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Experiment: Blätter transportieren Wasser - und warum ein Kontrollversuch wichtig ist

Es ist Herbst, und langsam färben sich die Blätter bunt. Sie zu sammeln und aufzuheben macht Freude. Aber wenn man nicht achtgibt, rollen sie sich nur zu schnell ein und werden spröde. Aber warum werden lose Blätter trocken? Weil sie nichts mehr zu trinken haben, ist eine naheliegende Antwort. Aber nicht die einzige: Dazu kommt, dass Blätter ständig Wasser an die Luft abgeben – als Wasserdampf, der von ihrer Oberfläche verdunstet.

Dieses Experiment zeigt, wo Pflanzen das Wasser hernehmen – und dass sie es tatsächlich von einem Ort an einen anderen befördern können.

Ihr braucht dazu

  • 2 gleiche Gläser
  • Wasser
  • einen Zweig mit grünen Blättern
  • etwas Speiseöl
  • ggfs. Pasteurpipette (z.B. Deckel einer Nasentropfen-Flasche)
Links: Glas mit einem Blatt einer Glyzine („Blauregen“), Rechts: Kontrolle ohne Blatt
Ich habe Olivenöl verwendet, dass eine gelbliche Farbe hat. Andere Speiseöle sind weniger farbig, funktionieren aber ebenso.
Bei dem dünnen Blattstiel hätte ich aber ewig warten können…

So geht’s

Füllt die Gläser etwa zwei Drittel hoch mit Wasser. Die Füllhöhe soll dabei in beiden Gläsern gleich sein. Schneidet den Zweig am unteren Ende schräg an und stellt ihn in ein Glas. Bedeckt nun die ganze Wasseroberfläche in beiden Gläsern mit einer Schicht Speiseöl. Eine Pipette kann beim sauberen Dosieren helfen. Ausserdem könnt ihr mit der Pipettenspitze das Öl zum Glasrand hin verstreichen, bis es daran kleben bleibt. Stellt anschliessend beide Gläser für einige Stunden, besser einen Tag lang an die Sonne oder in einen warmen Raum.

Mit einem verholzten Zweig vom Kirschbaum samt sieben Blättern konnte ich schliesslich doch einen Effekt beobachten…

Was ihr beobachten könnt

Der Wasserspiegel im Glas mit dem Zweig sinkt mit der Zeit, während jener im Glas ohne Zweig unverändert bleibt.

Nach zwei bis drei Stunden an der Sonne steht das Wasser im Glas mit den Zweigen 1 bis 2 Millimeter weniger hoch als im Kontrollglas.
Nach einem zusätzlichen Tag im Innenraum fällt das Ergebnis noch deutlicher aus: Der Unterschied beträgt jetzt mehr als 5 Millimeter!

Was passiert da?

Blätter geben über kleine Poren (Spaltöffnungen) an ihrer Oberfläche ständig Wasser(-dampf) an die Luft ab.

Blätter unter dem Mikroskop, mit sichtbaren Spaltöffnungen
Dies ist die untere Aussenhaut eines frischen Blattes meiner Tomatenpflanze bei 100-facher Vergrösserung. Die winzigen Spaltöffnungen (sie sind ca. 0,05 – 0,1 mm klein!) sind als dunkelgrüne Punkte gut erkennen (die Ränder der Spalten enthalten den grünen Blattfarbstoff Chlorophyll, die übrigen Aussenhautzellen nicht). Diagonal durch das Bild verläuft eine „Blattader“, d.h. Leitungsbündel, in dessen Umgebung ebenfalls chlorophyllhaltige Zellen haften geblieben sind.

Durch den Wasserverlust entsteht ein Unterdruck, der über die Wurzeln der Pflanze Wasser aus dem Boden nach oben saugt. Als Leitungen dienen dabei dünne Röhren im Inneren der Stängel sowie die „Adern“ in den Blättern. Da der geschnittene Zweig weder Wurzeln noch Boden hat, wird das Wasser im Experiment direkt aus dem Glas gezogen. Mit dem Stängel werden nämlich auch die Röhren darin angeschnitten, sodass sie nun offen ins Wasser ragen. Mit dem schrägen Schnitt vermeidet ihr, dass die Öffnungen der Röhren flach auf den Glasboden gedrückt und so verschlossen werden.

Warum rollen sich trockene Blätter nun ein?

Einen guten Teil des in die Blätter hinauf gesogenen Wassers gibt die Pflanze nicht sofort wieder ab. Stattdessen speichert sie es in kleinen Hohlräumen (Vakuolen) in ihren Zellen. Sind die Vakuolen prall gefüllt, sind auch die Zellen prall und das Blatt erscheint straff und fest.

Wenn der Wassernachschub ausbleibt, werden die Vakuolen zunehmend entleert: Die Blätter werden zunächst schlaff (dieser Teil lässt sich umkehren und die Pflanze „wiederbeleben“ – wie genau, erfahrt ihr hier). Wenn die Wasservorräte ganz verbraucht sind, können die Blattzellen nicht mehr funktionieren und sterben ab. Ohne pralle, formgebende Wasserspeicher fallen die „Skelette“ der sterbenden und toten Zellen regelrecht in sich zusammen, sodass das Blattgewebe krumm und spröde wird.

Und wozu das Speiseöl?

Das Speiseöl verhindert, dass Wasser über die Wasseroberfläche verdunstet. So muss das Wasser, das im Glas mit dem Zweig fehlt, von dessen Blättern „ausgeschwitzt“ worden sein!


Ein Forschertrick: Sichere Ergebnisse durch Kontrollversuche

Das zweite, leere Glas dient als direkte Vergleichsmöglichkeit: Ihr könnt den Unterschied zwischen einem Glas mit Verdunstungsmöglichkeit über einen Zweig und einem Glas, aus dem nichts verdunsten kann, auf einen Blick sehen. So könnt ihr

  1. auch kleine Unterschiede rasch erkennen.
  2. sicher gehen, dass ihr den Zweig auch dann „schwitzen“ seht, wenn doch etwas Wasser durch das Öl verdunsten sollte. Das geschähe dann nämlich in beiden Gläsern in gleicher Weise. Folglich muss ein sichtbarer Unterschied etwas mit dem Zweig zu tun haben.

Auch die grossen Forscher machen Kontrollversuche

In der wissenschaftlichen Forschung sind solche Kontrollversuche von entscheidender Wichtigkeit. Je komplizierter die Versuche nämlich sind, desto mehr Umstände können das Ergebnis beeinflussen. Besonders wenn Lebewesen an Experimenten beteiligt sind, sind Forscher oft gar nicht in der Lage, jeden einzelnen dieser Umstände nachzuvollziehen und seinen Einfluss auf das Ergebnis zu bestimmen.

Ein Kontrollversuch unter möglichst gleichen Bedingungen, aber ohne das Detail, das man untersuchen möchte, zeigt einem die Summe aller zusätzlichen Einflüsse. Wenn das zu untersuchende Detail zu einem davon unterschiedlichen Ergebnis führt, kann man sicher sein, dass eben dieses Detail auch die Ursache dafür ist. Und das, ohne jeden einzelnen Umstand mit Einfluss zu kennen!

Das gilt für einfache Experimente wie den Nachweis eines Stoffs mit einem Reagenz bis hin zu Studien, in welchen Medikamente an Menschen getestet werden.

Mit Kontrollversuchen lässt sich der Placebo-Effekt „ausblenden“

Bei solchen Studien erhält eine zusätzliche Gruppe von Versuchspersonen, die „Kontrollgruppe“ genannt wird, ein Medikament ohne Wirkstoff – ein sogenanntes Placebo. Das menschliche Gehirn ist nämlich ein besonders schwer zu kontrollierender Einfluss auf Versuchsergebnisse: Es lässt uns selbst dann eine Veränderung unseres Befindens wahrnehmen, wenn kein Wirkstoff im genommenen Medikament ist (das nennen die Forscher den Placebo-Effekt)!

Der Placebo-Effekt tritt (wie viele andere Umstände) sowohl bei der Kontrollgruppe als auch bei der Gruppe mit Wirkstoff auf. Wenn das Ergebnis bei der Gruppe mit Wirkstoff trotzdem anders ist als das bei der Kontrollgruppe, hat das mit ziemlicher Sicherheit der Wirkstoff bewirkt. Gibt es dagegen keinen Unterschied zwischen der Gruppe mit Wirkstoff und der Kontrollgruppe, bewirkt der „Wirkstoff“ ebenso sicher nichts.   


Zusammenfassung

Dieses einfache Experiment zeigt, dass Pflanzen Wasser aus dem Boden (oder einem Glas) „trinken“ und als Wasserdampf an die Luft abgeben können.

Ein Kontrollversuch ohne Pflanze macht diesen Effekt im Vergleich direkt sichtbar. Ausserdem lässt sich mit seiner Hilfe ausschliessen, dass andere Faktoren für das Verschwinden des Wassers aus dem Glas verantwortlich sind. Derartige Kontrollen sind ein äusserst wichtiger Bestandteil wissenschaftlicher Forschung.

Ihr könnt euch die Trink- und Schwitz-Fähigkeit von Pflanzen übrigens direkt zu Nutze machen: Zimmerpflanzen im Raum sorgen dafür, dass auch im Winter die Raumluft nicht zu trocken wird!

Entsorgung

Den Zweig könnt ihr auf den Kompost oder in den Grünabfall geben. Oder ihr lasst ihn als Dekoration im Wasserglas stehen oder verwendet ihn für weitere Blatt-Experimente.

Wasser und Speiseöl könnt ihr in den Ausguss entsorgen. Die Super-Waschkraft von Spülseife hilft dabei, Ölreste von den Gläsern zu entfernen und fort zu spülen. Nicht verwendetes Speiseöl könnt ihr natürlich zum Kochen weiterverwenden.

Oder ihr nehmt bloss den Zweig aus dem Glas und verwendet es samt Inhalt für das Experiment mit der DIY-Lavalampe!

Ich wünsche euch viel Spass beim Experimentieren!

Hast du das Experiment nachgemacht:

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Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!