Experiment: Die verschwundene Flüssigkeit und das Stoffteilchenmodell

Von der verschwundenen Flüssigkeit zum Stoffteilchenmodell

Flüssigkeiten – sie sind „nass“, formlos und machen sich überall hin davon, wenn man sie nicht in einem Glas beisammen hält. Und wenn man ein Glas mit Flüssigkeit füllt, ist es voll….oder?

Dieses einfache Experiment zeigt dir eine echt verblüffende Eigenschaft von Flüssigkeiten – und gibt dir und deinen Kindern Anlass, euch mit einem einfachen Teilchenmodell für den Aufbau der Stoffe zu beschäftigen!

Für dieses Experiment brauchst du

  • rund 50ml Brennsprit (Spiritus, „Alkohol“, Ethanol)
  • rund 150ml Wasser, zum Beispiel aus der Leitung
  • 3 Gefässe mit geeichter Skala mit 10-Milliliter-Teilstrichen, zum Beispiel Standzylinder

oder:

  • 1 durchsichtiges Gefäss für mindestens 50ml Flüssigkeit
  • 1 durchsichtiges Gefäss für mindestens 100ml Flüssigkeit
  • einen wasserfesten Filzschreiber (nicht zu dick!)

So führst du das Experiment durch

Vorbereitung:

Miss im ersten Standzylinder genau 50 ml Wasser, im zweiten Standzylinder genau 50 ml Brennsprit ab. Schaue dabei von der Seite auf die Linie des Flüssigkeitsspiegels (die Linie sollte dazu auf Augenhöhe sein – setze oder knie dich hin oder beuge dich entsprechend). Wenn beim Wasser eine doppelte Linie bzw. ein unscharfer Ring zu sehen ist: Richte dessen unteren Rand an der Skala aus!

Oder:

  1. Fülle etwa 50 ml in das kleinere Gefäss mit Wasser und markiere den Flüssigkeitsspiegel an der Seite mit dem Filzstift.
  2. Fülle das Wasser vollständig in das grosse Gefäss um. Dann fülle das kleine Gefäss noch einmal – exakt bis zur Markierung (beachte dazu die Hinweise im oberen Abschnitt!) – und fülle den Inhalt erneut vollständig in das grosse Gefäss.
  3. Nun enthält das grosse Gefäss genau doppelt so viel Wasser wie das kleine Gefäss bis zur Markierung fasst. Markiere nun den Füllstand des grossen Gefässes mit dem Filzstift. Danach giesse das Wasser vollständig aus.

Das eigentliche Experiment:

Fülle die zuvor abgemessenen Flüssigkeiten zusammen in einen Standzylinder, schwenke ihn etwas und warte, bis die Flüssigkeiten zur Ruhe kommen.

Oder:

  1. Fülle das kleine Gefäss bis zur Markierung mit Wasser und giesse es vollständig(!) in das grosse Gefäss um.
  2. Wiederhole Schritt 4 mit Brennsprit.
  3. Nun befinden sich Wasser und Brennsprit zusammen im grossen Gefäss. Schwenke es ein wenig und warte, bis die Flüssigkeiten zur Ruhe kommen.
2 mal Flüssigkeit gibt weniger als das 2-fache Volumen!

Links: Einmal Wasser, einmal Brennsprit bis zur Markierung links am Glas. Rechts: Beide Flüssigkeiten gemeinsam im Glas: Zwei Portionen Wasser wurden zur Markierung links am Glas genutzt, eine Portion Wasser und eine Portion Brennsprit miteinander nehmen ein kleineres Volumen ein!

Was du beobachten kannst

Schaue den Flüssigkeitsspiegel von der Seite (auf Augenhöhe) an. Du wirst den Flüssigkeitsspiegel ein wenig unterhalb des Teilstrichs für 100ml bzw. deiner Markierung für „zwei kleine Gefässe“ finden! Mehrere Milliliter Flüssigkeit sind scheinbar nach dem Mischen verschwunden!

Für kleine Mathematiker:

Ihr kennt sicher das kleine 1×1: 2×1 = 2 heisst es da. Das bedeutet: Auch 2x die Füllung des kleinen Gefässes („1“) geben zusammen eine grosse Füllung („2“), die zwei kleinen Füllungen gleicht. Sollte sie jedenfalls. Trotzdem ist die grosse Füllung aus dem Gemisch von Wasser und Brennsprit ein wenig kleiner als 2!

Wo ist die fehlende Flüssigkeit hin verschwunden? Wurde sie weggehext?

Keine Sorge, da bekäme ich ja Schwierigkeiten mit dem eidgenössischen Zauberei-Departement (hätte ich nur nichts gesagt…). Um das Rätsel der verschwundenen Flüssigkeit zu lösen, musst du dir Wasser und Brennsprit einmal genauer ansehen. Sehr viel genauer.

Auf den ersten Blick sind Wasser und Brennsprit sich zum Verwechseln ähnlich: Beide sind farblos und praktisch gleich flüssig. Brennsprit riecht allerdings ein wenig streng, sauberes Wasser dagegen gar nicht. Ausserdem kann man Brennsprit leicht anzünden, Wasser aber nicht. Noch mehr Unterschiede findet man, wenn man sich die Flüssigkeiten noch näher ansieht.

Stell dir vor, du füllst das kleine Gefäss mit Wasser und giesst die Hälfte davon in ein anderes Gefäss. Die beiden Hälften werden sich und der vorherigen ganzen Menge gleichen. Dann teilst du die Wassermenge noch einmal, und noch einmal, und noch einmal. Bald wirst du kleine Tropfen haben, die immernoch wie Wasser aussehen – und übrigens auch wie Alkohol, der sich genauso in immer kleinere Portionen teilen lässt (wenn du das wirklich ausprobierst: Alkohol-Tropfen werden tatsächlich eine etwas andere Form als Wassertropfen haben – das liegt an ihrer unterschiedlichen Oberflächenspannung, die Andrea von Forschen für Kinder hier erklärt).

Irgendwann würdest du eine Lupe brauchen, um die kleinen Tropfen noch zu sehen, dann ein Mikroskop, dann ein stärkeres Mikroskop… Und schliesslich, beim superstarken Hightech-Mikroskop im Forschungslabor, ist Schluss. Die wirklich winzig-, winzig-, winzigkleinen Wasserportiönchen lassen sich nicht weiter halbieren. Und beim Alkohol ist es das Gleiche.

Wasser und Alkohol – und auch alle anderen Stoffe – bestehen aus einer riesigen Anzahl total winzigkleiner Teilchen!

Wenn sich diese Teilchen von einem Gefäss ins anderer giessen lassen, erscheinen sie alle zusammen deinen Sinnen – die zu grob sind, um die winzigkleinen Teilchen einzeln wahrzunehmen – als Flüssigkeit. Halten sie dagegen fest zusammen, siehst und fühlst du sie als festen Gegenstand.

Das Spannende daran ist, dass jeder Stoff aus einer ihm eigenen Sorte Teilchen besteht: Wasser-Teilchen und Alkohol-Teilchen unterscheiden sich – sie sind zum Beispiel unterschiedlich gross!

Stell dir vor, du bist selbst sehr, sehr klein, sodass die Wasserteilchen für dich aussehen wie Reiskörner (oder kleine Perlen). Dann könnten Alkohol-Teilchen aussehen wie getrocknete Kichererbsen (oder grössere Perlen). Was passiert, wenn du diese beiden Teilchen-Sorten miteinander mischst, kannst du tatsächlich ausprobieren:

Das Experiment im Modell

Trockne die Gefässe vom Versuch mit Wasser und Brennsprit gut ab. Dann fülle wie in der Versuchsanleitung für die Flüssigkeiten beschrieben Reiskörner und Kichererbsen (oder kleine und grosse Perlen) ab und schütte sie im grossen Behälter zusammen. Schüttle den Behälter gründlich (halte die Öffnung zu, damit deine „Teilchen“ nicht hinausfliegen und verloren gehen!) und schaue dir den Inhalt genau an.

Die Füllhöhe des Reis-Erbsen-Gemischs im grossen Behälter, wird unterhalb der Markierung liegen. Die Erklärung dafür ist nun offensichtlich: Die kleinen Reiskörner sind in die Zwischenräume zwischen den grösseren Kichererbsen gerutscht.

Modellversuch mit Reis und Kichererbsen

Reiskörner stehen für Wasser-Teilchen, Kichererbsen für Alkohol-Teilchen. Im Gemisch füllen die Reiskörner die Lücken zwischen den Erbsen: Das spart Platz!

Das können die winzigkleinen Wasser- und Alkohol-Teilchen auch! Die kleineren Wasser-Teilchen füllen die Zwischenräume zwischen den grösseren Alkohol-Teilchen! So nehmen beide miteinander gemischt weniger Platz ein als vgoneinander getrennt  – ohne dass wirklich Flüssigkeit verschwindet.

Und wenn du noch einen Beweis dafür möchtest: Wiege die Flüssigkeiten vor und nach dem Mischen – das Gewicht ändert sich beim Mischen nicht!

Entsorgung

Brennsprit, auch auf 50% verdünnt, muss als Sonderabfall entsorgt werden! Fülle ihn in einen dicht schliessenden Behälter und bringe ihn zur Sondermüll-Entsorgungsstelle. Du kannst das Alkohol-Wasser-Gemisch ebenso gut für spätere Experimente oder zum Reinigen aufheben. Die Markierungen mit wasserfestem Filzstift lassen sich zum Beispiel damit von den Gläsern wischen.

Hast du das Experiment nachgemacht: 

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Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!

4 replies
  1. Tabea
    Tabea says:

    Mir war zwar bewusst, dass Flüssigkeiten aus Teilchen bestehen, aber dass die sich so anordnen können, dass ihr Volumen abnimmt, hatte ich noch nicht auf dem Schirm.
    Ich danke dir daher für diesen Post.

    Liebe Grüße

    Antworten
  2. Patricia Stöckli
    Patricia Stöckli says:

    Danke vielmals für die Erklärung mit dem Teilchenmodell! Das hat mir bei einem Experiment aus der Schule geholfen, über das wir einen Bericht mit Erklärung schreiben mussten.

    Antworten

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