Vor etwa einem Monat fand ich einen skurril anmutende Post in meinem Facebook-Feed: Die Tierschutzorganisation PETA wurde für die Auszeichnung eines veganen Hundefutters auf Soja-Basis als „tierfreundlichste Hundenahrung“ heftig kritisiert. Veganes Hundefutter? Ist denn das die (bzw. eine) Möglichkeit?
Wie bei vielen Themen aus den Bereichen Ernährung, Gesundheit und Tierschutz üblich ging es auch in den Kommentaren zu jenem Beitrag heftig zu und her – wobei die Kommentierenden zu grossen Teilen in die Kritik an PETA mit einstimmten und die Ansicht teilen, dass vegane Ernährung für den Hund vollkommen widernatürlich sei.
Als bekennende Alles-Esserin beschlich mich indessen beim Lesen der Kommentare Ratlosigkeit: Was wäre denn die natürliche Nahrung für einen Haushund? Und was braucht so ein Hund eigentlich für ein gesundes Leben? Kann vegane Hundenahrung das alles liefern? Und wie sieht das bei Katzen aus?
Was ist Veganismus?
Veganismus ist eine aus dem Vegetarismus hervorgegangene Einstellung sowie Lebens- und Ernährungsweise. Vegan lebende Menschen meiden entweder zumindest alle Nahrungsmittel tierischen Ursprungs oder aber die Nutzung von Tieren und tierischen Produkten insgesamt.
(Definition aus https://de.wikipedia.org/wiki/Veganismus)
Demnach gibt es mindestens zwei „Grade“ der veganen Lebensweise: Die vegane – also tierproduktfreie – Ernährung, und das Meiden der Nutzung von Tieren und tierischen Produkten in vielen bzw. allen Lebensbereichen. Dabei lässt allein der Bedarf nach veganen Futtermitteln vermuten, dass es bei der veganen Einstellung über die Ernährung hinaus verschiedene Abstufungen gibt. Denn es ist gewiss nicht von der Hand zu weisen, dass die Haltung von Haustieren letztlich auch unter die „Nutzung von Tieren“ fällt.
Hier möchte ich jedoch bei der veganen Ernährung bleiben. Ob und wie diese funktioniert, unterscheidet sich bei Mensch und Hund weniger, als manche denken mögen. Deshalb machen hier die menschlichen Nahrungsbedürfnisse und Ernährungsmöglichkeiten, welche einem verantwortungsvollen Veganer bestens vertraut sein sollten, den Anfang – und können sodann mit den Bedürfnissen unserer vierbeinigen Hausgenossen verglichen werden.
Was ist die natürliche Nahrung des Menschen?
Der Mensch unterscheidet sich von anderen Tieren in seinem aussergewöhnlich grossen Gehirn, das zu atemberaubenden Denkleistungen fähig ist, dabei aber Unmengen von Energie frisst, welche fortlaufend vom Rest des Körpers bereitgestellt werden muss. So ist der Mensch auf eine regelmässige Zufuhr energiereicher Nahrung angewiesen, und zwar überall, wo ihn seine Wanderlust und sein Streben nach Verbreitung hinverschlägt.
Ein Wesen mit hohem Energiebedarf und Verbreitungswillen tut also gut daran, in möglichst jeder Umgebung etwas – besser etwas mehr – zu futtern zu finden, wobei ihm sein ausgeprägtes Denkvermögen eine wertvolle Hilfe sein kann. Damit lässt sich allemal erklären, dass der Mensch zum Einen praktisch die ganze Erde besiedeln konnte, und dass zum Anderen die heute verbliebenen Volksstämme mit einer „urtümlichen“ Lebensweise massiv unterschiedliche, aber ihrem Lebensraum bestens angepasste Speisepläne haben. Das Spektrum reicht von teilweise vegetarisch lebenden afrikanischen Stämmen bis zu den praktisch ausschliesslich Fleisch und Fisch essenden Inuit der Arktis.
Kurzum: Der Mensch ist einer der am wenigsten spezialisierten und damit anpassungsfähigsten Allesfresser unseres Planeten. Und das versetzt ihn auch in die Lage, die verschiedensten Ernährungsphilosophien zu ersinnen und zu leben – die in den heutigen Industrienationen nicht länger an seinen Lebensraum gebunden sind.
Welche Stoffe in tierischen Produkten braucht der Mensch zum Leben?
Dass sich auch auf dem Speiseplan von Völkern mit Zugang zu pflanzlicher und tierischer Nahrung letztere stets mit einem erheblichen Anteil findet, deutet darauf hin, dass tierische Nahrung dem Menschen auch dann Nutzen bringt, wenn er nicht „aus Mangel an Alternativen“ darauf zurückgreifen muss. Aber welche Nährstoffe machen Fleisch und andere tierische Produkte zu für uns wertvollen Nahrungsmitteln?
Calcium: Milch und Milchprodukte enthalten reichlich Calcium-Ionen (Ca2+). Bezogen auf den menschlichen Körper ist Calcium ein sogenanntes Mengenelement, d.h. ein beträchtlicher Anteil – ca. 1 bis 1,1 kg eines erwachsenen Menschen – des Körpergewichts entfallen auf Calcium. Calciumsalze wie Hydroxylapatit sind massgebliche, harte Bestandteile von Knochen und Zähnen, wie auch mein Zahn 16 zu berichten weiss. Für die Aufnahme von Calcium und dessen Einbau in Knochen benötigt der Körper das Vitamin D3, welches bei veganer Ernährung ebenfalls besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Calcium kommt auch in vielen Pflanzen vor. Diese enthalten jedoch oftmals Säuren wie Oxal-(Rhabarber!) und Phytinsäure(Getreide, Hülsenfrüchte, Erdnüsse!) enthalten, die mit Calciumionen sehr stabile Salze bilden. Diese Salze lassen sich weder bei der Verdauung noch im weiteren Stoffwechsel in nennenswerter Menge zerlegen. Deshalb kann der Körper pflanzliches Calcium oft nur zu kleinen Teilen nutzen – die „Bioverfügbarkeit“ des pflanzlichen Calciums ist vermindert.
Eisen: Eisen zählt zu den lebensnotwendigen Spurenelementen. Es kommt im menschlichen Körper in Form von Fe2+– und Fe3+-Ionen, die Bestandteile verschiedener Proteine sind, vor. Am bekanntesten sind wohl die Fe2+-Ionen, die im Zentrum der Häm-Gruppe des roten Blutfarbstoffs Sauerstoff transportieren. Darüber hinaus sind die beiden Eisen-Ionensorten, die sich relativ leicht ineinander umwandeln lassen, in Enzymen für die Übertragung von Elektronen von einem Teilchen zum anderen, also für Redox-Prozesse, zuständig. Blutwurst und Leber enthalten viel Eisen als Fe2+ und Fe3+, ebenso rotes Fleisch. Pflanzen enthalten ausschliesslich Fe3+, welches mehr noch als Fe2+ mit verschiedenen Pflanzenbestandteilen, insbesondere mit Phytinsäure, sehr stabile Salze bildet und damit weniger bioverfügbar ist als tierisches Eisen.
Jod: Ist vor allem ein unverzichtbarer Bestandteil von Schilddrüsenhormonen. Dabei kommt dieses Element in unserer Nahrung vergleichsweise selten vor. Jodid-Ionen (I–) sind ein Bestandteil von Meerwasser und daher in Meeresfrüchten und Fisch zu finden. Dennoch lässt die Jodversorgung durch unsere Nahrung generell zu wünschen übrig (auch bei Mischköstlern, bei Veganern aber noch mehr), sodass Speisesalz und auch Tierfuttermittel häufig mit Jod angereichert werden.
Kreatin:
Kreatin st eine stickstoffhaltige organische Verbindung, die als Kreatinphosphat für die Regeneration des „entladenen“ Energieträgermoleküls ADP zu ATP, der „geladenen“ Form zuständig ist. ( Die „Ladung“ besteht dabei in der Phosphoryl-(-PO32-) gruppe, die vom Kreatinphosphat ab- und an ein ADP-Molekül angehängt wird. Kreatin dient also der Energieaufbereitung zur Muskelarbeit und für Hirn- und Nervenfunktionen. Kreatin kann vom Körper selbst synthetisiert werden, wenn passende Aminosäuren als Bausteine, Vitamin B12 und Folsäure verfügbar sind. Fertiges Kreatin (und Aminosäuren) finden sich reichlich in (frischem) Fleisch und Fisch, also in Muskelmasse. Milch enthält weniger Kreatin, in Pflanzen findet es sich allenfalls in Spuren.
Langkettige Omega-3- bzw. n-3-Fettsäuren: Sind Fettsäuren, die mehrere C=C-Doppelbindungen enthalten (und damit „ungesättigt“ sind), wobei die erste dieser Doppelbindungen 3 Kohlenstoff-Atome vom „Schwanzende“ entfernt(den allgemeinen Aufbau von Fettsäuren habe ich in der Geschichte über Tenside beschrieben), die übrigen näher am „Kopf“ zu finden sind. Omega-3-Fettsäuren werden zahlreiche erhaltende Wirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem (Blutdruck, Blutfettwerde, Entzündungsmediation, Gefässzustand…) zugeschrieben. Sie finden sich vornehmlich in Fischfetten – Pflanzen, ausser Algen, enthalten jedoch nur alpha-Linolensäure (eine Fettsäure mit 18 Kohlenstoff-Atomen und 3 Doppelbindungen). Der Körper kann daraus auch Eicosanpentaensäure (EPA, 20 C-atome und 5 Doppelbindungen) und Docosahexaensäure (DHA, 22 C-Atome und 6 Doppelbindungen) herstellen, braucht dazu aber Enzyme, die auch mit dem Omega-6-Fettsäurestoffwechsel beschäftigt sind, sowie die Vitamine B und C und die Spurenelemente Magnesium und Zink. Mit anderen Worten: Die Verlängerung der alpha-Linolensäure zu EPA und DHA ist für den Körper grosser Aufwand und hängt von der Verfügbarkeit einer ganzen Reihe von Hilfsmitteln ab.
Vitamin B12 (Cobalamin): Ist als Coenzym B12 an der Herstellung der Purinbasen Adenin und Guanin beteiligt, die als Bausteine „A“ und „G“ für den Aufbau von DNA- und RNA-Strängen benötigt werden. Da besonders Zellen mit hoher Teilungsrate beim ständigen Kopieren ihres Erbguts laufend neue DNA aufbauen müssen, bekommen solche, wie die regelmässig nachgebildeten Blutzellen, einen B12-Mangel am ehesten zu spüren: Es kommt zu Anämien (Blutarmut bzw. -veränderungen) und darüber hinaus zu Nervenschäden. Vitamin B12 gibt es praktisch ausschliesslich in tierischen Nahrungsmitteln. Eine gute Folsäureversorgung, die mit veganer Nahrung einfach zu bewerkstelligen ist, kann einer Anämie vorbeugen und so einen B12-Mangel kaschieren, verhindert aber die Nervenschäden nicht!
Vitamin D (Calciferol): Kann der Körper selbst herstellen – wenn er genug Sonnenlicht bekommt. Zusätzliche Quellen sind tierische Produkte, allen voran Lebertran und Salzwasserfisch. Vitamin D3 (Cholecalciferol) ist für die Calciumaufnahme (s. dort) und damit für den Knochenbau notwendig.
Zink: Ist ein essenzielles Spurenelement, das im Körper in Form von -Ionen vorliegt. Dort hat es als Bestandteil von Enzymen vielfältige Aufgaben, zum Beispiel bei der Übersetzung der Erbinformation in Protein-Baupläne und bei der Unterstützung des Immunsystems (durch Bremsen von überschiessenden Immun-Reaktionen, was Zink für Wundsalben so interessant macht). Zink ist in pflanzlicher Nahrung vorhanden, ist aber wie die Eisen- und Calciumionen oft in sehr stabilen Salzen gebunden und damit weniger bioverfügbar.
Vitamin B2 (Riboflavin): Ist eine Vorstufe von Coenzymen, also „Assistenten“-Molekülen, die von bestimmten Enzymen für die Erfüllung ihrer Aufgabe benötigt werden. Mit Riboflavin-Abkömmlingen arbeiten viele Enzyme, die für Redoxprozesse, also Elektronenübertragungen zuständig sind, welche vielerorts im Stoffwechsel stattfinden. Riboflavin findet sich unter anderem in Milch, Fisch, Fleisch, und Eiern.
Wie kann man diese wichtigen Nährstoffe aus Tierprodukten ersetzen?
Calcium: Kann zum Beispiel in calciumreichem Mineralwasser, Grünkohl, Brokkoli, Sesam, Haselnüssen, Sojabohnen oder Tofu gezielt zugeführt werden. Ein erhöhter Calciumbedarf kann zudem mit Nahrungsergänzungsmitteln gedeckt werden.
Eisen: Fe3+-Ionen kommen zum Beispiel in Hülsenfrüchten (schlechte Bioverfügbarkeit wegen enthaltener Phytinsäure!) oder Vollkornbrot vor. Eine Hausärztin empfahl mir zudem einmal, meines tendenziell niedrigen Eisenspiegels auch rote Früchte, im Speziellen Erdbeeren (es war gerade Frühling). Verschiedene Lebensmittel, zum Beispiel Kaffee oder schwarzer Tee, wirken zudem einer effektiven Eisenaufnahme entgegen. Für eine zusätzliche Eisenzufuhr gibt es zudem Nahrungsergänzungsmittel. Da jedoch auch deren Bioverfügbarkeit begrenzt ist, empfiehlt mein Hausarzt bei Eisenmangel eine (einzelne!) Infusion zum Wiederauffüllen der körpereigenen Eisenspeicher.
Jod: Kann mit angereicherten Lebensmitteln wie jodiertem Speisesalz oder Nahrungsergänzungsmitteln zugeführt werden.
Kreatin: Wird in zahlreichen Nahrungsergänzungsmitteln vermarktet, die sich auch in der Fitnessbranche grosser Beliebtheit erfreuen.
Langkettige Omega-3-Fettsäuren: Alpha-Linolensäure kommt in zahlreichen Pflanzenölen, zum Beispiel dem namensgebenden Leinöl, vor, welche auch in Kapselform als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich sind. Die Weiterverarbeitung zu EPA und DHA kann durch gute Versorgung mit den dazu nötigen Hilfsmitteln unterstützt werden.
Vitamin B12 (Cobalamin): Verschiedene B12-Varianten sind als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich. Die recht komplexen Moleküle werden von kultivierten Bakterien produziert, welche – wie ich festgestellt habe – als vegan gelten, so lange sie vegan (d.h. auf tierproduktfreien Nährböden) kultiviert werden. Jedoch kann der Mensch nicht alle B12-Varianten nutzen! Spirulina und andere Produkte mit Cyanobakterien („blaugrüne Algen“) eigenen sich zum Beispiel nicht zur Nahrungsergänzung, obwohl sie zuweilen dafür beworben werden!
Vitamin D: Der einfachste Weg zu Vitamin D ist genügend Sonne auf der Haut. Darüber hinaus enthalten Avocado und einige Speisepilze Vitamin D. Manche Pilzsorten können sogar gezielt damit angereichert werden. Mit Nahrungsergänzungsmitteln kann zusätzlich Vitamin D zugeführt werden, auch in Kombination mit Calcium. Allerdings sind die Dosierungsvorschriften auf der Packung, oder besser vom Arzt, unbedingt einzuhalten – Vitamin D gehört zu jenen Vitaminen, die bei Überdosierung zu Vergiftungserscheinungen führen können!
Zink: Kann zum Beispiel in Soja, Haferflocken oder Hülsenfrüchten (bei verminderter Bioverfügbarkeit durch Phytinsäure!) aufgenommen werden. Zusätzlich gibt es zinkhaltige Nahrungsergänzungsmittel.
Vitamin B2 (Riboflavin): Ist zum Beispiel in Vollkornprodukten, Broccoli, Spargel oder Spinat enthalten. In verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln sind die B-Vitamine zudem kombiniert enthalten.
Funktioniert vegane Ernährung bei Kindern und während Schwangerschaft und Stillzeit?
Kinder und Jugendliche im Wachstum, ob vor oder nach der Geburt, haben einen erhöhten Bedarf an vielen der genannten Nährstoffe, zum Beispiel Calcium und Vitamin D für den Knochenaufbau, Vitamin B12 für die Entwicklung des Nervensystems und viele andere mehr. Deshalb ist die gute Versorgung von vegan ernährten Schwangeren, Kindern und Jugendlichen eine noch grössere Herausforderung als die vegane Ernährung für nicht-schwangere Erwachsene. Das gilt übrigens auch für ältere Menschen, die einige Nährstoffe aus verschiedenen Gründen weniger effektiv aufnehmen als Jüngere.
Deshalb raten sowohl das Schweizerische Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) als auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) ausdrücklich von einer veganen Ernährung von Schwangeren, Kindern und Alten ab. In Italien diskutiert das Parlament gar einen Gesetzesentwurf, der Gefängnisstrafen für die Fehlernährung von Kleinkindern vorsieht.
Entsprechende Organisationen im englischsprachigen Raum teilen diese Bedenken, trauen „ihrer“ Bevölkerung aber die Bewältung der Herausforderungen einer veganen Ernährung anscheinend eher zu. So heissen sie eine mit dem nötigen Wissen und Aufwand betriebene vegane Ernährung ihrer gesundheitlichen Vorteile wegen in allen Lebensphasen gut. Nichts desto trotz machen Einzefälle von schwerwiegender Fehlernährung hüben wie drüben Schlagzeilen.
Was fressen unsere Haustiere?
Was braucht der Haushund?
Der Hund gilt als bester Freund des Menschen – und zwar schon praktisch ebenso lange, wie es den modernen Menschen gibt. So hatten unsere Haushunde ebenso lange Zeit, ihre Verdauung an die extrem vielfältige Lebensweise „ihrer“ Menschen anzupassen. Das heisst, Haushunde, die schon rund 20.000 Jahre an der Seite des Menschen leben, sind heute Allesfresser wie wir auch.
Damit steht Hunden im Prinzip die gleiche Vielfalt von Ernährungsphilosophien offen wie dem Menschen. Als höhere Säugetiere haben Hunde jedoch auch einen ähnlichen Bedarf an Nährstoffen wie wir. Dabei weicht allerdings die Fähigkeit zur Verwertung dieser Nährstoffe mitunter stark von der unseren ab.
So nehmen Hunde zum Beispiel Calcium – das auch sie für den Knochenbau benötigen – wesentlich schlechter auf als der Mensch. Kommt dazu die schlechtere Bioverfügbarkeit von pflanzlichem Calcium, wird deutlich, dass die Calciumversorgung eines Hundes bei veganer Fütterung Schwierigkeiten machen wird und den Einsatz von hochdosierten Nahrungsergänzungsmitteln erfordert.
Zwei zusätzliche „tierische“ Nährstoffe für den Hund sind überdies erwähnenswert:
L-Carnitin: Eine sticktstofforganische Verbindung, die als Rezeptormolekül – also als Andockstelle für Signalmoleküle – und als Transporthilfe für langkettige Fettsäuren in die Mitochondrien fungiert. Sie kommt vornehmlich in rotem Fleisch, Fisch, Leber und Herz vor. Menschen wie Hunde können L-Carnitin bei ausreichender Versorgung mit den nötigen Aminosäuren und verschiedenen Nährstoffen selbst herstellen. Hunde scheiden L-Carnitin jedoch vermehrt über die Niere aus, weshalb sie auf regelmässige Zufuhr angewiesen sind. Folgen eines Carnitin-Mangels sind schwere Herzerkrankungen.
Taurin: Ein kleines organisches Molekül, das menschliche und Hundekörper aus schwefelhaltigen Aminosäuren herstellen können. Es unterstützt die Arbeit reizleitender Zellen (Nerven, Muskeln) – nicht zuletzt derer des Herzens. So fördert Taurin die Herzgesundheit und ist überdies ein starkes Antioxidans – es kann also Gewebe vor Stress bewahren, indem es reaktive (Abfall-)Verbindungen abfängt und unschädlich macht, ehe sie mit ihrer Umgebung ungewollte und nicht selten schädliche Reaktionen eingehen. Entsprechend seiner Aufgabe kommt Taurin vornehmlich in Muskelfleisch einschliesslich des Herzens vor, sodass eine vegane Ernährung ohne Nahrungsergänzungsmittel bei Hunden trotz eigener Herstellung zu einer Unterversorgung und damit zu Herzerkrankungen führen kann.
Zudem haben trächtige und säugende Hündinnen sowie heranwachsende Welpen ebenso erhöhte Nährstoffbedürfnisse wie menschliche Schwangere und Kinder, sodass ihre vegane Ernährung auch in gleicher Weise Schwierigkeiten macht.
Eine verantwortungsvolle vegane Ernährung für Hunde ist damit mit zusätzlichem Aufwand gegenüber der entsprechenden Ernährung von Menschen verbunden, geht ebenso wie letztere mit dem Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln und vermehrten (Tier-)arztbesuchen zur Überwachung der Nährstoffversorgung einher und erfordert auch vom menschlichen Veganer zusätzliches Wissen. Ob sich bei all dem Aufwand tatsächlich die vegane Ernährung oder vielmehr die vermehrte Zuwendung als solche förderlich auf die Gesundheit der Hunde auswirkt, ist dabei zweifelhaft.
Wesentlich einfacher ist für den allesfressenden Hund hingegen eine ovo-lacto-vegetarische Ernährung, bei welcher zwar auf Fleisch-, nicht aber auf Milch- und Eiprodukte verzichtet wird.
Was braucht die Hauskatze?
Katzen begleiten den Menschen auch schon, seit er sesshaft geworden ist. Allerdings waren sie bis vor Kurzem weniger beste Freunde als Nutztiere, deren Aufgabe es war, im Umfeld menschlicher Ansiedlungen Mäuse und andere ungeliebte Gäste zu jagen (und zu fressen) und somit fern zu halten. So hatten Hauskatzen bis in die jüngste Zeit keinen Anlass, ihre Verdauung einer Fütterung durch Menschen anzupassen. Sie sind daher echte Fleischfresser geblieben.
Somit entspricht eine vegane wie auch eine ovo-lacto-vegetarische Ernährung nicht der Natur der Katze. Dazu kommt, dass Katzen sich nicht wie Hunde durch Aushungern zu einer Nahrungsumstellung zwingen lassen – sie sterben lieber als ihre Futterprägung aufzugeben.
Nicht nur in meinen Augen entbehrt eine solche Katzen-Ernährung daher jeden Rest eines Sinns, sondern auch Fachtierärzte und andere Experten für Tierernährung stehen ihr ablehnend gegenüber.
Fazit
Vegane Ernährung ist für den Menschen möglich, aber kompliziert. Sie erfordert viel Wissen und noch mehr Aufwand, insbesondere wenn Heranwachsende damit versorgt werden sollen. Ein gedankenloses Weglassen „alles Tierischen“ kann sogar gefährlich werden. Überdies lässt mich allein schon die Häufigkeit, mit welcher in der Liste der veganen Ersatznahrung „Nahrungsergänzungsmittel“ – zuweilen gar als einzige Alternative – auftauchen, daran zweifeln, dass die vegane Ernährung des Menschen irgendwie „natürlich“ sein kann.
Eine ganzheitlich vegane Lebensweise kann noch komplizierter werden – nicht zuletzt, wenn es um die Haltung von Haustieren geht:
Ein Haushund kann vegan ernährt werden, ohne dass dies „unnatürlicher“ als beim Menschen wäre (es ist aber ebenso wenig „natürlicher“!) – das ist aber mindestens genauso kompliziert und aufwändig und erfordert Wissen über die menschliche Ernährung hinaus.
Eine Katze frisst hingegen von Natur aus Fleisch und braucht es auch. Eine vegane oder auch nur vegetarische Ernährung von Katzen kann daher (nicht nur) in meinen Augen nicht im Sinne der Tiere sein.
Aber ist es überhaupt „vegan“, Haustiere zu halten? Was meint ihr?