken, bietet aber – im Gegensatz zu den beiden aktiven Impf-Methoden – keinen Langzeitschutz. Bekannt sind Passiv-Impfungen gegen Tetanus oder Tollwut, die unmittelbar nach einer infektionsgefährdeten Verletzung verabreicht werden.

Verabreicht man einem Menschen einen Aktiv-Impfstoff, z.B. in den Schulter- oder Oberschenkelmuskel gespritzt, löst dieser eine Antwort des adaptiven Immunsystems einschliesslich der Prägung von Gedächtnis- und ggfs. dauerhaft antikörperliefernden Plasmazellen aus – im Idealfall ohne die Auswirkungen einer grösseren Schlacht mit sich ausbreitenden Krankmachern. Wenn später der wahre Erreger auftaucht, schlägt ihm direkt die scharfe Antwort des trainierten Immunsystems entgegen und gibt ihm keine Gelegenheit, grosses Unheil anzurichten.

Der Passiv-Impfstoff kommt hingegen einer Immunantwort auf einen Erstkontakt zuvor: Anstatt dass nach der Infektion auf die Bereitstellung von Plasmazellen gewartet werden muss, sind die gespritzten Antikörper sofort verfügbar und unterstützen das schnellere angeborene Immunsystem sowie die anlaufende adaptive Abwehr bei der Eindämmung der Infektion, bevor die Erreger sich ausbreiten können.

Wie sicher sind solche Impfstoffe?

Die Statistiken von Gesundheitsbehörden zeigen eindrücklich, dass Impfungen funktionieren: Nach der Einführung von Impfprogrammen sind die Fälle der entsprechenden Infektionskrankheiten dramatisch zurückgegangen.

Registrierte Masern - Fälle in den USA
Registrierte Masern-Fälle in den USA vor und nach der Einführung des ersten Masern-Impfstoffes: Innerhalb von 4 Jahren nach dem Start des Impfprogrammes gegen die Masern bricht die Anzahl der Masern-Infektionen von rund einer halben Million auf wenige 10’000 ein und strebt nach kleineren Epidemien fortwährend gegen 0! (Quelle: CDC – Centers for Disease Control and Prevention)

Dabei sind und enthalten Impfstoffe natürlich Fremdstoffe aus Sicht des menschlichen Körpers – wie andere Medikamente, Kosmetikartikel, Nahrungs(ergänzungs)mittel und -zubereitungen und viele andere Gebrauchsgüter, mit denen unser Körper in Kontakt kommt, auch!

Über die nahe Verwandschaft zwischen solchen Fremdstoffen natürlichen und synthetischen Ursprungs habe ich hier ausführlich geschrieben, während der Chemische Reporter sich mit Thiomersal, einer zu Unrecht besonders verrufenen Beigabe zu Impfstoffen, beschäftigt hat.

Und wie bei allen anderen Natur- und Kunstprodukten kann sich das Immunsystem auch bei einem Impfstoff-Bestandteil irren und eine allergische Reaktion vom Stapel lassen. Das kommt aber sehr, sehr selten vor. Und für den seltenen Notfall gilt: Wer impft, muss alles zur Hand und das nötige Wissen haben, um einen lebensgefährlichen allergischen Schock behandeln zu können.

Um solche und andere böse Überraschungen wie spontan zurückmutierende Lebendimpfstoffe zu vermeiden, werden auch im Gebrauch befindliche Impfstoffe laufend überprüft (durch Rückmeldungen impfender Ärzte an damit beschäftigte Institute), weiter entwickelt und sicherer gemacht.

Darüber hinaus ist jeder menschliche Körper und damit jedes Immunsystem einzigartig, sodass auch jeder einzigartig auf die vorgegaukelte Infektion reagiert. Deswegen empfehlen Ärzte, kurz nach einer Impfung grosse körperliche Belastungen zu meiden. Trotzdem bekomme ich beispielsweise von der Wirkung der meisten Impfstoffe gar nichts mit – einzig Hepatitis-Impfdosen zogen eine leichte Schwellung und Druckempfindlichkeit der Einstichstelle nach sich. Solche leichten Infektionsanzeichen, in manchen Fällen auch mit leichtem Fieber und Krankheitsgefühl, sind normal – und allemal besser als eine ausgewachsene Infektion mit all ihren Spätfolgen.

Und die anderen Nebenwirkungen?

Immer wieder werden Impfstoffen und ihrer Verwendung die abenteuerlichsten Nebenwirkungen zugeschrieben – von der Förderung der Entstehung von Autoimmunerkrankungen wie Diabetes Typ 1 über Krebs bis hin zu wirklich abwegig erscheinenden Zusammenhängen zu Krankheitsbildern wie Autismus.

Aber warum sollte eine vorgetäuschte Infektion mit „zahnlosen“ oder toten Erregern bzw. ihren Bruchstücken mehr bewirken als die eigentliche Infektionskrankheit? Es überrascht nicht, dass zahlreiche Studien in Folge solch abenteuerlicher Hypothesen diese Annahmen nicht bestätigen konnten. Im Deutschen Ärzteblatt gibt es eine verständliche Zusammenfassung dieser Ergebnisse.

Dem gegenüber stehen zahlreiche fatale, teils tödliche „Nebenwirkungen“, die mit den eigentlichen Infektionskrankheiten und auch ihrer Behandlung einher gehen.

So gibt es Viren, die Krebs auslösen können – wie zum Beispiel Hepatits-B-Viren (HBV) und einige Stämme des HPV (human papilloma virus), einem Auslöser für Gebährmutterhalskrebs. Mit einer Impfung gegen solche Viren kann Krebserkrankungen sogar vorgebeugt werden!

Gefährliche Hirnentzündungen z.B. in Folge von Masern, lebenslange Verkrüppelung nach Polio („Kinderlähmung“) und die Schädigung ungeborener Kinder im Mutterleib durch Röteln sind nur einige weitere Beispiele für die wirklich dramatischen Folgen von Infektionen, die mit einem gezielten Training des Immunsystems durch Impfstoffe verhindert werden können.

Überdies ziehen viele „wirkliche“ Infektionskrankheiten Behandlungen, auch mit Medikamenten, nach sich – einige davon lebenslang. Gegen bakterielle Infektionen werden Antibiotika eingesetzt, gegen Viren antivirale Medikamente und mehr. Und all diese Medikamente und Therapien haben ganz eigene Nebenwirkungen und Zusatzstoffe, die ihrerseits – nicht immer unberechtigt – Kritik hervorrufen. Ist allein dahingehend „der kleine Pieks“ mit einer kleinen, weitgehend sicheren Dosis nicht das kleinere Übel?

Fazit

Das menschliche Immunsystem besteht aus mehreren Verteidigungslinien aus verschiedenen Zellen und Molekülen, die die meisten ungebetenen Gäste, wie Bakterien, Viren und Parasiten, in gemeinschaftlichem Kampf abwehren. Einige dieser Keime haben jedoch gelernt, diese Verteidigung zu durchbrechen, die Körperfunktionen zu stören und schwere, teils lebenslang spürbare Schäden zu verursachen.

Bemerkenswert sind deshalb die äusserst langlebigen Zellen des adaptiven Immunsystems, die auf bestimmte Erreger spezialisiert sind und Informationen über ‚ihre‘ Feinde jahrzehnte- oder gar lebenslang speichern können, um gefährliche Angreifer künftig schneller und hochwirksam auszuschalten.

Mit Impfstoffen ist es möglich, gezielt solche Informationen in den Gedächtnis-Zellen zu hinterlegen, ohne dass der Körper dazu die jeweilige Krankheit durchmachen muss. So können nicht nur Menschen vor den Folgen schwerer Infektionen geschützt, sondern auch ganze Erregerstämme, die keinen anfälligen Wirt zur Vermehrung finden, ausgerottet werden. Und das Ganze ist mit sehr wenigen Medikamentengaben bei einem verschwindend geringen Risiko folgenschwerer Nebenwirkungen möglich!

Diese spannende und überaus nützliche Errungenschaft der modernen Medizin lässt sich damit frei nach Neil Armstrong beschreiben: „Das ist ein kleiner Pieks für den Menschen, ein riesiger Sprung für die Menschheit.“

Als Schmankerl zum Abschluss habe ich hier die Darstellung des Immunsystems in der Zeichentrickserie „Es war einmal…das Leben“ aus dem Jahre 1986 aufgestöbert:

Wer erkennt die im Artikel beschriebenen Zelltypen und Moleküle wieder? Aber Achtung: Die Darstellung in der Serie enthält Fehler (möglicherweise aus dramaturgischen Gründen)! Wer findet sie?

Und lasst ihr euch auch impfen? Wie gut ist euer Impfbuch gefüllt? Oder weshalb könnt bzw. wollt ihr euch nicht impfen lassen?

[1] B.Alberts, A.Johnson, J.Lewis, M.Raff, K.Roberts, P.Walter: Molekularbiologie der Zelle. Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 2004