Wie wäscht Seife? Wie kann ein Helikopter fliegen? Warum hilft Streusalz gegen Eisglätte? Antworten auf spannende Fragen von kleinen und grossen Forschern findet ihr hier!

Spuk mit Physik: Gruselige Geräusche zu Halloween

Halloween zu Hause: Schaurige Geräusche für eure Gruselgeschichten und wie sie entstehen

Die unheimlichste Nacht des Jahres rückt näher – und das in einer denkbar ungünstigen Zeit – zumindest, was grosse Spukpartys betrifft. Aber richtig schaurig-schön wird so eine Nacht doch erst, wenn ihr sie im gemütlichen Kreis eurer Lieben verbringt und euch bei schummrigem Licht Gruselgeschichten erzählt. Damit die auch so richtig unter die Haut gehen, könnt ihr sie mit einfachen Zutaten mit passenden Gruselgeräuschen garnieren.

Hier sind einige Beispiele für euch!

Gruselige Geräusche mit Material aus dem Haushalt erzeugt

Heulender Wind (oder ein Gespenst?)

Blast mit leicht geöffnetem Mund und wechselnder Kraft waagerecht über die Öffnung einer Glasflasche. Es entsteht ein an- und abschwellender dunkler Heulton. Probiert aus, wie ihr für das passende Wind- (oder Gespenster-) Geheul blasen müsst. Macht zwischendurch Pausen, bevor euch vom Blasen schwindelig wird! Wenn ihr etwas Wasser in die Flasche füllt, wird der Ton höher.

Mächtiger Donner

Schüttelt ein dünnes Blech oder eine grosse Pappe kurz (oder länger für entfernten Donner) und kräftig.

Monsterstimmen

Schnarrende Vögel

Legt zwei Blatt DIN-A4-Papier so übereinander, dass das untere Blatt an der schmalen Kante gut einen Zentimeter unter dem oberen hervorschaut. Haltet die Blätter an den Enden dieser schmalen Kante und spannt sie straff. Blast nun scharf mit spitzen Lippen (fast) waagerecht gegen die Kante. Mit etwas Übung könnt ihr dem Papier ein laut schnarrendes Geräusch entlocken. Mir gelingt das am besten, wenn ich ein wenig von oben auf die doppelte Kante blase. Achtung: Macht auch hier ab und zu eine Pause, bevor euch schwindelig wird!

Quäkende Gnome

Schneidet aus Frischhaltefolie oder Zellophan ein Quadrat mit 5 bis 7 Zentimeter Kantenlänge. Greift zwei gegenüberliegende Kanten mit den Händen und spannt die Folie straff, während ihr sie vor euren Mund hebt. Blast nun wiederum sehr kräftig mit spitzen Lippen aus sehr kurzem Abstand gegen die euch zugewandte freie Kante. Mit etwas Übung könnt ihr so ein fies quäkendes Geräusch erzeugen. Wie bei allen geblasenen Geräuschen gilt: Pausen machen, bevor euch schwindelig wird!

Schaurige Geisterstimme

Sprecht durch ein langes Rohr, zum Beispiel eine leere Küchentuchrolle, in einen Eimer. Eure Stimme wird dumpf und hohl klingen. Durch Veränderung eurer Stimmlage könnt ihr den Effekt bei Bedarf anpassen.

Das blubbernde Schleim-Monster

Füllt eine tiefe Schale mit Wasser. Sprecht, am besten tonlos raunend, während ihr die Lippen so nah an den Rand und den Wasserspiegel haltet, dass der dabei ausgeatmete Luftstrom das Wasser blubbern lässt.

Der Todesschrei

Für diesen Effekt braucht ihr ein wenig technische Unterstützung – in Form eines Aufnahme- oder Sound-Bearbeitungs-Apps oder -geräts, das Aufnahmen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit abspielen kann. Nehmt das Geschrei eines Babys auf (ein kurzer Ausschnitt reicht!) und spielt die Aufnahme langsamer ab (bzw. bearbeitet sie entsprechend). Probiert vor dem Einsatz aus, mit welcher Geschwindigkeit der Schrei am besten klingt. Spielt die vorbereitete Datei dann während eurer Geschichte ab.

Herzklopfen

Bei so viel Grusel fehlt jetzt eigentlich nur noch das passende angstvolle Herzklopfen. Nehmt dazu ein Küchen und greift es fest mit beiden Händen wenige Zentimeter unterhalb einer Kante. Macht die Hände dabei zu Fäusten, sodass die Daumen flach auf den gerollten Fingern und dem Tuch liegen und nach oben bzw. vorne weisen. Zwischen euren beiden Daumen sollten nun 15 bis 20 cm Stoff liegen. Strafft das Tuch zwischen euren Daumen leicht. Führt dann die Fäuste ein Stück zusammen und zieht das Tuch ruckartig wieder stramm. Es ertönt ein dumpfes „Bumm“, das einem Herzton sehr ähnlich ist. Wenn ihr unmittelbar vor dem nächsten Herzton locker lasst und das Tuch wiederum schnell stramm zieht, könnt ihr einen Herzrhythmus „da-Bumm – da-Bumm – da-Bumm“ nachstellen. Je schneller folgend ihr locker lasst und stramm zieht, desto höher steigt der Puls!


Wie Geräusche entstehen und wie wir sie hören können

Aber wie funktioniert das alles eigentlich?

Was ist Schall?

Vielleicht wisst ihr bereits: Schall besteht aus sich ausbreitenden Wellen. Dabei handelt es sich aber nicht um die bekannten Wellen mit Auf- und Abbewegungen, wie ihr sie von Wasserwellen oder Wellenlinien kennt. Die sind nämlich nur eine Spielart dessen, was Wellen tatsächlich sind: Nämlich wiederkehrende Muster von physikalischen Vorgängen, die sich im Raum ausbreiten.

Bei den Wellen, die wir in unserer Alltagswelt erleben, zum Beispiel den Wasserwellen, handelt es sich um Bewegungsmuster: Wenn Wellen über einen See laufen, bewegt sich die Wasseroberfläche immer wieder auf und ab. Und damit Bewegungsmuster sich ausbreiten können, braucht es etwas, das sich bewegt. Physiker nennen dieses „Etwas“ ein Medium. Das Medium, in dem sich Wasserwellen ausbreiten, ist zum Beispiel Wasser – oder besser dessen Oberfläche.

Luft als Medium für Schallwellen

Das Medium, in dem sich die Schallwellen ausbreiten, die wir hören, ist hingegen Luft. Und die wiederum besteht aus unzähligen winzigkleinen Teilchen, die sich durch ständiges Herumgewusel auf Abstand halten. Das Gewusel können wir freilich nicht wahrnehmen, sodass uns die Luft in einem geschlossenen Raum in der Regel als stehend erscheint.

Nichts desto trotz können wir mit der Hand durch die Luft streichen oder darin herum laufen: Die winzigen Luftteilchen sind beweglich – sie lassen sich herumschieben. Wenn man den Teilchen in einem bestimmten Bereich der Luft einen kräftigen Schubs gibt, kann man sie sogar enger zusammenschieben, als sie sonst in stehender Luft verteilt sind. Aber nur für einen kurzen Moment. Denn die zusammengeschobenen Teilchen stossen in ihrer Wuselei gegeneinander und gegen jene Teilchen, die hinter ihnen sind – und schieben auch diese zusammen. So erkämpfen sich die anfangs zusammengeschobenen Teilchen für einen Augenblick besonders viel Platz – bevor ihre Nachbarn sie wieder auf den anfänglichen Abstand zwingen.

Indessen drängen die weiter vom Schubs entfernten Teilchen wiederum die nächsten Teilchen zusammen. Das Gedränge – und der darauf folgende vermehrte Platz – wandern also fort vom Ort des Schubses in den luftgefüllten Raum hinein.

Animiertes Modell einer Längswelle: So verbreiten sich Geräusche
Schallwellen sind Längswellen: Denkt euch an jeder Kästchenecke ein Luftteilchen. Am linken Rand erhalten sie einen Schubs, der die Teilchen von links nach rechts zusammenschiebt. Der Impuls wandert ebenfalls von links nach rechts. (Christophe Dang Ngoc Chan (cdang), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Schallwellen sind wandernde Dichteveränderungen

Wie dicht Teilchen in einem Gas gedrängt sind, messen Physiker mit einer Grösse, die sie passenderweise „Dichte“ nennen: Die Anzahl der Teilchen (gemessen wird ihre Gesamtmasse) in einem bestimmten Raum (Volumen). Wie beschrieben lässt sich die Dichte eines Gases durch Anschubsen grösserer Mengen Gasteilchen leicht verändern. Schallwellen sind somit nichts anderes als wiederkehrende Veränderungen der Dichte eines Gases wie Luft, die sich in diesem Gas ausbreiten.

Während die Bewegung bei einer Wasserwelle (dabei ändert sich die Höhe des Wasserspiegels in wiederkehrender Weise) senkrecht zur Ausbreitungsrichtung abläuft (Der Wasserspiegel bewegt sich auf und ab, die Wellen laufen aber die Oberfläche entlang), findet die Bewegung bei Schallwellen in die gleiche Richtung wie die Ausbreitung statt. Schallwellen sind damit „Längswellen“, während man Wasserwellen „Querwellen“ nennt.

a) Eine Längswelle: Die Schwingung, also die wiederkehrende Bewegung, erfolgt in die gleiche Richtung wie die Welle sich ausbreitet. b) Eine Querwelle: Die Schwingung („Auf und Ab“) erfolgt senkrecht zur Ausbreitungsrichtung (von links nach rechts) (Debianux, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Wie wird Schall übertragen?

Wenn ihr mit dem Küchentuch Herztöne nachmacht, versetzt ihr den Luftteilchen durch das schnelle Straffen des Tuchs einen Schubs nach vorn. Die Luftteilchen vor dem Tuch werden zusammengeschoben und diese Verdichtung breitet sich in der Luft in alle Richtungen aus, bis sie auf ein festes Hindernis stösst. Das könnte eine Wand sein – oder die Haut, die unser Mittelohr verschliesst und „Trommelfell“ genannt wird.

Sobald sich die Luftteilchen direkt vor unserem Trommelfell verdichtet haben und wieder auseinander streben, schubsen sie die Teilchen des Trommelfells an. Das Trommelfell wiederum ist ein Feststoff. Das heisst, jedes Teilchen hat darin seinen festen Platz. So schwingen alle Teilchen des Trommelfells durch den Schubs gemeinsam nach innen, wodurch sie eine Reihe kleiner Knochen – die Gehörknöchelchen – in Bewegung versetzen.

Anatomie des menschlichen Ohrs
Damit können wir Geräusche hören: Schallwellen, die in den äusseren Gehörgang dringen, schubsen das Trommelfell an, das wiederum Hammer, Amboss und Steigbügel in Bewegung setzt. Letzterer klopft dabei an die Hörschnecke, welche die Klopfzeichen in Form elektrischer Signale an den Hörnerv weitergibt. Der wiederum führt ins Gehirn, das die Signale verarbeitet. (Lars Chittka; Axel Brockmann, CC BY 2.5, via Wikimedia Commons)

Das letzte von ihnen, seiner Form wegen „Steigbügel“ genannt, klopft schliesslich gegen die „Schnecke“, die eine Art Sensor darstellt, welcher das Klopfen in Nervenimpulse übersetzt. Die werden an den Zentralcomputer – unser Gehirn – weitergeleitet, der uns dann ausrechnet, was wir da gehört haben.

Töne oder Geräusche?

Die denkbar einfachste Form von Schall ist eine einfache, sich gleichmässig ausbreitende Schallwelle mit gleichbleibender Frequenz. Was das schon wieder ist? Noch eine physikalische Grösse, mit der man die Geschwindigkeit misst, in der dichtere und dünnere Luft aufeinander folgen.

Wenn wir den Kammerton A hören, nach dem Musiker ihre Instrumente stimmen, erreichen beispielsweise 440 Verdichtungen in einer Sekunde unser Ohr. Physiker sagen „die Frequenz des Tons beträgt 440 Hertz (Hz)“. Das klingt viel, ist es aber nicht. Grundsätzlich gilt: Je höher die Frequenz der Schallwellen, desto höher ist der Ton. Unser Gehör ist dafür geschaffen, Töne zwischen etwa 30 Hz und 20’000 Hz (20 Kilohertz) wahrzunehmen! Schallwellen mit noch höheren Frequenzen nennt man „Ultraschall“. Die können wir Menschen nicht mehr hören, manche Tiere, wie z.B. Fledermäuse, hingegen schon.

So einfache, reine Töne sind in unserer Welt jedoch selten. Selbst gut gestimmte Musikinstrumente geben stets eine Vielfalt von Schallwellen von sich. Wenn deren – zweifellos regelmässiges – Muster unsere Ohren erreicht, errechnet das Gehirn daraus die typische Klangfarbe des Instruments.

Am häufigsten erreichen jedoch hochkomplizierte Wellengebilde – oder regelrechter Wellensalat – unsere Ohren, die sich mit bestimmten Frequenzen nicht mehr beschreiben lassen. Die interpretiert das Gehirn als das, was wir Geräusche nennen. Im Laufe eines Menschenlebens lernt es eine grosse Zahl davon kennen und ordnet sie Eindrücken, Gefühlen und Ursachen zu.

Manche Geräusche können uns unangenehm sein (besonders, wenn unser Gehirn sie mit gruseligen Dingen verknüpft hat). Dahingegen empfinden wir Töne mit mittelgrossen Frequenzen meist als angenehm – sofern sie nicht zu laut sind.

Was ist „laut“?

Je dichter man Gasteilchen zusammendrängt, desto heftiger stossen sie gegeneinander und streben so auseinander. In einem dichten Gas herrscht also ein hoher Druck. Dementsprechend nennen Physiker auch das Ausmass, in welchem Gasteilchen in Schallwellen zusammengeschoben werden, den „Schalldruck“. Ein höherer Schalldruck führt dazu, dass die Schallwellen das Trommelfell heftiger schwingen und den Steigbügel folglich heftiger klopfen lassen. So werden stärkere Nervenimpulse erzeugt als bei niedrigerem Schalldruck.

Stark vereinfacht lässt sich also sagen: Je höher der Schalldruck eines Tons oder Geräuschs, desto lauter ist er. Tatsächlich kommen jedoch noch einige Faktoren – nicht zuletzt persönliche Eigenheiten eines jeden Menschen – dazu, wenn wir bestimmen wollen, was wir nun als ‚laut‘ empfinden und was nicht.

Schalldruckpegel: Eine lange Skala wird überschaubar

Möchte man den Schalldruck von Alltagsgeräuschen als wiederkehrende Veränderung des normalen Luftdrucks messen, braucht man dafür eine sehr, sehr lange Skala. Physiker verwenden dafür die gleiche Einheit wie für den Luftdruck auch – das Pascal (Pa). Ein Schalldruck im Alltag kann dabei etwa zwischen den 60 Millionstel Pascal (0,00006 Pa !) eines Blätterrauschens direkt am Ohr und den 600 Pascal eines Düsenflugzeugs, das in 30 Metern Entfernung abhebt, betragen.

Das ist im Alltag natürlich sehr unpraktisch, wenn es darum geht, euch im Alltag ein Gefühl zu vermitteln, wie laut etwas ist. Deshalb gibt man statt des Schalldrucks in der Regel den Schalldruckpegel in Dezibel (dB), also Zehntel „Bel“ an. Die Zahlen auf der Dezibel-Skala geben uns -vereinfacht gesagt – einen Eindruck, wie viele Nullen vor oder hinter dem Komma die Werte des Schalldrucks haben (es handelt sich um eine logarithmische Skala – die Umrechnung des Schalldrucks in Dezibel ist aber nicht so simpel, das man den Zusammenhang gleich mit dem blossen Auge erkennt).

Das Blätterrauschen beispielsweise bringt darauf einen Schalldruckpegel von 10 dB mit sich, während das Düsenflugzeug ganze 150 dB erzeugt. Es heisst, dass die kurzfristige Einwirkung von Schalldruckpegeln ab 120 dB bereits Gehörschäden verursachen kann. Deshalb tragen Flughafenangestellte auf dem Rollfeld meist einen Gehörschutz in Kopfhöhrerform (hier in der Schweiz nach dem führenden Modell des Militärs „Pamir“ genannt). Die Schalen, die um die Ohren liegen, absorbieren die heftigen Bewegungen, die Schallwellen unter den Luftteilchen verursachen und schubsen die Luft zwischen Ohr und Schale nur ganz schwach (oder gar nicht) an.

Künstliche Ohren und Stimmen

…kennt ihr alle. Denn es handelt sich um Mikrofone und Lautsprecher. Ein Mikrofon enthält Bauteile bzw. Sensoren, die von Schallwellen ähnlich angeschubst werden wie die Bestandteile unseres Innenohrs. Statt durch Nervenbahnen werden so erzeugte elektrische Signale durch Kabel in ein Aufnahmegerät weitergeleitet, das den Job des Gehirns übernimmt und die Töne und Geräusche speichert.

In einem Lautsprecher bringen elektrische Signale eine Membran, also eine Art Folie, zum Schwingen, die dann wiederum die Luft anschubst und so Schallwellen erzeugt.


Welche Geräusche sind am Halloween-tauglichsten?

Nun ist eure Kreativität gefragt: Abgesehen von meinen Beispielen oben – Welche weiteren Möglichkeiten kennt oder findet ihr, um Luftteilchen anzuschubsen und möglichst gruselige Geräusche zu erzeugen? Und welches ist eurer Meinung nach das schaurig-schönste Geräusch für Halloween?

Mehr Schauriges zu Halloween findet ihr hier in Keinsteins Kiste:

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Wie funktioniert Fahrbahnmarkierung?

Dieses Jahr sind all unsere Ferienpläne C-bedingt ins Wasser gefallen. Trotzdem haben wir doch noch ein paar Tage auf der Strasse zugebracht – zwecks Kurz-Roadtrip durch den Alpenraum. Reto, der nicht fährt, kommt dabei oft auf Gedanken, für die ich am Steuer oft gar keine Muddr habe. Zum Beispiel während der Durchfahrt durch die x-te Strassenbaustelle des Tages. Hier in der Schweiz weist dort orange Ersatz-Fahrbahnmarkierung darauf hin, wo es vorübergehend lang geht.

„Aber woraus besteht diese Fahrbahnmarkierung eigentlich“, fragte Reto, „und wie zum Teufel bekommen sie die wieder ab, wenn die Baustelle fertig ist?“

Was da aus dem Mund eines Ingenieurs kommt, hört sich vielleicht nicht wie eine Chemiefrage an. Trotzdem ist es eine – und erst noch eine interessante. Denn immer, wenn es um Materialien, ihre Verarbeitung und Entsorgung geht, sind Chemiker gefragt. Die beschreiben und charakterisieren Stoffe schliesslich nicht nur, sondern erschaffen sie geradewegs nach ihren Wünschen.

Was muss Fahrbahnmarkierung können?

Dies ist die wichtigste Frage, die Chemiker zu beantworten haben, wenn sie einen Stoff für einen bestimmten Zweck auswählen oder erschaffen wollen.

Und gerade an Fahrbahnmarkierungen haben wir ziemlich harte Anforderungen. Sie soll den Autofahrern schliesslich zeigen, wo sie lang sollen – und das zu jeder Tages- und Nachtzeit. Eine Fahrbahnmarkierung muss also stets gut sichtbar sein, im Hellen wie auch bei Dunkelheit, bei trockenen Verhältnissen wie auch bei strömendem Regen.

Ausserdem muss sie für eine lange Zeit sichtbar bleiben – wir wollen ja nicht überall Strassenbaustellen, weil alle paar Wochen alles nachgepinselt werden muss. Und während ihrer langen Lebensdauer fahren abertausende schwere Autos und Lastwagen mit dreckigen Reifen darüber.

Abgenutzte Parkverbot-Markierung in der Schweiz
„Hier ist Parkverbot!“ bedeuten gelbe Markierungen in der Schweiz. Diese hier ist hoffentlich schon Jahrzehnte alt – denn eine Erneuerung ist längst fällig.

Eine Fahrbahnmarkierung muss sich somit deutlich von der Strasse abheben. Da der Asphalt meist dunkelgrau bis schwarz ist, sind dauerhafte Markierungen darauf in praktisch allen Ländern weiss. Und dieses Weiss darf weder von den darüberfahrenden Autos abgerieben werden, noch Sonne, Wind und Wetter zu schnell zum Opfer fallen. Folglich ist da ein besonders robustes Material gefragt.

Richtig kniffelig wird es jedoch bei vorübergehenden Markierungen in Baustellen. Für die gilt nämlich im Grossen und Ganzen das Gleiche – und sie sollen nach Abschluss der Bauarbeiten rückstandslos wieder entfernt werden können. Das ist nämlich Vorschrift: Nach dem Entfernen einer temporären Fahrbahnmarkierung dürfen keine Spuren davon zurückbleiben. Einfach überkleben ist – obwohl immer wieder praktiziert – eigentlich nicht erlaubt.

Für Baustellenmarkierungen braucht man also ein Material, das Wind, Wetter und Tausende Autos aushält, sich bei Bedarf aber vollständig wieder entfernen lässt.

Welche Stoffe können das?

Wie so oft haben Chemiker zur Lösung dieses Problems massgeschneiderte Stoffe erschaffen. Mit anderen Worten: Fahrbahnmarkierungen bestehen aus speziell dafür entworfenen Kunststoffen. Die gibt es in mehreren Varianten.

Bei dauerhaften Markierungen steht die Haltbarkeit der Stoffe im Vordergrund. Denn die sollen ja gar nicht von der Strasse verschwinden.

Farbe zum Auftragen

Ganz simple Farbe zum Aufsprühen oder -walzen, im Strassenbau Fahrbahnmarkierung Typ 1 genannt, kommt heutzutage höchstens noch in wenig befahrenen Bereichen, meist innerorts, zum Einsatz oder hat schon etliche Jahre auf dem Buckel. Denn heutzutage kennt man allerlei Tricks und Kniffe, um die Markierungen vor allem bei Regen besser sichtbar zu gestalten.

So streut man für Fahrbahnmarkierung vom Typ 2 Glitzerperlen und Streugut für bessere Griffigkeit (niemand möchte auf Linien und Pfeilen plötzlich ins Rutschen kommen) auf frisch aufgetragene Streifen oder mischt diese Zutaten gleich in die Farbe hinein. Letzteres hat den Vorteil, dass das Streugut nicht einfach von drüberfahrenden Autos von der Oberfläche abgerieben werden kann. Denn das Glitzerzeug ist dann ebenso in den tiefen Schichten wie obenauf.

Eine Maschine spritzt Fahrbahnmarkierung auf und streut Glitzerperlen hinterher. (Summysung / CC BY-SA)

Die Glitzerperlen funkeln deutlich sichtbar in der Sonne oder dem Licht von Strassenlaternen und Autoscheinwerfern. Ausserdem können sie aus einem Wasserfilm herausragen und bleiben so auch bei Regen sichtbar.

Ebenfalls gut bei Regen sichtbar sind Farben, die auf der Fahrbahn ein klumpiges Gitter bilden. Denn diese Gitter ragen nicht nur über der Fahrbahn empor. Die offenen Maschen und Streben erlauben Regenwasser ausserdem, zwischen ihnen hindurch abzufliessen, anstatt sie einfach zu überfluten. Dabei sind die Maschen gerade so dicht, dass sie aus der Sicht der Autofahrer wie eine durchgezogene Linie erscheinen.

Gitterartige Fahrbahnmarkierung
Gitterartige Fahrbahnmarkierung: Hier kann Regen leicht ablaufen (Dantor / CC BY-SA)

Kunststoff-Einlegearbeiten

Die haltbarste Fahrbahnmarkierung erhält man, wenn man Vertiefungen in Form der geplanten Linien und Pfeile in den Asphalt fräst und sie anschliessend mit Kunststoffmasse ausfüllt.

Dazu gibt es Kunststoffe, die „unfertig“ verkauft werden: Ihre Zutaten werden in zwei getrennten Portionen geliefert, die jede für sich unfertig aufbewahrt werden können. Mischt man die beiden Portionen (manche muss man zunächst erhitzen, damit sie schmelzen) und lässt sie an der Luft liegen, reagieren sie miteinander zu den Riesenmolekülnetzen, aus denen feste Kunststoffe bestehen. So müssen die Strassenarbeiter nur schnell genug sein und die Mischung in die ausgefrästen Vertiefungen füllen, bevor sie hart wird.

Da Fahrbahnmarkierungen innerhalb eines Landes überall gleich aussehen sollen, kann man Linien, Pfeile und Schriftzeichen aus Kunststoff auch in einer Fabrik fertig herstellen. Dann brauchen die Strassenarbeiter sie nur noch in die vorgesehenen Vertiefungen zu kleben – mit einem superfesten Klebstoff, den Chemiker für genau diesen Zweck geschaffen haben.

Klebefolien

All diese aufwändigen, superhaltbaren Markierungen eignen sich aber schlecht für Baustellen, in denen die Fahrbahnmarkierung nur für eine begrenzte Zeit halten und dann spurlos verschwinden soll. Deshalb gibt es die Pfeile und Linien auch als Aufkleber – komplett mit Farbe und Glitzerperlen beschichtet. So lassen sie sich rasch auf den Asphalt aufkleben, ohne dass viel Zeit fürs Fräsen, Pinseln oder Bestreuen aufgewendet werden muss.

Ausserdem lassen sich Aufkleber relativ leicht wieder von der Strasse abziehen. Das birgt jedoch auch ein Problem, das ich schon oft in Baustellen beobachtet habe: Wenn tausende Autos darüber fahren, lösen sich die Klebestreifen irgendwann ab und werden geknickt oder verschoben wieder auf die Fahrbahn gepresst. Das Ergebnis entspricht sicherlich nicht den gesetzlichen Regeln für Fahrbahnmarkierung, die besonders in Deutschland sehr streng sind. Und im schlimmsten Fall könnte so eine beschädigte Markierung gefährlich werden.

Um der Sicherheit willen gibt es deshalb Fahrbahnmarkierungs-Aufkleber, die mit einem massgeschneiderten Leim zusammen verkauft werden: Ähnlich wie bei den Einlegearbeiten ist auch dieser Klebstoff „unfertig“ und in zwei Portionen geteilt. Die eine befindet sich auf der Unterseite des Aufklebers, die andere wird auf den Asphalt aufgetragen. Legt man den Aufkleber auf diese „Grundierung“ und drückt ihn fest an, dann mischen sich die beiden Klebstoffe und reagieren zu einem bombenfesten Molekülgefüge.

Damit lösen sich die Baustellenmarkierungen nicht vorzeitig – allerdings bekommt man sie auch nach den Bauarbeiten nicht mehr so einfach von der Strasse. Dementsprechend grobschlächtig muss dazu vorgegangen werden: Entweder fräst man die oberste Asphaltschicht mitsamt der Aufkleber weg, oder man fackelt den Kunststoff mit einer Art Flammenwerfer ab (da Asphalt feuerfest und dunkel ist, leidet er ja nicht darunter).

Schaden diese Kunststoffe der Umwelt?

Wenn Chemiker Stoffe erschaffen und so nah an die Umwelt bringen wie auf Strassen, die mitten durch die „Natur“ verlaufen, ist auch dies eine entscheidende Frage. Denn zum Einen entsteht beim Wegfräsen von Fahrbahnmarkierung feiner Staub, und beim Verbrennen entstehen Abgase und Rauch.

Noch viel wichtiger ist aber, dass all die Autoreifen, die über die Markierungen fahren, winzigkleine Mengen davon abreiben. Und wenn tausende oder gar Millionen Autos vorbei kommen, werden diese winzigkleinen Mengen ganz schnell gross. Und Sand und Staub, die durch das Abschmirgeln von Kunststoffen entstehen, kennen die meisten von euch unter dem Begriff „Mikroplastik“. Das ja niemand haben will – und das trotzdem überall zu finden ist.

Das von der Fahrbahnmarkierung abgeriebene Mikroplastik wird vom Wind davongeweht oder vom Regen in den Boden gespült und gelangt mit dem Wasserkreislauf irgendwann in die Meere. Laut der Ergebnisse einer Studie des Dachverbands von Umweltorganisationen und -behörden IUCN machen abgeriebene Fahrbahnmarkierungen 7% des vom Land in die Meere geratenden Mikroplastiks aus. Ausgehend von geschätzten 1,5 Millionen Tonnen Mikroplastik-Eintrag im Jahr entspricht das rund 105 Tonnen Kunststoff-Staub von Fahrbahnmarkierungen (Klingt viel – der Löwenanteil des Mikroplastiks entsteht aber direkt in den Gewässern aus grösserem Plastikabfall: bis rund 10,5 Millionen Tonnen im Jahr!).

Ist Mikroplastik gefährlich?

Kann Mikroplastik unserer Gesundheit oder der von Lebewesen in den Meeren und anderen Lebensräumen gefährlich werden? Das ist eine wirklich schwierige Frage – denn man weiss die Antwort (noch) nicht. Was den menschlichen Körper angeht, geht man zur Zeit davon aus, dass es uns nicht gross schadet. Denn vornehmlich könnte Mikroplastik über den Verdauungstrakt in unsere Körper gelangen – und auf diesem Weg auch gleich wieder hinaus, da der Körper keinen Grund hat, die Kunststoffpartikel aus dem Nahrungsbrei heraus aufzunehmen. Eine andere Möglichkeit ist das Einatmen von Mikroplastik-Stäuben. Was das für Folgen haben kann, ist jedoch – wie so vieles in dem Bereich, noch nicht erforscht.

Was Meereslebewesen betrifft, gibt es Hinweise darauf, dass einzelne Arten unter Mikroplastik-Belastung leiden, besonders dann, wenn bestimmte Umweltbedingungen erschwerend dazukommen. Andere Arten scheinen sich dagegen gar nicht an den Kunststoffpartikeln zu stören. Wie beim Menschen auch gilt hier: Die Auswirkungen von Mikroplastik auf die Umwelt sind grösstenteils noch nicht erforscht.

Schon allein der erzeugten Mengen an Mikroplastik lohnt es sich, in diesen Bereichen weiter zu forschen. Und während die Forscher daran arbeiten, lohnt es sich ebenso, Vorsicht walten zu lassen und nicht unnötig Mikroplastik in die Umwelt gelangen zu lassen. Das gilt auch für die Gestaltung von Fahrbahnmarkierung, die wie so viele Kunststoff-Materialien laufend weiterentwickelt werden.

Chemie machts möglich: Markierungen der Zukunft

Fahrbahnmarkierung, die als Ganzes haltbar, zu Mikroplastik zerrieben aber biologisch abbaubar wäre (sodass kein Mikroplastik übrig bliebe, das in die Meere gelangen könnte), wäre ein Träumchen. Allerdings sind solche recht widersprüchlichen Eigenschaften meist nicht leicht zu realisieren.

Bereits Wirklichkeit ist dagegen eine Entwicklung hin zu noch besserer Sichtbarkeit bei schlechtem Wetter.

Sicher kennt ihr alle „Glow-in-the-dark“-Farbe oder ebensolche Klebesterne und andere Deko fürs Kinderzimmer. Diese Farben und Kunststoffgegenstände lassen sich mit Licht „aufladen“ und leuchten später stundenlang im Dunkeln. (Dieser Vorgang heisst Phosphoreszenz – wie er funktioniert erfahrt ihr hier in Keinsteins Kiste!) Der Niederländer Daan Roosegarde hat Fahrbahnmarkierung aus solch einem phosphoreszierenden Kunststoff gemacht: Tagsüber speichert er Sonnen- bzw. Tageslicht, und nachts leuchten die Streifen aus sich selbst heraus! Das sieht nicht nur cool aus, sondern ist für die Autofahrer unabhängig von den Lichtverhältnissen draussen gut sichtbar.

Die Idee mit den selbstleuchtenden Fahrbahnmarkierungen lässt sich sogar noch weiter spinnen: Mit Kunststoffen, die nur in einem bestimmten Temperaturbereich phosphoreszieren, zum Beispiel bei weniger als 4°C, könnte man Glatteis-Warnungen aufbringen, die nur dann leuchten, wenn es kalt genug für Glatteis ist.

Zusammenfassung

Fahrbahnmarkierung muss viel und lange aushalten – und deshalb aus besonders widerstandsfähigen Stoffen bestehen. Chemiker können Kunststoffe mit genau diesen Eigenschaften entwickeln. Vorübergehende Markierungen in Baustellen müssen sowohl widerstandsfähig als auch leicht zu entfernen sein. Solch widersprüchliche Eigenschaften sind für Kunststoffdesigner besonders herausfordernd und nicht selten unlösbar.

Eine weitere Herausforderung ist der Abrieb von Fahrbahnmarkierungen, der als Mikroplastik in die Umwelt gelangt. Das zu vermeiden ist ein lohnendes Ziel der stetigen Weiterentwicklung von künstlichen Werkstoffen wie Fahrbahnmarkierung. Andere Ziele können ganz neuartige Eigenschaften dieser Stoffe sein, wie Phosphoreszenz, die selbstleuchtende Markierungen ermöglicht.

Ein Kunst- bzw. Werkstoff ist somit kaum ein „fertiges“ Material, das unverändert bis in alle Ewigkeit weiter verwendet wird. Stattdessen entwickeln Chemiker die Materialien unserer Alltagswelt ständig weiter, um sie nützlicher, weniger gesundheitsschädlich und umweltverträglicher zu machen.

Und welche Arten Fahrbahnmarkierung sind euch schon begegnet? Habt ihr bestimmte Eigenschaften oder Mängel beobachten können? Seid ihr vielleicht sogar schon einmal auf Roosegardes phosphoreszierender Teststrecke in den Niederlanden unterwegs gewesen? Oder habt ihr beruflich mit Fahrbahnmarkierung zu tun?

Kunststoff - Recycling : So funktionierts

Ruhrpott, Deutschland, 2006: Reto, ein waschechter Schweizer und mein damals neuer Liebster, ist zu Besuch an meinem Studienort. Was mir traurig, wenn auch alltäglich erscheint, schockiert ihn zutiefst: Den überall herumliegenden Abfall ist er aus der Schweiz nicht gewohnt – zumindest nicht in solchen Mengen. Besonders Kunststoff-Verpackungen fallen uns vielerorts ins Auge. Dabei gibt es schon seit meiner Kindheit die „gelbe Tonne“ und dahinter ein ausgefeiltes Recycling-System. Ganz zu schweigen von all den Abfalleimern im öffentlichen Raum.

Wenige Jahre später habe ich die Seiten gewechselt und musste Reto bald recht geben: Was die Abfall-Entsorgung betrifft, sind die Schweizer generell ordentlicher als meine Landsleute. Nach 10 Jahren unter den Eidgenossen wird allerdings deutlich: Auch hier wird Littering zunehmend zum Problem.

Da braucht es gar keine Horrorbilder und -meldungen von verschmutzten Stränden und Plastik in Tiermägen und dem Marianengraben, um zu begreifen, dass wir ein Problem haben.

Recycling – das Thema ist ein Dauerbrenner

Eigentlich haben wir gleich zwei Probleme:

  1. Klassische Kunststoffe sind Erdölprodukte. Sie werden also aus einem fossilen Rohstoff hergestellt, der irgendwann zur Neige geht.
  2. Klassische Kunststoffe werden kaum bis gar nicht biologisch oder von den Naturkräften abgebaut.

Beide sind nichts neues, sondern uns seit Jahrzehnten bewusst. Deshalb tüfteln Forscher und Ingenieure ebenso lang schon an Methoden, „verbrauchtes“ Plastik wieder zu verwerten. Sie entwickeln Verfahren und bauen Recycling-Kreisläufe immer weiter aus. Die Schweizer bezeichnen sich gar als Weltmeister im Recycling von Abfällen – auch von Kunststoffen.

Aber welche Kunststoffe können wirklich recycelt werden? Wie funktioniert das? Wie könnt ihr zum nachhaltigen Umgang mit Plastik beitragen?

Welche Kunststoffe sind recycelbar?

Am einfachsten wiederverwendbar sind möglichst reine Stoffe. Ein Material, das aus nur einem Stoff besteht, hat nämlich durchgehend die gleichen Eigenschaften und kann mit einem einzigen, daran angepassten Verfahren behandelt werden. Das gilt auch für Verbundmaterialien, deren einzelne Bestandteile sich leicht voneinander trennen lassen.

Nicht trennbare Verbundmaterialien und Kunststoffe, die mit vielen Zusatzstoffen, sogenannten Additiven (z.B. für Farbeffekte, Weichmacher, Brandschutz,…), vermischt sind, lassen sich nur schlecht oder gar nicht wiederverwenden.

Thermoplaste als Recycling-Favoriten

Besonders für eine Wiederverwertung geeignet sind jene Kunststoffe, die bei hohen Temperaturen weich und formbar werden – die sogenannten Thermoplaste. Die kann man nämlich schreddern, erhitzen und zu neuen Gegenständen formen, ohne dass sich ihre Moleküle dabei verändern (zumindest im Optimalfall).

Zu den Thermoplasten gehören auch die verbreitetsten Alltagskunststoffe Polyethylenterephthalat (PET), Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) (Einzelheiten zu diesen Stoffen erfahrt ihr im Plastik-1×1 hier in Keinsteins Kiste). Da verwundert es nicht, dass gerade diese Kandidaten die grösste Rolle beim Recycling von Alltagsabfällen spielen. Allerdings gelingt auch das nur dann wirklich gut, wenn die Hersteller schon bei der Erstverarbeitung dieser Kunststoffe auf die Recyclingfähigkeit achten. Wie das geht, verraten Guidelines für die Industrie, verfasst von den Recycling-Verantwortlichen.

Auch Polyvinylchlorid (PVC) ist ein Thermoplast. Bei diesem Kunststoff gestaltet sich das Recycling (wie auch die Verwendung im Lebensmittelbereich) schon kniffeliger, weil er in vielfältiger Form verwendet wird und (besonders als Weich-PVC) kaum ohne Additive auskommt. Trotzdem wird auch PVC recycelt, wenn auch vornehmlich im Bauwesen, wo grössere Mengen gleichartigen PVC-Materials anfallen.

Und was ist mit kompostierbaren Biokunststoffen?

Was nach der ultimativen Verwertbarkeit bzw. Entsorgung klingt, hat oft einen beachtlichen Haken. Biopolymere sind aus Kettengliedern zusammengesetzt, die Lebewesen entlehnt sind, wie die Milchsäure-Glieder des Polylactids (PLA). Damit sind sie grundsätzlich für den Abbau durch Lebewesen oder deren Bestandteile geeignet.

In der Praxis sind dafür aber oft Bedingungen nötig, die ein Komposthaufen oder die freie Natur nicht bieten. PLA ist beispielsweise nur in speziellen Anlagen bei unnatürlichen Temperaturen abbaubar. So macht PLA zur Abfallvermeidung bislang nur dann Sinn, wenn der Anbieter – zum Beispiel ein Park mit Imbissbetrieb – direkt mit einem PLA-Entsorger (und bestenfalls -Wiederverwerter) zusammenarbeitet.

Wie wird recycelt?

Kunststoffe kann man grundsätzlich auf zwei Arten wiederverwerten:

  1. Werkstoffliche Verwertung: Das Material (die Polymer-Ketten als solche bleiben (weitestgehend) intakt und werden nur zu neuen Gegenständen geformt. Das ist der wohl wünschenswerteste Weg, da so der grösste Teil des zur Herstellung des Kunststoffs getätigten Aufwands nicht noch einmal nötig ist. Für diesen Weg geeignet sind im Besonderen die Thermoplasten unter den Kunststoffen. In der Praxis sind solche Verfahren leider meist nicht unendlich wiederholbar: Die Polymere überstehen das Erhitzen oft nicht gänzlich unbeschadet, sodass das Recycling-Material oft eine weniger gute Qualität als der Kunststoff bei der Erstverwendung hat. Fachleute nennen diesen Effekt deshalb „Downcycling“.
  2. Rohstoffliche Verwertung: Die Polymerketten werden dabei gezielt zerlegt. Die entstehenden Kleinmoleküle sind nach wie vor wichtige Energieträger und können als Brennstoffe oder Rohmaterial für andere Erdölprodukte verwendet werden.

So werden einzelne Kunststoffe recycelt

PET (Polyethylenterephthalat)

In der Schweiz gibt einen einzigartigen, geschlossenen PET-Recycling-Kreislauf: Überall in der Öffentlichkeit findet man hier blau-gelbe Sammelbehälter für PET-Getränkeflaschen – in Geschäften, an Bahnhöfen, bei Veranstaltungen, in Parkanlagen, an Abfall-Sammelstellen und anderswo. Die darin gesammelten Flaschen können farblich sortiert und nach Abtrennung von Fremdstoffen zu Pressballen verarbeitet werden, die rund 98% reines PET ihrer jeweiligen Farbe enthalten. Infrarot-Technik und Laser machen es möglich.

Diese PET-Abfälle werden weiter gereinigt, zu Flocken geschreddert und von den Flaschendeckeln getrennt. Letztere bestehen nämlich aus PE, welches – anders als PET – weniger dicht als Wasser ist und folglich darauf schwimmt. Die PET-Flocken sinken derweil auf den Grund (Chemiker und Physiker nennen dieses Trennverfahren Sedimentation), sodassman die PE-Deckel einfach abgiessen oder abschöpfen kann.

Nach weiterer Reinigung sind die Flocken schliesslich so sauber, dass sie als Lebensmittel-Verpackungsmaterial zulässig sind. Dann werden sie eingeschmolzen und zu sogenanntem Re-Granulat, einem groben Kunststoff-Gries, verarbeitet. Als Thermoplast kann dieser PET-Gries schliesslich bei 250°C zu neuen Gegenständen zusammengesinter werden – zum Beispiel zu dickwandigen „PET-Rohlingen“, die, bereits mit Gewinde und Deckel versehen, eine Flasche erahnen lassen.

PET-Rohling: Nach Erst-Herstellung oder Recycling kann PET in dieser Form platzsparend zum Getränkehersteller transportiert werden.
Pet-Rohling oder „Petling“ mit Deckel: Daraus wird einmal eine Flasche.

In dieser platzsparenden Form werden die Rohlinge oder „Preforms“ an die Getränkeabfüller (oder auch an Geocaching-Begeisterte, die darin ihre Schätze verstecken) geliefert. In der Abfüll-Anlage werden die Rohlinge erneut erhitzt und zu fertigen Getränkeflaschen aufgeblasen.

So effektiv geht PET-Recycling

Der Betreiber des PET-Kreislaufs – im Übrigen ein Verein, also nicht-staatlich und nicht gewinnorientiert – behauptet, bei der Wiederverwertung von PET-Getränkeflaschen finde kein Downcycling statt. Zudem betrage die Recyclingquote für PET in der Schweiz mittlerweile 82%! Bei freiwilliger Beteiligung der Getränkehersteller und Abfallsammler wohlgemerkt. Das hält die Regierung, die ein Minimum von 75% zum Ziel erklärt hat, bis dato davon ab, ein Pfandsystem einzuführen.

Polyethylen und Polypropylen (PE bzw. PP)

Auch PE und PP sind Thermoplaste. So kann man sie in ähnlicher Weise wie PET-Flaschen verwerten. Allerdings erweichen sie bei wesentlich niedrigeren Temperaturen (PE schon ab 80°C, PP bleibt noch etwas weiter fest) und würden sich bei 250°C längst zersetzen. Deshalb sind für das Recycling von PE und PP jeweils eigene Kreisläufe und Anlagen nötig, um diese Kunststoffe gemäss ihren Eigenschaften zu behandeln.

Ausserdem kommen nur dafür geschaffene PE- und PP-Produkte für die Wiederverwertung in Frage. Und selbst dann geht das Einschmelzen in der Regel mit einem Downcycling einher. So kann beim Recycling von PE oder PP meist kein Material mit Lebensmittelqualität gewonnen werden. R-PE und R-PP kommen daher vornehmlich im Bauwesen, in Nicht-Lebensmittelverpackungen, der Landwirtschaft, in Fahrzeugen oder Elektronik zum Einsatz.

EPS/Styropor = „Quietschpapier“

Diese Form von Polystyrol (EPS steht für „Expandiertes Polystyrol“) birgt ein ganz besonderes Problem: Das Material, das wir als massgeschneiderte, stosssichere Verpackung oder Wärmedämmstoff kennen, besteht zu 98% aus eingeschlossener Luft und nur zu 2% aus dem eigentlichen Kunststoff und seinen Additiven. Das Ganze ist also ein enormer Platzfresser!

Der Transport zu einer Mühle, in der Styropor zermahlen und anschliessend zu Re-Granulat eingeschmolzen werden kann, braucht daher ein enormes Volumen für reichlich wenig Kunststoff-Masse. Trotzdem wird das gemacht und das Granulat kommt vornehmlich für Einsätze im Bauwesen zur Verwendung.

Um dem Transportproblem zu begegnen, hat das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV ein neues Recycling-Verfahren für EPS entwickelt (und CreaSolv® getauft). Die Abfälle sollen dabei noch an der Sammelstelle in ein Lösungsmittel, das möglichst nur Polystyrol auflöst, eingebracht werden. Dabei entweicht die ganze Luft und Beistoffe können später leicht abgetrennt werden. In der Lösung nimmt die Kunststoffmasse nur 1/50 des Raumes ein, den das ursprüngliche EPS bräuchte, was den Transport erheblich erleichtert.

Getränkekartons

Das ist auch mir neu: In der Schweiz können auch Getränkekartons („Tetrapak“) recycelt werden. Tatsächlich tragen solche, die man in den grossen Supermärkten bekommt, das Kennzeichen „für den Restmüll“. Erst bei der Recherche für diesen Artikel bin ich bei Swiss-Recycling zufällig auf den – einmal mehr privaten – Anbieter für die Wiederverwertung von Getränkekartons gestossen. Bislang gibt es nur 100 Sammelstellen, aber die nächste ist nur wenige Dörfer weiter. Da führe ich die Tetrapak-Trennung doch gleich bei uns im Haushalt ein. Anbei: Ja, es stimmt: Abfalltrennung ist hier in der Schweiz eine besondere Spezialität.

Warum ist das Tetrapak-Recycling nicht weiter verbreitet?

Getränkekartons sind ein typisches Verbundmaterial: Pappe, Kunststoff- und Aluminiumschichten sind darin fest miteinander verklebt. Das schützt den Inhalt und ist für feuchtfröhliche Experimente nützlich, aber ganz kniffelig zu recyceln.

Immerhin können die Pappfasern aus den alten Kartons herausgelöst und zu Wellpappe verarbeitet werden. Kunststoff und Aluminium werden dann als Brennstoff für die Erzeugung von Fernwärme oder Strom eingesetzt – wie übrigens auch der Restmüll oder -kehricht hierzulande.

So könnt ihr zum Recycling beitragen

In Deutschland und Österreich werden wiederverwertbare Kunststoffe gemischt gesammelt. Verpackungen, die als rezyklierbar gelten, tragen als Kennzeichen den „grünen Punkt“. Ihr könnt sie – möglichst sauber – in die gelbe Tonne bzw. den gelben Sack entsorgen, deren Inhalt die Müllabfuhr regelmässig abholt.

In der Schweiz ist, wie bereits erwähnt, viel Eigeninitiative gefragt. PET-Getränkeflaschen könnt ihr in die blau-gelben-Behälter an öffentlichen Sammelstellen werfen, um sie in den PET-Kreislauf zurückfliessen zu lassen. PE- und PP-Flaschen werden häufig von den Supermärkten zurückgenommen (haltet die Augen nach der Entsorgungswand innerhalb des Marktes offen!). Wenn ihr eine der Sammelstellen für Getränkekartons in eurer Nähe habt, könnt ihr eure Tetrapaks auch dorthin bringen. Und neu führt auch die Migros – eine der beiden grössten Supermarktketten – eine Gemischtsammlung für rezyklierbare Kunststoffe ein.

Was bringt euch der ganze Aufwand? Nicht nur ein reines Gewissen: Was immer ihr an diesen für euch kostenfreien Sammelstellen entsorgt, landet nicht im Hauskehricht (Restmüll), für den hierzulande deftige Gebühren pro Abfallsack zu entrichten sind. Bedingung für ein effektives Recycling ist allerdings, dass nur die gewünschten Abfälle in den jeweiligen Sammelstellen landen!

Warum gibt es keine zentrale Gemischtsammlung in der Schweiz?

Das Recycling aus einer Gemischtsammlung liefere eine verminderte Ausbeute und Qualität, sagen die Recyclingverantwortlichen in der Schweiz. Laut einem Beitrag des Verbrauchermagazins „Kassensturz“ beim Schweizer Fernsehen (Moderation und Interviews in Mundart, Kommentar in Hochdeutsch) liege die Ausbeute oft unterhalb dessen, was private Anbieter einer Gemischtsammlung behaupten. Ausserdem ist die nachträgliche Sortiererei teuer. So teuer, dass das Geld sinnvoller für die Umwelt eingesetzt werden könne. Viele private Anbieter von Gemischtsammlungen in der Schweiz verkaufen deshalb die gesammelten Abfälle in die Nachbarländer – und können dann nicht mehr kontrollieren, was damit geschieht.

Das Paretoprinzip und die Müllvermeidung

Das lässt mich persönlich an das Paretoprinzip denken: Wenn 100% aller Bemühungen 100% der Ergebnisse bringen, seien demnach nur 20% der Bemühungen nötig, um 80% der Ergebnisse zu erzielen (und umgekehrt brächten die übrigen 80% der Bemühungen nur 20% der Ergebnisse. Ob die Zahlenverhältnisse genau so überall anwendbar sind, sei dahingestellt. Kern der Sache ist in meinen Augen, dass Perfektionismus unglaubliche Ressourcen verschlingen und dabei vergleichsweise wenig bringen kann.

Das ist besonders dann spannend, wenn man mit begrenzten Ressourcen zurechtkommen muss. Wie auch im Umweltschutz: Wie in vielen Bereichen ist die begrenzteste Ressource hier wohl das Geld. Und das mag an anderer Stelle (sei es zum Ausbau funktionierender Kreisläufe, zur Förderung der Verwendung rezyklierbarer oder zur Entwicklung völlig neuer Materialien) effektiver eingesetzt werden können, als zum Aussondern weniger wiederverwertbarer Stoffe aus einem grossen Rest, der am Ende in der Müllverbrennungsanlage landet.

Der Kassensturz-Beitrag kommt für den Kunststoffsammelsack der Migros (bislang nur im Raum Luzern erhältlich) noch zum besten Testergebnis: Der „orange Riese“ sammelt nur ausgewählte Kunststoffe und lässt tatsächlich recyceln – noch dazu in einer Anlage in der Schweiz. Ich bin gespannt, ob das auch funktioniert, wenn die Sammlung bis zum Frühling 2021 auf das ganze Land ausgeweitet wird.

Grundsätzlich gilt: Je ausgewähltere und sauberere Abfälle ein Anbieter sammelt, desto besser ist die zu erwartende Ausbeute. Wenn ihr Säcke für die Sammlung gemischter Kunststoffe verwendet, beachtet daher unbedingt die Gebrauchsanweisung!

Wirklich effektiv gegen Plastikmüll geht so

Hier folge ich meinem persönlichen Paretoprinzip: Mit überschaubarem Aufwand möglichst viel erreichen! Klar sollte man nach Möglichkeit keinen Abfall produzieren. Aber nicht jeder hat einen Unverpackt-Laden in seiner Nähe, und eine weite Anfahrt kostet nicht nur Zeit und Geld, sondern auch Kraftstoff in irgendeiner Form, der wieder zu Lasten der Umwelt geht.

Sehr einfach sind aber folgende Massnahmen:

  • Verwendet Mehrweg-Einkaufssäcke /- behälter – nicht nur im Supermarkt, sondern auch im Kaufhaus und anderen Geschäften
  • Nutzt die Mehrweg-Gemüse-Netzbeutel, die hier in der Schweiz in beiden Grossverteiler-Ketten angeboten werden (gibt es die in D und Ö auch? Falls nicht, sind die ein tolles Andenken an euren nächsten Schweiz-Urlaub 😉 )
  • Achtet, wenn ihr Produkte in Kunststoff-Verpackungen, insbesondere Flaschen, kauft, auf ein rezyklierbares Design. Das könnt ihr an folgenden Eigenschaften (gemäss den Richtlinien für Verpackungs-Hersteller) erkennen:
    • Das Material: Das Recyclings-Symbol mit der Ziffer im Pfeil-Dreieck, oft auf dem Flaschenboden, verrät es euch: PE (Ziffer 02 bzw. 04), PP (Ziffer 05) oder PET (Ziffer 01) sind leicht wiederverwertbar.
    • Die Farbe: PE und PP sind von Natur aus matt weiss und undurchsichtig. PET ist dagegen von Natur aus durchsichtig. Oberflächeneffekte wie Fluoreszenz („grelle“ Farben!) oder „metallic“-Schimmer entstehen durch Zusatzstoffe und verhindern die Wiederverwertung!
    • Etiketten: Sollten nicht mehr als 80% (vier Fünftel) der Flaschenoberfläche bedecken.
  • Vermeidet Produkte, die übermässig verpackt sind. Ein Klassiker ist unnötig vorgeschnittenes Obst: Die meisten Früchte sind von Natur aus mit einer Schale ausgestattet, die besten Schutz vor äusseren Einflüssen bietet. Die braucht ihr nur selber aufzuschneiden.
  • Kauft Getränke in Mehrweg- oder PET-Flaschen (letztere insbesondere, wenn ihr in der Schweiz seid) und entsorgt sie wie vom Anbieter vorgesehen.
  • Achtet beim Kauf von Kunststoff-Gegenständen auf gute Qualität und nutzt sie lange bzw. „vererbt“ sie weiter, wenn ihr sie nicht mehr braucht.
  • Versucht euch im Upcycling: Viele gebrauchte Kunststoff-Verpackungen und -gegenstände könnt ihr auf neue Art verwenden oder geben prima Bastelmaterial ab – oder Rohstoffe zum Experimentieren!

Was haltet ihr von den Recycling-Bestrebungen in eurem Land? Habt ihr noch mehr Ideen zur Vermeidung von Kunststoff-Abfällen? Wie geht ihr mit euren Abfällen um?

Desinfektionsmittel - Was ist wirklich sinnvoll?

Der (oder das, beides ist richtig) neue Corona-Virus aus China alias COVID-19 bzw. SARS-CoV-2 ist in aller Munde – und Desinfektionsmittel erfreuen sich gerade grösster Beliebtheit. Selbst in unserem Dorfsupermarkt sind sie praktisch ausverkauft. Einige Medien veröffentlichen sogar Anleitungen für DIY-Hände-Desinfektionsmittel. „Das wäre doch ein Thema für Keinsteins Kiste“, meint mein Partner, als er ein solches Rezept liest.

Normalerweise bin ich ja für Alltags-Chemie zum Selbermachen sofort zu haben. Aber macht die Verwendung von Desinfektionsmitteln im Alltag überhaupt Sinn? Können wir uns damit vor Infektionen schützen? Oder hebeln die Nebenwirkungen solcher Mittel den Nutzen vollkommen aus?

Gleich vorweg: Die Antwort auf die letzte Frage lautet in der Regel „ja“. Deshalb bringe ich das erwähnte Rezept auch nicht als Experiment. Denn das Hamstern von Desinfektionsmitteln oder deren Bestandteilen ist für die meisten von uns nicht sinnvoll, sondern bereitet nur jenen, die wirklich darauf angewiesen sind, Schwierigkeiten bei der Beschaffung.

Stattdessen zeige ich euch, wie Desinfektionsmittel funktionieren und warum sie im Alltag meist mehr Probleme als Nutzen bringen. Und für Interessierte bzw. darauf Angewiesene verlinke ich im Verlauf das Original der verbreiteten Rezeptur.

Wie funktionieren Desinfektionsmittel?

Unsere Haut und unsere Umgebung sind von Myriaden Kleinstlebewesen besiedelt. Durch Berührung können sie von einer (Haut-)Oberfläche zur nächsten übertragen werden. Und einige dieser Mikroben können uns krank machen – besonders dann, wenn sie einen Weg durch offene Wunden finden oder/und unser Immunsystem nicht so funktioniert wie es soll.

Beides – Wunden und schlecht funktionierende Immunsysteme – findet man in Krankenhäusern, Arztpraxen und anderen Pflegeeinrichtungen besonders häufig. Deshalb gehört es zum Arbeitsalltag von Ärzten und Pflegern, sich immer wieder die Hände mit einem Desinfektionsmittel einzureiben. So wird die Gefahr minimiert, dass sie womöglich gefährliche Erreger von einem Patienten zum nächsten tragen.

Was ein Desinfektionsmittel können muss

Um das zu leisten muss ein Desinfektionsmittel verschiedene Gruppen von Erregern an den Händen (und medizinischen Geräten etc.) innerhalb kürzester Zeit unschädlich machen:

  • Bakterien
  • Pilze
  • Sporen der ersten beiden
  • Viren

Mit anderen Worten: Ein Desinfektionsmittel muss diese Mikroorganismen effektiv vergiften können. So kommen naturgemäss nur giftige Stoffe als Desinfektionsmittel in Frage.

Zum Glück haben wir Menschen diesen Mikroben einiges voraus:

  1. Wir sind Vielzeller (ein Mensch besteht aus rund   Zellen), während Bakterien und Pilze wie jene der Gattung „Candida“ Einzeller sind. Wenn uns ein paar Hautzellen verloren gehen, schadet uns das nicht sofort. Schliesslich hat unser Vielzeller-Körper Mittel, um solche Zellen zu ersetzen. Eine Bakterien- oder Einzeller-Pilzzelle, die tödlich beschädigt wird, bedeutet dagegen sofort ein totes Lebewesen.
  1. Unsere Zellen haben einen Zellkern, in dem unsere DNA weitgehend sicher verwahrt ist. Bakterienzellen haben dagegen keinen Zellkern. Das bedeutet auch, sie funktionieren anders als unsere Zellen. Sie sind somit gegenüber anderen (bzw. mehr) Dingen empfindlich als unsere Zellen (und die der Pilze!) mit Kern.

So ist es nicht schwer, Stoffe zu finden, die Einzellern den Garaus machen, für unsere eigenen Zellen aber nicht all zu schädlich sind.

Besonders kniffelig: Die „Keinzeller“ unter den Erregern

Viren sind hingegen gar keine Zellen, sondern winzige Erbgut-Pakete, die Zellen „kapern“ (indem sie sich von den Zellen aufnehmen lassen) und für ihre Vermehrung zweckentfremden können. Die Pakethülle von Viren besteht aus Membranlipiden und Proteinen, was sie lebenden Zellen chemisch ähnlich macht. Vergiften bzw. töten kann man sie dennoch nicht, da sie streng genommen gar nicht leben. „Zerstören“ träfe es da wohl besser. Mit etwas Glück kann ein Stoff, der für Bakterien giftig ist, auch einen Virus zerstören.

Elektronenmikroskop-Aufnahme von Corona-Virionen (ein einzelnes Virus-Partikel wird „Virion“ genannt) aus dem Jahr 1975: Die Stachel-„Krone“ (lat. corona) aus Hüllenproteinen gibt dieser Virus-Familie ihren Namen. Bilder von den aktuellen COVID-19-Erregern findet ihr hier!

Besonders kniffelig ist die Beseitigung von Sporen. Das sind stark gepanzerte Ableger von Bakterien oder Pilzen, aus denen sich neue Zellen entwickeln können. Ein Stoff, der Sporen ausschalten soll, muss durch deren Panzerung dringen (wofür er meist etwas mehr Zeit braucht) und so viel Schaden anrichten, dass eine Spore sich nicht mehr zur neuen Zelle entwickeln kann.

Welche Stoffe können das?

Oxidationsmittel

Die Allrounder unter den keimtötenden (d.h. bioziden) Stoffen sind Oxidationsmittel, insbesondere solche, die einzelne Sauerstoffatome freisetzen können. Solche Oxidationsmittel nehmen nämlich all zu gern anderen Molekülen Elektronen weg (die Moleküle werden damit oxidiert), wodurch sie verschiedenste Reaktionen in Gang setzen. Und diese Reaktionen beschädigen oder zerstören nicht zuletzt die Bestandteile von Lebewesen und ihnen ähnlichen Gebilden: Bakterien, Pilze, Viren und sogar Sporen.

Leider sind Oxidationsmittel nicht wählerisch, wenn es um ihre Reaktionspartner geht. So können sie unsere Körpergewebe ebenso schädigen wie die Mikroorganismen. Deshalb sind besonders starke Oxidationsmittel sowie höhere Konzentrationen für die Anwendung an Haut und Schleimhäuten nicht geeignet. In geringer Konzentration kommen am Körper zum Einsatz:

  • Wasserstoffperoxid (H2O2)
  • Natriumhypochlorit (NaOCl, wie H2O2 im medizinischen Bereich, z.B. beim Zahnarzt)
  • Chloramin T (eine organische Verbindung, die in Wasser Hypochlorit freisetzt)
  • Elementares Iod (in Präparaten zur Wunddesinfektion –> z.B. „Betaisodona“)
  • Benzalkoniumchlorid (

Andere Oxidationsmittel wie Chlordioxid („MMS“!), elementares Chlor, Ozon oder Peressigsäure sind hingegen nur für die Desinfektion von Gegenständen oder Wasser geeignet. In letzterem (z.B. im Schwimmbad) kommen Chlor oder Ozon in kleinsten Mengen mit uns in Kontakt, was wir an brennenden Augen und wunden Stellen leicht bemerken. Die haben es also wirklich in sich!

Aldehyde

Aldehyde oder chemisch korrekt „Alkanale“ sind hochwirksam gegen alle möglichen Bakterien (einschliesslich des besonders widerspenstigen Tuberkulose-Erregers), Pilze, Viren und Sporen. Aber leider auch gegen unsere eigenen Körper: Viele desinfizierende Aldehyde sind sehr giftig, weshalb sie nur zur Desinfektion von Oberflächen, Geräten und Räumen zum Einsatz kommen.

Alkohole

Der „Trinkalkohol“ Ethanol und verschiedene Varianten des Propanols sind bekannte Beispiele für desinfizierende Alkohole. Werden sie mit Wasser gemischt, können sie in (Bakterien)zellen eindringen und dafür sorgen, dass die Proteine darin ihre Form und damit ihre Funktion verlieren. Ein reiner Alkohol würde stattdessen schon die Proteine auf der Zelloberfläche zerstören und dann keinen Weg hinein mehr finden – sodass das Bakterium am Leben bliebe.

Auf der Haut angewendet sind sie für uns ungiftig (eingenommen dafür um so mehr – das weiss jeder, der schonmal einen Kater hatte), töten bzw. zerstören aber Bakterien (einschliesslich der Tuberkulose-Erreger), Pilze und Viren mit Hülle (es gibt auch Viren ohne Hülle, jedoch ist die Hülle ein wichtiges Werkzeug für das Kapern von Zellen, weshalb viele der uns krankmachenden Viren – z.B. Corona- und Influenza-Viren – eine Hülle haben). Den Sporen können Alkohole hingegen nichts anhaben.

Quartäre („Quaternäre“) Ammoniumverbindungen

Zum Beispiel Benzalkoniumchlorid. Diese organischen Moleküle enthalten (wie das Ammoniumion) ein positiv geladenes Stickstoffatom, an welches vier organische (kohlenstoff- und wasserstoffhaltige) Atomgruppen gebunden sind.

Benzalkoniumchlorid - eine quartäre Ammoniumverbindung als Konservierungs- und Desinfektionsmittel
Benzalkoniumchlorid(e): Davon gibt es mehrere Varianten mit unterschiedlich langen Seitenketten.

Diese Moleküle sind Tenside, können also gleichsam mit wasserliebenden und fettliebenden Oberflächen wechselwirken (was Tenside genau sind und was sie können erfahrt ihr hier). Wenn eine der Kohlenwasserstoff-Gruppen 8 bis 18 Kohlenstoffatome enthält, können die betreffenden Moleküle derart mit Zell-Aussenhüllen wechselwirken, dass diese beschädigt werden und die Zellen daran eingehen.

Das gilt leider ebenso für Bakterien wie für unsere eigenen Zellen. Deshalb ist Benzalkoniumchlorid als Konservierungsmittel für Medikamente (insbesondere Augentropfen) wegen seiner Nebenwirkungen umstritten.

Metallisches Silber oder Kupfer

Die Oberflächen dieser Metalle wirken schädlich – um nicht zu sagen tödlich – auf Bakterien, jedoch nicht auf die anderen  Erreger-Kandidaten (Pilze, Viren, Sporen). So sind Silberfäden als Mittel gegen Käsesocken und Kupfertürklinken als Beitrag zur Verminderung der Keim-Verbreitung in Krankenhäusern gefragt, aber längst kein Rundumschutz.

Eine ausführliche Liste mit weiteren desinfizierenden Verbindungsklassen, auch für die Haut-Desinfektion, findet ihr hier im Wikipedia-Artikel zur Desinfektion.

Und was taugt das DIY-Desinfektionsmittel aus den Medien?

Das Rezept, welches die Schweizer Gratis-Zeitung „20 Minuten“ vom österreichischen Portal „heute.at“ übernommen hat, stammt ursprünglich von der WHO. Gedacht ist es allerdings als Empfehlung für Apotheker und medizinsches Personal rund um den Globus, die auch unter einfachen Bedingungen Patienten versorgen müssen. Also ebenso für ein Ebola-Gebiet im Kongo wie für das Behelfsspital in Wuhan – aber auch für die Schweizer Apotheke um die Ecke.

Die Desinfektionslösung gemäss der WHO-Rezeptur besteht aus rund 83% Ethanol („Alkohol“) in destilliertem Wasser, mit einer kleineren Menge Glyzerin und ein wenig Wasserstoffperoxid dabei.

Das eigentliche Desinfektionsmittel darin ist der Alkohol. Wasserstoffperoxid in der geringen Menge dient dagegen mehr als eine Art Konservierungsmittel. Und das Glyzerin – ein verbreiteter Bestandteil von Kosmetikprodukten – soll der Haut die Feuchtigkeit erhalten.

Alle vier Stoffe sind in den allermeisten Ländern recht einfach und preisgünstig zu bekommen. Und sie funktionieren. So soll medizinisches Personal auf der ganzen Welt Zugang zu einfacher aber wirksamer Desinfektionslösung bekommen.

Doch was wirksam ist, hat naturgemäss auch unerwünschte (Aus-)Wirkungen:

Desinfektionsmittel bringen auch Schwierigkeiten durch…

Resistenzen

Insbesondere Bakterien können resistent gegenüber Desinfektionsmitteln werden (ähnlich wie gegenüber Antibiotika), wodurch die Desinfektionsmittel gegen solche Stämme unwirksam werden.

Schädigung der Haut

Ich habe während der Anfertigung meiner Diplomarbeit im Zellkulturlabor ein knappes Jahr lang regelmässig Hände und Arbeitsumgebung desinfizieren müssen (Bakterien und Pilze waren unser bzw. der Zellkulturen grösster Feind). Für die Hände hatten wir ein Desinfektionsmittel aus dem medizinischen Bereich (das blaue „Sterillium“), für die Arbeitsumgebung 70% Ethanol in destilliertem Wasser (das ist billiger als das Sterillium).

Ich habe schnell gelernt, ausserhalb der Arbeitszeit eine Handcreme zu verwenden, weil das ständige Desinfizieren zu trockener, gereizter Haut führte. Und was für mich nach einigen Monaten wieder vorbei war, taten unsere MTAs („Labortechniker“) ein (Arbeits-)Leben lang. Die Folge: Trotz Handcreme hatten sie rissige, dauergereizte Hände, um die ich meine Kolleginnen absolut nicht beneidet habe.

Wie kommt es dazu?

Die meisten Mikroorganismen auf unserer Haut machen nicht nur nicht krank, sondern schützen uns sogar vor schädlichen Keimen. Die finden bei intakter „Hautflora“ nämlich gar keinen Platz, um sich anzusiedeln. Desinfektionsmittel, die gegen Bakterien wirken, sind aber leider nicht wählerisch. Sie töten die erwünschten Hautbakterien ebenso wie die Krankmacher. Und ist die Hautflora einmal dezimiert, finden unerwünschte Gäste um so mehr Platz, um sich einzunisten.

Ausserdem entziehen die in Desinfektionslösungen enthaltenen Stoffe der Haut leicht Feuchtigkeit. Die Handcreme sollte den Folgen dessen entgegen wirken. Zudem enthält die „Sterillium“-Lösung Stoffe, die zur Erhaltung der Hautfeuchtigkeit beitragen sollen.

Gefahren für die Umwelt

Auch in Kläranlagen gibt es zahlreiche Bakterien, die dort wertvolle Reinigungsarbeit leisten, und zu einem „gesunden“ natürlichen Gewässer gehören Bakterien einfach dazu. Wenn nun Desinfektionsmittel – besonders in grösseren Mengen – nicht fachgerecht entsorgt werden (im Sonderabfall!), können sie das Ökosystem in Klärwerken oder natürlichen Gewässern empfindlich schädigen.

Daheim oder in der Medizin – Wo machen Desinfektionsmittel Sinn?

Im medizinschen Bereich

Wo kranke Menschen gepflegt, offene Wunden versorgt und schwache Immunsysteme häufig sind, trägt die Händedesinfektion Grosses zur Verminderung der Übertragung von Keimen bei. Medizinisches Personal reibt sich dazu mindestens vor und nach jedem Patientenkontakt die Hände mit einer alkoholhaltigen Desinfektionslösung für den medizinischen Bereich (z.B. das erwähnte „Sterillium“) ein. Dadurch wird der grösste Teil der Mikroorganismen auf der Haut – einschliesslich der nützlichen Hautflora – ausgeschaltet.

In den Tiefen unserer Haarwurzeln, gut geschützt unter einer Schicht Talg, überleben jedoch einige der wichtigen Hautbewohner (ohne einem Patienten direkt schaden zu können). Die können sich nach dem Verschwinden des Desinfektionsmittels ungehindert teilen und die Hautoberfläche neu besiedeln. Dank dessen und dank feuchtigkeitserhaltender Zusatzstoffe sollte sich der Schaden an den Händen des medizinschen Personals in Grenzen halten.

Und daheim?

Warum sollten wir diesen schützenden Effekt nicht auch in unserem Zuhause haben? Das zumindest denken sich Anbieter für desinfizierende Reiniger und Hand-Desinfektionsmitteln für die Alltagsgebrauch. Eine Stichprobe bei einem bekannten Anbieter (auf dessen Website, denn die Originale sind ja ausverkauft…) zeigt: Diese Alltags-Desinfektionsmittel sind anders zusammengesetzt als jene für den medizinischen Bereich, enthalten mitunter nur Alkohole und Wasser.

Und damit sind wir wieder bei den MTAs im Zellkulturlabor: Die hatten nämlich nicht nur die medizinische Desinfektionslösung, sondern, beim Auswischen der sterilen Werkbänke und Desinfektion von Instrumenten, auch das simple Gemisch von Ethanol und Wasser ständig an den Händen. Und das enthielt eben – wie so manches Alltags-Desinfektionsmittel – keine hautschützenden Zusätze. Dieser Umstand hat gewiss nicht zur Hautgesundheit – insbesondere bei langfristiger Anwendung – beigetragen.

Also nutzen wir doch lieber die Desinfektionslösungen für den medizinischen Bereich?

Die sollen ja – in Kombination mit einer guten Handcreme – für unsere Haut auch bei regelmässigem Gebrauch erträglich sein. Aber brauchen wir so viel Desinfektion überhaupt?

Warum wir Desinfektionsmittel im Alltag nicht brauchen (und wann doch)

Ein intaktes menschliches Immunsystem ist von Natur aus darauf angelegt, mit der Vielfalt der Mikroben in unserem alltäglichen Umfeld zurechtzukommen. Nicht zuletzt deshalb, weil viele davon uns als äusserst nützliche Mitbewohner begleiten.

Im Normalfall ist es daher im Alltag gar nicht nötig, regelmässig Desinfektionsmittel zu verwenden. Ausgenommen sind die Fälle, die eben nicht „normal“ sind:

  • Jemand im Haushalt ist krank und muss gepflegt werden (im Fall von akuten Infektionen ist dieser Umstand allerdings von vorübergehender Natur).
  • Jemand im Haushalt hat kein intaktes Immunsystem (beispielsweise durch eine Chemotherapie).

Für Menschen in diesen Situationen kann es wirklich schwierig werden, wenn Desinfektionsmittel nur noch schwer oder gar nicht erhältlich sind!

Das könnt ihr wirklich tun, um euch zu schützen

Ist hingegen „nur“ Erkältungssaison und es „geht etwas um“ (auch wenn das „Etwas“ COVID-19 heisst), sind einfache Hygienemassnahmen wesentlich wirksamer, da  schonender für die Verteidigungslinien auf unserer Haut:

  • Hustet oder niest stets in die Armbeuge anstatt einfach in die Gegend.
  • Haltet von hustenden oder niesenden Personen mindestens einen Meter Abstand.
  • Fasst euch mit ungewaschenen Händen möglichst nicht in das eigene Gesicht (und schon gar nicht in das von Anderen, beispielsweise das eurer Kinder).
  • Insbesondere gegen „Mitbringsel“ von draussen: Wascht euch, wenn ihr heimkommt (aber auch unterwegs), die Hände mit gewöhnlicher Seife, nachdem ihr in der Öffentlichkeit viel berührte Dinge (z.B. Türklinken, öffentliche Verkehrsmittel!) angefasst habt und bevor ihr zu Hause irgendetwas anderes berührt.
  • Wenn ihr bereits (infektions-)krank seid: Bleibt zu Hause. Geht nicht arbeiten und schickt kranke Kinder nicht in die Schule/den Kindergarten/die KiTa! Bei Fieber, Husten und Atembeschwerden ruft euren Arzt an (bevor ihr hingeht!) und befolgt dessen Anweisungen.

Was ihr niemals tun solltet

Desinfektionsmittel mit Seife kombinieren

Doppelt hält besser? Leider nein. In Verbindung mit Seife (also Tensiden), bergen Desinfektionsmittel im Alltag noch ein weiteres Problem:

Wenn ihr eure Hände mit Seife wascht, vergrault das eure nützlichen Mitbewohner nämlich nicht, entfernt aber den schützenden Talg, unter dem sich deren letzte Reserven verstecken, von den Haarwurzeln. Wenn ihr dann während oder nach dem Händewaschen zu einem Desinfektionsmittel greift, rottet das die letzten Reserven ebenso aus wie die Hautflora auf der Hautoberfläche. Und dann bleibt nichts mehr, was sich weiter vermehren und auf eurer Haut, dem Eingang zu eurem Körper, Wache schieben könnte.

Desinfektionsmittelhaltige Seife oder Desinfektionsmittel nach dem Seifeneinsatz sind in Hinsicht auf die Übertragung von Erregern an den Händen eher schädlich als dass sie nutzen!

Desinfektionsmittelreste in den Ausguss oder gar in die freie Natur entsorgen

Wie bereits erwähnt gibt es in Klärwerken wie auch in der Natur zahlreiche Bakterien, die für eine funktionierende Anlage bzw. ein gesundes Ökosystem notwendig sind. Und die nehmen an Desinfektionsmitteln genauso Schaden wie unliebsame Erreger.

Sämtliche Abflüsse in unserem Zellkulturlabor münden – wie vermutlich auch jene in Krankenhäusern – in spezielle Abwasser-Anlagen, die darauf ausgerichtet sind, Chemikalien im Abwasser zu beseitigen, bevor es in die eigentliche Kanalisation gelangt. So ist der Einsatz von Desinfektionsmitteln im Labor – und wahrscheinlich auch im medizinischen Bereich – eine deutlich geringere Gefahr für die Umwelt als ihr Einsatz im Alltag.

Desinfektionsmittel hamstern, wenn „etwas umgeht“

Es sei denn, ihr gehört zu jenen, die aufgrund von Krankheit oder/und unzureichendem Immunsystem wirklich auf die Nutzung von Desinfektionsmitteln im Alltag angewiesen sind. Genau diese Menschen werden euch – ebenso wie die Menschen mit Medizinberufen – sehr dankbar dafür sein, wenn sie die dringend benötigten Mittel auch während eines Ausbruchs wie dem von COVID-19 problemlos bekommen.

Das Gleiche gilt im Übrigen auch für die Gesichtsmasken. Die nützen dem Chirurgen oder Zahnarzt sehr, um seine eigenen Bakterien vom Patienten fernzuhalten. Vor einer Tröpfchen- oder Schmierinfektion mit einem Atemwegs-Virus schützen sie aber praktisch nicht.

Zusammenfassung

Desinfektionsmittel sind Stoffe, die Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze, deren Sporen, aber auch Viren abtöten oder zumindest am Wachstum hindern können. Solche Stoffe sind naturgemäss giftig – aber für Mikroben oft mehr als für uns – und umweltschädlich.

In der Krankenpflege sind Desinfektionsmittel ein wertvolles Mittel, um die Gefahr der Übertragung von Keimen zwischen Patienten und Pflegern gering zu halten. Wie alle wirksamen Mittel haben jedoch auch Desinfektionsmittel Nebenwirkungen und bergen wie alle (umwelt-)giftigen Stoffe Gefahren.

Im Alltag überwiegen diese Schwierigkeiten den Nutzen von Hände-Desinfektionsmitteln, zumal es einfachere und nebenwirkungsärmere Mittel und Wege gibt, die Übertragung von Keimen zu vermeiden:

  • In die Armbeuge husten oder niesen
  • zu erkälteten Personen Abstand halten
  • Nicht ins Gesicht fassen
  • Hände waschen (aber nicht mit Desinfektionsmittel kombinieren!)
  • mit Infektionskrankheiten zu Hause bleiben

Wenn ihr selbst einen Pflegeberuf ausübt oder im Alltag mit kranken oder/und immunschwachen Personen lebt oder eine solche seid, kann – so meine eigene Erfahrung im Labor – eine Handcreme dabei helfen, die Hautschäden durch regelmässigen Einsatz von Desinfektionsmitteln gering zu halten.

Und wie geht ihr angesichts von COVID-19 oder anderen Erregern mit Desinfektionsmitteln um? Habt ihr vielleicht im Beruf regelmässig damit zu tun und weitere (bessere?) Tipps zur Hautpflege?

Wie funktioniert ein Lithium-Ionen-Akku?

Gestern wurden die Nobelpreise für 2019 vergeben: Der Nobelpreis für Chemie geht an John B. Goodenough, M. Stanley Whittingham und Akira Yoshino – für eine wahrhaft weltbewegende Erfindung: Den Lithium-Ionen-Akku.

Ein Preis für den grössten Nutzen für die Menschheit

Der schwedische Erfinder und Industrielle (u.A. Erfinder des Dynamits) Alfred Nobel verfügte vor seinem Tod am 10. Dezember 1896 in seinem Testament, dass von seinem riesigen Vermögen eine Stiftung gegründet werde, deren Zinsen „als Preis denen zugeteilt werde, die im verflossenen Jahr der Menschheit den grössten Nutzen geleistet haben“. Das Preisgeld wird zu gleichen Teilen in den Bereichen Physik, Chemie, Medizin bzw. Physiologie, Literatur und Friedensbemühungen vergeben*.

*Der ebenfalls oft genannte „Wirtschaftsnobelpreis“ ist dagegen kein „echter“ Nobelpreis: Er heisst eigentlich Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften und wird erst seit 1968 von der Schwedischen Reichsbank gestiftet.

Die Nobelpreise werden seit 1901 bis heute vergeben (teils mit Verspätung oder Auslassung, wenn kein würdiger Träger gefunden wurde oder ein Weltkrieg dazwischen kam). Dabei wird in jüngerer Zeit längst nicht mehr Leistungen des jüngsten „verflossenen“ Jahres ausgezeichnet. Stattdessen wird Erfindungen und Bemühungen – besonders in den wissenschaftlichen Disziplinen – Zeit gegeben, ihre Bedeutung für die Menschheit zu beweisen.

Wie Lithiumionen-Akkus die Welt verändert haben

So werden auch die Träger des Nobelpreises für Chemie 2019 für Leistungen geehrt, die sie in den 1970er und 1980er Jahren vollbracht haben. Und die haben wahrhaftig unsere Welt verändert!

Eine Zeit ohne Hochleistungs-Akkus

Wenn ihr mindestens so alt seid wie ich (ich bin Anfang der 1980er Jahre geboren), werdet ihr euch noch an die Zeit erinnern, als Einwegbatterien meist giftiges Cadmium enthielten, wenig Leistung lieferten und eine geringe Lebensdauer hatten. Tragbare Kassettenspieler hatten monströse Batterieschächte, lichtstarke Taschenlampen konnten als Totschläger zweckentfremdet werden und leistungsstärkere Elektrogeräte gab es nur fest verortet an der Steckdose.

Wiederaufladbare Batterien, sogenannte Akkus, waren der neueste Schrei. Die ersten Vertreter ihrer Art waren schwere Brocken, denn sie enthielten ebenso giftiges wie schweres Blei. Die Nickel-Metallhydrid-Akkus, an die ich mich aus meinen letzten Jugendjahren noch erinnere, enthielten ebenfalls ein giftiges Schwermetall – Nickel – und konnten, bei nur wenig geringerem Gewicht, in ihrer Kapazität auch nicht mit den Einweg-Batterien mithalten.

1991 kam der Lithium-Ionen-Akku auf den Markt –  und erst Jahre später in meine Welt. Nämlich Mitte der 1990er verbaut in Papas erstem tragbaren PC – pardon, „Laptop“, von seinem damaligen Arbeitgeber. Der wog dereinst noch rund 4 Kilogramm – konnte aber, was jeder Office-PC an der Steckdose leistete! Darauf folgte sein erstes Mobiltelefon…und schon kurz darauf, um das Jahr 2000, konnte ich mir schon ein handliches Pre-Paid-Handy vom Schülerinnen-Taschengeld leisten.

Die neue Welt der Mobilität

Heute schreibe ich diesen Artikel an meinem modernen Convertible, der gerade einmal ein Kilo wiegt und trage einen Taschencomputer mit Telefonfunktion, der kleiner als eine Tafel Schokolade ist und mehr Rechenleistung aufbringt als Papas 4-kg-Laptop von damals, im Dauerbetrieb mit mir herum. Und das einen ganzen Tag lang.

Mein Lieblings-Autovermieter hat mir unlängst als nette Zusatzüberraschung ein Hybrid-Fahrzeug ausgehändigt, dessen Akku über den Dynamo im Verbrennungsmotor aufgeladen wird und damit langsame Fahrt mit einem Elektromotor machen kann. Auch im vollständig elektrisch betriebenen Tesla bin ich schon ein kleines Stück mitgefahren.

Ganz schön gross: Lithium-Ionen-Akku für ein Elektroauto (der erste, der in den USA von einem grossen Autobauer hergestellt wurde)
(by ENERGY.GOV [Public domain], via Wikimedia Commons)

Die Garage des Tesla-Besitzers mag statt mit Schindeln mit Solarzellen, die aus Sonnenenergie Strom erzeugen und in einen grossen „Tankstellen-„Akku speisen, gedeckt sein.

Besonders diese letzten Entwicklungen mögen die Jury zur Vergabe des Preises bewegt haben:

„Sie haben die Grundlage gelegt für eine drahtlose, von fossilen Brennstoffen freie Gesellschaft und sind für die Menschheit von größtem Nutzen.“ 

Aber wie funktioniert eigentlich ein Lithium-Ionen-Akku?

Im Grunde genommen ist ein Akku (-mulator) eine Spielart der Batterie, nämlich eine wiederaufladbare Batterie.

Was ist eine Batterie?

Eine Batterie im Allgemeinen ist ein Speicher für elektrischen Strom. Da „elektrischer Strom“ ein Strom aus negativ geladenen Teilen, den Elektronen, ist, bedeutet das: Eine Batterie ist ein Behälter, in welchem Elektronen getrennt von positiven Ladungen aufbewahrt werden.

Eine einfache Batterie (auch: galvanische Zelle) zum Nachbau im Labor: Ein Zinkblech in Zinksulfatlösung (rechter Behälter) enthält viele Elektronen (Zink gibt seine Elektronen nämlich gerne ab und wird zu Zink-Ionen Zn2+ ). Kupferionen Cu2+ bilden einen Vorrat an positiven Ladungen im linken Behälter (sie nehmen nämlich gerne Elektronen auf und gesellen sich zu den Kupfer-Atomen im Kupferblech). Wenn Elektronen vom Zink zum Kupfer wandern, wandern zum Ladungsausgleich Sulfat-Ionen SO42- über die Salzbrücke (ein mit Salzlösung gefülltes Glasrohr) vom linken in den rechten Behälter. Sobald alle beteiligten Reaktionen zu einem chemischen Gleichgewicht (Was ist das? Le Châtelier erklärt es hier!) gefunden haben, kommen die Ladungsströme zum Erliegen: Die Batterie ist „leer“.
(by Myukew [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons)

Nun lassen sich Elektronen nicht freiwillig von positiven Ladungen trennen (positive und negative Ladungen finden einander nämlich äusserst anziehend). Eine Batterie zu erschaffen erfordert dementsprechend Energie – die bei ihrer Benutzung in Form des elektrischen Stroms an das betriebene Elektrogerät weitergegeben wird.

Verbindet man die beiden Teilbehälter (die „Pole“ einer Batterie sind quasi Öffnungen dieser Behälter) miteinander, strömen die Elektronen, angezogen von den positiven Ladungen auf der anderen Seite, dem gegenüberliegenden Pol entgegen. Und zwar so lange, bis an beiden Polen die gleiche Ladung versammelt ist. Dann gibt es nichts mehr, was fliessen wollte, und die Batterie ist leer.

Wie man eine Batterie wieder auflädt

Einweg-Batterien sind so geschaffen, dass ihr Material endgültig „verbraucht“ ist, wenn die Ladungen an den beiden Polen erst einmal ausgeglichen sind. Sie müssen dann im Sondermüll entsorgt und aufwändig wiederverwertet werden. Deshalb waren wieder aufladbare Batterien von vorneherein erstrebenswert.

Solche müssen folglich aus Materialien bestehen, in welche man am negativen Pol neue Elektronen – aus einer Steckdose oder „frisch“ aus einem Generator – hinein stopfen kann, während man am positiven Pol Elektronen herauszieht. In den ersten Akkus enthielten solche Materialien Blei, in späteren Nickel – beides giftige Schwermetalle, deren Name zudem Programm ist (besonders Blei ist ja als Schwergewicht wohlbekannt).

Zudem war das Hineinstopfen von Elektronen in ein Material nicht eben einfach. Schliesslich stossen sich gleiche Ladungen ja gegenseitig ab, sodass viel Aufwand nötig ist, um viele davon eng gepackt in den gleichen Behälter zu pferchen.

Michael Stanley Whittinghams Idee

In den 1970er Jahren kam der Chemiker M. Stanley Whittingham auf die Idee, das Zusammenpferchen von Elektronen zu erleichtern, indem er positiv geladene Ionen in das eigentliche Material am Minuspol einwandern liess, die diese Elektronen entgegennehmen sollten.

Dazu bot sich Lithium, das leichteste aller Alkalimetalle (der Elemente ganz links im Periodensystem unterhalb vom Wasserstoff) geradezu an. Wie alle Alkalimetalle ist es nämlich nur zu gern bereit, die entgegengenommenen Elektronen wieder abzugeben, sobald sie gebraucht werden. Zudem sind seine Salze wasserlöslich und es besteht aus den leichtesten Metall-Atomen des Universums, sodass es leichte Batterien verspricht.

Redox-Chemie im Lithium-Ionen-Akku

Whittingham verwendete also Titandisulfid, TiS2, (auch das Metall Titan(ium) ist relativ leicht und vor allem ungiftig) als Elektrode am Pluspol, in welches Lithium-Ionen eingelagert waren. Beim Aufladen bewegte der Überschuss an positiver Ladung die Lithiumionen aus dem Material hinaus, sodass sie zum Minuspol, einem Stück Lithium-Metall, wandern konnten. Dort angekommen konnten sie ein in das Lithium gestopftes Elektron aufnehmen und sich als Metall-Atome zum übrigen Metall gesellen:


Vielleicht erinnert ihr euch noch daran: Eine Reaktion, bei der Elektronen aufgenommen werden, heisst Reduktion.

Zum Ausgleich werden am Pluspol Elektronen entfernt, sodass dort mehr positive Ladung verbleibt. Eine Reaktion wie diese, bei welcher Elektronen abgegeben werden, heisst übrigens Oxidation.


Wurde eine solche Lithiumbatterie über eine Ladevorrichtung mit einer Stromquelle verbunden, wurden also Elektronen aus Titandisulfid entnommen, während Lithium-Ionen von dort zur Lithium-Elektrode wanderten, um dort hineingestopfte Elektronen entgegen zu nehmen.

Nahm man dann die Stromquelle weg und verband die Pole stattdessen aussen herum mit einem Verbraucher (also ein Elektrogerät), gaben Lithium-Atome im Lithium-Metall ihre Elektronen wieder ab:

Die Lithium-Ionen wanderten zurück zum Titandisulfid, während die Elektronen durch den Verbraucher zurück zum Pluspol flossen und dabei das Gerät antrieben wie Wasser eine Mühle.

Wiederaufladbarkeit durch umkehrbare Reaktionen

Die Richtung der oben genannten Redox-Reaktionen wird nach dem Aufladen des Akkus bei seinem Gebrauch also einfach umgekehrt. Und sobald die Ladungen an den Polen ausgeglichen sind und der Akku damit „leer“ ist, wird die Reaktionsrichtung beim nächsten Aufladen erneut umgekehrt, und dann wieder und wieder.

Dieses Umkehren funktioniert viele Male, bevor es zu einem merklichen Verschleiss des Materials kommt. Nur: In Titandisulfid liessen sich zwar so einige Lithium-Ionen unterbringen, aber noch nicht genug, als dass die Batterien wirklich handlich gewesen wären.

Vom Plus- zum Minuspol gelangen die Lithiumionen übrigens durch einen Elektrolyten, also einen Stoff (flüssig oder fest), der Ionen (und damit eine Spielart des elektrischen Stroms) leiten kann. Der Elektrolyt verbindet Minus- und Pluspol miteinander, wobei eine nur teilweise passierbare Trennschicht („Separator“) dafür sorgt, dass das einen Kurzschluss gibt.

John Bannister Goodenough legt nach

Dem Physiker John B. Goodenough waren die Whittingham’schen Batterien deshalb nicht ‚gut genug‘. So forschte er weiter und entdeckte 1980, dass sich Lithiumcobaltoxid, LiCoO2, noch besser für den Pluspol eines Lithium-Ionen-Akkus eignet als Whittinghams Titandisulfid. Denn in das Ionengitter dieser Verbindung passen besonders viele Lithiumionen. Und diese können hinaus und hinein wandern, ohne dass das Gitter daran Schaden nimmt.

Damit liess sich eine doppelt so hohe Spannung in der neuen Batterie erzeugen wie mit der ursprünglichen Version von Whittingham!

Wenn Hitze zum Problem wird

Einen Haken hat das Material aber doch: Ab einer Temperatur von 180°C wird aus Lithiumcobaltoxid Sauerstoff freigesetzt. Und der ist als rücksichtsloser Elektronendieb (auf chemisch: starkes Oxidationsmittel) berüchtigt. So reagiert der freigesetzte Sauerstoff wild mit den Materialien des Akkus, der daraufhin lichterloh und unlöschbar abbrennt (Fachleute sagen: der Akku „geht thermisch durch“).

Das lässt sich aber relativ leicht verhindern, indem man dafür sorgt, dass der Lithium-Ionen-Akku nicht zu heiss wird.

Ein wesentlich grösseres Problem stellt dahingehend Lithium-Metall dar. Die Fähigkeit von Alkalimetallen wie Lithium, sehr leicht ein Elektron abzugeben (also oxidiert zu werden), die für die Lithiumbatterien so nützlich ist, führt nämlich auch dazu, dass diese Metalle sehr lebhaft mit allem Möglichen reagieren. Zum Beispiel mit Wasser.

So konnte schon ein wenig Feuchtigkeit dazu führen, dass die Whittingham’sche wie auch die Goodenough’sche Lithiumbatterie kaputt oder gar in Flammen aufging. Das war für eine Anwendung ausserhalb des Labors mit seinen Sicherheitsvorkehrungen natürlich nicht vertretbar.

Akira Yoshino liefert den (vorerst) letzten Schliff

Der Ingenieur Akria Yoshino fand 1985 schliesslich einen stabileren Ersatz für das impulsive Lithium-Metall am Minuspol: Er verwendete Petrolkoks, einen kohlenstoffreichen Abfall aus der Erdölverarbeitung, in welchen wiederum Lithiumionen (bzw. -atome) eingebettet werden. Eine Elektrode aus einem solchen Material tut ebenso ihren Dienst wie metallisches Lithium, geht aber nicht bei jeder Kleinigkeit in die Luft. Heutzutage wird stattdessen Graphit, also reiner Kohlenstoff, verwendet, der, anders als Petrolkoks, keine weiteren und giftigen Abfälle mehr enthält.

Skizze eines modernen Lithium-Ionen-Akkus mit Lithiumcobaltoxid: Beim Aufladen wandern Li+-Ionen aus dem Lithiumcobaltoxid (links) zum Graphit (rechts), um Elektronen, die über den Kupferdraht (Cu) hineingelangen, in Empfang zu nehmen. Beim Entladen gibt das Lithium im Graphit die Elektronen wieder ab und die Li+-Ionen wandern zurück ins Lithiumcobaltoxid. Die Elektrolytlösung besteht aus einem organischen Lösungsmittel mit darin gelösten Salzen, die für die Leitfähigkeit sorgen.
(by Cepheiden [CC BY-SA 2.0 de], via Wikimedia Commons )

Damit waren alle Zutaten zusammen, um einen für die Anwendung durch Otto Normalverbraucher sicheren Akku auf den Markt zu bringen. Der erste seiner Art kam dann auch 1991 in einer Videokamera der Firma Sony aus Yoshinos Heimatland Japan auf den Markt.

Sind Lithium-Ionen-Akkus wirklich sicher?

Immer wieder hört und liest man in den Medien von Lithium-Ionen-Akkus, die in Flammen aufgehen und Verletzungen oder grössere Brände verursachen. Dennoch sind solche Vorkommnisse Einzelfälle, die meist durch Beschädidungen der Batterien (durch die Sauerstoff in die Akkus gelangen kann) oder Baufehler (wie 2017 bei dem berüchtigten Samsung Galaxy Note 7) verursacht werden.

So könnt ihr verhindern, dass eure Lithium-Ionen-Akkus „durchgehen“

  • Verwendet nur das Ladegerät, das für euren Akku bzw. euer Elektrogerät vorgesehen ist! So verhindert ihr, dass zu viele Elektronen hineingestopft werden und der Akku deshalb überhitzt.
  • Zerlegt oder/und kombiniert Lithium-Ionen-Akkus niemals selbst! Eine intakte Umhüllung sorgt dafür, dass reaktionsfreudige Bestandteile des Akkus drinnen und Sauerstoff und Wasser draussen bleiben.
  • Haltet eure Akkus und Geräte sowohl von Feuer und Hitze über 60°C (Sonneneinstrahlung!) als auch von Frost fern. Beide Extreme können zu Beschädigungen führen!
  • Wenn ein Lithium-Ionen-Akku beschädigt oder verformt aussieht, benutzt ihn keinesfalls, sondern entsorgt ihn umgehend (als Sondermüll bzw. beim Hersteller oder Verkäufer des Geräts)! Ist der beschädigte Akku neu und habt ihr noch eine Garantie für das Gerät, bekommt ihr allenfalls kostenlos Ersatz dafür.

Und wenn euer Akku doch einmal kaputt ist oder gar brennt

  • Die Lithium-Ionen-Akkus unserer Elektrogeräte enthalten kein metallisches Lithium. Wasser facht einen Brand eines solchen also nicht an, sodass ihr ein Gerät mit brennendem Akku und seine Umgebung getrost mit Wasser kühlen könnt. CO2– oder Schaum-Feuerlöscher könnt ihr ebenfalls verwenden.
  • Löschen lässt sich ein durchgehender Lithium-Ionen-Akku aber nicht. Lasst ihn daher, wenn möglich, an einem feuerfesten Ort (und fern von eurem Körper) einfach ausbrennen.
  • Droht ein Brand ausser Kontrolle zu geraten, ruft umgehend die Feuerwehr zur Hilfe (118 in der Schweiz, 112 in Deutschland und Österreich)!
  • Sollte Flüssigkeit aus einem beschädigten Akku auslaufen, lasst sie nicht an eure Haut gelangen: Die Elektrolytflüssigkeit aus solchen Akkus kann mit Wasser zu äusserst giftiger Flusssäure reagieren! Fasst auslaufende Akkus nur mit Schutzhandschuhen und kürzestmöglich (die Handschuhe danach sofort ausziehen und entsorgen!) an, umwickelt sie mit mehreren Lagen Plastik oder bringt sie am besten noch im zugehörigen Gerät umgehend zur Sondermüllentsorgung!

Die Zukunft der wiederaufladbaren Batterien

Mit den bestehenden Schwachstellen sind die heutigen Lithium-Ionen-Akkus besonders einem ihrer Mit-Erfinder noch immer nicht ‚gut genug‘: Mittlerweile 97 Jahre alt (und damit der älteste Empfänger eines Nobelpreises aller Zeiten!) und kein Bisschen müde forscht John B. Goodenough bis heute an Neuerungen für wiederaufladbare Batterien.

Dabei zielen seine Neuentwicklungen darauf ab, das im Universum und damit auch auf der Erde relativ seltene Lithium durch seinen sehr viel häufigeren Bruder Natrium (dessen Ionen z.B. Bestandteil von Kochsalz sind) zu ersetzen.

Was ist im Grippe-Impfstoff drin?

Eigentlich will ich mich ja gegen die Grippe impfen lassen… aber eine wirklich penetrante Erkältung lässt mich (noch) nicht. Während die ausheilt habe ich Zeit, mich zu fragen: Was ist eigentlich in so einem Grippe-Impfstoff drin?

Die Frage kommt nicht von ungefähr, sind doch Impfungen einmal mehr in aller Munde. Nicht nur die Grippesaison steht vor der Tür. Zudem macht Deutschland mit dem Beschluss einer Impfpflicht gegen die Masern von sich reden.

Heute möchte ich aber vornehmlich beim Grippeimpfstoff bleiben, der einerseits ein spezieller Fall in der Impfstoff-Familie ist, andererseit aber als Beispiel für andere Impfstoffe herhalten mag.

Warum ist der Grippeimpfstoff speziell?

Letztlich aufgrund seiner eingeschränkten Wirksamkeit. Die beruht darauf, dass Grippeviren ganz besonders fiese Arschlöcher sind. Die mutieren nämlich schneller zu immer neuen Stämmen, als die Forscher Impfstoffe gegen sie entwickeln können (wie genau sie das machen, erklärt Mai Thi sehr gut in ihrem aktuellen Video).

So müssen Forscher schon zu Anfang eines neuen Jahres Vermutungen anstellen, wie der fieseste Grippevirus – besser die fiesesten Grippeviren – der kommenden Saison aussehen mögen. Denn Entwicklung, Herstellung und Erprobung einer neuen Impfstoff-Variante dauern gut ein halbes Jahr. Und danach können die Forscher nur hoffen, dass die tatsächlich grassierenden Viren den vermuteten zumindest ähnlich sind.

Anders als die Impfstoffe gegen Masern und andere Kinderkrankheiten, die nahezu immer schützen, bietet eine Grippeimpfung damit nur eingeschränkt Schutz gegen Grippe. Wenn es aber darum geht, ob man eine Woche statt drei Wochen flach liegt, ins Spital muss oder nicht bzw. mit einer massgeblich geringeren Wahrscheinlichkeit krank wird, lohnt sich die Impfung allemal. Auch jedes Jahr aufs Neue. Besonders, wenn man zu einer der Risikogruppen zählt, die das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit nennt.

Die Grippeimpfung ist übrigens auch für Kinder einschliesslich Säuglingen ab 6 Monaten möglich. Und wenn die Kinder in die Krippe, den Kindergarten oder die Schule gehen, mag die Impfung sich für sie ebenso lohnen wie für ihre Lehrer und Erzieher.

Anbei: Für die aus medizinischen Gründen Gefährdeten (Senioren, Bewohner von Pflegeheimen, Kranke, Schwangere, Frühgeborene) übernimmt in der Schweiz die obligatorische Krankenversicherung die Kosten für die Impfung.

Aber was ist nun drin im Impfstoff?

In Impfkritiker-Kreisen kursieren zahllose Gerüchte um Quecksilber, Aluminium und andere angeblich fiese Hilfsstoffe, ganz zu schweigen von angeblich unsicheren Wirkstoffen.

Dabei lassen sich im Netz ziemlich einfach Fachinformationen mit genauen Inhaltsstofflisten im Netz auftreiben. Zum Beispiel im Arzneispezialitätenregister des Österreichischen Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen. Das einzige, was man dafür braucht, ist der Handelsnahme eines Impfstoffs.

Den habe ich mir aus einer Broschüre des Schweizerischen Bundesamtes für Gesundheit herausgepickt. Der Umstand, dass ich einen in der Schweiz gebräuchlichen Impfstoff in der österreichischen Datenbank gefunden habe, lässt mich darauf schliessen, dass solche Impfstoffe im DACH-Raum grenzübergreifend zum Einsatz kommen. Was jetzt kommt, wird demnach auch für Impfstoffe in Deutschland gelten.

Mein Beispiel-Impfstoff ist Fluarix Tetra®, zugelassen für Kinder ab drei Jahren und Erwachsene. Dieser Impfstoff kommt übrigens seit Jahren mit jeweils angepassten Virenstämmen zum Einsatz. Darin sind enthalten:

Inaktivierte Influenza-Virus Spaltantigene

Das ist der eigentliche „Wirkstoff“ im Impfstoff, welcher das Immunsystem veranlassen soll, die Informationen über die gefährlichen Grippeviren zu speichern. Wie das Immunsystem arbeitet und wie das genau funktioniert, könnt ihr übrigens hier in Keinsteins Kiste nachlesen.

Aber was bedeutet dieser Fachausdruck eigentlich?

Um das Immunsystem zur Informationsverarbeitung zu veranlassen, müssen ihm Krankheitserreger „vorgeführt“ werden. Damit der Körper dabei aber nicht krank wird, müssen diese Erreger entweder in einer abgeschwächten („zahnlosen“) Version daher kommen (das nennt man dann einen Lebendimpfstoff), oder man führt dem Immunsystem funktionslose Bruchstücke der Erreger vor (als Totimpfstoff).

Um solche Bruchstücke herzustellen, züchten die Entwickler in speziellen Labors Grippeviren und zerlegen sie dann in ihre Bestandteile. Dabei lösen sie unter anderem Proteine (die fiesen „Stacheln“, die in vielen Virus-Darstellungen zu sehen sind) aus der Aussenhülle der Viren, trennen sie vom Rest und packen sie in den Impfstoff.

Keine Kunst, sondern ein echtes, koloriertes „Foto“ von einem Grippe-Virus, aufgenommen mittels Elektronen-Tomographie (mit einem Elektronenmikroskop, das zum MRT für winzigkleine Dinge umgerüstet wurde). Die Protein-Stacheln in der Virushülle (blau) sind hier grün und gelb dargestellt. (US gov [Public domain], via Wikimedia Commons )

An diesen Proteinen erkennt nämlich unser Immunsystem die Viren. Nur – die Proteine allein, ohne Virenhülle und vor allem ohne Virenerbgut, können keine Grippe verursachen.

Moleküle, die unser Immunsystem erkennt, werden nun Antigene genannt. Da unsere Antigene bei ihrer Herstellung von Viren „abgespalten“ wurden, sprechen die Entwickler von Spaltantigenen. Und da sie allein keine Grippe („Influenza“) mehr verursachen können, sind diese Spaltantigene „inaktiviert“.

Wie züchtet man Grippeviren?

Viren können sich nicht selbst vermehren (und sind damit nach landläufiger Definition der Biologen keine Lebewesen), sondern müssen dazu lebende Zellen befallen und deren Vermehrungsanlagen kapern. Deshalb sind zur Virenzucht lebende Wirtszellen nötig.

In den 1960er Jahren haben Forscher dafür geeignete Zellen in befruchteten Hühnereiern entdeckt. Darin wachsen nämlich nebst dem Küken auch verschiedene blasenartige Hilfsorgane. Und die Zellen von deren Aussenhäuten sind offenbar besonders gut geeignet, um in kurzer Zeit viele Grippe- und andere Viren herzustellen. Und zwar so gut, dass man diese Methode bis heute verwendet:

Befruchtete Hühnereier werden 10 bis 11 Tage lang im Brutschrank bebrütet. Dann wird durch ein kleines Loch in der Schale der gewünschte Virenstamm in das Anhangsorgan eingebracht und drei Tage lang weiter bebrütet. In dieser Zeit vermehren sich die Viren sehr stark und gelangen in die Flüssigkeit im Innern „ihres“ Wirtsorgans. Dann wandern die Eier für einige Stunden in den Kühlschrank, sodass die Embryonen darin absterben (ich habe mir ja sagen lassen, dass der Tod durch Unterkühlung eine schmerzlose Angelegenheit sein soll, aber probiert habe ich es nicht), ehe die Flüssigkeit samt Viren entnommen wird.

Im Eier-Labor der FDA, USA: Ein Mitarbeiter spritzt Grippeviren in befruchtete Hühnereier, damit sie sich darin vermehren können. Im industriellen Massstab gibt es allerdings viel mehr Eier und das Ganze läuft automatisiert. (The U.S. Food and Drug Administration [Public domain], via Wikimedia Commons )

Es folgt das Zerlegen („Inaktivieren“) der Viren mit Hilfe von speziellen Tensiden (Stoffen mit Superwaschkraft – diese können Proteine aus Virushüllen „waschen“, ohne dass die Proteine babei beschädigt werden!) und die Reinigung des Ganzen, damit am Ende nur in der Impfdosis landet, was dort hinein soll.

Moment – dabei sterben doch Tiere?!

Ja, das ist bis dato leider unvermeidbar, wenn wir uns vor der Grippe schützen möchten. Denn einen anderen Schutz vor der Grippe gibt es – besonders für irgendwie geschwächte Menschen – aktuell nicht.

Natürlich ist man heute schon weiter als vor sechzig Jahren und kann Viren auch in Zellkulturen züchten. Bloss funktioniert das mit Grippeviren nicht besonders gut. Die Ausbeuten an Grippeviren aus Zellkulturen sind so schlecht, dass es im Normalfall viel zu teuer wäre, die gewünschte Impfstoffmenge auf diese Weise herzustellen.

Warum Grippe-Impfstoffe manchmal knapp werden

Einzig wenn ein besonders ansteckender oder/und gefährlicher Grippe-Stamm auftritt und besonders flächendeckend geimpft werden soll, können die Entwickler nicht genügend Eier für die Zucht auftreiben und müssen auf die teureren Zellkulturen ausweichen. Doch dabei gibt es ein neues Problem:

Zum Arbeiten mit besonders ansteckenden („pandemischen“) Grippe-Viren braucht man ein Labor der Sicherheitsstufe (BSL) 3. Und die haben viele Eier-Labors nicht. So bleiben die Produktionsmöglichkeiten auch unabhängig von den Kosten beschränkt.

Aber: Abhilfe ist bereits in Sicht

Da die Forscher jedoch weder Tiere töten noch Engpässe bei der Auslieferung wollen, arbeiten sie fleissig an neuen Möglichkeiten für die Virenzucht. Wie zum Beispiel in Münster mit Wimperntierchen (das sind Einzeller) als Wirten. Vielleicht gibt es ja schon ab 2025 eine wirtschaftliche Alternative zu den Hühnereiern.    

Anorganische Salze

Davon finden sich in Fluarix Tetra® eine ganze Reihe:

  • Natriumchlorid, NaCl (das „Kochsalz“)
  • Natriummonohydrogenphosphat, Na2HPO4
  • Kaliumdihydrogenphosphat, KH2PO4
  • Kaliumchlorid, KCl
  • Magnesiumchlorid, MgCl2 * 6 H2O

Alle diese Salze sind im Impfstoff in Wasser aufgelöst, sodass letztendlich folgende Ionen im Impfstoff enthalten sind: Na+, K+, Mg2+, Cl, HPO42-, H2PO4 (und für alle Chemiker, die es ganz genau nehmen, sind in verschwindender Menge auch PO43- und Phosphorsäure H3PO4 zu erwarten). Jedes dieser Ionen ist natürlicher Bestandteil praktisch jeder Körperflüssigkeit.

Die beiden Phosphat-Ionen ergeben zusammen einen Phosphat-Puffer, der dafür sorgt, dass der pH-Wert des Impfstoffs irgendwo zwischen 6 und 8 – also im „biologietauglichen“ Bereich – stabil bleibt. So werden die Virus-Proteine darin nicht durch pH-Abweichungen beschädigt – und der pH-Wert des Impfstoffs passt weitgehend zu dem des Muskels, in welchen er gespritzt werden soll.

Die übrigen Ionen sorgen vermutlich dafür, dass die Impfstoff-Flüssigkeit einer Körperflüssigkeit ähnlich ist (sodass nach der Injektion z.B. kein ungewollter osmotischer Druck entsteht (was der anrichten kann, könnt ihr mit diesen Experimenten – mit Ei, aber ohne Küken – erfahren)).

RRR-alpha-Tocopherolhydrogensuccinat

Oder mit anderen Worten: Vitamin E. Also ein alter Bekannter aus der Ernährung und Hautpflege, der für seine Wirkung als Antioxidans bekannt ist. Das heisst, Vitamin E reagiert gern mit Stoffen, die sonst andere Bestandteile unseres Körpers oxidieren und für Stress in unseren Zellen sorgen würden.

Und ausserhalb des Körpers kann es ebenso gut mit Stoffen reagieren, die sonst Virenproteine und andere Impfstoff-Bestandteile kaputt oxidieren könnten. Damit ist das Vitamin E der einzige Konservierungsstoff (nagut, ausser dem Phosphatpuffer), den ich auf der Liste gefunden habe!

Polysorbat 80 („Tween 80“) und Octozinol 10 („Triton 100“)

Zwei der speziellen Tenside, die mit ihrer Superwaschkraft die Proteine aus den Virenhüllen lösen können. Da die Hüllen von Grippeviren aus fettähnlichen Stoffen (Lipiden) bestehen, sind Proteine, die daraus entfernt werden, naturgemäss nicht sehr scharf darauf, sich in Wasser zu lösen (fettfreundliche Stoffe mischen sich nicht mit Wasser und wasserfreundliche Stoffe nicht mit Fetten!).

Da die genannten Tenside – im Grunde spezielle „Seifen“ –  nicht weitestgehend aus dem Impfstoff entfernt werden, vermitteln sie dort wohl auch weiterhin zwischen Proteinen und Wasser und sorgen so dafür, dass alle Bestandteile des Impfstoffs sich miteinander mischen.

Auf Lebensmittelpackungen werden solche Stoffe als „Emulgatoren“ vermerkt. Tatsächlich ist Polysorbat 80 als Lebensmittelzusatzstoff (E 433) zugelassen, da es chemisch wie biologisch als weitgehend reaktionsträge gilt. Ausserdem zählt es zu den wenigen Emulgatoren, die man nicht nur problemlos verspeisen, sondern auch spritzen kann.

Solvent-Detergent-Verfahren: Eine sichere Sache

Auch Triton 100 ist für seine Sicherheit in Sachen medizinische Anwendungen bekannt. Das „Solvent-Detergent-Verfahren“ (SD-Verfahren), mit welchem die Grippeviren bei der Impfstoffherstellung zerlegt werden, wurde nämlich ursprünglich zur Reinigung von Blutplasma zur Transfusion von darin unerwünschten Viren entwickelt (Und wer hats erfunden…? Nein, ein Amerikaner. Aber die Schweizer – genauer gesagt eine Firma aus dem von hier aus übernächsten Dorf – haben es finanziert und zur Marktreife gebracht).

Die Blutplasma-Reiniger hatten ein ähnliches Problem wie die Impfstoff-Hersteller: Mögliche Viren in gespendetem Blutplasma müssen unschädlich gemacht werden (damit sie den Empfänger nicht infizieren können), aber die Proteine im Plasma – insbesondere die Gerinnungsfaktoren – dürfen dabei ihre Funktion nicht verlieren.

Das SD-Verfahren leistet beides äusserst gründlich: Die Gerinnungs-Proteine in SD-Plasma bleiben zu wesentlichen Teilen funktionsfähig, während nach rund 10 Millionen Transfusionen bis 2009 keine einzige Infektion durch Viren mit Hülle (bei „nackten“ Virenarten funktioniert das Verfahren nicht, sodass man sich um solche anders kümmert) gemeldet worden ist. Ebensowenig wurde je beobachtet, dass mit dem SD-Verfahren gereinigtes Plasma (wobei auch „Triton 100“ zum Einsatz kommt/kam!), in irgendeiner Weise toxisch gewirkt oder eine Allergie ausgelöst hätte.

Wasser zu Injektionszwecken

Lösungsmittel – und zwar das Lösungsmittel, wenn es um lebende Organismen geht. „Zu Injektionszwecken“ meint keimfrei und vermutlich so sauber wie irgend möglich. Schliesslich soll das ja in menschliche Körper gespritzt werden.

Gemäss meiner Annahme ausserdem der Grund dafür, dass die beiden oben genannten Emulgatoren noch in nennenswerter Menge im Impfstoff enthalten sind. Denn ohne sie würden sich die Virenproteine schlecht mit dem Wasser mischen. Und würde man auf ein fettfreundliches Lösungsmittel für den Impfstoff ausweichen, würde der sich mit der wasserfreundlichen Umgebung im Muskel gewiss nicht gut vertragen.

Weitere mögliche Inhaltsstoffe im Spurenbereich

Natürlich ist kein Reinigungsverfahren perfekt. So bleiben in jedem Produkt, das Reinigungsschritte durchläuft, winzige Spuren von Stoffen aus der Produktion zurück. So auch bei Impfstoffen. Die heutige Analytik ist allerdings derart präzise, dass damit festgestellte „Spuren“ wirklich extrem winzig und meist gar nicht von Bedeutung sind.

In Fluorix Tetra® können folgende Stoffe in solch winzigen Spuren gefunden werden:

Bestandteile von Eiern

Unter anderem Proteine: Die bleiben bei der Trennung der Viren (-Bestandteile) vom Material aus dem Ei übrig. Unglücklicherweise (in diesem Fall) ist unser (adaptives) Immunsystem noch präziser als die moderne Spurenanalytik. So können schon einzelne Proteinmoleküle, die das Immunsystem „in den falschen Hals bekommt“, heftige allergische Reaktionen auslösen.

Menschen, die allergisch auf Ei-Proteine reagieren, können daher nicht mit den üblichen Impfstoffen gegen Grippe geimpft werden und sind deshalb auf Herdenschutz angewiesen!

Gentamicinsulfat

Ein Antibiotikum. Die kommen bei der Virenzucht in Eiern nicht zu knapp zum Einsatz (auch das ist ein Grund dafür, bald einen Ersatz für diese Methode zu finden). Die winzigen Mengen, die mit einer Impfdosis in den Muskel wandern, werden dort aber sicher rasch verstoffwechselt, bevor sie irgendetwas bewirken können.

Formaldehyd

Auch: Methanal, CH2O. Ist als Chemikalie in Flaschen ein ziemlich fieser Geselle (ein giftiges, ätzendes, erbgutschädigendes und krebserzeugendes wasserlösliches Gas).

Formaldehyd entsteht allerdings auch als Stoffwechselabfall im menschlichen Körper (und anscheinend auch in Hühnereiern bzw. beim Zerlegen von Viren). Und das in rauhen Mengen von 50 Gramm (!) pro Erwachsenem am Tag! Da solche Mengen Gift uns natürlich nicht zuträglich wären, baut der Körper diesen Abfall aber ratzfatz ab: Die Halbwertszeit von Formaldehyd im menschlichen Körper liegt bei 90 Sekunden bzw. 1,5 Minuten. Nach dieser Zeit ist von ursprünglichem Formaldehyd also nur noch die Hälfte vorhanden.

Mit einer Impfdosis gelangen nun schätzungsweise 1 bis 200 Mikrogramm Formaldehyd in den Körper. Zum Vergleich: Ein Liter Blut enthält normalerweise 2 bis 3 Milligramm davon. Das ist die 10- bis 1000-fache Menge! Enthält eine Impfdosis tatsächlich solche Spuren von Formaldehyd, fallen die vor dem Hintergrund des natürlichen Formaldehyds im Körper gar nicht auf.

Natriumdesoxycholat

Noch ein Tensid, das beim Virenzerlegen zum Einsatz kommt. Und ein Salz der Desoxycholsäure, einer sekundären Gallensäure, die in der Leber und von bestimmten Darmbakterien für den Einsatz im Fettstoffwechsel hergestellt wird.

Das Anion in diesem Salz ist Steroid-Hormonen sehr ähnlich. Vermutlich wird es deshalb – anders als die oben genannten Emulgatoren – vor der Fertigstellung des Impfstoffs vollständig wieder entfernt. Aber falls doch mal ein paar Ionen zurückbleiben, werden auch die zwischen den natürlichen Steroiden nicht weiter auffallen.

Was in diesem Impfstoff nicht enthalten ist

Nicht auf der Liste und damit nicht im Impfstoff enthalten sind folgende berüchtigte Kandidaten:

  • In irgendeiner Form krank machende Viren oder Virenbestandteile
  • Quecksilberverbindungen wie Thiomersal
  • Aluminiumverbindungen
  • Sonstige Konservierungsmittel (ausser Vitamin E und dem Phosphat-Puffer)

In den heutigen Impfstoffen, die meist als Einzeldosen verpackt und gekühlt auf den Markt kommen, ist generell kein Thiomersal mehr enthalten – weil es gar nicht mehr notwendig ist.

In früherer Zeit kamen solche Konservierungsstoffe zum Einsatz, als Impfstoffe noch in handlichen Flaschen zum vielfachen Aufziehen in die Spritze durch ein Septum ausgeliefert wurden.

Vorratsflasche mit Septum zum Durchstechen: So wird die Grippeimpfung bei uns in der Regel nicht mehr verabreicht (Jim Gathany [Public domain], via Wikimedia Commons )

Solche Flaschen kommen heute allenfalls dann noch zum Einsatz, wenn eine Pandemie droht und die Verteilung des Impfstoffs schnell gehen muss.

Und was ist mit anderen Impfstoffen?

Einen kurzen Blick habe dann doch noch auf die Fachinformation zu einem MMRV-Impfstoff (Priorix Tetra, neueste Zulassung in Österreich 2010): Masern-Mumps-Röteln-Windpocken) geworfen. Der wird tatsächlich in Durchstechflaschen vertrieben, allerdings in Pulverform, mit einem Lösungmittel (Wasser), das direkt vor der Benutzung dazugespritzt wird.

So kommt der MMR(V)-Impfstoff Priorix in den Handel: Im Fläschchen links das Impfstoff-Pulver, in der Einwegspritze Wasser als Lösungsmittel, und zwei Kanülen, die auf Spritzen aus dem Bestand jeder Arztpraxis passen (Dctrzl [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons ).

Es handelt sich um einen Lebendimpfstoff, der aus „zahnlosen“ Viren besteht, die wiederum in Zellkulturen gezüchtet werden (Masern und Mumps in embryonalen Hühnerzellen, weshalb Probleme für Ei-Protein-Allergiker auch hier nicht ganz ausgeschlossen werden können).

Darüber hinaus ist in diesem Impfstoff sogar noch weniger drin als im Grippe-Impfstoff. Neben den vier Virenstämmen nämlich Lactose (Milchzucker), die Süssstoffe Sorbitol und Mannitol (irgendetwas braucht man wohl als Trägersubstanz für die Viren) und verschiedene natürliche Aminosäuren. Ausserdem können Spuren des Antibiotikums Neomycin (auch Zellkulturen kommen nicht ohne Antibiotika aus) enthalten sein.

Auch hier: Kein Thiomersal, keine Aluminiumverbindungen, keine anderen Konservierungsmittel (Pulver halten sich oft besser als Flüssigkeiten).

Fazit

Auch wenn ich mir willkürlich nur einen einzigen Grippe-Impfstoff (und einen MMRV-Impfstoff) herausgegriffen habe, zeigt die Auflistung doch deutlich, dass praktisch alle Schreckensgeschichten über „böse“ Bestandteile von Impfstoffen Mythen sind. Und die Stoffe, die tatsächlich darin sind, sind so verträglich, wie Stoffe nur sein können.

Einzig die Herstellung der Impfstoffe in den Hühnereiern ist ein Wehrmutstropfen – vegan oder vegetarisch sind (die meisten) Grippe-Impfstoffe damit sicherlich nicht. Auch als bekennende Allesesserin drücke ich fest die Daumen, dass wir bis in 5 Jahren Alternativen ohne tote (Vielzeller-)Tiere, Probleme für Allergiker und all zu viel Antibiotikaeinsatz haben werden.

Nichts desto trotz werde ich mich gegen die Grippe impfen lassen, sobald meine Erkältung überstanden ist. Nicht nur um meinetwillen, sondern auch aus Solidarität gegenüber meinen Schülern und ihren Familien (denn als Nachhilfelehrerin und eifrige ÖV-Nutzerin habe auch ich mit vielen Menschen zu tun).

Und was ist mit euch? Habt ihr euch gegen die Grippe impfen lassen? Oder werdet ihr noch?

Experiment für Kinder: Eis schneiden

Kann man einen Eiswürfel zerschneiden? Sicherlich…oder doch nicht? In diesem Experiment könnt ihr durch Eis schneiden, ohne es dabei zu zerteilen. Klingt nach Zauberei? In jedem Fall aber nach der wahrlich zauberhaften Physik von Wasser!

Ein Eiswürfel- Experiment für kalte coole Tage

Mit dem letzten Wochenende kamen die ersten kalten Tage des bevorstehenden Winters. Das ist genau die richtige Zeit für buchstäblich „coole“ Experimente mit Eis und Wasser. Bei beiden handelt es sich natürlich um den gleichen Stoff – einmal fest, einmal flüssig. Und bestimmt wisst ihr auch, bei welcher Temperatur das Wasser am der Erdoberfläche diesen Zustand ändert. Richtig: Bei 0°C schmilzt Eis bzw. gefriert flüssiges Wasser.

Das ist an sich nichts besonderes. Die meisten Stoffe wechseln an der Erdoberfläche bei einer bestimmten Temperatur vom festen zum flüssigen Zustand und zurück. Nur manche Stoffe wie Kohlenstoffdioxid oder Jod werden ohne Umweg vom Feststoff zum Gas (Physiker sagen, diese Stoffe „sublimieren“, anstatt zu schmelzen).

Wasser hat darüber hinaus jedoch eine weitere Eigenschaft, dank derer ihr es für geradezu magische Phänomene und Experimente gut ist. Und ein solches Experiment für Kinder möchte ich euch heute vorstellen: So könnt ihr durch Eis schneiden ohne es zu zerteilen – und dabei nicht nur die Anomalie des Wassers nutzen, sondern auch lernen, wie Schlittschuhe funktionieren.

Ihr braucht dazu

  • Eiswürfel
  • eine Gabel
  • 1,5l-Getränkeflasche mit Inhalt oder ähnliches Gewicht (leichtere gehen auch, aber: je schwerer das Gewicht, desto besser!)
  • dünnen Draht
  • einen Tisch
  • Klebeband (Panzertape hält sehr gut und lässt sich erstaunlich einfach wieder ablösen)
  • einen grossen Behälter (Wanne, Backblech,…)

So geht’s

  • Klebt den Stiel der Gabel so auf dem Tisch fest, dass das Kopfstück mit den Zinken über den Rand der Tischplatte schaut.
Der Gabelstiel ist mit Panzertape an der Tischplatte festgeklebt. So trägt er das 1,5kg - Gewicht locker!
Mit Panzertape hält die Gabel bombenfest und lässt sich nach dem Experiment doch gut wieder lösen.
  • Platziert das grosse Gefäss unter der überhängenden Gabel. Der Boden soll schliesslich nicht nass werden, wenn euer Eiswürfel schmilzt.
  • Wickelt ein Stück Draht so um den Hals der gefüllten (ob mit Wasser oder sonst einem Getränk ist egal) Flasche, dass eine lange Schlaufe absteht.
  • Nehmt einen Eiswürfel aus dem Gefrierfach und legt ihn auf die Zinken der Gabel.
    Hängt die Drahtschlaufe über den Eiswürfel und lasst die daran hängende Flasche vorsichtig los.
  • Wartet einige Minuten ab und beobachtet!
Gabel, Eiswürfel und Wasserflaschen-Gewicht mit Auffangblech am Tisch
Aufbau im Ganzen: Oben an der Tischkante die Gabel mit dem Eiswürfel, darüber der Draht, an welchem die Flasche hängt. Das Backblech unten fängt Schmelzwasser auf – so bleibt der Parkettboden heil.
Im Hintergrund ein Blick hinter die Kulissen: Das Fotozelt – hier Lichtquelle – liefert bei den handlicheren Experimenten in Keinsteins Kiste den weissen Hintergrund!

Was ihr beobachten könnt

Der Draht sinkt langsam nach unten in das Eis. Dabei entsteht jedoch kein Spalt. Stattdessen verfestigt sich das Eis über dem  Draht erneut! Wenn der Eiswürfel nicht zu schnell schmilzt, schneidet sich der Draht den ganzen Weg hindurch – ohne das Eis zu zerteilen!

Sicht von vorne: Der Draht ist vollständig in den Eiswürfel eingesunken.
Nach einigen Minuten ist der Draht komplett in den Eiswürfel eingesunken!

Tipp: Je kühler die Umgebungsluft, desto weniger schnell schmilzt der Eiswürfel weg. Wenn es im  Zimmer zu warm ist, könnt ihr das Experiment ebenso gut im Garten oder auf dem Balkon machen. Je nachdem, wo ihr das Experiment aufbaut, braucht ihr dann auch kein Auffanggefäss für das Schmelzwasser.

Eiswürfel frei schwebend auf der Drahtschlaufe: Runterfallen ist unmöglich!
Der Beweis: Hier halte ich nur die Flasche fest! Der Eiswürfel ist wie eine Perle auf dem Draht „aufgefädelt“ und schwebt somit abseits der Gabel frei.

Was passiert da?

Um Eis zu schmelzen ist Energie nötig (das könnt ihr mit diesem Experiment deutlich machen). Wenn man einen Stoff schmelzen möchte, führt man diese Energie normalerweise in Form von Wärme zu. Wasser – und das macht diesen Stoff so einzigartig – kann allerdings auch durch Druck zum Schmelzen gebracht werden.

Die Gewichtskraft, die auf die Flasche wirkt (und einer Masse von mindestens 1,5kg bei Erdanziehung auf Bodenhöhe entspricht), zieht den Draht nach unten. So übt er an der Auflagefläche Druck auf das Eis aus und lässt es unter dem Draht schmelzen.

Wie kann Druck zum Schmelzen von Eiskristallen führen?

Wasser ist ein ganz besonderer Stoff. Während die Dichte (die Masse eines bestimmten Volumens) der meisten Stoffe um so grösser wird, je kälter die Stoffe werden, hat Wasser bei +4°C die grösste Dichte.

Das heisst, ein Kilogramm Wasser bei 4°C braucht nicht nur weniger Platz als ein Kilogramm Wasser bei 20°C, sondern auch weniger als ein Eisblock von einem Kilogramm Gewicht (der höchstens 0°C warm sein kann). Dass Eis „grösser“ ist als flüssiges Wasser, könnt ihr übrigens mit diesem Experiment zeigen: Eis wächst!

Wirkt ein Druck auf einen Stoff, wird dieser – wenig überraschend – zusammengedrückt. Die meisten Stoffe brauchen unter hohem Druck als Feststoffe am wenigsten Platz. Da Wasser jedoch als Flüssigkeit am „kleinsten“ ist, wird es unter Druck flüssig – und das erst noch, ohne besonders warm zu werden. Denn denn wenigsten Platz braucht es ja bei nur 4°C oberhalb seines Schmelzpunktes.

Die Moleküle von flüssigem Wasser sind – anders als im Eiskristall – weitestgehend frei beweglich. So gelangen sie um den Draht herum, der somit nach unten auf das verbleibende Eis sinkt und es weiter schmelzen kann. Auf diese Weise „schneidet“ sich der Draht durch den Eiswürfel.

Warum friert der Spalt über dem Draht wieder zu?

Sobald das flüssige Wasser einen Weg um den dünnen Draht herum gefunden hat, steht es kaummehr unter Druck (der Atmosphärendruck ist natürlich noch vorhanden, spielt hier aber keine massgebliche Rolle). So kann es sich wieder auf seine ursprüngliche Grösse ausdehnen. Da zum Ausdehnen Energie aufgewendet werden muss, kühlt die unmittelbare Umgebung dabei ab, und das Wasser oberhalb des Drahtes wird wieder zu festem Eis.

Schlittschuhspass dank der Anomalie des Wassers

Diese besondere Fähigkeit des Wassers habt ihr wahrscheinlich schon genutzt, ohne es zu wissen. Auf diese Weise funktionieren nämlich Schlittschuhe: Die Kufen üben Druck auf das Eis aus, sodass dessen Oberfläche direkt unter ihnen schmilzt. So entsteht ein dünner Film aus beweglichen Wassermolekülen, auf welchem eure Schlittschuhe fast ohne Reibungswiderstand über das Eis gleiten können!

Dabei müsst ihr euch keine Sorgen machen, dass eure Eisfläche durch das Schlittschuhlaufen wegschmilzt. Denn sobald eure Kufen weiter geglitten sind, kann sich das darunter zusammengedrückte Wasser wieder ausdehnen und gefrieren. Wenn ihr das nächste Mal auf der Eisbahn seid, achtet darauf: So lange die Lufttemperatur nicht übermässig hoch ist, werdet ihr keine flüssigen, sondern allenfalls fest wirkende Spuren hinterlassen.


Entsorgung

Wenn ihr die Eiswürfel aus Leitungswasser gemacht habt, könnt ihr das Schmelzwasser nachher wie Leitungswasser verwenden: In den Ausguss geben, die Blumen damit giessen,… Den Inhalt der Getränkeflasche könnt ihr selbstverständlich trinken – und damit zum Beispiel auf den gelungenen Versuch anstossen ;).

Sollte das Klebeband Rückstände auf dem Tisch hinterlassen, können Lösungsmittel wie Brennsprit/Spiritus (Ethanol), Fleckbenzin oder Aceton bei der Entfernung helfen. Testet vorher immer, ob eure Tischoberfläche sich mit dem Lösungsmittel eurer Wahl verträgt! Mein Panzertape habe ich übrigens ganz ohne Rückstände von der matt lackierten Holzplatte lösen können.

Nun wünsche ich euch viel Spass beim Experimentieren! Erzählt doch mal, wie das Experiment bei euch funktioniert – oder von euren Beobachtungen beim Schlittschuhlaufen!

Hast du das Experiment nachgemacht: 

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Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!

Guter Duft in reiner Luft? Wie Lufterfrischer funktionieren

Wer kennt sie nicht, die Lufterfrischer in der Fernsehwerbung? In welcher Zaubermittel aus Sprühflaschen kommen und unangenehme Gerüche ganz einfach einhüllen und verschwinden lassen? ‚Ganz einfach‘, wie die Dinge in der Werbung nun mal sind. Und neu jetzt auch die Duftkerze oder -lampe von der gleichen Firma, um den lästigen Geruch auch gleich durch ein angenehmes, zum Beispeil weihnachtliches Aroma zu ersetzen…

Dieser Beitrag ist Teil des Adventskränzchen 2019!
Das Tagesthema ist „so duftet Weihnacht“ – hier mit meiner Erweiterung „…auch weihnachtlich“.
Weitere Beiträge zum Tagesthema findet ihr auf:
www.marie-theres-schindler.de
http://cosmic-blue.jimdofree.com
https://www.wanderingmind.de
www.diekunstdesbackens.com
https://allthewonderfulthings.de/
https://das-leben-ist-schoen.net

Grundsätzlich bin ich Werbeversprechen gegenüber ja erstmal skeptisch..besonders wenn es darin um chemische Vorgänge geht, die meinem Chemiker-Alltagsempfinden zu widersprechen scheinen. Zum Beispiel Moleküle, die einfach so verschwinden sollen. Aber ein näherer Blick hat mir offenbart: Mit einem tiefen Griff in ihre Trickkiste haben Chemiker auch das wirklich hinbekommen! Nun ja, mit gewissen Einschränkungen – die Naturgesetze wollen schliesslich geachtet werden.

Heute möchte ich euch zeigen: Wie funktionieren eigentlich Lufterfrischer? Welche verschiedenen Produktgruppen für eine angenehme Raumluft gibt es? Was taugen die tatsächlich? Können sie uns vielleicht sogar schaden? Und wie funktionieren die gängigen Hausmittel?

Was sind eigentlich Gerüche?

Gerüche sind Moleküle, die an die Geruchszellen in unserer Nase binden und diese dazu bewegen können, einen elektrischen Impuls an das Gehirn zu schicken. Letzteres verarbeitet dieses Signal dann zu einer Geruchswahrnehmung und gleicht sie mit seinen Geruchserinnerungen ab. Kennen wir dieses Molekül, oder ist es uns neu?

Dabei benötigt jede Molekülsorte ihre ganz eigene Andockstelle, um von uns gerochen werden zu können. Wenn ein Stoff geruchlos ist, heisst das also nur, dass wir keine passenden Geruchssensoren für seine Moleküle haben.

Der Geruchssinn ist also ein perfektes Beispiel dafür, dass unser Leben ‚ohne Chemie‘ unvorstellbar ist. Sobald wir etwas riechen, ist da Chemie am Werk – ob es nun zarter Rosenduft oder der scharfe Toilettenreiniger ist.

Dabei ist diese Chemie uns äusserst nützlich: Ein Geruch, der von Menschen generell als unangenehm empfunden wird, weist häufig auf eine Gefahr hin. So ist entweder der stinkende Stoff selbst giftig, oder seine Erzeuger – namentlich Mikroben – können uns möglicherweise gefährlich werden. Der Impuls, vor Gestank davon zu laufen, lässt uns also Abstand von Gefahrenquellen halten.

Erfahrungen versus Instinkte

Zusätzlich zum instinktiven Riecher für Gefahren verbinden wir jedoch auch Erfahrungen mit Gerüchen. Und die können durchaus dem Instinkt entgegen gerichtet sein. In meiner – im positiven Sinne – aufregenden Zeit im anorganischen Praktikum hatten wir im Labor viel mit Schwefelwasserstoff (H2S), einem hochgiftigen Gas, das schon in kleinsten Mengen nach faulen Eiern stinkt, zu tun.

Seit dieser Zeit empfinde ich den unverfälschten Geruch kleinerer Mengen Schwefelwasserstoff nicht mehr als Gestank – weil ich damit erfreuliche Erfahrungen verbinde. Allerdings haben wir im Labor auch gelernt, dass Schwefelwasserstoff giftig ist, sodass ich bewusst das Weite suche, wenn mir sein Geruch begegnet.

Umgekehrt habe ich von Leuten gehört, die Lavendelaroma – für den Menschen in der Regel harmlos und von vielen als sehr angenehm empfunden – mit dem Wäscheschrank der strengen alten Tante verbinden und so bei der Begegnung mit Lavendelduft von Fluchtimpulsen geplagt werden.

Wie kann man gegen unangenehme Gerüche vorgehen?

Die beste Waffe gegen Gerüche in Räumen ist in meinen Augen: Geruchsquelle beseitigen, dann kurz und kräftig lüften.

Nur ist das Beseitigen mancher Geruchsquellen leider gar nicht so einfach. Deshalb haben findige Chemiker und Ingenieure eine ganze Reihe weiterer Helferlein zur Geruchsbekämpfung ersonnen.

Da Gerüche Eigenschaften von Molekülen sind, die wir mit der Luft einatmen, haben wir eine Vielzahl von Produkten entwickelt, um mit „stinkigen“ Molekülen in unserer Raumluft fertig zu werden. Grundsätzlich lassen sich diese Helfer aber in vier grosse Gruppen einteilen.

So kann man gegen Gerüche vorgehen, indem

– man Unangenehmes mit Angenehmem überdeckt

Sogenannte Lufterfrischer geben Moleküle an die Luft ab, die wir als angenehm empfinden. So soll unsere Nase beschäftigt und von bestenfalls weniger häufig vertretenen unangenehmen Molekülen abgelenkt werden.

Zu den Lufterfrischern zählen Duftkerzen, Duftspray (z.B. von der Marke „Brise“), Parfums, Weihrauch, ätherische Öle und viele andere Produkte.

Nachteile von Lufterfrischern

Lufterfrischer beseitigen unangenehme Gerüche und ihre Ursachen nicht. Eine mögliche Gefahrenquelle bleibt also erhalten.

Zudem macht uns unser Gehirn bei dieser Methode zuweilen einen Strich durch die Rechnung. Empfängt es nämlich über längere Zeit (das heisst wenige Minuten!) einen gleichbleibenden Geruchsimpuls von der Nase, blendet es diesen bis zur nächsten Veränderung als unwichtig aus. Unabhängig davon, ob wir ihn als Duft oder Gestank wahrnehmen. Im ungünstigen Fall blendet das Gehirn so den Duft der gleichmässig brennenden Aromalampe aus, während der Gestank, den sie überdecken sollte, sich durch Luftbewegungen immer wieder leicht verändert.

Es sind also über längere Zeit hinweg grössere – möglichst leicht schwankende – Dosen Lufterfrischer nötig, um gegen unangenehme Gerüche anzukommen. Das erscheint mir auch deshalb bedenklich, weil praktisch jeder Duftstoff das Potential hat, Allergien auszulösen (Stoffgemische wie ätherische Öle enthalten besonders viele Kandidaten dafür!).

Bei Duftsprays kommt hinzu, dass darin meist Propan und/oder Butan („Campinggas“) als Treibgase enthalten sind. Diese Gase gehören zu den leichtesten Vertretern der Erdöl-Bestandteile (weshalb sie gasförmig und daher letztlich dem Erdgas zuzuordnen sind). Die sind zwar wesentlich unkritischer als die berüchtigten FCKW (FluorChlorKohlenWasserstoffe), aber nichts desto trotz wirksamere Treibhausgase als CO2. Offiziell als solche gelistet, sind sie zwar nicht, weil sie in der Atmosphäre zu selten sind und mit Methan in Sachen Wirksamkeit nicht konkurrieren können, aber das ist in meinen Augen kein Grund, sie unkritisch in die Luft zu sprühen.

Was ihr bei der Anwendung von Lufterfrischern beachten solltet

Persönlich halte ich von der Überdeckung von Gerüchen am wenigsten, weil sie so wenig effizient und mit erheblichen Nachteilen behaftet ist. Wenn ihr trotzdem nicht darauf verzichten oder einfach einen gut gelüfteten Raum mit Duft „dekorieren“ möchtet:

  • Klärt vorher ab, dass keiner der Bewohner (oder ggfs. auch regelmässigen Besucher) des Haushalts allergisch auf einen der Bestandteile eures Wunschduftes reagiert oder eine schlechte Erfahrung damit verbindet. Vergesst dabei auch eure Haustiere nicht!
  • Falls eine allergische Reaktion erst beim Ausprobieren des Lufterfrischers auftritt, seid bereit, das Produkt zu wechseln oder bestenfalls ganz darauf zu verzichten.

– man unangenehm riechende Moleküle einfängt („neutralisiert“)

Sogenannte Duftneutralisierer werden in den Werbespots, die mich so skeptisch reagieren liessen, beworben. Solche Produkte enthalten häufig Cyclodextrine (z.B. die der Marke „Febreze“) oder auch Triethylenglykol (TEG). Und diese Stoffe stammen tief aus der Trickkiste der Chemiker.

Strukturformel von beta-Cyclodextrin: 7 Traubenzucker-(Glucose-)ringe sind zu einem grossen Ring verbunden (Stanisław Skowron [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons)

Cyclodextrine sind Ringe aus aneinander gebundenen Traubenzucker-Molekülen (Wenn man Traubenzucker-Moleküle zu langen offenen Ketten verbindet, ist das Ergebnis Stärke. Wenn man Stärke in kurze Stücke schneidet und die zu Ringen schliesst, erhält man ein Cyclodextrine). Die Innenseite dieser Ringe lässt sich mit Fetten, aber nicht mit Wasser mischen. Bei der Aussenseite verhält es sich genau umgekehrt. Die lässt sich mit Wasser mischen, aber nicht mit Fetten.

beta-Cyclodextrin als Kalottenmodell
Kalottenmodell von beta-Cyclodextrin: weisse Halbkugeln (H-Atome) bilden fettliebende Flächen, rote Halbkugeln (O-Atome) dazwischen stehen für wasserliebende Bereiche. Die Innenfläche des Rings ist weiss, also fettliebend, während die roten Bereiche aussen liegen und den Ring als Ganzes mit Wasser mischbar machen.

So sind Cyclodextrine einerseits wasserlöslich, bieten in ihrem Inneren andererseits ein lauschiges Plätzchen für fettliebende Moleküle. Zu diesen gehören viele aromatische Verbindungen. Diese Verbindungsklasse, die sich durch eine gemeinsame Besonderheit ihrer Moleküle auszeichnet (meistens ist darin mindestens ein „Benzolring“ zu finden), erhielt ihren Namen, weil ihre Vertreter in der Regel riechen – eben aromatisch sind.

Wenn diese Aromaten und andere anrüchige Fettliebhaber sich in ein Cyclodextrin verirren, bleiben sie leicht darin hängen. Und von einem Cyclodextrin-Ring umgeben können die Stinker nicht mehr an unsere Geruchszellen andocken. So können wir sie nicht mehr riechen.

Vorteile von Duftneutralisieren gegenüber reinen Lufterfrischern

Die riechenden Moleküle werden tatsächlich „kaltgestellt“, d.h. sie sind für uns nicht mehr wahrnehmbar. So kann uns auch das Gehirn keinen Strich durch die Rechnung machen. Cyclodextrine gelten zudem als ungiftig, nicht zuletzt, da wir sie im Gegensatz zu Stärke nicht verdauen können (beta-Cyclodextrin, ein Ring aus 7 Glucosemolekülen, ist sogar als Lebensmittelzusatzstoff unter der Nummer E 459 zugelassen). Auch beim Einatmen gelten unveränderte Cyclodextrine als unbedenklich.

Nachteile von Duftneutralisierern

Duftneutralisierer funktionieren nur bei fettliebenden Geruchsmolekülen. Wasserlösliche Moleküle können damit nicht eingefangen werden.

Die Geruchsmoleküle in der Luft und an Oberflächen werden zwar „unriechbar“, bleiben aber vorhanden. Die Luft wird also nicht wirklich „sauberer“. Durch gründliches Lüften nach der Anwendung lassen sich die Geruchs-Cyclodextrin-Verbindungen aber ebenso aus der Wohnung schaffen wie alle anderen Moleküle.

Neben den unbedenklichen Cyclodextrinen sind in Industrieprodukten stets eine Reihe weiterer, unter Umständen weniger harmlose Stoffe enthalten: Lösungsmittel, Konservierungsstoffe, Parfum,… Die atmen wir auch mit ein oder bekommen sie auf die Haut (wenn wir behandelte Textilien benutzen). Auch mit Oberflächen können diese Stoffe in mitunter überraschender Weise reagieren, zeigt nicht zuletzt ein schon etwas länger zurückliegende Testbericht der deutschen Stiftung Warentest.

Was ihr bei der Anwendung von Duftneutralisierern beachten solltet

Der Trick mit den „molekularen Zuckertüten“ für stinkige Moleküle scheint zu funktionieren. Dennoch bin ich persönlich als Reinstoff-Liebhaberin gerade mit Industrieprodukten, die zusätzlich Duftstoffe enthalten, sparsam und verwende keine Duftneutralisierer. Wenn ihr das aber tun möchtet:

  • Verwendet Textilauffrischer und andere Duftneutralisierer zum Sprühen möglichst in gut gelüfteten Bereichen. So könnt ihr die eingefangenen Stinker gleich nach draussen schaffen.
  • Testet vor der grossflächigen Verwendung an einem kleinen, wenig sichtbaren Bereich, ob eure Oberfläche der Behandlung standhält.
  • Behaltet im Auge, ob irgendeiner der Bewohner (oder regelmässigen Besucher) das Produkt womöglich nicht verträgt (und im schlimmsten Fall allergisch reagiert). Sollte das der Fall sein, verzichtet sofort darauf.

– man unangenehm riechende Stoffe biologisch abbauen lässt

Sogenannte Geruchskiller enthalten Mikroorganismen, meist Bakterien, die spezielle organische Geruchsquellen mit Hilfe ihrer Enzyme verdauen können. Übelriechende Stoffe werden von solchen Bakterien abgebaut und verstoffwechselt, sodass auch und vor allem die Ursache des Gestanks beseitigt werden kann! Und das überall dort, wohin eine Flüssigkeit einsickern kann – z.B. tief in Textilien und Polstern.

Nachteile von Geruchskillern

Von allen Mitteln sind diese am wenigsten universell einsetzbar. Vielmehr müssen die passenden Bakterien für die jeweilige Geruchsquelle gefunden werden. Für unsere Lieblingsfeinde in der Geruchswelt – zum Beispiel Tabakrauch oder Tierurin – gibt es spezielle Produkte im Fachhandel. Aber nicht alle Gerüche können auf diese Weise beseitigt werden.

Bakterien brauchen überdies Zeit zum Fressen und Verdauen. Beim Einsatz von Geruchskillern ist also Geduld gefragt. Dafür sollte am Ende die Geruchsquelle ganz verschwunden sein.

Auch biologische Geruchskiller mit Mikroben können Duft- und Konservierungsstoffe enthalten. Benutzt sie also genauso umsichtig wie andere Industrieprodukte auch.

Was ihr bei der Anwendung von Geruchskillern beachten solltet

Unter allen Produkten gegen schlechte Luft sind mir diese noch am sympathischsten, weil sie die Geruchsquelle sauber beseitigen können. Und die Bakterien darin sind erst noch ungefährlich für uns Menschen. Beachtet dennoch folgendes, wenn ihr sie verwenden möchtet:

  • Lasst eurem Geruchskiller Zeit, seine Wirkung zu tun. Das kann schnell einmal Tage dauern. Aber dann ist die Geruchsquelle auch wirklich weg.
  • Behaltet – wie bei allen anderen Industrieprodukten – allfällige allergische Reaktionen der Haushaltsmitglieder im Auge.

– man überlriechende Moleküle durch Luftionisierung in Bruchstücke zerlegt

Luft-Ionisatoren sind elektrische Geräte, die mit Hilfe von elektrischer Spannung Luftmoleküle in geladene Teilchen – Ionen – zerlegen. So entstehende Sauerstoff-Ionen reagieren weiter zu Ozon (O3), einem aggressiven Oxidationsmittel. Ozon greift viele andere Moleküle – auch die Stinker unter ihnen – leicht an und zersetzt sie.

Dazu kommt, dass die Ionen Staub-Partikel anziehen, sodass diese sich zu Clustern zusammenfinden und so leichter aus der Luft gefiltert werden können.

Ionisatoren gibt es heutzutage in allen Grössen und Leistungsleveln, vom Mini-Gerät für den Zigarettenanzünder oder USB-Port im Auto über handliche Tischgeräte bis hin zum Bestandteil von Raumluft-Aufbereitern industriellen Massstabs.

Vorteile von Luftionisierung

Ozon ist ein Gas aus sehr kleinen Molekülen, die sich leicht im Raum verteilen und sogar tief in Textilien eindringen können, um dort ihr Werk zu verrichten. So besteht zumindest die Chance, dass sie auch die Quelle eines Geruchs erreichen.

Nachteile der Ionisierung von Luft

Ozon in der Atemluft ist bekanntlich gesundheitsschädlich (so ist es nicht überraschend, dass es schon in sehr kleinen Mengen einen unangenehmen Eigengeruch hat). Zudem greift es seine Reaktionspartner ziemlich willkürlich an, sodass bei der Zersetzung von Geruchsstoffe eine unübersichtliche Palette neuer Stoffe entstehen kann. Besonders aus Tabakrauch können dabei laut der Deutschen Lungenstifung Stoffe entstehen, die gefährlicher als der ursprüngliche Rauch sein können!

Ausserdem verursachen elektrische Geräte laufend Energiekosten.

Was ihr bei der Anwendung von Ionisatoren beachten solltet

Obwohl sie das Übel mehr oder weniger an der Wurzel anfassen, also im besten Fall einen Geruch samt Ursache beseitigen können, sind die Erzeugnisse von Luftionisatoren nicht unbedingt gesund. Wenn ihr sie dennoch verwenden möchtet:

  • Setzt sie nicht zur Bekämpfung von Zigarettenrauch ein.
  • Verwendet sie, wenn möglich, in gerade nicht benutzen Räumen und lüftet danach gut. So werdet ihr auch die Zersetzungsprodukte und das Ozon los.
  • Grössere Luftaufbereitungsanlagen verbinden Ionisatoren häufig mit anderen Vorrichtungen wie Filtern, UV-Licht und mehr, sodass sie die Zersetzungsprodukte bestenfalls gleich beseitigen können.

– man übelriechende Moleküle und ihre Quellen „mechanisch“ wegschafft

Mein absoluter Favorit bei der Geruchsbekämpfung: Die Ursache finden und beseitigen (wegtragen, auswaschen, sauber machen,…) – und dann kräftig durchlüften.

Vorteile

Blosses Lüften (kurz und kräftig) und das effektive Beseitigen von Geruchsquellen ist meistens und gerade auf Dauer kostengünstig. Ausserdem werden weder zusätzliche Stoffe eingebracht (abgesehen von allfälligen Reinigungsmitteln bei der Ursachenbeseitigung) noch neue, unberechenbare Abbauprodukte erzeugt.

Nachteile

Erfordert Arbeit und unter Umständen etwas Beharrlichkeit, um die tatsächliche Geruchsquelle zu finden.

Und dann gibt es ja noch eine ganze Reihe von Hausmitteln zur Geruchsbekämpfung.

Wie und bei welchen Gerüchen funktionieren Hausmittel als Lufterfrischer?

  • Backpulver/Natron: sind basisch und reagieren mit sauren Geruchsstoffen (z.B. ranziges Fett, verdorbene Lebensmittel) zu weniger stinkigen Produkten
  • Kaffeepulver/Kochsalz: ziehen Feuchtigkeit aus der Luft, sodass sie Gerüche eindämmen, die bei hoher Luftfeuchtigkeit besonders gut tragen. Ausserdem manipuliert Kaffeepulver vermutlich in noch unerforschter Weise unsere Geruchswahrnehmung im Gehirn.
  • Essig: tötet Bakterien und Pilze. Essig beseitigt somit die Quellen von Gerüchen, die durch Mikroben verursacht werden (und die sind darin wirklich gut!). Der Eigengeruch überdeckt zudem andere Gerüche.
  • Zitronensäure: ist ein Reduktionsmittel („Antioxidans“). Zitronensäure kann übelriechende Moleküle möglicherweise zu weniger riechenden Molekülen reduzieren, ausserdem wird der Eigengeruch oft angenehmer wahrgenommen als der von Essig
  • Katzenstreu: Besteht oft aus Zeolithen oder anderen „porösen“ Stoffen, die wie die Cyclodextrine stinkige Moleküle (z.B. Katzenurin) in ihren Hohlräumen einfangen. Mehr über Zeolithe könnt ihr hier in Keinsteins Kiste nachlesen.

Fazit

Gerüche sind Eindrücke unseres Gehirns von der Beschaffenheit von Molekülen. Wenn solche Moleküle in unsere Nase finden und dort an einen passenden Geruchssensor binden, übersetzt dieser den Kontakt in einen elektrischen Impuls, den unser zu einer Geruchswahrnehmung interpretiert und mit seinen Erfahrungen verarbeitet.

Ein Geruch, den wir Menschen allgemein als unangenehm wahrnehmen, ist nicht selten eine Warnung vor einer möglichen Gefahr. Darüber hinaus können fiese Gerüche in unserem Alltag schnell sehr lästig werden.

Die beste Waffe gegen unliebsame Gerüche ist und bleibt das Entfernen der Geruchsquelle, gefolgt von kräftigem Durchlüften. Beim Entfernen einiger Geruchsquellen aus schwer zugänglichen Bereichen wie Polstern können biologische Geruchskiller helfen, brauchen aber Zeit.

Schnelle Abhilfe können Geruchsneutralisierer schaffen, wie sie in bekannten Textilerfrischern zum Aufsprühen enthalten sind.

Für am wenigsten zielführend halte ich Lufterfrischer, die andere Gerüche nur überdecken sollen. Solche beseitigen weder die Geruchsursache noch machen sie die Luft in irgendeiner Weise „sauberer“ – eher ist das Gegenteil der Fall.

Während ich beim Durchlüften bleibe…wie geht ihr eigentlich gegen lästige Gerüche vor?

Wie entstehen Kondensstreifen? Zwischen Naturphänomen und Chemtrails

Die Sommerferien rücken näher und viele von uns ergreift das Fernweh. Dann wandert der Blick zum Himmel und den Flugzeugen hinterher… mitsamt ihrer weissen Kondensstreifen. Im Netz kursieren die wildesten Verschwörungstheorien, die die wolkig-weissen Bänder zu „Chemtrails“ aufbauschen. Meist sind es Regierungen, Militärs oder Industrien, die Verkehrsflugzeuge „missbrauchen“ sollen, um – aus welchem Grund auch immer – vorsätzlich Chemikalien in der Luft und damit über uns ausbringen würden.

Mein Leser Rene ist da zu Recht skeptisch. Und fragt, wie Kondensstreifen tatsächlich entstehen.

Wer sich jetzt fragt, ob es sich dabei tatsächlich um „Chemtrails“ handeln könnte, dem sei gesagt: Jain!

Was kommt aus Flugzeugturbinen heraus?

Alle grösseren Flugzeuge fliegen heute mit Kerosin. Oder besser Kerosinen. Denn „Kerosine“ bezeichnet eine ganze Gruppe von Stoffgemischen aus Kohlenwasserstoffen mit meist 8 bis 13 Kohlenstoffatomen. Diese Moleküle sind also nur wenig grösser (und damit schwerer) als die des Benzins für Autos.

Wie letzteres wird auch Kerosin aus Erdöl gewonnen. So bleibt es nicht aus, dass im Kerosin neben den „einfachen“ Kohlenwasserstoffen auch sogenannte „aromatische“ Kohlenwasserstoffe wie Benzol enthalten sind. Dazu kommen weitere organische Stoffe – sogenannte Additive – die besondere Eigenschaften haben. Zum Beispiel eine antioxidative – also reduzierende – Wirkung, die den Flugzeugmotor vor Korrosion schützen soll.

Verbrennung von Kohlenwasserstoffen

Eines haben all diese Stoffe jedoch gemeinsam: Sie sind allesamt organische Verbindungen, bestehen also vornehmlich aus Kohlenstoff und Wasserstoff. Und damit verbrennen sie im Flugzeugmotor auf die gleiche Weise:

Die Gleichung beschreibt die vollständige Verbrennung von organischen Verbindungen am Beispiel von Octan: Dabei entstehen stets Kohlenstoffdioxid und Wasserdampf.

Weitere Verbrennungsprodukte

Manche Kerosinbestandteile enthalten zusätzlich Schwefelatome (trotz Entschwefelung bleiben immer ein paar übrig). Aus solchen Molekülen entsteht bei der Verbrennung das Gas Schwefeldioxid (SO2) – das mit Wasser zu schwefliger Säure (H2SO3) weiterreagieren kann.

Mit mehr Sauerstoff kann es ausserdem zu Schwefeltrioxid (SO3) weiterreagieren, aus welchem wiederum mit Wasser Schwefelsäure entstehen kann.

Zudem werden nicht alle Moleküle vollständig verbrannt, sodass immer ein paar Kohlenwasserstoff-Trümmer zurückbleiben. Diese Trümmer kennen wir von Kerzenflammen als Russ – und im Abgas von Verbrennungsmotoren als „Feinstaub“.

Alles in allem entstehen in Flugzeugmotoren Abgase, die mit denen von Automotoren vergleichbar sind. Einschliesslich der durch die Verbrennung von Luftstickstoff entstehenden Stickstoffoxide NOx, die hier aber keine Rolle spielen.

Was passiert mit den Abgasen?

Kohlenstoffdioxid ist ein Gas mit Sublimationspunkt (hier wird festes CO2 direkt zu CO2-Gas) bei -78°C bei Atmosphärendruck. Bei niedrigerem Druck in grosser Höhe liegt er noch niedriger. Wasser ist bei über 100°C (Atmosphärendruck) ein Gas, zwischen 0°C und 100°C flüssig und bei unter 0°C fest. Auch der Siedepunkt von Wasser liegt bei geringerem Druck deutlich niedriger, aber nicht entscheidend niedrig.

Auf der Reiseflughöhe von Verkehrsflugzeugen, also etwa 8000 bis 11000 Meter über dem Meer, ist es -40°C bis -60°C kalt. Das könnt ihr während eures nächsten Fluges selbst an eurem Sitz-Bildschirm ablesen.

Das CO2 bleibt auch bei solch niedrigem Druck und niedriger Temperatur ein Gas und verliert sich in der Atmosphäre. Der Wasserdampf kondensiert dagegen schnell und gefriert anschliessend zu Eiskristallen. Oder er resublimiert direkt vom Gas zu Eis. Auf diese Weise entstehen in der Natur Wolken!

Für einen Eiskristall braucht es jedoch immer einen Anfang, der den Mittelpunkt bildet (wenn es im Winter schneit, könnt ihr euch diese filigranen Gebilde unter dem Mikroskop anschauen). Einen solchen „Anfang“ nennen Chemiker „Kristallisationskeim“. Und hier kommen die Schwefeloxide und die Feinstaubpartikel aus dem Flugzeugabgas ins Spiel. Die geben nämlich wunderbare Kristallisationskeime ab.

So kristallisiert an ihnen nicht nur das Wasser aus dem Abgas (das reicht für die Kondensstreifen nicht aus), sondern vor allem die Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft! Wenn es denn welche hat. In grosser Höhe ist das oft der Fall: Hier sind Luftfeuchtigkeiten bis 200% möglich!

Kondensstreifen sind Wolken

Kondensstreifen sind also „Wolken“ aus natürlicher Luftfeuchtigkeit, die von ganz normalen Flugzeugabgasen angeregt entstehen!

Je nach Wetterlage in Reiseflughöhe entstehen diese Wolken entweder gar nicht (es ist zu trocken), sie verschwinden binnen Sekunden/Minuten wieder (es ist nur wenig feucht), oder sie bleiben stundenlang am Himmel sichtbar, wobei sie immer weiter zerfasern und breiter werden (wenn es reichlich feucht ist).

Dann bekommen sie von den Wetterforschern sogar einen eigenen Namen: „Homomutatus“ – lateinisch in etwa für „menschengemachte Veränderung“. Zudem werden sie in die Gruppe der als Schlechtwetterwolken bekannten „Cirrus-„, also Federwolken eingeordnet.

Kondensstreifen als Wetter-Vorboten

Wie die bleibende Kondensstreifen bzw. Homomutatus-Wolken entstehen auch die natürlichen Cirrus-Wolken, wenn es in grosser Höhe feucht und kalt ist. Und das kommt vor, wenn das Wetter umschlägt. So können Homomutatus-Wolken ebenso wie ihre natürlichen Vettern Anzeichen für ein aufziehendes Tiefdruckgebiet, also schlechtes Wetter sein.

Kondensstreifen bzw. Homomutatus- und natürliche Cirrus - Wolken
Eine Wetterlage mit natürlichen Federwolken begünstigt auch die längere Erhaltung von Kondensstreifen bzw. Homomutatus-Wolken

Manche Menschen – besonders solche, die schon ein paar mehr Jahre gelebt haben – fragen sich, warum es heute mehr Homomutatus-Wolken zu geben scheint als früher. Die Beobachtung ist sicherlich nicht falsch. Denn es gibt nicht nur mehr Flugzeuge als früher, sondern dank des Klimawandels auch weniger stabiles Wetter und damit mehr aufziehende Tiefs. So ergeben sich mehr Gelegenheiten für die Entstehung bleibender Kondensstreifen. So kann der Himmel in luftverkehrsreichen Gebieten an solchen Tagen schon einmal regelrecht gemustert aussehen:

Kondensstreifen bilden fast rechtwinklige Karrees am Himmel: Das Himmelsstrassennetz wird sichtbar!
Auch am Himmel gibt es festgelegte Verkehrswege. Bei entsprechender Witterung werden die an luftverkehrsreichen Orten als Kondensstreifen-Muster am Himmel sichtbar.

Können Kondensstreifen das Klima beeinflussen?

Wenn sie als Homomutatus länger am Himmel bleiben ja. Denn wie natürliche Cirrus-Wolken reflektieren sie einen Teil der Sonneneinstrahlung zurück ins All (Albedo-Effekt), sodass es darunter kühler wird. Dafür reflektieren sie ebenso einen Teil der Wärmestrahlung vom Erdboden zurück (Treibhauseffekt), sodass es unter ihnen wärmer wird. Wenn diese beiden Effekte sich nicht aufheben, tragen Kondensstreifen/Homomutatus zur Klimaveränderung bei, die im Zweifelsfall wiederum mehr Kondensstreifen verursacht. Ein Teufelskreis!

Also keine Chemtrails durch geheime operationen?

Wenn man „Chemtrails“ als Spuren von Flugzeugen ausgebrachter Chemikalien definiert, sind Kondensstreifen tatsächlich Chemtrails. Ihre Entstehung liegt allerdings in der Natur eines jeden Verbrennungsmotors: Sie bilden sich durch ganz normale Abgase.

In manchen Situationen werden dennoch besondere Stoffe von Flugzeugen ausgestossen.

Stealth-Technologie

Tatsächlich gibt es Flugzeuge, die zusätzliche Stoffe durch ihre Turbinen gejagt haben sollen. Die dienten aber dazu, die Entstehung von Kondensstreifen zu vermeiden! Zum Beispiel beim B2-Tarnkappenbomber des amerikanischen Militärs.

Die Northrop B-2 Spirit der US Airforce : Der Tarnkappenbomber hinterlässt keine Kondensstreifen. Treibstoffzusätze wie Fluorschwefelsäure oder technische Finessen wie Laserstrahlen sollen es möglich machen.

Es wäre ja auch schön blöd, ein (vor Radarortung) getarntes Flugzeug zu fliegen und anhand des Kondensstreifens am Himmel ganz einfach zu entdecken zu sein. Prof. Blume vermutet, diese Additive könnten Fluorschwefelsäure, perfluorierte Tenside (PFT) wie zum Beispiel die Perfluoroalkylsulfonsäure bzw. -sulfonate sein. Liest sich mit Chemikeraugen alles nicht besonders einladend. Welche Stoffe genau verwendet werden bzw. wurden und wie sie funktionieren ist jedoch – ganz militärisch – streng geheim.

Flugshow mit bunten Himmelsschreibern

Zu Grossanlässen wie Formel-1-Rennen sieht man jedoch manchmal Flugzeuge, die zum Beispiel die Landesflagge des Veranstaltungsortes an den Himmel malen. Dazu produzieren sie sogar ganz bewusst „Chemtrails“: Sie zerstäuben nämlich Paraffinöl (flüssiges Wachs!), ggfs. mit Farbstoffen, das nach der Himmelsshow zu Boden sinkt. Parkiert also nicht euer Auto in der Nähe solcher Flugstrecken – sonst könnt ihr nachher zusehen, wie ihr den Wachs- oder Ölfilm darauf wieder loswerdet!

Keine Kondensstreifen, sondern "Chemtrails": Im Rahmen einer Flugshow "malen" fünf Kampfjets eine rot-weiss-blaue Streifen an den Himmel.
Sind es die Niederländer oder die Franzosen? Im Rahmen einer Flugshow versprühen die Flieger Paraffinöl und Farbstoffe, um die Landesflagge an den Himmel zu „malen“.

Fazit

Die Verschwörungstheoretiker unter euch muss ich leider enttäuschen: Kondensstreifen sind natüriches Wasser, das von ganz normalen Flugzeugabgasen zur Wolkenbildung animiert worden ist. Dafür, etwas anderes anzunehmen, gibt es keinen Anlass.

Dass diese Wolken sowohl vom Klimawandel künden als auch diesen fördern mögen, ist dagegen nicht von der Hand zu weisen. Ebenso wie ganz normale Abgase dem Klimaschutz nicht zuträglich sind.

Wenn das Militär tatsächlich einmal zusätzliche Chemikalien mit Flugzeugen „ausbringt“, dann entweder, um die Entstehung von Kondensstreifen zu vermeiden, oder um uns eine bunte Show zu bieten.

Die Umwelt freut sicher keine der genannten Aktionen (mit Verbrennungsmotor fliegen, mit Additiven gegen Kondensstreifen fliegen, bei Flugshows Paraffinöl versprühen) – aber eine Verschwörung ist als Erklärung dafür nicht nötig!

Und was haltet ihr von Kondensstreifen am Himmel?

Wie entstehen Ebbe und Flut? Was Mond und Sonne mit den Gezeiten zu tun haben

Meine Leserin Christine hat nach den Gezeiten gefragt: Wie kommen Ebbe und Flut zustande? Dazu eine kleine Reise in die Vergangenheit…

Oktober 2001, Nordsee-Insel Juist. Ich habe mit meiner Familie vor Beginn meines Chemiestudiums noch ein paar Tage Ferien am Lieblingsferienort meiner Kindheit verbracht. Oder verbringe sie noch. Denn obgleich unsere Abreise für heute angesetzt war, heisst es von der Fährgesellschaft, die uns aufs Festland bringen sollte: „Wir fahren heute nicht. Zu wenig Wasser im Watt.“

Die Fährverbindung von und nach Juist ist nämlich gezeitenabhängig. Das heisst, das Schiff kann nur dann über das Wattenmeer fahren, wenn genügend Wasser da ist. Gewöhnlich ist das zweimal am Tag der Fall. Nur an jenem Tag machte uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Der Wind sorgte dafür, dass die ohnehin schon niedrige Tide noch niedriger ausfiel. So sind wir dann einen Tag länger im Feriendomizil geblieben. Dann hat die Fährgesellschaft die Überfahrt auf einem Umweg bis fast nach Norderney – schliesslich doch gewagt.

Was sind Gezeiten oder Tiden?

Der Fachbegriff für Gezeiten ist Tiden (Einzahl Tide). Mit Gezeiten meinen wir das Phänomen, dass in vielen (wenn nicht allen) Küstenregionen der Verlauf der Uferlinie bzw. der Meereshöhe über den Tag hinweg mehr oder weniger stark schwankt. Besonders deutlich wird das an der Nordsee, die ein offener, flacher Ausläufer des atlantischen Ozeans ist. Hier fällt zweimal am Tag quadratkilometerweise schlammiger Wattenmeer-Boden trocken! (Im Hafen von Juist unterscheiden sich der höchste und niedrigste Wasserstand um bis zu 3 Meter!)


Auch im Mittelmeer gibt es Gezeiten – die fallen aber nicht so krass aus: Der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser beträgt hier in Chania auf Kreta nur rund 60cm. Auf dem Bild ist der Wasserstand aber eher niedrig. Bei Hochwasser ist das Felseninselchen in der Mitte überflutet!

Ebbe und Flut

So lange der Wasserpegel sinkt bzw. die Uferlinie sich zurückzieht spricht man im deutschen Sprachraum von „Ebbe“. Wenn der Pegel steigt bzw. die Uferlinie sich landeinwärts verschiebt, von „Flut“. Der höchste Pegelstand eines Halbtages ist „Hochwasser“, der niedrigste Pegel „Niedrigwasser“. Die Differenz zwischen Hoch- und Niedrigwasser ist der Tidenhub.

Wohin verschwindet bei Ebbe das Wasser?

Es „verschwindet“ natürlich nirgendwo hin – stattdessen häuft es sich an einem Ort fern der Küste an. Moment – wie kann sich eine Flüssigkeit anhäufen? Die sollte sich doch so gleichmässig wie möglich auf der Erdoberfläche verteilen! Das wegen der Gravitation, die von überall auf der Erdoberfläche in Richtung Erdmittelpunkt wirkt.

Wer missachtet da also die Physik?

Niemand! Vielmehr gibt es noch zwei nicht ganz kleine Details zu beachten: Den Mond und die Sonne! Der Mond ist zwar nur 1/100 mal so schwer wie die Erde, aber damit immer noch ein beachtlicher Himmelskörper. Das bedeutet, er erzeugt eine erhebliche eigene Gravitation. Die hat zur Folge, dass nicht – wie gerne behauptet – der Mond um die Erde, sondern beide Himmelskörper um einen gemeinsamen Schwerpunkt kreisen.

Da die Erde der deutlich grössere Partner in diesem Tanz ist, liegt dieser Schwerpunkt nicht all zu weit vom Erdmittelpunkt. Anders als der Mond beschreibt die Erde daher keine eigene Kreisbahn, die grösser als ihr Durchmesser wäre. Stattdessen „eiert“ sie bloss um ihre Position in der Mitte.

Mini-Experiment: Gezeiten im Glas – Was halten Flüssigkeiten von diesem Eiertanz?

Füllt ein Glas halb mit Wasser und bewegt es zügig auf der Tischplatte oder in der Luft hin und her. (Probiert das draussen oder über wasserfestem Boden/Tischbelag!) Was passiert mit dem Wasser? Es schwappt im Glas herum – und wenn ihr zu ungestüm werdet, schwappt es über! Das passiert auch, wenn ihr das Glas im Kreis bewegt.

Vom Tanz im Glas zum Tanz der Himmelskörper

Mit der Erde ist es das gleiche. Der Eiertanz unseres Planeten mit dem Mond lässt die Ozeane auf der Oberfläche der Erdkugel herumschwappen. Wenn dabei Wasser von der Küste wegschwappt, erleben wir dort Ebbe, schwappt es hingegen auf die Küste zu, erleben wir Flut. Die Grösse des Tidenhubs hängt dabei von der Form der Meeresküsten und ihrer Verbindung zu den grossen Ozeanen ab. Denn diese beiden Eigenschaften bestimmen die Bewegungsmöglichkeiten für das schwappende Wasser.

Aufgrund der gewaltigen Grösse des Erde-Mond-Systems und der recht präzise eingehaltenen Kreisbahnen ist dieses Schwappen zum Glück sehr regelmässig. So können wir sehr genau berechnen, wann wo wieviel Wasser zu erwarten ist. Ein Gezeitenkalender für den Küstenort unserer Wahl gibt uns darüber Auskunft.

Warum gibt es zweimal täglich Hochwasser?

Für eine vollständige Drehung um den gemeinsamen Schwerpunkt brauchen Erde und Mond knapp einen Monat. Das macht das eigentliche Schwappen durch den Eiertanz zu einer sehr, sehr gemächlichen Angelegenheit. Allerdings dreht sich die Erde zusätzlich um ihre eigene Mittelachse – und braucht für eine Umdrehung dieser Art etwa einen Tag.

Da das Wasser der Meere jedoch nicht fest mit der Erdoberfläche verbunden ist, dreht es sich nicht vollständig mit. Stattdessen dreht sich der Planet unter seiner Wasserhülle hindurch. Dabei muss das Wasser natürlich um die Kontinente herum fliessen. Das führt mitunter zu Stau und damit mancherorts zu besonders grossem Tidenhub).

So dreht sich der Küstenort unserer Wahl binnen eines Tages unter der dank des Eiertanzes hochgeschwappten „Welle“ hindurch. Damit ist ein Hochwasser pro Tag erklärt. Aber woher rührt das zweite?

Addition von Kräften

Die Gezeitenkräfte (die das Wasser zum Schwappen bringen) setzen sich aus zwei verschiedenen Kräften zusammen. Die erste ist die Gravitationskraft, die der Mond bewirkt. Die zweite ist die Zentrifugalkraft, die durch den Eiertanz der Erde um den gemeinsamen Schwerpunkt („Baryzentrum“) entsteht.

Eine Kraft ist eine gerichtete Grösse, hat also sowohl einen Wert als auch eine Richtung. Die Physiker stellen beides gemeinsam als Vektor („Pfeil“) dar. Solche Vektoren kann man addieren, indem man die Pfeile Spitze an Schaft aneinander legt. Dann zeichnet man von der vordersten Spitze zum hintersten Schaft einen neuen Vektor. Dieser entspricht dann Länge und Richtung der Summe aller ursprünglicher Vektoren.

So addiert man Vektoren - auch für Gezeiten-Kräfte - Schaft an Spitze und ein neuer Vektor von ganz  hinten nach ganz vorn
Wirken gleichzeitig Kraft a und Kraft b auf einen Gegenstand, bekommt dieser die Summe der beiden, a+b, zu spüren. In diesem Beispiel ist der Betrag dieser resultierenden Kraft (= die Länge des Pfeils) kleiner als jede der ursprünglichen Kräfte!

Wenn man nun für einen Ort Mond-Gravitationskraft und Zentrifugalkraft berechnet und die zwei Vektoren addiert, erhält man die dortige Gezeitenkraft. Mit einer regelmässig verteilten Auswahl an Punkten auf der Erdkugel sieht das in etwa so aus:

Für die Gezeiten verantwortliche Kräfte ermittelt durch Vektoraddition: Dank Zusammenspiel von Gravitation und Fliehkraft bildet sich auf beiden Seiten des Planeten je ein Flutberg!

Als „Schwerpunkt“ ist hier der Erdmittelpunkt markiert. Das „Baryzentrum“ ist der gemeinsame Schwerpunkt, um den Erde und Mond kreisen. (de:Benutzer:Dringend, bearbeitet von Lämpel [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons )

Die Gravitationskraft ist um so stärker, je näher der sie auslösende Körper ist. So wirkt die Mond-Gravitation auf der dem Mond zugewandten Seite (im Bild rechts) stärker als auf der ihm abgewandten Seite. Gleichzeitig sind die Zentrifugalkräfte auf der Mond-Seite schwächer als auf der mondabgewandten Seite. Denn die Mond-Seite ist dem gemeinsamen Schwerpunkt = Baryzentrum näher. So ergeben sich sowohl für die Mond-Seite als auch für ihr genaues Gegenüber Gezeitenkräfte, die alles andere als Null sind und von der Erde weg weisen!

Durch den Eiertanz schwappt also nicht nur eine „Welle“ auf, sondern zwei, die einander genau gegenüber liegen. So dreht sich unser Küstenort binnen eines Tages nicht nur unter einem, sondern unter zwei Wellenbergen hindurch – und wir erleben zweimal Flut und zweimal Ebbe.

Extrem-Gezeiten: Was sind Springflut und Nippflut?

Habt ihr schon einmal längere Ferien am Meer verbracht hat oder lebt ihr sogar dort? Dann habt ihr wahrscheinlich schon beobachtet, dass der Pegel bei „Hochwasser“ nicht immer gleich hoch ist. Stattdessen schwankt er in einem etwa monatlich wiederkehrenden Muster. Wie kommt das?

Gezeiten durch Sonnenkraft

Hier kommt das zweite gar nicht kleine Detail ins Spiel: Die Sonne. Die ist zwar gewaltig viel grösser als die Erde (333’000 mal!) und erzeugt so eine sehr, sehr viel grössere Gravitation. Dafür ist sie aber viel, viel weiter weg als der Mond. Insgesamt wirkt jedoch auch die Sonne sehr anziehend auf das Wasser der irdischen Meere. So verursacht auch sie Gezeitenkräfte – immerhin mit 46% der Stärke der Kräfte durch den Mond.

Addiert man nun die Sonnen-Gezeitenkräfte zu den Mond-Gezeitenkräften, zeigt sich, dass die Gesamt-Gezeitenkräfte dann am grössten sind, wenn Sonne, Erde und Mond in einer Linie stehen. Denn dann weisen alle beteiligten Kraftvektoren an jedem Punkt in dieselbe Richtung.

Überblick über die Mondphasen: Sonne, Erde und Mond in den wichtigsten Positionen zueinander (nicht massstabsgetreu)
Übersicht über die Mondphasen und Gezeiten: Dank Trägheit folgt erst kurz nach Neu- und Vollmond eine Springflut und kurz nach Halbmond eine Nippflut.

Stehen Sonne und Mond dabei auf gegenüberliegenden Seiten der Erde, sehen wir den Mond vollständig beleuchtet – es ist Vollmond (es sei denn, unser Standort liegt mit Sonne, Mond und der Erde im Rücken exakt auf einer Linie – dann gibt es zusätzlich eine Mondfinsternis und der Mond erscheint rot). Stehen Sonne und Mond hingegen auf der gleichen Seite der Erde, „sehen“ wir nur die Nachtseite des Mondes – also gar nichts: Es ist Neumond (es sei denn, der Mond gerät exakt zwischen die Sonne und unseren Standort – dann gibt es zusätzlich eine Sonnenfinsternis).

Da die schwappenden Gezeiten zusätzlich der Trägheit unterliegen, hinken sie der Position (oder „Phase“) des Mondes stets ein wenig hinterher. So gibt es kurz nach Neumond und kurz nach Vollmond eine Springflut – ein besonders hohes Hochwasser. Kurz nach zu- bzw. abnehmendem Halbmond gibt es hingegen eine Nippflut – ein besonders niedriges Hochwasser. Dann nämlich weisen die Richtungen der Sonnen- und Mond-Gezeitenkräfte den grösstmöglichen Unterschied (90°) auf.

Wie der Mond den Fährbetrieb bestimmt

Das Meer zwischen der ostfriesischen Insel Juist und dem Festland ist selbst bei hohem Pegel so flach, dass die Fährschiffe von der und zur Insel nur in wenigen Stunden rund um das Hochwasser verkehren können. So richtet sich der Fahrplan der Fähre nach Juist und anderen gezeiten-abhängigen Inseln nach dem Gezeitenkalender. Das macht eine auf den Tag genaue Planung der Reise dorthin nötig. Denn da eine Erdumdrehung nicht exakt einen Tag und ein Mondumlauf nicht genau einen Monat dauert, verschiebt sich der Zeitpunkt von Hoch- und Niedrigwasser jeden Tag ein wenig.

Zudem empfiehlt es sich, solch eine Überfahrt zu Voll- oder Neumond zu planen und nicht zu Halbmond. Sonst sitzt man nämlich bei ungünstigem Wetter schonmal auf dem Trockenen.

Nach einem Blick in einen Mondkalender für den Oktober 2001 vermute ich, dass unsere Rückreise von Juist kurz nach dem 10. Oktober angesetzt war. An diesem Tag war nämlich der erste Halbmond des Monats zu sehen. So war kurz darauf dank Nippflut besonders wenig Wasser im Watt. Der Wind vom Land hat dieses Wenige um so mehr aufs Meer hinaus gedrückt, sodass unsere Fähre kurzerhand den Betrieb einstellen musste, um nicht auf Grund zu laufen.

Und was ist eine Sturmflut?

Da die Bewegungen von Erde und Mond in regelmässigen, sich stets wiederholenden Bahnen verlaufen, halten auch die Gezeiten einen festen, berechenbaren Rahmen ein: Der Tidenhub ist begrenzt. Das heisst, wir müssen uns keine Sorgen machen, dass unsere Meere des Eiertanzes der Himmelskörper wegen überschwappen könnten.

Anders hingegen sieht es mit dem Wetter aus. Auch der Wind bewegt das Wasser – und kann nicht nur eine Nippflut ins Extreme treiben, sondern auch umgekehrt das Wasser regelrecht an Land drängen. Wenn also ein richtiger Sturm aus Richtung See aufkommt, kann das Meer in dramatischer Weise „überschwappen“ und an Land verheerende Schäden anrichten. Die Bewohner der tropensturmgeplagten Gebiete im Südosten der USA, Südostasiens und Nordostaustraliens können ein langes Lied davon singen.

Solch ein wetterbedingtes „Überschwappen“ – das weitestgehend unabhängig von den Gezeiten auftritt – nennen die Küstenbewohner eine Sturmflut.

Spiel-Tipp für kleine und grosse Forscher am Strand: Sandboot-Bauen!

Empfohlene Ausrüstung: Sandschaufeln (mit langem Stiel für die Grossen), Eimer zum Schöpfen, kurze Beinkleider oder Badekleidung!

Wenn ihr bei beginnender Flut an einem Strand mit ausreichend grossem Tidenhub seid, schaut euch einmal nach dem frischsten Spülsaum um. Das ist die Linie aus Muscheln und anderem Strandgut, die die Uferlinie zur Zeit des letzten Hochwassers markiert. Bis hierhin (plusminus wenige Zentimeter) wird auch die gerade kommende Flut steigen.

Sucht euch einen Flecken zwischen diesem Spülsaum und der aktuellen Uferlinie. Wenn ihr weniger Zeit aufwenden möchtet, geht näher zum Wasser, wenn ihr mehr Zeit habt, etwas näher zum Spülsaum. Aber nicht zu nahe, sonst wird die Sache langweilig! Schaufelt hier eine „Sandburg“ – einen in sich geschlossenen Sandwall in Bootsform mit dem Bug zum Meer, innerhalb dessen ihr alle Platz findet. Legt den dabei entstehenden „Burggraben“ um das Sandboot aussen herum an – er wird euch noch von grossem Nutzen sein.

Wenn das steigende Wasser schliesslich euer Sandboot erreicht, versucht, es so lange wie möglich gegen die Flut zu verteidigen und das Wasser ausserhalb der Wälle zu halten. Verstärkt dazu z.B. die Wälle verstärkt und schöpft steigendes Grundwasser aus dem Boot. Sobald das Wasser in den Graben um das Boot läuft, steigen dazu alle ein und keiner wieder aus! Wie lange haltet ihr „an Bord“ durch, ehe euer Boot „untergeht“?


Sandboot-Bau als Wettbewerb

Das Ganze kann natürlich auch mit zwei Mannschaften und zwei Sandbooten als Wettstreit gespielt werden: Die Mannschaft, welche länger durchhält, gewinnt!

Wenn ihr das Ganze während eines längeren Urlaubs immer wiederholt, werdet ihr bald ein Gefühl für den Tidenhub und die „spannendste“ Position des Bootes an „eurem“ Strand entwickeln.


Und was habt ihr mit den Gezeiten schon erlebt? Kennt ihr Juist oder eine andere gezeitenabhängig erreichbare Insel?