Hier findet ihr Buchtipps für kleine und für grosse Forscher, die noch mehr lesen, lernen und experimentieren möchten!

Experiment: Geldscheine anzünden

Geld verbrennen: Ein Experiment für Leute, die zu viel Geld haben? Keineswegs! Mit diesem chemischen Zaubertrick könnt ihr eure Zuschauer verblüffen (oder sogar erschrecken), ohne dabei arm zu werden!

Viel zu lange war es still in der Kiste – aber keine Sorge, Reto und mir geht es gut. Das ‚erzwungene‘ Innehalten während der COVID-Lockdowns hat mir bloss bewusst gemacht, wie sehr es mich nach einer Pause von allem verlangte. Und dann ergab sich die Möglichkeit, ein Traumprojekt endlich in die Tat umzusetzen!

Zu Keinsteins Kiste gibt es jetzt ein Buch!

Richtig gelesen: Nicht nur viele spannende Experimente aus Keinsteins Kiste, sondern auch zahlreiche neue Versuche und Wissenswertes findet ihr jetzt als „Chemische Spielereien“ im Verlag Wiley VCH Weinheim beim Buchhändler eurer Wahl!

Während der vermeintlichen Stille um die Kiste habe ich euch die spannendsten Experimentieranleitungen und interessante Einblicke in die Chemie eures Alltags auf 150 Seiten stets griffbereit als Hardcover oder E-Book zusammengestellt und freue mich, euch „Chemische Spielereien“ endlich präsentieren zu können.

Und… heisst das nun, dass das Geld ab jetzt in Strömen fliesst, sodass ich ohne Schmerz etwas davon verbrennen kann? Nicht ganz – weshalb ich in diesem Experiment zwar Geldscheine anzünde, aber keinen davon beschädige. Und ihr könnt das auch.

Haltet bei Experimenten mit offenem Feuer stets die Sicherheitsregeln zur Vermeidung von Bränden und Verletzungen ein! Kurz heisst das: Habt einen feuerfesten Experimentierplatz, tragt schwer entflammbare Kleidung, haltet leichtendzündliche Chemikalien von Zündquellen fern und habt bestenfalls ein passendes Löschmittel griffbereit!

Ihr braucht dazu

  • Geldschein, beliebiger Nennwert (z.B. Euro oder Schweizer Franken)
  • Tiefe Schale oder ähnlichen Behälter
  • Grosse Pinzette oder Grillzange aus Metall
  • Brennsprit/Spiritus (Ethanol)
  • Leitungswasser
  • Kochsalz
  • Messgefäss (z.B. Trinkglas)
  • Kerze oder Teelicht
  • Streichhölzer oder Feuerzeug
  • Feuerfesten Experimentierplatz!
Was ihr zum Geld verbrennen braucht

So geht’s

  • Mischt in der tiefen Schale einen Teil Alkohol mit einem Teil Wasser. Gebt einen gestrichenen Teelöffel Kochsalz dazu und rührt um, bis das Salz sich weitestgehend gelöst hat.
  • Stellt die Kerze auf der feuerfesten Unterlage oder z.B. im Badezimmer bereit und zündet sie an (behaltet die Schale mit dem Alkoholgemisch und die Brennsprit-Vorratsflasche abseits von Kerze und Feuerquelle!).
  • Greift den Geldschein an einem Ende mit der Pinzette oder Zange und tränkt ihn vollständig im Alkohol-Wasser-Gemisch.
Ich tauche den Geldschein mit Hilfe einer Tiegelzange sorgfältig in die Flüssigkeit.
Wichtig: Taucht euren Geldschein ganz und gründlich in die Flüssigkeit ein!
  • Haltet den triefnassen Schein kurz in die Kerzenflamme und dann weiter über die feuerfeste Unterlage.

Achtung! Es kann passieren, dass brennender Alkohol auf die Unterlage tropft. Das ist nicht weiter schlimm, denn er brennt innerhalb von Augenblicken aus. Aber die Unterlage muss deshalb unbedingt feuerfest sein!

Tragt beim Geld verbrennen zudem Kleidung aus schwer entflammbarer Baumwolle und ggfs. Schutzbrille. Bei der Durchführung mit meiner Tiegelzange (ca. 15 bis 20cm Abstand zwischen Feuer und Hand) habe ich die Wärme der Flammen deutlich, aber nicht unangenehm gespürt. Ich empfehle also ein mindestens ebenso langes feuerfestes Haltewerkzeug. Die Duschwanne als Experimentierplatz bietet übrigens nicht nur durch den hohen Rand, sondern auch durch die darüber bereithängende Dusche zusätzliche Sicherheit.

Das könnt ihr beobachten

Der triefnasse Geldschein geht sofort in Flammen auf…oder? Denn obwohl der Schein für ein paar Sekunden in ausladenden, bläulich bis orangegelben Flammen steht, bleibt er unversehrt! Der Versuch funktioniert mit der jüngsten Euro-Serie ebenso wie mit den neuesten Schweizer Franken. Wenn ihr den Geldschein noch einmal in der Flüssigkeit tränkt, könnt ihr den Versuch auch gleich nach dem ersten Durchgang wiederholen.

Geld verbrennen ohne Folgen: Obwohl ich hier vorsichtigerweise eine 10-Euro- bzw. 10-Franken-Note verwendet habe, funktioniert das Experiment mit allen Nennwerten. Verschafft eurem Publikum also ruhig den ultimativen Schreckmoment, indem ihr einen Hunderter anzündet.

Entsorgung

Die nassen Geldscheine könnt ihr einfach zum Trocknen aufhängen und anschliessend normal weiterverwenden. Das Alkohol-Wasser-Gemisch könnt ihr mit viel Wasser in den Abfluss entsorgen.



Wie kann man Geld verbrennen, ohne dass es zerstört wird?

Was tatsächlich reagiert

Brennsprit, genauer Ethanol, verbrennt mit Luftsauerstoff zu Kohlenstoffdioxid und Wasser:

Bei der Verbrennung wird Energie frei, die wir als Leuchten der Flammen sehen und als Wärme spüren können. Die auf vergleichbare Weise in der Kerzenflamme freiwerdende Wärme (das „Kerzenwachs“ Paraffin besteht aus Molekülen aus Kohlenstoff- und Wasserstoff-Atomen, die bei ihrer Verbrennung ebenfalls Kohlenstoffdioxid und Wasser bilden) reicht aus, um den flüssigen Ethanol, mit dem der Geldschein getränkt ist, sofort zu entzünden. Das Gleiche gilt eigentlich für das Papier und die Kunststoffe, aus denen eine Banknote besteht.

Schutz durch Wasser

Die Flüssigkeit, mit welcher euer Schein getränkt ist, besteht jedoch zur Hälfte aus Wasser, welches nicht brennt, dafür aber in der Wärme der Flamme verdampft. Und beim Verdampfen geschieht dasselbe wie beim Schmelzen: Die Wassermoleküle nehmen Wärme auf, um von einer geregelten Anordnung zu mehr Bewegungsfreiheit zu kommen. In flüssigem Wasser kleben die gegeneinander beweglichen Moleküle nämlich stets aneinander, während sie in Wasserdampf frei im Raum herumfliegen.

Wasser ist nun ein Stoff, der beim Verdampfen besonders viel Wärme aufnehmen kann. Sein hoher Schmelzpunkt von 100°C gibt uns eine Idee davon (zum Vergleich: Schwefelwasserstoff, H2S, der aus fast gleichartigen Molekülen aufgebaut ist, ist bereits bei Raumtemperatur gasförmig!). Während die bei der Verbrennung des Ethanols freigesetzte Energie also Wasser zum Verdampfen bringt, bleibt um den Geldschein nicht genügend Wärme übrig, um das Material ebenfalls zu entzünden!

Der Schmelzpunkt von Ethanol ist mit 78°C übrigens auch niedriger als der von Wasser. Der Ethanol im und auf dem Schein verdampft also noch eher als das Wasser. Was also tatsächlich brennt, ist nicht der flüssige Ethanol im Geldschein, sondern Ethanol-Dampf drumherum.

Fazit

Der Geldschein selbst geht in diesem Experiment aus zwei Gründen nicht in Flammen auf:

  1. Die heissen Flammen entstehen nicht am Geldschein, sondern darum herum.
  2. Verdampfendes Wasser in und um den Schein ‚verbraucht‘ so viel Wärme, dass das Geld nicht heiss genug wird, um selbst in Flammen aufzugehen.

Aus vergleichbaren Gründen brennt übrigens auch der Docht einer Kerze nicht sofort nieder, sondern verkohlt langsam der schrumpfenden Wachskerze folgend. Auch das Paraffin verdampft, bevor es in der Umgebung des Dochts verbrennt! In „Chemische Spielereien“, dem Buch zu Keinsteins Kiste, könnt ihr die spannenden Einzelheiten zu den Vorgängen in Kerzenflammen nachlesen und weitere feurige Experimente machen.

Und an welche Geldsummen traut ihr euch beim Anzünden so ran?

Cover "Komisch, alles chemisch!"

„Komisch, alles chemisch!“ – Seltsam ist das eigentlich nicht, auch wenn der Erfolg von Werbeversprechen wie „ohne Chemie“ darauf hinweist, dass es vielen so erscheinen mag. Amüsant ist all das Chemische in Mais Buch aber allemal!

Dieses Buch stelle ich euch vor, weil ich selbst es für cool befinde, nachdem ich es aus Eigenantrieb gekauft und gelesen habe. Dieser Beitrag enthält Affiliate-Links des Orell Füssli-Partnernetzwerks, die euch direkt zum Buch führen. Euch kosten sie nichts, mir bringen sie vielleicht etwas für meine Mühen ein.

Ein Chemiebuch für die ganze Familie?

Meine richtig coole Fachkollegin Mai Thi verfolgt nämlich das gleiche Ziel wie ich: Das Interesse an der Chemie im Alltag wecken. Denn Chemie ist überall, alles ist Chemie – und ohne geht’s nun einmal nicht. Auch wenn gar zu viele Werbetreibende anderes behaupten.

„Was wir tun, was uns umgibt, was wir fühlen – alles hat mit Chemie zu tun“

heisst es denn auch im Klappentext zu „Komisch, alles chemisch!“

„Daran lässt die junge Wissenschaftlerin und Journalistin Mai Thi Nguyen-Kim keinen Zweifel. Sie zerlegt vertraute Alltagsphänomene in ihre chemischen Elemente und erklärt witzig und originell, welche chemischen Reaktionen in und um uns herum insgeheim ablaufen. Das Ganze macht nicht nur schlau, sondern vor allem eins: Lust auf Chemie.“

Damit ist klar, dass ich dieses Buch unbedingt auch euch vorstellen muss. Also los!

Inhalt des Buches

Mai schildert in ihrem Buch einen ganz normalen Tag ihres Lebens als Wissenschafts-Youtuberin. Und der unterscheidet sich bestimmt gar nicht so sehr von eurem Alltag: Aufstehen, Frühstück, Büroarbeit, Einkaufen, Kochen, ein lustiger Abend mit Freunden…

Trotzdem geht in Mais Alltag – genau wie in eurem – nichts ohne Chemie. Von einfach vorhanden wie im Innern eures Körpers über äusserst nützlich wie die Superwaschkraft von Seifen bis zu höchst unangenehm wie in Form stinkender Stoffe kann die Chemie des Alltags viele verschiedene Rollen einnehmen.

Eingebettet zwischen Einblicken in die chemischen Hintergründe nur all zu menschlicher Alltagsbegebenheiten vom Aufwachen über Zähneputzen, Atmen, Handy aufladen, Dessert-Zubereitung bis hin zum Alkohol-Kater lernt ihr auch gleich die wichtigsten Grundlagen der Chemie kennen. Einschliesslich Kurzanleitungen, anhand derer ihr das ein oder andere selbst ausprobieren könnt.

Zudem bietet Mai etwas, das in den meisten Büchern, die sich nur um wissenschaftliche Inhalte drehen, vergessen gerät: Einen verständlichen Einblick in die korrekte Interpretation und belastbare Ausführung wissenschaftlicher Studien. Davon nämlich können sich viele „Bewohner“ des weltweiten Netzes, von Facebook-Diskussionsteilnehmern bis zu Profi-Journalisten eine dicke Scheibe abschneiden.

Und als ob das noch nicht genug wäre, gibt es noch ein Lieblingsrezept von Mai zum Nachkochen und -forschen oben drauf!

Mein Eindruck: Für wen ist das Buch geeignet?

Da ich selbst studierte Chemikerin bin, sind die chemischen Grundlagen natürlich nichts neues für mich. Aber gerade bei den Alltagsphänomenen lerne auch ich noch immer etwas dazu. So auch durch „Komisch, alles chemisch“. Und die ein oder andere Erinnerung an meinen eigenen früheren Studenten-Laboralltag hat mir ein überaus breites Grinsen auf den Lippen beschert.

Aber eigentlich ist das Buch gar nicht so sehr für Wissenschafts-Nerds gedacht, wie es jetzt den Anschein haben mag.

Die einfachen, aber keinesfalls flachen Erklärungen und oft witzigen Ausführungen richten sich vielmehr an alle unter euch,

  • die ein Interesse daran haben, wie ihre Welt wirklich funktioniert.
  • die wissen und verstehen möchten, welche Stoffe ihnen und ihren Kindern nützen können, wie man die „böse“ Chemie (die sehr viel seltener ist, als viele glauben) von der „guten“ unterscheiden kann.
  • die substanzlosen, pseudochemischen Werbeversprechen aus dem Weg gehen und ihr Geld für Sinnvolles verwenden möchten.
  • die in der nächsten Online-Diskussion mit sachlichen Argumenten und einem Gespür für die Belastbarkeit zitierter Studien punkten möchten.
  • und die ihren neugierigen Kindern Fragen zu all dem beantworten können möchten.

Naturwissenschaftliche Vorbildung? Ist hier nicht nötig…und wer sie in der Schule genossen hat oder gerade geniesst, wird bestimmt das ein oder andere wiedererkennen.

„Komisch, alles chemisch!“ steht damit im Dienste der Ziels von Mais Youtube-Kanal „maiLab“: Wissenschaft für alle verständlich zu vermitteln, unser aller Medienkompetenz zu erweitern und dabei auch noch Spass zu machen. Und das gelingt der Autorin in meinen Augen wunderbar.

Eckdaten zum Buch

Mai Thi Nguyen-Kim:

Komisch, alles chemisch! – Handys, Kaffee, Emotionen – wie man mit Chemie wirklich alles erklären kann

Verlag Droemer HC, März 2019

Paperback, 256 Seiten (auch erhältlich als Ebook oder Hörbuch)

ISBN 978-3-426-27767-6

Mein Fazit

„Komisch, alles chemisch“ bietet nicht nur Eltern und Erwachsenen, sondern auch neugierigen Jugendlichen einen amüsanten Einblick in die Welt der Chemie. Die ist nämlich überhaupt nicht weltfremd oder abgehoben, sondern ganz normaler Teil unserer Welt.

Wenn ihr also neugierig darauf seid, was im ganz kleinen Massstab wirklich abgehtd und/oder euch im Dschungel der Internet-Behauptungen und Studienzitate künftig besser zurechtfinden möchtet, ermöglicht euch Mais Buch einen wunderbaren Einstieg. Und dank ihrer lockeren, humorvollen Erzählweise eignet sich der sogar als entspannende Strandlektüre.

Um es mit Mai zu sagen: „Freunde der Sonne, worauf wartet ihr noch?“

Rezension: Quantenphysik für Babys - Chris Ferries Baby-Universität für die Allerkleinsten?

Das ist ein Ball…

Das ist ein Ball...auch der Anfang jedes Bandes der Baby-Universität

So beginnt auch bei Chris Ferrie jede Reise in die Welt der Wissenschaft an dem einen festen Ausgangpunkt in der Alltagswelt von Kindern. Und dieser Ball wird in jedem Band seiner Bilderbuchreihe über MINT mit mehr oder weniger abstrakten Eigenschaften versehen.

Inspiriert von seinen eigenen vier Kindern möchte der preisgekrönte Physiker schon die Jüngsten mit der spannenden Welt der Naturwissenschaften vertraut machen. Mit robusten Papp-Bilderbüchern, die man getrost auch Kleinstkindern zum Spielen in die Hände geben kann.

Im Internet-Zeitalter, in welchem sich Fehlinformationen aufgrund mangelhafter oder fehlender Vertrautheit mit naturwissenschaftlichen Grundlagen wie Seuchen verbreiten, scheint es nur zu verlockend, Kinder schon möglichst früh mit solchen Inhalten vertraut zu machen, damit ihnen das spätere Lernen auf diesem Gebiet möglichst leicht fällt.

Aber abstrakte Konzepte wie Quantenphysik, Relativitätstheorie, Evolution und Raketenwissenschaft, mit welchen schon wir Grossen zuweilen Mühe haben, für Kleinkinder? Können die mit solchen Inhalten überhaupt schon etwas anfangen? Mein Bauchgefühl – und ich bin immerhin schon seit dem siebten Lebensjahr mit dem Atommodell vertraut (der „Atommaus“ nach dem Tschnernobyl-Unglück sei Dank) – war ja von Beginn weg ein wenig skeptisch eingestellt.

Dieser Artikel enthält Affiliate-Links aus dem Affilinet-Partnerprogramm des Orell-Füssli-Verlags (gekennzeichnet mit (*) – (*) ) – euch kosten sie nichts, mir bringen sie vielleicht etwas für meine Arbeit ein. Ich habe für diese Rezension vom Loewe-Verlag ein Rezensionsexemplar des Buches und digitale Druckfahnen der weiteren drei Bände erhalten. Herzlichen Dank dafür! Es besteht kein Interessenkonflikt hinsichtlich des Inhalts in diesem Beitrag und dessen Publikation.

Mystische Naturwissenschaften – wirklich so komplex?

Dabei lassen sich die grundlegenden Inhalte der Physik, Chemie und Biologie tatsächlich in einer Weise vereinfachen, die sie wunderbar begreifbar macht, ohne dass sie der Sache in unhaltbarer Weise Abbruch tun. Das haben Modelle so an sich: Sie stellen die Wirklichkeit vereinfacht da, indem sie (nur) genau darin detailreich sind, was man für sein Ansinnen gerade braucht. Und im Verwenden von Modellen sind Physiker (und Chemiker) ja Weltmeister.

Ob als Elektron, massereicher Stern oder fortpflanzungsfähiges Wesen, der Ball erhält bei Chris Ferrie in jedem Band neue Eigenschaften, die tatsächlich nicht immer greifbar – aber mit etwas Geschick erklärbar sind.

Erklärfähigkeit der Eltern und Erzieher ist gefragt

Beispiel „Quantenphysik“: Hier ist diese neue Eigenschaft Energie, dargestellt durch ein sonnenähnliches Leuchten um den Ball. Aber was ist eigentlich Energie? Diese nicht ganz einfache Frage zu beantworten, bleibt den Grossen überlassen, die dieses Buch vorlesen.

Wenn ihr die Antwort nun ganz genau wissen möchtet, findet ihr sie in meinem preisgekrönten Beitrag hier.


Für die schnelle Version ist hier mein Vorschlag für eine Antwort an die Jungforscher

Die Energie ist die Fähigkeit eines Gegenstandes, etwas – auch sich selbst – zu bewegen.

Legt einen realen Ball auf den Schrank: Der hat Energie. Denn: Wenn ihr ihn nur ein wenig anschubst und über die Kante rollt, fällt der Ball runter und hüpft oder rollt davon. Er bewegt sich (und wenn er dabei irgendetwas umschmeisst, bewegt er sogar noch etwas anderes)!

Und wenn er schliesslich liegen bleibt, hat er weniger Energie (wenn ihr im Obergeschoss wohnt und das Kind auf die Idee kommt, den Ball anschliessend vom Balkon oder die Treppe hinunter zu befördern, ist das schnell klar: Es gibt noch ein „Darunter“ und damit die Möglichkeit, noch weniger Energie zu haben).


Die Lageenergie lässt sich nicht nur einfach zeigen, sie passt auch zum folgenden Inhalt des Buches.

Bedauerliche Lücke: Atommodell

Der nächste Gedankenschritt gerät leider etwas weit: Bälle bestehen aus Atomen.

Das Bild zu diesem Satz zeigt vor dem Ball eine stilisierte Lupe mit der Darstellung eines Atoms samt Kernteilchen und Elektronenbahnen. Auch diese Seite fordert zusätzliche Erklärung seitens der „Grossen“ heraus. Dabei hätte das Atommodell (bzw. das Schalenmodell) durchaus einen eigenen Band in dieser Reihe verdient.

Ich glaubte erst daran, dass bei der Übersetzung von zunächst nur vier Bänden aus der viel längeren Reihe eine unglückliche Auswahl getroffen wurde – aber einen Band zum Atommodell gibt es auch im Original leider (noch?) nicht.

Und das, obwohl die „Sendung mit der Maus“ schon Ende der 1980er Jahre in der „Atommaus“ vormacht, wie man den Jüngsten Atome nahebringen kann (hat bei mir ja bestens funktioniert).


Mein Vorschlag zur Erläuterung auf Grundlage der Atommaus

Eure Frage an das Kind: Was passiert, wenn du einen Klumpen Spielknete (Plätzchenteig, einen Apfel, ein Stück Holz,…) in zwei Hälften teilst? Das gibt zwei kleine Klumpen. Und wenn du die nochmal teilst? Zwei noch kleinere Klumpen. Und dann nochmal…? Die Klumpen werden immer kleiner. Irgendwann sind sie so klein, dass wir sie nicht mehr sehen können (zumindest nicht ohne Mikroskop). Und dann sind sie schliesslich so winzig klein, dass sie sich nicht weiter teilen lassen:

Diese winzigkleinsten, unteilbaren Teilchen haben die Forscher Atome (= die Unteilbaren) genannt. Alle Stoffe bestehen aus winzigkleinsten, unteilbaren Atomen (auch der Ball). Zumindest glaubten die Forscher lange Zeit, dass die Atome unteilbar wären. Aber dann haben sie herausgefunden, dass man die Atome doch zerteilen kann – und dann erhält man noch winzigere Teilchen.


Elementarteilchen als Bälle

Hier steigt nun das Buch wieder ein: Im Atom gibt es Neutronen, Protonen und Elektronen, dargestellt als violette, rote und grüne „Bälle“.

Für die folgenden Erklärungen hätte man theoretisch auf die Kernteilchen verzichten können, insbesondere, da das dargestellte Beispielatom nicht den Grundregeln der Schulchemie entspricht. Die Anzahl Protonen entspricht nämlich nicht der Elektronenanzahl in der Hülle – und wenn es das so dargestellte Helium- -Ion geben sollte, ist das ein überaus kurzlebiger Teilchen-Exot. Als pedantischer Chemie-Didaktikerin hätte ich hier lieber ein ordentliches Lithium-Atom mit drei Protonen (und meinetwegen zu wenigen Neutronen) gesehen.

Genial einfach: Was eigentlich Quanten sind

Der Erklärung des Begriffs der „Quanten“ tut dieser Schnitzer jedoch keinen Abbruch. Im folgenden wird nämlich korrekt gezeigt: Ein Elektron kann auf jeder der Schalen/Umlaufbahnen in der Atomhülle zu fnden sein, aber nicht zwischen diesen Schalen oder im Atomkern. Und je weiter „oben“ bzw. aussen sich ein Elektron befindet, desto mehr Energie hat es. Womit wir wieder beim Ball auf dem Schrank aus meiner ersten Ergänzung sind.

Und daraus folgt die Quintessenz aller Quantenphysik – und der dritte erklärungsbedürftige Satz im Buch: „Die Energie ist quantisiert.“


Das heisst: Die Energie der Elektronen kann nur ganz bestimmte, nicht aneinander angrenzende Werte annehmen. Erst mit dieser Erläuterung wird klar, dass auch die Energiemengen, welche die Elektronen zum Wechsel zwischen den Schalen/Bahnen aufnehmen oder abgeben, nur ganz bestimmte Grössen haben können. Und diese ganz bestimmten Energiemengen bezeichnet man eben als Quanten.


Und das ist alles. Das ist tatsächlich das ganze Geheimnis um den mystischen Begriff „Quanten“.

Und was bringt das Ganze den Kindern?

Dass diese Energiequanten und Materieteilchen einander zum Verwechseln ähnlich sind und allerlei für uns schwerlich zu begreifende Eigenschaften haben, bleibt in diesem Buch aussen vor. Darauf einzugehen ist für den ersten Anfang auch nicht nötig.

Denn allein mit dem Inhalt dieses Bandes (und den allenfalls nötigen Erläuterungen dazu) lassen sich einige beliebte Kinderfragen beantworten, die viele Grosse schnell in Erklärungsnot bringen: Was sind Farben? Warum ist der Ball blau? Warum leuchten die Sterne an meiner Wand im Dunkeln? Was bringt unsichtbare Tinte im Schwarzlicht zum Leuchten?

Die einzig nötige Zutat zur „Quantenphysik für Babys“ für die Antwort auf solche Fragen ist: Die Energie, welche die Elektronen zum Springen aufnehmen, ist Licht (womit dann – nebenbei – auch das Licht quantisiert ist).

Die detaillierten Antworten findet ihr hier in Keinsteins Kiste

Für die Farben: „Farben, Licht und Glanz- Warum die Welt uns bunt erscheint

(Kurz: Weisses Licht besteht aus vielen verschiedenen Sorten farbigen Lichtes. Die Elektronen nehmen zum Springen ganz bestimmte Farben auf. Die anderen Farben bleiben übrig, kehren zum Auge zurück..und erscheinen so „allein“ nicht mehr weiss, sondern farbig.)

Für die Leuchtsterne und das Schwarzlicht: „Kürbis und kaltes Feuer

(Kurz: In den Leuchtsternen lassen sich die Elektronen Zeit mit dem Herunterfallen. Das aufgenommene Licht aus der Lampe kommt einfach erst später wieder zurück (nach dem Ausschalten des Lichtes). Die Schwarzlichtlampe sendet Licht mit besonders hoher Energie aus, das für unsere Augen unsichtbar ist (UV-Licht). Die Elektronen, die dieses Licht aufnehmen, fallen über mehrere Stufen wieder runter und geben dabei kleinere und sichtbare Energieportionen – Quanten – wieder ab.)

Für welche Zielgruppe ist die Baby-Universität geeignet?

In der Austellung „Die Entdeckung der Welt“ habe ich vor ein paar Tagen wiederentdeckt, was mir schon aus der Entwicklungspsychologie an der Uni hängengeblieben war: In den allerersten Lebensjahren sind Kinder damit beschäftigt, ihre Sinne auszubilden, Motorik, Sprachfertigkeiten und sozialen Umgang zu lernen. Zum Begreifen abstrakter Konzepte sind Kleinkindergehirne nach der Meinung vieler Psychologen noch gar nicht fähig.

Die Krux bei all diesen Entwicklungsmodellen ist aber: Kein Kind ist wie das andere. Deshalb sehe ich Altersangaben gerade für Spielsachen und Fördermittel in den ersten Lebensjahren nur als grobe Richtlinie an.

Das Interesse muss vom Kind kommen

Bezüglich dieser Buchserie haben der Autor/Verlag und ich selbst es mehrfach angedeutet: „Reif“ für die Baby-Universität sind die Kinder dann, wenn sie zu fragen beginnen. „Warum sind die Dinge bunt?“ und „Papa, was machst du eigentlich bei der Arbeit?“ können da gleichermassen ein passender Einstieg sein.

Zu meiner Zeit gab es solche Bilderbücher noch nicht. Da redete sich mein Physiker-Vater – eigentlich als Meister der Erklärung bekannt – gerne mit „Ich muss noch etwas messen“ heraus, wenn wir ihn fragten, warum er zu Unzeiten nochmal in die Uni fahren musste. Die Gedanken an Mamas Küchenwaage oder ihr Schneidermassband waren zweifellos nicht sonderlich aufregend – und die Vorstellung „Physiker messen Dinge“ auch nicht. Warum also nicht den Versuch wagen, etwas weiter zu gehen, wenn das Interesse da ist?

Wenn Kinder beginnen, entsprechende Fragen nach der „Natur“ ihrer Umgebung zu stellen, kann die Baby-Universität ein nützliches Hilfsmittel sein, um diese zu beantworten und Lust auf mehr MINT zu wecken. Dazu ist allerdings unumgänglich, dass auch die „Grossen“, die den Nachwuchs beim Erkunden der Bücher begleiten, eine grundlegende Vorstellung von den naturwissenschaftlichen Zusammenhängen haben, um das Gezeigte treffend erläutern zu können.

Schaut euch also die Bücher an, bevor ihr sie euren Kindern gebt, und frischt eure eigenen Kenntnisse anhand der Inhalte noch einmal auf!

Und wann beginnen Kinder zu fragen?

Wann Kinder beginnen, die entscheidenden Fragen zu stellen, ist allerdings von Kind zu Kind verschieden. Deshalb möchte ich auch weder die Altersempfehlung des Verlags (ab 2 Jahren) bewerten noch eine eigene abgeben. Die Aufmachung der Reihe als Baby-Bilderbücher gibt in meinen Augen allenfalls das Signal: Es gibt keine Altersbegrenzung nach unten. Legt los, sobald die Fragen kommen – egal, wann sie kommen. Ein „Dafür bist du noch zu klein“ als Antwort gibt es bei Chris Ferrie nicht.

Gezielte Frühförderung?

Wer hingegen glaubt, ein (auch vermeintlich hochbegabtes) Kind mit der Bereitstellung solcher Inhalte gezielt in naturwissenschaftlicher Richtung fördern zu können – ohne dass das Kind von sich aus zu fragen beginnt, ist auf dem Holzweg.

Nicht nur, dass die Entwicklungsgeschwindigkeit des einzelnen Kindes in den ersten (vier) Lebensjahren so stark schwankt, dass es noch gar nicht möglich ist, Aussagen über eine allfällige überdurchschnittliche Begabung zu treffen. Das Kleinkind-Gehirn ist zudem mit „greifbaren“ Lerninhalten vollauf beschäftigt und muss erst lernen, Vorstellungen – wie sie für den Umgang mit Modellen nötig sind – zu entwickeln.

Wann es beginnt, sich Dinge vorzustellen und den Wortschatz entwickelt, um solche Vorstellungen zu besprechen, zeigt das Kind selbst – indem es die entsprechenden Fragen stellt.

Nebenzielgruppe: Erwachsene Forscher mit Humor

Als weitere mögliche Leser für die Baby-Universität nennt der Loewe-Verlag erwachsene Beschenkte, die eine Gabe mit Augenzwinkern zu schätzen wissen. Warum also nicht den grossen Forschern zur Mutter- oder Vaterschaft das Buch zum eigenen Fachgebiet überreichen? Vielleicht wird es in Zukunft ja noch richtig nützlich, wenn die „Mama/Papa, was machst du bei der Arbeit?“-Frage kommt.

Weitere in Deutsch verfügbare Bände der Baby-Universität

  • „Raketenwissenschaft für Babys“ – Nicht nur wie Raketen funktionieren, sondern auch wie Flugzeuge fliegen wird hier grundlegend erklärt.
  • „Evolution für Babys“ – Sich fortpflanzende Bälle passen sich einem Selektionsdruck an: Die Grundlage für eine wissenschaftliche Antwort auf die Frage, wie die Menschen entstanden sind.
  • „Allgemeine Relativitätstheorie für Babys“: Ganz aktuell zur ersten Fotoaufnahme: „Was ist ein schwarzes Loch?“ – Ein extrem gewichtiger Ball sorgt für gekrümmte Raumzeit.

Eckdaten zu den Büchern

Chris Ferrie

(*) Quantenphysik für Babys (*)
ISBN 978-3-7432-0372-3

(*) Raketenwissenschaft für Babys (*)
ISBN 978-3-7432-0370-9

(*) Evolution für Babys (*)
ISBN 978-3-7432-0371-6

(*) Allgemeine Relativitätstheorie für Babys (*)
ISBN 978-3-7432-0373-0

Loewe Verlag GmbH, Bindlach, 2019

Pappe mit Spotlack 20x20cm, 26 Seiten
jeder Band €9,95 / CHF 15,90

Fazit

Wenngleich die „Baby-Universität“ nicht aus Babys Quantenphysiker machen kann, bietet sie doch einen altersunabhängigen Einstieg in die wundersame Welt der Naturwissenschaften – wenngleich mit einer aus Chemikersicht schmerzlichen Lücke (das Atommodell).

Die dargestellten Konzepte sind in erstaunlicher Weise einfach, erfordern in meinen Augen aber Erläuterungen seitens der vorlesenden Grossen (die sich – wenn nötig – entsprechende Grundkenntnisse aneignen sollten).

Die Papp-Bilderbücher der „Baby-Universität“ sind ein praktisches Hilfsmittel, um erste Antworten auf herausfordernde Kinderfragen zu finden: Warum sind die Dinge bunt? Was ist ein schwarzes Loch? Was machst du bei der Arbeit? Gezielt initiieren lassen sich solche Fragen bzw. Gedankengänge in meinen Augen jedoch nicht.

Überdies mögen sich die Bilderbücher als humorvolles Geschenk – zum Beispiel zur Mutter- oder Vaterschaft forschender Freunde und Verwandte eignen.

Und wann seid ihr das erste Mal mit Konzepten wie einem Atommodell, der Quantenphysik oder schwarzen Löchern in Kontakt gekommen? Wie geschah das? Und wie würdet ihr Bilderbücher zu solchen Themen zum Einsatz bringen?

Bilderbuch-Rezension: Richtig giftig - Richtiger Umgang mit Chemie im Alltag!

Dieser Artikel enthält Affiliate-Links aus dem Affilinet-Partnerprogramm des Orell-Füssli-Verlags (gekennzeichnet mit (*) – (*) ) – euch kosten sie nichts, mir bringen sie vielleicht etwas für meine Arbeit ein. Ich habe für diese Rezension vom Orell Füssli Verlag ein Rezensionsexemplar des Buches  erhalten. Herzlichen Dank dafür! Es besteht kein Interessenkonflikt hinsichtlich des Inhalts in diesem Beitrag und dessen Publikation.

 

Eine alltägliche Geschichte

Emma ist vier Jahre alt und langweilt sich. Draussen regnet es und Mama hat keine Zeit. Sie muss das Wohnzimmer putzen. Nicht einmal etwas Süsses hat Emma ihr abschwatzen können. Dabei wollte sie sich doch mit ihrer Puppe Berta zum Tee in der Puppenküche treffen… Aber halt! Der Schrank im Flur steht ja ein Stück offen! Und da ist noch eine Flasche mit leuchtend blauer Flüssigkeit. Hat Papa nicht neulich so eine leckere blaue Limonade gekauft? Die wäre jetzt genau richtig für die Teestunde mit Berta!

Emma holt die Flasche aus dem Schrank und nimmt sie mit ins Kinderzimmer. Dort füllt sie für Berta und sich selbst die blaue „Limonade“ in eine Puppentasse. Etwas dickflüssiger als die von Papa ist sie schon. Aber was solls. Während sie mit Berta den neuesten Klatsch austauscht, hebt Emma ihre Tasse, um zu trinken…

Diese oder eine ähnliche Geschichte könnte in jedem Haushalt passieren. Die Flasche aus dem Putzschrank enthält natürlich keine Limonade, sondern ein scharfes Reinigungsmittel. Wenn die Mutter nicht auf das Geschehen aufmerksam wird, bevor Emma von der Flüssigkeit trinkt, kann das Kind sich gefährlich verletzen oder gar vergiften. Das tut furchtbar weh, bringt eine Riesenaufregung mit sich und endet nicht selten im Spital.

Hätte Emma die weisse Raute mit rotem Rand und dem schwarzen Symbol darin auf der Flasche erkannt, wäre es wahrscheinlich gar nicht so weit gekommen. Dieses Zeichen bedeutet nämlich: „Achtung, gefährlich!“ Und das steht nur auf den wirklich gefährlichen Sachen. Die sicher keine Limonade (und auch sonst kein Spielzeug) sind.

Damit sich solche Unfälle nicht mehr wiederholen, hat das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit BAG mit dem Autor Lorenz Pauli und der Illustratorin Claudia de Weck ein Bilderbuch entwickelt, das schon Kindern im Vorschulalter die Gefährlichkeit von Chemieprodukten im Alltag und die Bedeutung der Warnsymbole näher bringt. Der perfekte Inhalt für Keinsteins Bücherkiste!

Zum Inhalt des Buches

Die neugierigen Schulkinder Mona und Aaron stellen Fragen zum Sinn und Unsinn von Warnhinweisen und Verbotsschildern. Auf der Suche nach Antworten geraten sie in ein rasantes Abenteuer. Darüber vergessen sie völlig, dass sie eigentlich Schule hätten. Macht aber nichts – denn unterwegs lernen sie äusserst Wichtiges über den Umgang mit Gefahren und die GHS-Gefahrstoff-Kennzeichnen (die weissen Rauten mit rotem Rand und schwarzen Piktogrammen), die man auf der Verpackung von gefährlichen Stoffen findet. Und das nicht nur im Labor, sondern auch überall im Haushalt.

Mit dem neuen Wissen kann Aaron sogar seinem Papa helfen, die eigene Wohnung für seinen kleinen Bruder Finn sicher zu gestalten. Denn der soll schliesslich nicht einfach an Putzmittel und Spülmaschinen-Tabs herankommen, wenn mal keiner hinschaut.

Wenn Mona und Aaron auf ihrem Streifzug einen giftigen Strauch entdecken, hält das Buch eine kleine Liste in der Schweiz verbreiteter Giftpflanzen bereit. Um deren Gefährlichkeit sollten Kinder wissen, wenn sie draussen in der Natur spielen. Natürlich ist die Liste bei weitem nicht vollständig, enthält aber solche Arten, deren bunte Blüten oder Früchte besonders anziehend wirken können.

Am Ende des Bandes finden grosse und kleine Leser eine Übersicht über alle GHS-Gefahrensymbole mit ihren Bedeutungen, typischen Gefahren, die von „ihren“ Stoffen ausgehen, passenden Sicherheitsmassnahmen und Beispiele für Produkte, auf denen sie zu finden sind.

Die Geschichte von Aaron und Mona wird in farbenfrohen Bildern erzählt, auf welchen es unheimlich viel zu entdecken und beim Vorlesen mit den Kindern zu diskutieren gibt. Zudem bestehen die grossflächigen Bilder auf den Klappen-Innenseiten nur aus Konturen und laden zum Selbstausmalen ein.

Mein Eindruck vom Buch

„Richtig giftig“ bringt Kindern (und Grossen) auf farbenfrohe und humorvolle Weise ein Thema nahe, das nicht nur beim Experimentieren überaus wichtig ist.

„Bei Unfällen mit chemischen Produkten in Haushaltungen sind in der Hälfte der Fälle Kinder unter 5 Jahren betroffen. Deshalb ist es wichtig, Kinder möglichst früh auf die Gefahren von chemischen Produkten hinzuweisen“, schreibt auf das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit.

Chemische Produkte gibt es in Haushalt und Alltag überall (schliesslich ist alles irgendwie Chemie). Dank der Bildsprache der GHS-Kennzeichnungen können auch Kinder vor dem Lesealter solche Gefahren erkennen lernen. Mit Mona und Aaron gelingt das, ohne unnötige Ängste zu schüren.

Denn: Gefährliche Stoffe sind in der Regel erst dann gefährlich, wenn man nicht richtig mit ihnen umgeht.

Das Bilderbuch „Richtig giftig“ ist in meinen Augen zum gemeinsamen Lesen und Entdecken geschaffen. Die Beschäftigungsmöglichkeiten mit diesem Buch gehen weit über das blosse Vorlesen hinaus. Die Illustrationen bieten nämlich reichlich Anlass, mit dem Kind bzw. den Kindern Einzelheiten zu entdecken. Davon ausgehend können Kinder und Erwachsene wunderbar die in der Geschichte und den Abbildungen dargestellten Situationen und Inhalte sprechen und diskutieren.

Und mich haben sie zu einer ganz persönlichen Anregung inspiriert: Tut es doch Aaron und seinem Papa gleich und überprüft gemeinsam euren eigenen Haushalt darauf, ob alles, was gefährlich sein kann, ordentlich und kindersicher untergebracht ist!

Relativ kurze Sätze in grosser Druckschrift ermöglichen Grundschulkindern mit einem gewissen Grundwortschatz zudem, die Geschichte selbst zu lesen. So ist dieses Bilderbuch nicht nur in der Vorleseecke zu Hause gut aufgehoben, sondern auch ein wertvoller möglicher Bestandteil jeder Schulzimmer- oder Kindergarten-Bibliothek.

Eckdaten zum Buch

(*)
Richtig giftig. Wo es echt gefährlich ist.


(*)
Von Lorenz Pauli /Claudia de Weck
In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit BAG
Atlantis-Verlag, Imprint Orell Füssli Verlag AG, Schweiz 2018
Hardcover, grosses Format, 32 Seiten
ISBN 978-3-7152-0755-1

Das Buch ist zudem auch auf Italienisch (Edizioni Casagrande, ISBN 978-88-7713-802-6) und auf Französisch (Editions Rossolis, ISBN 978-2-940585-20-5) erschienen.

Mein Fazit

„Richtig giftig“ ist ein thematisch aussergewöhnliches Bilderbuch, das aber in keiner Bücherkiste fehlen sollte. Auch und besonders dann nicht, wenn im Haushalt gerne experimentiert wird. Denn besonders dabei gilt: Damit keine Unfälle mit Gift passieren, muss man vorsorgen. Und dabei muss ein Erwachsener helfen.

Wenn alle Regeln für die Vorsorge eingehalten werden, muss man vor Chemieprodukten jedoch keine Angst haben. Und genau das bringt dieses Bilderbuch mit seinem Humor, der mich manches Mal schmunzeln liess, wunderbar mit zur Geltung.

Im Übrigen gebe ich auch bei meinen Experimenten in Keinsteins Kiste die zugehörigen GHS-Warnsymbole und Sicherheitshinweise an, wenn ein gefährlicher Stoff dabei zum Einsatz kommt. So könnt ihr schon vorsorgen, bevor ihr das Experiment durchführt, und schlimmere Unfälle verhindern.

Falls trotz allem doch einmal etwas passieren sollte und ihr nicht sicher seid, was zu tun ist, könnt ihr jederzeit die Nummer des Giftnotrufs wählen und schildern, was geschehen ist. Die Fachleute am anderen Ende der Leitung werden euch anleiten und euch Rat geben, ob und wann ihr beim Arzt oder im Spital/Krankenhaus Hilfe suchen solltet.

In der Schweiz betreibt ToxinfoSuisse die Notfallnummer 145 .

In Deutschland sind die Giftnotrufzentralen auf die verschiedenen Bundesländer verteilt. Eine Liste der jeweiligen Telefonnummern gibt es hier.

In Österreich ist die Vergiftungsinformationszentrale unter +43 1 406 43 43 zu erreichen.

Und jetzt wünsche ich euch viel Spass beim Lesen, Stöbern und sicheren Experimentieren!

Chemie mit Globi : Rezension und Gewinnspiel zum Schweizer Vorlesetag #vorlesefieber

Dieser Artikel enthält Affiliate-Links aus dem Affilinet-Partnerprogramm des Orell-Füssli-Verlags (gekennzeichnet mit (*) – (*) ) – euch kosten sie nichts, mir bringen sie vielleicht etwas für meine Arbeit ein. Ich habe für diese Rezension vom Orell Füssli Verlag ein Rezensionsexemplar des Buches und eine Zusage für den Versand eines zweiten Exemplars als Gewinn erhalten. Vielen Dank dafür! Es besteht kein Interessenkonflikt hinsichtlich des Inhalts in diesem Beitrag und dessen Publikation.

Mint&Malve veranstalten anlässlich des ersten Schweizer Vorlesetages am 23.Mai – ausgerichtet vom Schweizerischen Kinder- und Jugendmedien SIKJM – die Blogparade #vorlesefieber , bei welcher sich alles ums Vorlesen dreht. Vorlesen – das ist eine wunderbare Möglichkeit, Zeit mit (seinen) Kindern zu verbringen und sie von Anfang an beim Lernen zu unterstützen – ohne dass die Kinder etwas davon merken! Denn Vorlesen fördert Sprachkompetenz und Kreativität… und kann nebst Nähe auch noch Wissen vermitteln. Um zum Vorlesen und Zuhören zu animieren, finden an 23. Mai in der ganzen Schweiz Veranstaltungen rund ums Vorlesen statt – und hier in der virtuellen Schweiz bloggen wir fleissig zu allem, was eine schöne Vorleserunde ausmacht.

Aber wie passen denn Vorlesen und Naturwissenschaft zusammen? Kann man denn Kindern überhaupt schon so etwas wie Chemie vermitteln? Und sind Lehrbücher nicht selbst dann, wenn sie vorgelesen werden, viel zu trocken für junge Forscher?

Mitnichten! Ich war selbst positiv überrascht als ich zum ersten Mal davon las: Es gibt tatsächlich Kinderbücher, welche den jungen und jüngsten Lesern die Chemie ihrer Alltagswelt näher bringen und zum Erforschen anregen – und das ganz ohne den üblichen negativen Anstrich meines Fachs! Eines davon ist noch dazu made in Switzerland und dreht sich um einen der grössten Helden der Schweizer Kinderliteratur: Ich schreibe von „Chemie mit Globi“!

Globi forscht und entdeckt

…und seine Fans forschen und entdecken mit. In diesem Band der Reihe GlobiWissen macht der stets neugierige Globi sich daran, die Chemie in seiner alltäglichen Umgebung (schliessich ist Chemie überall und alles ist Chemie) zu erforschen. Dabei unterstützt ihn sein Freund, der Chemieprofessor Justus K. Rauch, nach Kräften. Und hinter Justus verbergen sich eine ganze Reihe kluger Chemieprofessoren und Gymnasiallehrer, die im Auftrag der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz gründlich darauf geschaut haben, dass alles seine chemische Richtigkeit hat und verständlich ist.

So sind fast 100 farbenfrohe Seiten entstanden, auf welchen Globi und Justus ihre Welt der Stoffe und Reaktionen erkunden – die der Alltagswelt jeder Familie entspricht. Und das Beste ist: Sie verraten sogar, wie man einige ihrer Experimente nachmachen kann, sodass die Leser (bzw. Zuhörer) auch selbst mitexperimentieren können!

Zum Inhalt des Buches

Die Chemie ist ein unglaublich weites Feld, und tatsächlich geht in unserem Leben und unserer Umgebung praktisch nichts ohne sie (denn auch das Leben selbst und die Natur beruhen letztlich auf Chemie). Dementsprechend vielfältig und weit gestreut sind auch die Inhalte von „Chemie mit Globi“. Deshalb gebe ich euch eine Kurzübersicht, was ihr in diesem Buch finden könnt. Und zu fast allen Themen gibt es überdies Experimentieranleitungen zum Selberforschen!

  • Einleitung – ganz nach dem Motto von Keinsteins Kiste: Chemie ist überall – alles ist Chemie – und ein Wimmelbild-Inhaltsverzeichnis
  • Geschichte der Chemie, und ein wichtiger Sicherheitshinweis für alle folgenden Experimente
  • Atome und Elementarteilchen, Periodensystem der Elemente
  • Verbindungen: das Wassermolekül und Reaktionsgleichungen
  • Die Aggregatzustände fest, flüssig und gasförmig und ihre Umwandlungen ineinander
  • Reinstoffe, Stoffgemische und Trennverfahren
  • Metalle, Legierungen, Edelmetalle
  • Säuren und Basen (unter anderem mit dem Versuch mit dem „nackten Ei“) und die Messung des pH-Werts (als Experiment mit Rotkohl)
  • Salze und ihre Flammenfarben, die zum Beispiel dem Feuerwerk seine Farben geben
  • Die Entstehung von Rost
  • Die verschiedenen Erscheinungsformen von Kohlenstoff, Kohlenstoff als Element des Lebens, fossile Brennstoffe
  • Düngemittel und Nährstoffkreislauf in der Natur
  • Kunststoffe aus Erdöl: Langlebigkeit, Recycling
  • Strom durch Chemie: Batterien, Recycling, Leitfähigkeit von Salzlösungen
  • Medikamente sind Chemikalien
  • Gele: Gelatine als Superabsorber, Leim und Klebstoffe
  • Hefen machen Chemie: Sie erzeugen neue Stoffe, z.B. das Gas Kohlendioxid, Gärung
  • Indigo und andere pflanzliche Farbstoffe
  • Seife und die Superwaschkraft
  • Duft- und Aromastoffe aus der Natur
  • Spurensuche dank Erbsubstanz: DNA in der Kriminaltechnik

Zu guter Letzt werden reale ChemikerInnen vorgestellt – wie sie an Universitäten und vielen anderen Betrieben arbeiten, und solche, die weltberühmt geworden sind. So ist es fast unumgänglich, dass die Lektüre Neugier geweckt hat. Und Globi wäre vermutlich nicht Globi, wenn er nicht noch Infos zur Hand hätte, wo ihr euch weitergehend über Chemie-Berufe informieren oder weiter über Chemie und Experimente nachlesen könntet.

Und dass ihr aufmerksam gelesen bzw. beim Vorlesen zugehört habt, könnt ihr auf der letzten Seite des Buches schliesslich mit Globis Chemie-Quiz beweisen.

Mein Eindruck vom Buch

Auf knapp 100 Seiten wird eine grosse Fülle von Themen und Alltags-Phänomenen, die einen vielfältigen Einblick in das unfassbar weite Feld der Chemie gewähren, vorgestellt. Dabei schauen die Autoren nicht davor, auch abstraktere Inhalte wie Elementarteilchen, Elementsymbole und Reaktionsgleichungen einzubringen.

Warum auch – schliesslich haben auch und gerade solche alltagsfremden Dinge grosses Potential, um Neugier zu wecken. So haben mich selbst schon ab 8 Jahren in meinem WasistWas-Buch über Sterne und Astronimie die Skizzen zur Kernfusion mit dem Teilchenmodell am meisten fasziniert. – Indem diese Neugier genutzt wird, wird den Kindern ein einfacher Zugang zu später oft als „schwierig“ weil „abstrakt“ verschrienen Inhalten ermöglicht. Nichts desto trotz bleibt die Chemie mit Globi stets leicht verständlich.

So können auch die Grossen, die kaum (noch) Ahnung von Chemie haben, beim gemeinsamen (Vor-)Lesen und Experimentieren entdecken und repetieren – und sich so für allfällige Fragen widmen. Die werden nämlich ganz sicher kommen. Denn Globi und die Chemie ist kein umfassendes Lehrbuch – es macht vielmehr neugierig und regt dazu an, sich ohne negativen Vorbehalt mit der spannenden Chemie des Alltags zu beschäftigen.

 

Eckdaten zum Buch

(*)
Chemie mit Globi – Globi forscht und entdeckt

(*)
Globi-Verlag, Imprint Orell Füssli Verlag AG, Schweiz 2011
Hardcover-Ausgabe, 96 Seiten
ISBN 978-3-85703-007-9

Fazit

Chemie vorlesen? Ja, das geht! Das Buch richtet sich zwar vornehmlich an Kinder der Primarstufe (1. bis 6. Klasse), die also schon selbst lesen können oder lernen, aber auch in diesem Alter verbindet das gemeinsame Lesen. Denn manchmal ist es einfach entspannter, jemandem zuzuhören – und diesen Jemand dann auch gleich mit Fragen eindecken zu können, als selbst zu lesen. Und ich habe schon Kindergärtler kennengelernt, die ihre Eltern mit Fragen zu „Ha-zwei-Oh“ gelöchert haben (und die Eltern waren dann froh, bei mir und in Keinsteins Kiste Antworten auf so manche Frage zu finden).

Im Übrigen: Niemand ist perfekt…auch nicht Globi. So haben sich aller Umsicht und Mühe zum Trotz ein paar Fehler in diesen Band eingeschlichten. Macht aber nichts, denn der Orell Füssli Verlag bietet die korrigierten Seiten gratis zum Download an. Und wenn ihr euch schon ein wenig mit Chemie auskennt: Findet ihr den groben Fehler gleich auf dem Cover (dem Beitragsbild)? Die Auflösung und alle anderen korrigierten Seiten findet ihr hier!

Gewinnspiel: Chemie mit Globi für euch

Wenn ihr nun neugierig seid und die Chemie mit Globi erforschen möchtet, habe ich noch ein besonderes Schmankerl für euch: Der Orell Füssli Verlag stellt mir ein Exemplar von „Chemie mit Globi“, das ich unter euch verlosen darf! Herzlichen Dank dafür!

Wie ihr am Gewinnspiel teilnehmen könnt

Zur Teilnahme kommentiert diesen Beitrag mit gültiger E-Mail-Adresse (die brauche ich, um euch über euren Gewinn benachrichtigen zu können!) und schreibt, welche Alltagsbeobachtung euch besonders neugierig auf Chemie, Physik und Co macht, oder was euch mit Globi verbindet.

Teilnahmebedingungen

  • Das Gewinnspiel wird von Keinsteins Kiste in Zusammenarbeit mit dem Orell Füssli Verlag veranstaltet. Vielen Dank für die Bereitstellung und den Versand des Preises!
  • Das Gewinnspiel startet am 15. Mai 2018 und endet am 31. Mai 2018 um 24.00 Uhr.
  • Die Teilnahme am Gewinnspiel ist kostenlos.
  • Ihr müsst mindestens 18 Jahre alt sein (Liebe Kinder: Tut euch mit euren Eltern, Grosseltern oder anderen Erwachsenen zusammen!).
  • Ihr müsst eine Post-Adresse in der Schweiz, Deutschland oder Österreich haben, an welche der Gewinnpreis versandt werden kann.
  • Gewinnpreis ist ein Exemplar des Buches „Chemie mit Globi“.
  • Es gibt 1 Los für einen Kommentar mit gewünschtem Inhalt (s.o.).
  • Eine Auszahlung des Gewinns in bar ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
  • Der Gewinner wird ausgelost und per eMail benachrichtigt. Dabei wird er darum gebeten, der Weitergabe seiner Postadresse an den Orell Füssli Verlag zuzustimmen, damit der Gewinn direkt vom Verlag versandt werden kann.
  • Die Gewinne gelten auf den Namen der teilnehmenden Person und sind nicht auf Drittpersonen übertragbar. Sofern die Ausschüttung eines Gewinns an einen in der Ziehung ermittelten Gewinner nicht möglich ist, weil eine Gewinnbenachrichtigung und/oder Gewinnzustellung scheitern und nicht binnen eines Monats nach der Ziehung nachgeholt werden können, verfällt der Gewinnanspruch.
  • Der Veranstalter behält sich das Recht vor, das Gewinnspiel aus sachlichen Gründen jederzeit ohne Vorankündigung zu modifizieren, abzubrechen oder zu beenden.

Und nun wünsche ich euch viel Spass beim (Vor-)Lesen, Forschen, Experimentieren und Mitspielen!

Robert Hofrichter : Im Bann des Ozeans - Expeditionen in die Wunderwelt der Tiefe

Dieser Artikel enthält Affiliate-Links aus dem Amazon-Partnerprogramm (gekennzeichnet mit (*) – (*) ) – euch kosten sie nichts, mir bringen sie vielleicht etwas für meine Arbeit ein. Ich habe für diese Rezension ein Rezensionsexemplar des Buches erhalten. Es besteht kein Interessenkonflikt hinsichtlich des Inhalts in diesem Beitrag und dessen Publikation.

***

1’337’323’000 Kubikkilometer – so viel Wasser enthalten die Ozeane dieser Welt. Gigantische Badewannen, die nicht nur Künstler und Poeten, sondern vor allem Meeresforscher und Biologen faszinieren. Robert Hofrichter ist einer von ihnen. Hier erzählt er die spannendsten Geschichten aus dem nassen Kosmos, der die Erde umgibt.

Auch auf mich hat das Meer schon immer seine unwiderstehliche Faszination ausgeübt. Ob als Kleinkind beim Strandurlaub, als Teenager bei der Erkundung von Watt und Stränden der Nordseeinsel Juist oder in jüngsten Jahren auf Reisen zu fernen Ozeanen, schon immer hatte das Meer einen besonderen Stellenwert in meinem Naturforscherleben.

So fiel mir diese Neuerscheinung rund um den wohl grössten Lebensraum der Erde (rund 70% unseres Planeten sind mit Wasser bedeckt!) gleich ins Auge. Schliesslich habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, euch einen spannenden, für jedermann verständlichen Zugang zu Natur und Wissenschaft zu bieten. Da lasse ich mir gerne von einem Fachmann für diesen ebenso lebenswichtigen wie atemberaubenden Teil der Natur unserer Welt „helfen“. Denn ich teile Hofrichters Ansicht, dass Begeisterung der Grundstein nicht nur für das Verstehen der Natur, sondern auch der Notwendigkeit wie auch der Fähigkeit sie zu schützen ist.

Und vorweg kann ich sagen: Dieses Buch ist wirklich geschaffen, um jedermann ohne Vorkenntnisse zu begeistern – und zugleich habe selbst ich mit – so glaubte ich – umfassenden Vorkenntnissen das Buch regelrecht verschlungen, weil es immer wieder neues zu lernen gab.

Zum Inhalt des Buches

Wie oft schon habe ich in der Buchhandlung oder einer Bibliothek die ersten Seiten eines Buchs überflogen, um einen Eindruck zu gewinnen, ob das Werk in meiner Hand mir zusagen zu können. Hofrichter mag dieses Verhalten stöbernder Bücherwürmer vor Augen gehabt haben, als er das erste Kapitel aus kurzen Appetithäppchen zu allen später ausführlicher behandelten Themen zusammengesetzt hat. Und Themen und Geschichten rund um die Meere gibt es so viele, dass sie weit mehr als 240 Seiten füllen könnten.

Die äussere Gestalt der Weltmeere

Hofrichter erzählt uns, wie unsere Meere entstanden sind und woher nach aktueller Meinung der Wissenschaft all das Wasser auf unserem Planeten eigentlich kommt, von der Plattentektonik und der Veränderlichkeit der Ozeane. Er erklärt uns, wie die Gravitation dafür sorgt, dass der Meeresspiegel bei Weitem nicht glatt ist, sondern zu der verbeulten Kartoffelgestalt beiträgt, in der wir die Erde zuweilen in heutigen TV-Dokumentationen bewundern können.

Wir können von Monsterwellen und ihrer Entstehung lesen, erfahren, warum tiefe Meere selbst bei schlechtem Wetter blau erscheinen und vom gewaltigen Ausmass und der Bedeutung von Meeresströmungen.

Die physikalische „Gestalt“ der Meere ist die Grundlage für eine schier unüberschaubare Vielfalt an Leben. Von deren Ursprüngen erfahren wir auf der Reise zurück in die Erdgeschichte, auf welcher Hofrichter die Erklärung nach heutigem wissenschaftlichen Stand für einen berüchtigten „Sprung“ in der Evolution – die präkambrische Explosion (d.h. der Entstehung äusserst vielfältigen Lebens in geologisch extrem kurzer Zeit) – liefert.

Kuriositäten des Lebens im Wasser

Stellvertretend für die heutige Vielfalt in den Weltmeeren (die wohl niemals in einem einzigen Buch Platz fände) stellt Hofrichter in den folgenden Kapiteln ein wahres Kuriositätenkabinett zusammen – voll bin bizarren Sexualpraktiken, Schönheitssalons für Fische, farbenfroher Unterwasser-Grossstädte und den wohl giftigsten Gesellen, denen Mensch im und am Meer (besser nicht) begegnet.

Ein eigenes Kapitel ist den Mythen rund um Seeungeheuer von der Antike bis zu Jules Verne und ihren realen Vorbildern sowie bereits ausgestorbenen aber vormals sehr wirklichen Monstern der Meere gewidmet. Besonders vehement räumt Hofrichter anschliessend mit dem verbreiteten Bild der wahren heutigen „Ungeheuer“ der Meere auf: Statt von freundlichen, hilfsbereiten und sensiblen Flippern berichtet der Meeresbiologe von unserem heutigen Wissen um sexgeile, bekiffte und kindsmordende Delfine.

Schliesslich geht es tief hinab in die unauslotbare Schwärze der Tiefsee. Auf einer Reise durch die verschiedenen Schichten der Ozeane stellt Hofrichter uns die skurrilsten Lebensformen vor, die ewige Nacht und unvorstellbaren Umgebungsdruck meistern. So dringt er mit uns dahin vor, wo noch kein Mensch zuvor gewesen ist (und das ist weder auf dem Mond – da waren schon 12 – noch auf dem Grund der tiefsten Tiefsee – da waren immerhin drei Menschen), sondern bis zu 2000 Meter tief im Boden darunter. Dort gibt es nämlich nach heutigem Wissensstand immer noch Leben!

Das weckte bei mir anlässlich einer kürzlich gessehenen Dokumentation über den Saturnmond Enceladus, auf welchem es möglicherweise flüssiges Wasser geben soll, Fantasien…

Das Meer auf unseren Tellern

Im Gegensatz zu mir bleibt Hofrichter jedoch auf der Erde und in ihren Meeren. So geht er schliesslich auf die Nutzung von Meeresfrüchten durch Menschen im Laufe der Geschichte ein, die schon früh Züge einer Ausbeutung der nur scheinbar unendlichen Nahrungsquelle Meer angenommen haben. Von prähistorischen Robbenjägern und -sammlern über antike Heilmittel und römische Modeerscheinungen reicht dieser Bogen bis zur teils fragwürdigen kulinarischen Vielfalt von heute:

Ob nun aus Glauben an potenzfördernde Kräfte, Geltungssucht, Tradition oder schlichter Notwendigkeit: Heute wird gefühlt alles gegessen, was aus dem Meer kommt. Und wenn ich „alles“ schreibe, dann meine ich alles. Da erscheint mir auch die Zukunftsprognose nicht rosig, dass ausgerechnet Quallen ein Grundnahrungsmittel der Zukunft sein könnten.

Ein Blick in die Zukunft

Der Zukunft ist dann auch das letzte Kapitel des Buches gewidmet. Obwohl ich mich nach der Überleitung auf grosse Ernüchterung gefasst machte, kommt dieses Kapitel letztlich erfrischend optimistisch daher. So stellt Hofrichter zunächst fest, was nicht zu leugnen ist: Die Welt ist im Wandel – und in vielen Belangen nicht so, wie es uns wohl bekäme. Nichts desto trotz stehe es uns aber frei, wie wir diesem Wandel begegnen.

Die aus Jørgen Randers‘ Werk „2052“ zitierten „Ratschläge für ein besseres, nachhaltigeres und glücklicheres Leben“ dazu erscheinen auf den ersten Blick bizarr, auf den Zweiten jedoch um so schlüssiger. Kurzum: Wir mögen unser Möglichstes tun, um die Wunder unserer heutigen Welt zu bewahren, und uns ebenso auf eine Zeit vorbereiten, in welcher es immer weniger davon gibt.

Hofrichter und ich an der Adria

So schildert Hofrichter lebhaft, wie die Unterwasserwelt der Adriaküste im Laufe seines Lebens, von seiner Kindheit in den 1960er Jahren und während seiner Karriere als tauchender Meeresbiologe bis heute in erschreckender Weise verarmt ist. Ganz besonders kann ich diesen Abschnitt nachempfinden, da ich selbst Anfang der 2000er Jahre den überwältigenden ersten Kontakt mit der farbenfrohen Vielfalt im klaren Wasser eben dieser Region (okay, nicht direkt vor Istrien, aber doch nur ein überschaubares Stück weiter südlich auf Höhe der Insel Pag) erlebt habe.

So weiss ich nicht, was mir schwerer fällt: An die dramatischen Veränderungen in den letzten 50 Jahren zu glauben oder mir vorzustellen, was sich der Generation Hofrichters und damit meiner Eltern in ihrer Jugend dargeboten hat. Eines wird dabei aber in jedem Fall deutlich: Es ist unendlich wichtig, dass wir jenen zuhören, die noch davon zu erzählen wissen.

Zum Schluss: Hoffnung

Denn zuende geht die atemberaubende Reise „im Bann des Ozeans“ aber mit einem Grund zur Hoffnung. Laut Hofrichter sei es nämlich denkbar einfach, die Landschaften der Meere zu schützen. Wie Wissenschaftler es nämlich bereits mehrfach in Schutzgebieten durchführen und beobachten konnten, halte man sich mit Ausbeutung und Verschmutzung zurück und übe sich ein paar Jahre bis Jahrzehnte in Geduld. Dann kehrt das Leben in die verarmten Gebiete zurück und die Landschaft unter dem Meer regeneriert sich selbst!

 

Mein Eindruck vom Buch

Mit „Im Bann des Ozeans“ nimmt Dr. Robert Hofrichter, seines Zeichens Zoologe, Biologe, Naturschützer, Naturfotograf und Journalist – achja, und Autor – das breite Publikum mit auf eine wahrlich atemberaubende Expedition „in die Wunderwelt der Tiefe“. Er beweist damit, dass es tatsächlich Wissenschaftler gibt, die das Talent zum Erzählen haben. Und dieser Erzählung kann man mit oder ohne Vorbildung genüsslich folgen.

Neue Medien statt klassischer Literaturliste

Dabei zeigt Hofrichter nicht zuletzt ein Gespür für neue Medien: Zahlreiche Anregungen zum Heraussuchen und Ansehen von Youtube-Videos und anderen Internet-Inhalten helfen dabei, in den unendlichen Weiten des WWW wirklich weiterführende Informationen zu finden bzw. diese in einen aus wissenschaftlicher Sicht vertretbaren Rahmen zu rücken.

Dafür verzichtet der Autor auf eine „klassische“ Liste weiterführender Literatur (auch das Gütersloher Verlagshaus selbst verzichtet auf die typische „Eigenwerbung“ für andere Erscheinungen auf der letzten Seite und legt stattdessen die eigene Philosophie dar), was ich als echter Bücherwurm persönlich etwas schade finde.

Gefährdung der Weltmeere ohne Untergangsstimmung

Bei allen geschilderten Wundern lässt Hofrichter nicht ausser Acht, welche Gefahren dem Lebensraum Meer und seinen Bewohnern durch die Folgen unseres Lebenswandels drohen – seien es Korallenbleiche in Folge der Klimaerwärmung oder Schadstoffe auf dem Grund der Tiefsee. Ebenso gräbt der Autor so manchem weit verbreiteten Klischee oder Irrglauben dezent aber nachhaltig das Wasser ab.

Dabei wird jedoch weder ein mahnender Zeigefinder noch deprimierende Untergangsstimmung spürbar, sodass sich diese Reise wahrlich zum Genuss wird und vor allem eines hinterlässt: Hoffnung – und die Begierde, daran teil zu haben.

Meine Tipps zum Weiterlesen

Bei all dem ist es nur natürlich, dass auf 240 Seiten oft nicht mehr als eine oberflächliche Behandlung schier uferloser Themen Platz findet. Aber dafür sind Bücher wie dieses schliesslich auch da: Sie machen Lust auf mehr.

Und mehr gibt es beispielsweise bei Frank Schätzing, dem Autor des bekannten Thrillers „der Schwarm“. Seine (*)Nachrichten aus einem unbekannten Universum: Eine Zeitreise durch die Meere(*) von 2006 sind nicht ganz so brandaktuell wie Hofrichters „Im Bann des Ozeans“, doch gewährt Schätzing in so manches Thema, das sich auch „Im Bann des Ozeans“ wiederfindet, einen ausführlicheren Einblick (Ich habe das Buch gleich nach seinem Erscheinen gelesen und es steht auch auf der ewigen Rezensionsliste für die Bücherkiste).

Die Fans der grössten Giftnudeln des Planeten kommen dagegen bei Dietrich Mebs auf ihre Kosten: Der ist nämlich Spezialist für die giftigen Lebewesen der Erde – deren gefährlichste wenig überraschend im Meer zu finden sind (meine Rezension findet ihr hier).

 

Eckdaten rund ums Buch

(*) Robert Hofrichter: Im Bann des Ozeans – Expeditionen in die Wunderwelt der Tiefe (*)

 

Gütersloher Verlagshaus, 2018
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 240 Seiten
ISBN 978-3-579-08678-1

 

Fazit

Mit seinen „Expeditionen in die Wunderwelt der Tiefe“ hat Robert Hofrichter die Chance ergriffen, Erwachsene und ältere Schüler jeden Bildungsstandes in den Bann zu schlagen und für die wundersame Welt der Meere zu begeistern. Wer das Abenteuer Wissenschaft liebt, findet hier eine begeisternde Lektüre für entspannte Sommertage – warum nicht gleich vor Ort am Strand? – die dennoch zum Nachdenken anregt.

In diesem Sinne wünsche ich euch viel Vergnügen und Petri Heil bei eurer Expedition im Bann des Ozeans!

Dieser Artikel enthält Affiliate-Links aus dem Amazon-Partnerprogramm (gekennzeichnet mit (*) – (*) ) – euch kosten sie nichts, mir bringen sie vielleicht etwas für meine Arbeit ein. Ich habe für diese Rezension ein Rezensionsexemplar des Buches erhalten. Es besteht kein Interessenkonflikt hinsichtlich des Inhalts in diesem Beitrag und dessen Publikation.

Unendliche Weiten – Eine Einladung in das Universum der Chemie

Chemie – das ist schwierig, kompliziert, gefährlich… Das sind die gängigen Vorurteile gegenüber einer verkannten Wissenschaft. Chemie ist überall – alles ist Chemie — Mein eigener Leitspruch könnte im Schatten dieser Vorurteile wahrlich Anlass zum Gruseln sein.

Ich bin aber kein Fan von Grusel! Ich habe diesen Leitspruch gewählt, weil er aussagt, was Chemie in Wirklichkeit ist: Die natürlichste Sache der Welt (ja, auch die beruht auf Chemie!) und aus unserem Leben nicht wegzudenken. Und das gilt auch und gerade für jene unter euch, die einen „alternativen“ Lebensstil pflegen.

Die Vielfalt der Chemie und ihre zahllosen Rollen in unserem Alltag wie auch bei der Bewältigung der grossen Probleme der Menschheit beschäftigt auch die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), die anlässlich ihres 150jährigen Bestehens mit der Herausgabe des Bildbandes „Unendliche Weiten“ zum Entdecken einlädt:

Eine bunte und überraschende Abenteuerreise durch die faszinierenden Welten des Chemie-Universums: Wie erklärt die Chemie die Entstehung des Lebens, wie hat sie die Welt verändert und wie lassen sich die drängenden Probleme unserer Zeit mit ihrer Hilfe lösen? In zwölf Kapiteln geben uns ausgesuchte Spezialisten, Chemiker und Chemikerinnen, einen Einblick in die Chemie als äusserst kreative und verantwortungsbewusste Wissenschaft. Viele praktische Beispiele, Produkte und Anwendungen zeigen das Potential der Chemie auf. So erfährt man etwa, dass eine moderne Energie- und Rohstoffversorgung ohne Chemie weder denkbar noch machbar ist und welche Bedeutung die Chemie für die moderne Informationstechnologie hat.

Zum Inhalt des Buches

Die Abenteuerreise beginnt mit einem „Prospekt“ des Reiseveranstalters: Das einleitende Kapitel „Faszination Chemie“ von Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger öffnet ein Fenster in die Welt der Chemie – von ihrer Geschichte bis zu ihrer Bedeutung heute, das Lust auf mehr bzw. Genaueres macht. Und Genaueres gibt es in den folgenden Kapiteln zu den Teildisziplinen der Chemie.

Den Anfang macht die Anorganische Chemie. Zusammengestellt von Barbara Albert, Thomas Geelhaar, Wilma Neumann und Armin Reller reicht die „Spielwiese der Anorganischen Chemie“ von den chemischen Elementen und ihrer Entstehung bis zu anorganischen Verbindungen, die heute unser Leben bestimmen. Alle 118 heute bekannten Elemente im Einzelnen beschrieben würden freillich ein eigenes Buch füllen (oder eine Blogartikel-Sammlung), sodass die Autoren sich mit einem Beispiel näher befasst haben – dem etwas exotisch erscheinenden Bor, das trotz seiner relativen Seltenheit im Universum wie in Schulbüchern wichtiger Bestandteil verschiedenster Technologien ist.

Um ein weiteres Element – Kohlenstoff – hat sich eine ganz eigene Disziplin der Chemie gebildet: Die Organische Chemie. Michael Röper nimmt uns im zweiten Kapitel zu einem Ausflug in diesen Fachbereich mit. Dabei erfahren wir nicht nur, warum uns ausgerechnet Kohlenstoff mit einer schier endlosen Vielfalt von Verbindungen beschert und wie wir diese Vielfalt aus Erdöl oder alternativ aus nachwachsenden Rohstoffen gewinnen können. Darüber hinaus lernen wir die Katalyse als Schlüsseltechnologie der Chemie näher kennen und erhalten einen Einblick in das Konzept der „grünen“, nachhaltigen Chemie, die Forschung und Industrie zunehmend beeinflusst. Dabei geben ausführlich gestaltete Infoboxen vertiefende Einblicke in die Materie (im wahrsten Sinne des Wortes!).

Es folgt ein Rundgang durch mein eigenes „Kerngebiet“: Die Biochemie – die Chemie und Technik des Lebens. Mark Helm, Johanna Bretzler, Nina Simon und Thomas Carell gewähren in ihrem Kapitel Einblick in ausgewählte Gegenstände der aktuellen Forschung und Anwendung. Von neu entdeckten DNA-Basen über Designer-Proteine über das CRISPR-Cas9 – Werkzeug für die einfache Genmanipulation bis zur Biotechnologie tun sich dabei geradezu futuristisch anmutende Möglichkeiten auf.

Bei aller Faszination wird jedoch ebenso viel Wert darauf gelegt, welch grosse Verantwortung Chemie-Betreibende – Forscher wie Anwender – stets tragen. So ist das fünfte Kapitel allein der Wasser- und Umweltchemie gewidmet. Vergeude keine Ressourcen, verwerte sie!, lautet der Leitsatz, wenn es um Wasservorräte, die Mikroplastik-Problematik oder um Klima und Atmosphärenchemie geht. Und in all diesen Feldern können und müssen Chemiker sich als Problemlöser betätigen.

Nun ist es absolut falsch, die Chemie als isolierte Wissenschaft für sich zu betrachten. Vielmehr überschneidet sie sich mit allen Ecken und Enden mit anderen Disziplinen der Natur- und weiterer Wissenschaften. Die vielleicht gängigsten Schnittmenge ist jene mit der Physik. So ist das Kapitel über die physikalische Chemie besonders vielfältig und umfassend und reisst doch nur eine Auswahl der Arbeitsgebiete physikalischer Chemiker an: von theoretischen Berechnungen von Reaktionen über Spektroskopie, Katalyse (einmal mehr), Nanomaterialien, elektrochemische Grenzflächen, Energieversorgung, Nuklearchemie, Forschung bei extrem tiefen Temperaturen und der Rosetta-Mission ist vom einzelnen Atom bis zu den unendlichen Weiten des Weltraums alles dabei.

Zurück zu alltäglichen Belangen finden wir im siebten Kapitel über die Polymerchemie: Ohne Kunststoffe geht heute praktisch gar nichts mehr – und nicht nur die bestehen aus Polymeren, sondern auch das Leben käme ohne sie nicht aus. Und so faszinierend all diese Riesenmoleküle auch sind – auch hier kommen Umweltproblematiken und daraus entstehende Aufgaben für Chemiker nicht zu kurz.

Und auch in Sachen digitaler Kommunikation kommt die Chemie nicht zu kurz. Immer kleiner, .schneller und sparsamer soll unsere Kommunikationstechnik werden. Was die Chemie zur Entwicklung von Computerchips, ihrer Herstellung und ihrer Funktion – und damit zum Bloggen – beigetragen hat und bei der Entwicklung selbstorganisierender Strukturen, dem Gehirn nachempfundenen Datenspeichern und hochflexibler Displays beitragen kann, verrät uns Rainer Waser in Kapitel 8.

So viel Chemie macht Hunger – und wenn es um die Ernährung geht, kommen wir einmal mehr nicht ohne Chemiker aus. ‚Was machen eigentlich Lebensmittelchemiker?‘ fragen die Autoren in Kapitel 9. Die Antwort: Sie sorgen sich um die Einhaltung unserer ausgezeichneten Qualitätsstandards in Mitteleuropa in Sachen Nahrungs- und Verbrauchsmittel. Und dabei sehen sie die Entdeckung einer unerwünschten Verunreinigung und den darauf folgenden Medienrummel als Nachweis ihrer gründlichen Arbeit an denn als Zeichen schlecher Nahrungsmittelqualität.

‚Im Dienste der Gesundheit‘ tut sich in Kapitel 10 dann auch ein weiteres Fachgebiet auf: Die medizinische Chemie, die sich mit der Herstellung von Medikamenten und ihrer Wirkung auf den Organismus beschäftigt. Dabei wird die gängige, aber irreführende Unterscheidung in Natur = gut und Chemie = schlecht auf die Geschichte der Heilkunde zurückgeführt: Seit Beginn der Menschheitsgeschichte suchen Menschen nach heilenden Substanzen – und fanden sie zuerst in der Natur. Den langen Weg zu synthetischen Wirkstoffen zeichnen die Autoren anhand von zwei ebenso alten wie populären Medikamenten nach. Und wie solche Wirkstoffe eine ganze Gesellschaft verändern können, zeigt das Beispiel der Anti-Baby-Pille. Doch auch in Zukunft gibt es in der medizinischen Chemie grosse Aufgaben zu bewältigen: Bezahlbare Medikamente und Impfstoffe für alle sind nur ein Beispiel dafür.

Dieser farbenfrohe Rundgang durch das Universum der Chemie führt schliesslich zu der einen grossen Frage: Wie sieht die Zukunft der Chemie aus? Die vorangehenden Kapitel zeigen eine wahre Fülle von Aufgaben und Problemstellungen auf, mit welchen sich heutige und künftige Chemiker beschäftigten können bzw. müssen. Das elfte Kapitel dreht sich um die Frage nach dem „Wie“: Für die Lösung grosser, drängender globaler Probleme ist ein ebenso umfassendes Denken nötig, meinen die Autoren. Eine Ausweitung der Interessen über den Rand der Chemie hinaus ist unumgänglich, Interdisziplinarität das A und O, um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

All das bietet schlussendlich die richtige Grundlage, um – auch und gerade in der Chemie – kreativ zu sein. Wieviel Kreativität in der Arbeit von ChemikerInnen tatsächlich steckt, zeigt Thisbe K. Lindhorst im 12. Kapitel, in welchem sie in faszinierender Weise die Chemie mit der Arbeit von Architekten vergleicht. Und tatsächlich schaffen wir Baumeister der Moleküle mindestens ebenso atemberaubende Werke wie die Baumeister der makroskopischen Welt!

Mein Eindruck vom Buch

Wir haben die Beiträge in diesem Buch zusammengestellt, um für die Chemie breites Interesse in der Gesellschaft zu wecken und auf sie neugierig zu machen.

So schreiben die Herausgeber im Vorwort zu „Unendliche Weiten“. Das könnte glatt aus meiner Feder stammen – und hat mich gleich dazu bewegt, euch dieses Buch vorzustellen.

Ganz besonders haben wir dabei an die Jugend gedacht. Für diejenigen, deren Schulzeit zu Ende geht, steht die Berufswahl an. Sie müssen sich für einen Weg in die Zukunft entscheiden. Dafür sind faire und ausführliche Informationen gefragt. Auch dabei soll das Buch eine Hilfe sein. Es möchte Sie inspirieren und vielleicht auch begleiten auf einem Weg in die weiten Welten der Chemie.

Ich bin diesen Weg schon weit gegangen und habe mich im Rahmen der Lehrerausbildung schliesslich auch mit der Steinigkeit, die sein Anfang für viele bereithält, auseinandergesetzt. Mit anderen Worten: Ich habe erlebt, welche Schwierigkeiten Schülerinnen und Schüler im Umgang mit fachlichen Formulierungen und dem Begreifen eben solcher Zusammenhänge haben und die abschreckende Wirkung von mit dem Vorurteil „schwierig“ behaftetem Stoff gesehen. Und ich kenne ebenso die Freude in den Gesichtern, wenn die Lernenden dieses Vorurteil als falsch enttarnen können und wirkliche Neugier auf „mein“ Fach entwickeln.

Mit eben dieser Freude habe ich dieses Buch gelesen und viel Spannendes und Neues entdeckt – denn selbst studierte Chemiker können naturgemäss immer nur einen Bruchteil dieser ‚unendlichen Weiten‘ im Blick haben. Die Vielzahl an farbigen Abbildungen und vertiefender Textboxen machen die Lektüre dabei um so greifbarer.

Ein Leser ganz ohne „chemischen Hintergrund“ dürfte jedoch über manche Strecken mit dem fachlichen Niveau des Textes Mühe bekunden – oder viel Geduld bzw. Interesse zum Nachschlagen von Begriffen mitbringen müssen. Einige Grundlagen werden zwar kurz und bündig geliefert bzw. aufgefrischt, aber etwas chemisches Basiswissen ist von grossem Wert, um die faszinierende Welt der Chemiker wirklich geniessen zu können. Dabei gehen zwar die meisten Kapitel für sich den einladenden Weg von einfach nach anspruchsvoll, doch ganz und gar breitentauglich – dafür weniger tiefgehend – erschien mir erst das siebte Kapitel über die Polymere.

Schülerinnen und Schüler am Ende ihrer Schullaufbahn, wie das Zitat aus der Einleitung sie erwähnt, vornehmlich Maturanden/Abiturienten, finden – aufbauend auf den Grundlagen aus dem Chemieunterricht – einiges Bekanntes wieder und vor allem spannende weiterführende Einblicke in die Welt der Chemie. Überdies präsentiert ihnen das Buch eine breite Fülle von Fragestellungen und Betätigungfeldern, mit bzw. in welchen sie in Chemie-Berufen künftig wichtige und spannende Aufgaben für die Gesellschaft übernehmen können.

Eckdaten rund ums Buch

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(*) Thisbe K. Lindhorst, Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger, Gesellschaft deutscher Chemiker e.V. (Hrsg.): Unendliche Weiten – Kreuz und quer durchs Chemie-Universum(*)

WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 2017
Gebundene Ausgabe, 230 Seiten
ISBN: 978-3-527-34203-7
ePDF-ISBN: 978-3-527-80450-4

Fazit

Die Abenteuerreise in die Unendlichen Weiten ‚Kreuz und quer durchs Chemie-Universum‘ eröffnet besonders Schulabgängern und anderen Lesern mit grundlegendem chemischen Hintergrund ein breites Spektrum von Möglichkeiten, welche Chemie-Berufe und die Chemie als solches für sie und die Gesellschaft bereithalten.

Wer also ein grundlegendes Interesse an Naturwissenschaften hat, findet in diesem Buch einen spannenden Einblick in Forschung und Technik der Gegenwart und Zukunft. Umfassende Grundlagen werden dabei jedoch nicht vermittelt – das ist in diesem Umfang auch gar nicht möglich. Dafür mag dieser Band euch dazu inspieren, auch mal ein Grundlagenbuch zur Hand zu nehmen und euch näher mit der ‚gar nicht so schweren‘ Chemie zu beschäftigen.

Und vielleicht sehen wir uns dann wieder im Universum der Chemie „…wo noch kein Mensch zuvor gewesen ist!“

Dieser Artikel enthält Affiliate-Links aus dem Amazon-Partnerprogramm (gekennzeichnet mit (*) ) – euch kosten sie nichts, mir bringen sie vielleicht etwas für meine Arbeit ein. Ich habe für diese Rezension ein Rezensionsexemplar des Buches erhalten. Es besteht kein Interessenkonflikt hinsichtlich des Inhalts in diesem Beitrag und dessen Publikation.

Die Geschichten in Keinsteins Kiste drehen sich in der Regel um den Alltag von heute – und der allein hat reichlich Spannendes zu bieten. Und manchmal scheint es gar so, als wäre die Wissenschaft fertig, könne alles erklären, was das Leben bietet, als könne die Technik alles leisten, was man zum Leben braucht. Und doch erwarten uns im Alltag von morgen unzählige neue Geschichten, die heute noch geradezu unglaublich klingen mögen – oder eben nach Science Fiction. Und genau diesen Geschichten widmet sich der Physiker Gerd Ganteför in seinem spannenden Buch „Heute Science Fiction, morgen Realität? – An den Grenzen des Wissens und darüber hinaus“.

[…]Doch Forschung ist nie am Ende und die Faszination der Wissenschaft ist ungebrochen, so Ganteför. Schliesslich gebe es Tausende von offenen und sehr spannenden Fragen.

Gibt es ein Ende der Welt? Sind wir dazu verurteilt, alt und schwach zu werden und zu sterben? Gibt es ausserirdisches Leben? Werden wir neue und unerschöpfliche Energiequellen entwickeln?

Diese und viele andere Fragen aus verschiedenen Diziplinen der Naturwissenschaft, die heute längst nicht nur Wissenschaftler bewegen, diskutiert Ganteför in seinem Buch – und die Häufigkeit, mit welcher er dabei zu der Antwort „möglich“ oder gar „bald möglich“ kommt, lässt mich staunen.

Zum Inhalt des Buches

Gibt es eigentlich noch etwas zu entdecken oder wissen wir schon alles? Werden wir immer einen Grossteil unseres Lebens arbeiten müssen, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen? Wird es immer Krankheiten geben? […] Werden wir jemals die Sterne erreichen?

Diese Fragen, welche am Anfang des Buches stehen, lassen schon erahnen, dass die Forschung nicht nur in Ganteförs Augen noch lange nicht „fertig“ ist. Es gibt noch zahlreiche spannende und überaus weltbewegende Fragen zu beantworten. Überdies sind Visionen und die Forschung daran notwendig für eine weitere Entwicklung und damit den Erhalt der menschlichen Zivilisation.

So soll Ganteförs Buch in einer Zeit, in welcher viele Menschen dem wissenschaftlichen Fortschritt skeptisch gegenüber stehen, Möglichkeiten bzw. Chancen für die Bewältigung der heutigen grossen Probleme der Gesellschaft, die die Wissenschaft von morgen eröffnet, aufzeigen. Dazu sollen in verschiedenen Bereichen der Wissenschaft die Grenzen des heutigen Wissens aufgezeigt werden, um dann einen Blick darüber hinaus auf das zu wagen, was uns hinter diesen Grenzen Aufregendes und Nützliches erwartet.

Ganteför beginnt seinen Rundgang ganz und gar nicht bescheiden mit dem Universum selbst. Zu Beginn miit den Eckdaten unseres Kosmos ausgerüstet geht es an die Fragen nach einer zweiten Erde irgendwo da draussen und möglichem Leben darauf. Mit Wasser scheint beides möglich, doch angesichts des unermesslichen Platzes im Universum und der Zeit, die die Evolution benötigt, ist laut Ganteför fraglich, ob zwei intelligente Zivilisationen in erreichbarer Nähe und zeitgleich erscheinen.

Daraus ergibt sich förmlich die Frage nach Reisen zu den Sternen. Da der Hyperraum uns, könnten wir ihn erreichen, uns der unverletzlichen Kausalität wegen die Rückkehr verweigern und das Beamen an den gleichen unfasssbaren Ressourcenmengen, wie sie schon Lawrence M. Krauss vor 19 Jahren in „Die Physik von Star Trek“ beschrieb, scheitern würde, bleibt uns für Langstreckenreisen im Weltraum letztlich die Kombination von Fusionsenergie und einem Staubstrahltriebwerk, das seinen Treibstoff während seiner Reise aus dem Raum aufliest.

Bei der näheren Betrachtung möglicher Energiequellen der Zukunft beschreibt Ganteför neben schwarzen Löchern als recht unwahrscheinliche künftige Energiequelle die Fusionsreaktoren, an welchen heute schon geforscht wird. Die Kernfusion bekommt man darin sogar hin – allerdings sie die Geräte für irgendeine Anwendung noch bei Weitem zu sperrig.

So wendet sich Ganteför als nächstes den Visionen der Biologie zu. Können die Dinosaurier wiederz um Leben erweckt werden? Das ist seit Jurassic Park wohl eine der populärsten Fragen an die Biologie. Unglücklicherweise hält sich DNA, wie gut sie auch konserviert ist, nicht länger als etwa eine Million Jahre, was die Dinos unerreichbar macht. Der Wiederbelebung in jüngerer Zeit ausgestorbener Arten sind Wissenschaftler jedoch aufregend nahe gekommen – wie auch der Molekularbiologie Martin Moder in „Treffen sich zwei Moleküle im Labor“ zu berichten weiss.

Eine weitere grosse Frage der Biologie ist jene nach dem Ursprung des Lebens – der heute im Umfeld heisser Quellen am Meeresgrund vermutet wird, wo die ersten Moleküle, die sich selbst reproduzieren können, entstanden sein mögen. Und da man über derartige Moleküle schon ziemlich viel weiss, ist laut Ganteför auch eine „synthetische“ Biologie von Menschenhand designter Lebewesen denkbar.

Die grossen Visionen der Medizin sind bei Ganteför die Fragen nach der Heilbarkeit aller Krankheiten einschliesslich Nervenverletzungen durch Unfälle, nach einem ewigen Leben oder zumindest einem verlangsamten Altern und der Erschaffung von „Supermenschen“. In allen drei Bereichen führt Ganteför das Verstehen von Körperfunktionen im ganz Kleinen (also auf molekularer Ebene) als Voraussetzung für diese grundsätzlich möglichen Errungenschaften an und gewährt spannende Einblicke in Gegenstände heutiger Forschung unter anderem zu personalisierter Medizin, Regeneration von Nervengewebe und zu den möglichen Gründen dafür, dass wir altern.

Von der Regeneration von Nervengewebe geht es im Kapitel „Geist und Bewusstsein“ zu den Möglichkeiten der Direktverbindung zwischen Computer und Gehirn: Kann man Daten von einem Computer ins Gehirn laden – oder umgekehrt den Inhalt eines Gehirns samt Bewusstsein auf einen Computer-Speicher schreiben? Können Computer Gedanken lesen? Oder gar selbst eine künstliche Intelligenz entwickeln? Was hier reichlich nach Fantasy klingt, ist tatsächlich Gegenstand heutiger Forschung, die Ganteför hier vorstellt.

Von den Visionen geht es schliesslich zu den Grenzen des Wissens in der Physik: Zunächst gibt Ganteför eine Übersicht über das heute etablierte, wenn auch nicht ganz problemfreie Standardmodell der Teilchenphysik, aus welchem sich die Fragen nach einer Weltformel, nach der Natur von Raum und Zeit und Teilchen als solchen bis hin zur Bedeutung des erst vor wenigen Jahren experimentell bestätigten Higgs-Feldes ergeben.

Neben den Teilchen gehören auch scheinbar unverrückbare Naturgesetze und -konstanten zu unserer heutigen physikalischen Welt. Warum die Naturgesetze so sind, wie sie sind, was die Werte der Naturgesetze bestimmt und warum in unserem Universum Leben möglich ist, sind heute noch weitgehend offene Fragen.

Auch das Universum selbst wirft noch unbeantwortete Fragen auf. Heute ist die Urknall-Theorie als Entstehungsgeschichte des Universums anerkannt, obwohl sie Fragen offen lässt: Warum gibt es im Universum keine Antimaterie? Expandierte das Universum am Anfang seines Daseins mit Überlichtgeschwindigkeit? Was war vor dem Urknall? Was ist dunkle Materie und woher kommt die dunkle Energie?

Das elfte und letzte Kapitel ist schliesslich eine Zusammenfassung des vorangehenden bunten Reigens von Visionen und offenen Fragen.

Mein Eindruck vom Buch

Gerd Ganteför bietet seinen Lesern einen spannenden und für Laien gut verständlichen Rundgang durch die Themen der Forschung von morgen: Da erwartet uns in Zukunft viel Aufregendes, das sich in Ganteförs überaus klarem und nüchternem Schreibstil sehr angenehm lesen lässt.

So vielfältig die diskutierten Fragen sind, so oberflächlich werden die einzelnen Forschungsgebiete im begrenzten Umfang des Buches auch dargestellt. Das wird besonders in den Kapiteln deutlich, welche Themen behandeln, die mir besonders vertraut sind: Dort sind mir wiederholt kleine inhaltliche Ungenauigkeiten ins Auge gefallen, wie das Aufzählen der Lichtgeschwindigkeit als Naturkonstante ohne zu erwähnen, dass Licht sich nur im Vakuum mit dieser Geschwindigkeit bewegt, oder die Behauptung, man sei heute noch nicht in der Lage, Energie aus Masse zu gewinnen (genau das ist die Grundlage der Energiegewinnung mittels Kernspaltung!).

Solche Ungenauigkeiten zu erwähnen mag als Korinthenkackerei angesehen werden, aber ich vermag nicht einzuschätzen, inwiefern sie auch in den Abschnitten auftauchen, die mir weniger vertraute Themen behandeln und dort womöglich zur Entstehung fehlerhafter Vorstellungen beitragen.

Wer sich für die beschriebenen Themengebiete näher interessiert, findet jedoch in den Literaturlisten am Ende jedes Kapitels reichlich vertiefendes Material zum Weiterlesen. Dabei kommen auch und vor allem die Netz-Nutzer unter den Lesern nicht zu kurz, denn erstaunlich viele Verweise führen zu Wikipedia und andere Wissens-Sammlungen (was in meinen Augen für die zunehmende Qualität der Inhalte solcher Portale spricht).

Darüber hinaus stellt Ganteför die behandelten Visionen und Möglichkeiten auffallend unkritisch dar. So findet man in seinem Buch keine tödlichen Designerviren, feindlichen Alien-Zivilisationen, ethischen Diskussionen über Tierversuche zur Wiederbelebung ausgestorbener Arten oder Nebenwirkungen von „Verbesserungen“ von Menschen.

Das entspricht der Zielsetzung, die der Autor gemäss Einleitung mit seinem Buch verfolgt: Nämlich in einer Zeit, in welcher Wissenschafts- und Fortschritts-Skeptiker vielerorts den Ton angeben, einen positiven Einblick in die Möglichkeiten, die uns die Forschung in Zukunft eröffnen kann, zu gewähren. Und diese Möglichkeiten sind gemäss Ganteför dafür geeignet, die grossen Probleme der Menschheit zu lösen.

Für eine sachliche Diskussion der Möglichkeiten und Anforderungen künftigen wissenschaftlichen Fortschritts an die Gesellschaft liefert das Buch nur eine Seite der Medaille. Wenn man die andere Seite durch den verbreiteten Wissenschafts-Skeptizismus als gegeben annimmt, liefert „Heute Science Fiction, morgen Realität“ ein wohltuendes, wenn nicht gar aufregendes Gegengewicht zu weit verbreitetem Pessimismus und vielfältiger Panikmache.

Eckdaten rund um das Buch

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Textlink (Amazon): Gerd Ganteför: Heute Science Fiction, morgen Realität? – An den Grenzen des Wissens und darüber hinaus (*)
WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 2016
Hardcover, 224 Seiten
ISBN: 978-3-527-33881-8

 

Fazit

Mit „Heute Science Fiction, morgen Realität?“ bietet Gerd Ganteför auch und gerade absoluten Wissenschafts-Laien einen spannenden und leicht verständlichen Einblick in die Möglichkeiten der Wissenschaft von morgen, welche ebenso vielfältig bunt sind wie das Cover des Buches. Doch dank ebendieser Themenvielfalt bin auch ich als „Wissenschafts-Profi“ bei der Lektüre hier und da ins Staunen gekommen.

Die dargestellten Visionen kritisch zu betrachten und ethische Gesichtspunkte abzuwägen bleibt dabei ganz dem Leser überlassen. Wer gerne unkritisch staunt und sich von spannenden Aussichten verzaubern lässt, wird in diesem Buch eine kurzweilige und letztlich auch ermutigende Lektüre finden.

Und was ist eure liebste Zukunfts-Vision?

Dieser Artikel enthält Affiliate-Links aus dem Amazon-Partnerprogramm (gekennzeichnet mit (*) ) – euch kosten sie nichts, mir bringen sie vielleicht etwas für meine Arbeit ein. Ich habe für diese Rezension eine digitale Druckfahne des Buches erhalten. Es besteht kein Interessenkonflikt hinsichtlich des Inhalts in diesem Beitrag und dessen Publikation.

Treffen sich zwei Moleküle im Labor – und zwar nicht in irgendeinem Chemielabor, sondern im Labor des Molekularbiologen und Blogger-Kollegen Martin Moder. Seine Welt der Lebewesen, Gene und Stoffwechselvorgänge hat auch mich einst in ihren Bann geschlagen und nie wieder ganz losgelassen. Grund genug, euch dieses Buch vorzustellen, das eine atemberaubende Rundreise durch die (Un)Möglichkeiten der heutigen Wissenschaft des Lebens bietet.

Sie fragen sich, was Fruchtfliegen mit Bier zu tun
haben und wie man in einem Reagenzglas ein Schnitzel
züchtet?
Martin Moder stellt die entscheidenden Fragen
zu Biologie und Genetik und beantwortet sie sogar.
Humorvoll und verständlich beschreibt der Molekularbiologe,
wie man wissenschaftlich korrekt kuschelt,
furchteinflößende Hühner züchtet und warum sich
Anti-Aging-Fanatiker mit jemandem zusammennähen
lassen sollten. Selten war es so unterhaltsam,
etwas Spannendes zu lernen!

Anders als der Titel des Buches vielleicht vermuten lässt, geht es darin um weit mehr als leblose Moleküle, bunte Flüssigkeiten in Gläsern und kryptisch erscheinende Formeln. Es geht um unseren Alltag, der voller Leben ist – und damit voller Chemie. Und was jene, die die Chemie beherrschen (oder zu beherrschen glauben…) heute mit den Bausteinen des Lebens anfangen können, klingt vielfach nach Science Fiction…oder absolut faszinierenden Aussichten.

Zum Inhalt des Buches

Eine der grundlegendsten Fragen derer, die sich mit dem Leben beschäftigen, lautet „Woher kommen wir?“ Und diese Frage steht auch in Martin Moders Rundreise chronologisch korrekt am Anfang. Von unseren direkten Vorfahren geht es über gemeinsame prominente Urahnen rückwärts in der Zeit bis in jene Epoche, in welcher aus Atomen und Molekülen erstmals Leben wurde.

Nach einem Einblick in die Gestalt der Moleküle dieses ersten Lebens führt auf dem Weg zur heutigen Vielfalt zum nächsten Kapitel.

Dieses ist „dem wunderbaren Prozess, der diese Vielfalt hervorgebracht hat“ gewidmet: Dem Liebesspiel. So lernen wir zunächst den Cocktail aus Hormonen und Neurotransmittern kennen, der uns im Rahmen desselben in einen regelrechten körpereigenen Drogenrausch versetzt. Nur scheinbar nüchterner geht es bei den folgenden wissenschaftlich fundierten Anleitungen zum Küssen und Online-Daten und Kuscheln zu und her. Es folgt ein erfrischend unverblümter Exkurs über das beste Stück der Männerwelt und mögliche Antworten darauf, warum unsere Männer unter den Primaten den Grössten haben.

Doch auch wir Frauen kommen nicht zu kurz: Nach einem Einblick in historische Verhütungsmethoden erfahren wir, warum wir entgegen der Aussage von Dr. House bei der Fortpflanzung unumgänglich auf männliche Unterstützung angewiesen sind, aber auch, in welcher Weise sich der Nachwuchs vor der Geburt als wahrer Jungbrunnen bei uns revanchiert.

Das nächste Kapitel widmet Moder den kleinen Helden, die für unsere Erkenntnisse in der Molekularbiologie und daraus folgende medizinische Entwicklungen unverzichtbar sind: Modellorganismen, die bei zahllosen Experimenten zur Erforschung unserer Gene und unserer Stoffwechselvorgänge im Labor unseren Platz einnehmen. Dazu gehören die „hirnamputierten“ Fruchtfliegen, die zu einer Art Markenzeichen des Autors geworden sind und ihm und uns so manches über die Entstehung (oder eben Nicht-Entstehung) von Hirntumoren verraten, Zebrafischlarven mit an wolverine-haften Regenerationsfähigkeiten und transparentem Hirnkasten, und ein Robo-Wurm, dessen Steuerzentrale die digitale Kopie eines echten Fadenwurm-Hirnes darstellt.

„Oft lernt man erst, wie etwas funktioniert, wenn man es kaputt macht.“ Und in welch faszinierender Weise der menschliche Körper Schaden nehmen und trotzdem funktionieren kann, lässt das vierte Kapitel erahnen.

Von den (kurz- und längerfristigen) Auswirkungen der schmerzhaftesten Insektenstiche der Welt geht es zum Widerstreit zweier Persönlichkeiten, die sich dank eines operativ halbierten Gehirns den gleichen Körper teilen müssen – ein Phänomen mit weitreichenden philosophischen Folgen. Weitaus profaner erscheinen hingegen die Probleme, die das Eigenbrauer-Syndrom mit sich bringt, welches auf ungewollt gehegten Hefekulturen im menschlichen Verdauungstrakt beruht, die kohlenhydratreiche Nahrung an Ort und Stelle zu Alkohol vergären. Ein Kartoffel-Kater mag zwar aufs Gemüt schlagen – andere Parasiten nehmen direkt Einfluss auf unser Verhalten. Und was der von Moder angeführte, weit verbreitete Toxoplasma gondii mit uns anzustellen vermag, klingt, gelinde gesagt, ziemlich gruselig.

Da ist es an der Zeit, sich wieder der Alltagsnähe der (Molekular-)Biologie zuzuwenden. So folgt im nächsten Kapitel eine wissenschaftliche Beleuchtung eines ganz normalen Tagesablaufs, garniert mit biologisch fundierten Tipps zur Erleichterung des Alltags – vom passenden Wecker-Timing über produktivitätssteigernde Massnahmen bis hin zur erfolgreichen Moskito-Abwehr im Schlafzimmer.

Zu guter Letzt führt unsere Rundreise zu Errungenschaften, welche die Molekularbiologie uns in naher Zukunft bescheren kann und wird. Und diese Aussichten sind wahrlich spektakulär, wenn nicht sogar befremdlich. Fleisch aus dem Zellkulturlabor kann binnen Jahrzehnten die Nahrungsmittelerzeugung revolutionieren, Copy+Paste-Reparaturen an unserem Genom Erbkrankheiten besiegen.

Die Epigenetik, die Lehre der Vererbung von Eigenschaften durch Veränderungen an der DNA, die nicht den genetischen Code, sondern dessen Interpretation betreffen, steckt hingegen noch in den Kinderschuhen.

Das Verlangen nach der Erfüllung eines Traumes vieler Menschen, dem Austricksen des Alterungsprozess, gipfelte schon in der Vergangenheit im Zusammennähen von jungen und älteren Tieren – mit dem Ergebnis: Jugend ist übertragbar. Wie man das auch ohne Nadel und Faden bewerkstelligen kann, ist ein weiterer Gegenstand zukunftsweisender Forschung. Eine andere Möglichkeit ist das Einfrieren des Gehirns mitsamt seinem letzten Speicherstand vor dem Ableben – um diesen eines fernen Tages in einen Cyborg zu füttern, oder zumindest auf unsere Lebenserfahrung Zugriff zu erhalten.

Und dann ist da noch die Wiederbelebung ausgestorbener Arten – Michael Crighton liess schon in den 1990ern mit „Jurassic Park“ grüssen. Als realistischere Alternative zur Wiedererschaffung von Dinosauriern stellt Moder die Suche nach und Wiederaktivierung von „verlorenen“ Dino-Genen in der DNA lebender Vögel vor. Bei den so in Aussicht gestellten Velociraptoren-Hühnern fühle ich mich spontan an die „Todeskralle“ aus der „Fallout“-Videospielreihe erinnert. Greifbarer und zudem mit praktischem Nutzen garniert erscheint dagegen die Wiederbelebung des Mammuts.

So drängt sich zum Schlusswort die Frage auf, inwieweit all dieses Wissen und die futuristisch anmutenden Technologien dem (menschlichen) Leben seinen Zauber nehmen können. Und hinsichtlich derer stimme ich Martin Moder von Herzen zu, wenn er schreibt: „Einzigartig macht uns die Tatsache, dass uns eine Jahrmilliarden andauernde Evolution zu der intelligentesten Spezies gemacht hat, der wir im Universum bisher begegnet sind.“ Unser Zauber besteht also darin, dass wir es von sich selbst reproduzierenden Molekülen in der Ursuppe zu einer Spezies gebracht haben, die ihre weitere Entwicklung alsbald selbst in die Hand nehmen kann.

Und das ist in meinen Augen mindestens so beeindruckend wie die im Buch geschilderten Einblicke in die mannigfaltigen Möglichkeiten der Molekularbiologie.

Mein Eindruck vom Buch

Die Biologie – insbesondere jene des Menschen – ist eine Wissenschaft, die sich mit Tabuthemen beschäftigt. Sexualität, Krankheit, Alter und der Tod sind nur einige darunter, die auch in diesem Buch eine grosse Rolle spielen. Umso erfrischender ist es zu lesen, mit welcher Unbefangenheit Martin Moder über diese Gegenstände „seiner“ Wissenschaft schreibt.

Ebenso – besser: fast ebenso unbefangen präsentieren sich die passenden Kapitelillustrationen von Mandy Fischer (Tatsächlich findet sich mindestens eine davon in entschärfter Fassung im Buch. Wer nun neugierig auf das Original ist, findet dieses hier auf dem Blog des Autors).

So findet hier jeder Gelegenheit, viel Spannendes und Verblüffendes über sich und die anderen Bewohner unseres kleinen Planeten zu lernen. Und dabei auch noch Spass zu haben – denn der Humor, mit welchem der Autor sein Fach präsentiert, hielt bei der Lektüre stets mindestens ein amüsiertes Schmunzeln auf meinem Gesicht (Körpereigener Drogenrausch ist schon was feines – der Entzug, nachdem das Buch viel zu schnell zu Ende ist, hingegen weniger).

Dazu liefert der Autor eine reichhaltige Sammlung weiterführender Quellen, die beweisen, dass es hier um ernsthafte Wissenschaft geht – die ohne Weiteres auch mit Humor betrieben werden kann.

Eckdaten rund ums Buch

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Martin Moder: Teffen sich zwei Moleküle im Labor (*)
Verlag Ecowin, 2016
Gebundene Ausgabe, 240 Seiten
ISBN 978-3711000934

 

Fazit

Wer bereit ist, unbefangen die humorvolle Seite eines spannenden Zweiges der Wissenschaft zu geniessen, wird an der Lektüre dieses Buches viel Freude haben – und darüber hinaus lernen können, dass Molekularbiologie und Gentechnik weit mehr sind als eine verdammenswerte schwarze Kunst. Der lockere, humorvolle Schreibstil macht die Inhalte hochmoderner Forschung ohne besondere Vorbildung seitens des Lesers verständlich. Dennoch bin selbst ich – von ähnlichem Fach wie Martin Moder – immer wieder über die Möglichkeiten der Wissenschaft von heute und morgen ins Staunen gekommen. Für den fachlich interessierten Leser bietet das Literaturverzeichnis überdies eine Auswahl wissenschaftlicher Artikel, die einen tieferen Einblick in die geschilderten Zusammenhänge bieten.

Kurzum: Wer bislang noch keinen Spass an echter Wissenschaft gefunden hat, wird ihn bei dieser Lektüre finden.

Rezension - Dietrich Mebs : Leben mit Gift

Geschichten aus Natur und Alltag gibt es nicht nur auf Keinsteins Kiste, sondern auch in zahllosen spannenden Büchern. Nachdem ich eine Quelle für Neuerscheinungen von Sachbüchern rund um Chemie und mehr aufgetan habe, möchte ich von Zeit zu Zeit ausgewählte Lektüre mich euch teilen.

Dieser Artikel enthält Links aus dem Amazon-Partnerprogramm (gekennzeichnet mit (*) ) – euch kosten sie nichts, mir bringen sie vielleicht etwas für meine Arbeit ein. Ich habe für diese Rezension ein Rezensionsexemplar des Buches erhalten. Es besteht kein Interessenkonflikt hinsichtlich des Inhalts in diesem Beitrag und dessen Publikation.

Dietrich Mebs: „Leben mit Gift – Wie Tiere und Pflanzen damit zurechtkommen und was wir daraus lernen können“

Gerne regt Mensch sich darüber auf, dass die Menschheit mit menschengemachten Giften um sich wirft und die Natur wie auch die eigene Gesundheit gefährdet – und schwört gleichzeitig auf die Sanftheit und Verträglichkeit von Naturprodukten. Dass ein Grossteil der Pflanzen- und Tierwelt jedoch ein Arsenal entwickelt hat, welches jeden menschlichen „Giftmischer“ wie einen blutigen Anfänger dastehen lässt, bedenken dabei nur wenige. Und zu diesen zählt der Biologe und Biochemiker Dietrich Mebs, dessen Buch, welches ganz im Sinne meines eigenen Leitsatzes – „Chemie ist überall – alles ist Chemie“ steht, ich hier vorstellen möchte:

Schätzungsweise 100’000 Tierarten produzieren Gift oder entnehmen es der Umwelt, speichern es und setzen es in verschiedener Weise ein. Der richtige Umgang damit ist für Tiere und Pflanzen eine Überlebensfrage. Sie stehen untereinander in einem ständigen Wettbewerb, und wer das wirksamste Gift verwendet oder die beste Entgiftungstechnik beherrscht, ist eindeutig im Vorteil. Diese Strategien beschäftigen Forscher schon lange – und dennoch erleben sie immer wieder Überraschungen. Wie schnell und flexibel Organismen reagieren, um mit gefährlichen Substanzen fertigzuwerden, erweist sich oft als Nachteil für uns, etwa wenn sie Resistenzen entwickeln. Im Umgang mit Giften bleibt der Mensch ein Anfänger; es ist viel eindrucksvoller, was Pflanzen und Tiere bewerkstelligen, um damit zu leben.

 

Zum Inhalt des Buches

„Denkt immer daran, ein guter Naturforscher ist der, der sich rechtzeitig wundert“

zitiert Dietrich Mebs in der Einführung einen seiner Professoren. Und zum Wundern über die Tricks und Finessen der Natur ist dieses Buch gemacht.

Zu Beginn klärt Mebs jedoch erst einmal die wichtigsten Begriffe, unterscheidet „Gift“ von „Toxin“ und stellt  kurz vor, wie Wissenschaftler Gifttiere und -Pflanzen klassifizieren. Gut so, denn damit wissen nun alle, worüber im Folgenden gesprochen – besser geschrieben wird. Anschliessend gibt es eine kleine Übersicht über die wichtigsten Bestandteile von Giften – bei welchen es sich in der Regel um Stoffgemische handelt, während ein Toxin eine definierte chemische Substanz natürlichen Ursprungs ist.

Die Reise in die faszinierende Welt der giftigen Tiere beginnt in einem Korallenriff, in welchem Clownfische mit ihrer ganz eigenen Tarnkappen-Technologie in Symbiose mit giftigen Seeanemonen leben. Auch andere „heikle“ Lebensgemeinschaften beruhen auf der erfolgreichen Tarnung eines Beteiligten, gerne auch kombiniert mit einer chemischen Appeasement-Strategie, um einen giftigen Hausherrn milde zu stimmen.

Die oft mit mildem Humor gewürzten Kapitelüberschriften führen den Leser weiter von stech- und bombardierfreudigen Insekten über die Blausäure-Experten unter den Schmetterlingen zu allzeit betrunkenen Fruchtfliegen. Hier beschreibt Mebs, was nun zunehmend von Interesse ist: Wie sich all diese Tiere vor ihrem eigenen – oftmals hochgefährlichen – Gift oder toxischen Bestandteilen ihrer Nahrung schützen.

Andere Tiere haben sich wiederum hochgradig auf den Umgang mit ihrer Lieblingsumgebung, oder -nahrung spezialisiert, indem sie den Kontakt mit deren Giften akribisch meiden. Und wer, wie die Doppelgänger des berühmten Monarch-Falters, kein eigenes Gift besitzt, aber Schutz sucht, bedient sich der Mimikry und bemüht sich um Ähnlichkeit mit seinem giftigen Pendant.

Giftige Lebewesen gibt es jedoch nicht nur in exotischen Ländern, sondern auch bei uns vor der Haustür, sodass es nicht verwundert, dass der erste vorgestellte Fressfeind, der Resistenzen gegenüber Giften seiner Beute entwickelt hat, ein Einheimischer ist: Der Igel, ein fleissiger Insektenfresser. Ganz ähnliche Resistenzen weisen auch einheimische Kröten-Jäger wie Marder und Ringelnattern auf. Doch auch rund um den Globus treten Resistenzen bei zahlreichen Jägern auf.

Zur Neutralisierung von aufgenommenen Giften greifen verschiedenste weniger resistente Arten bis hin zum Menschen auf Tonerde als Nahrungszusatz zurück. Wer sich allerdings auf eigentlich giftige Nahrung spezialisiert, dem bleibt wenig anderes übrig, als die Giftstoffe schnellstmöglich wieder auszuscheiden oder mit Hilfe von Enzymen abzubauen. Oder er überlässt die Entgiftung, wie viele Wiederkäuer und die Blattschneider-Ameisen, fleissigen Mikroorganismen, mit welchen sie in Symbiose leben.

Zum Ende dieses bunten Reigens verschiedener biochemischer Strategien zum Umgang mit allgegenwärtigen Giften sieht der Mensch als evolutionsgeschichtlich junge Art ziemlich alt aus. Doch haben auch wir einzigartige Möglichkeiten zum Leben mit Gift, zum Beispiel mit der ausgefeilten Zubereitung unserer Nahrungsmittel.

 

Mein Eindruck vom Buch

Dietrich Mebs gewährt in seinem Buch einen spannenden Einblick in das Wettrüsten in der Natur und gibt einen verständlichen Überblick über erstaunliche Kniffe und Strategien, die die Evolution hervorgebracht hat. Ein paar Grundkenntnisse in Biochemie – oder die Geduld, das ein oder andere Fachwort nachzuschlagen oder zu erinnern – können dabei nützlich sein, um die hier wohl kompakt aber nicht ohne Fachjargon geschilderten biochemischen Hintergründe nachzuvollziehen. „Speziell für Leser mit fachlichem Hintergrund“ ist das Buch deshalb noch lange nicht, zumal sich in den letzten Kapiteln die Biochemie der Gift-Resistenzen in meinen Biochemiker-Augen stark wiederholt und wenig in die Tiefe geht (was aus didaktischer Sicht aber sicher seine Berechtigung hat).

Prof. Dr. Dietrich Mebs

Studiertie Biologie und Biochemie in Frankfurt am Main. Nach der Promotion war er zunächst wissenschaftlicher Assistent am Institut für Rechtsmedizin der Universität Frankfurt; 1979 habilitierte er im Fach Rechtsmedizin und wurde 1985 zum Honorarprofessor ernannt. Neben seiner forensischen Tätigkeit in der Toxikologie und Spurenanalytik sind seine Forschungsschwerpunkte die Biologie und Biochemie tierischer und pflanzlicher Gifte. Auf zahlreichen Reisen hat er Material für seine Forschungen gesammelt.

Anekdoten aus dem Forscher-Alltag des Wissenschaftlers und Sammlers Mebs lockern den Text jedoch stetig auf und zaubern auch dem lesenden Wissenschaftler (so zumindest mir) immer wieder ein Schmunzeln auf die Lippen. So ist sowohl für den Laien als auch für den fachlich versierteren Leser immer wieder für Kurzweil gesorgt.

Am Ende bleibt die Neugier – denn je weiter ich mit meiner Lektüre kam, desto deutlicher blieb der Eindruck, dass es zum „Leben mit Gift“ in der Natur noch zahllose offene Fragen und eine Menge zu erforschen gibt. In sofern bin ich jetzt schon neugierig auf eine Neuauflage oder einen Nachfolgeband in ein paar Jahren.

Das im Schlusswort eingebrachte Argument für diese Forschung – den „Wissenserwerb um des Wissens willen“ (welches ich durchaus zu schätzen weiss) – erscheint mir angesichts der dazu nötigen, möglicherweise stark belastenden Tierversuche, wie sie auch in diesem Buch Erwähnung finden, etwas schwach. Im Zuge des Umgangs mit Problematiken wie den ebenfalls erwähnten multiresistenten Krankheitskeimen könnte ich mir jedoch durchaus vorstellen, dass wir aus den Strategien der Natur auch praktisch Nutzbares lernen können. In sofern bin ich sehr gespannt, was es in den nächsten Jahren hier noch zu (be)wundern gibt.

 

Eckdaten rund ums Buch

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Dietrich Mebs: Leben mit Gift: Wie Tiere und Pflanzen damit zurechtkommen und was wir daraus lernen können(*)

S.Hirzel-Verlag 2016
Broschiert, 160 Seiten, davon 16 Seiten mit Farbfotografien
ISBN 978-3-7776-2619-1   (E-Book 978-3-7776-2619-2)

 

Fazit

Dietrich Mebs gewährt in seinem Buch einen spannenden, unterhaltsamen Einblick sowohl in die Strategien der Natur, insbesondere von Tieren, im Umgang mit Gift als auch in das zuweilen abenteuerliche Leben des Gift-Forschers. Als Leserin mit fachlichem Hintergrund haben mich Oberflächlichkeit und sich wiederholende Elemente schlussendlich nicht vollends zufrieden gestellt. Doch eben deshalb macht die Lektüre Lust auf mehr – und mehr findet vor allem der fachlich versierte Leser im reich gefüllten Literaturverzeichnis am Ende des Bands.

Wer also einen lockeren Einstieg in das spannende Thema „Gift in der Natur – bzw. Tierwelt“ sucht, dem sei dieser Band empfohlen.