Experiment: Gärung – die Superheldenkraft der Hefe

Experiment: Gärung - die Superkraft von Hefe

Vor ein paar Tagen war es einmal wieder soweit: Ich hatte Geburtstag. Zur Feier des Tages habe ich mich in die Küche gestellt und der Biochemie gewidmet….ähm, Kuchen gebacken. Und zwar mit Hefe! Und damit wird das Kuchenbacken tatsächlich echte Küchen-Biochemie.

Was ist eigentlich Hefe?

Unsere Backhefe besteht aus richtigen Lebewesen! Aber nicht aus Pflanzen oder Tieren, sondern aus Pilzen mit dem komplizierten Namen „Saccharomyces cervisiae“.

Wenn ihr euch jetzt an Asterix und Obelix erinnert fühlt…richtig: Das Lieblingsgetränk der beiden Comic-Gallier ist lauwarme Cervisia – ein Bier. Tatsächlich ist die Backhefe der gleiche Pilz, der auch zum Bierbrauen verwendet wird.

Der erste Teil des Namens bedeutet übrigens so viel wie „Zuckerpilz“, womit der ganze Name sich etwa mit „Bier-Zuckerpilz“ übersetzen lässt. Damit ist auch geklärt, wovon diese Pilze sich ernähren.

Hefen bilden übrigens keine Schirme und Hüte im Wald, wie ihr sie von anderen Pilzen kennt. Sie gehören nämlich zu den Einzellern und vermehren sich durch Zellteilung oder die Bildung von Ablegern. Deswegen sehen wir von ihnen ohne Mikroskop auch nicht mehr als eine gelblich-graue Masse. Mit einem Mikroskop hingegen kann man die einzelnen Hefezellen sehen:

Backhefe unter dem Mikroskop: Die Einzelzellen sind jetzt gut erkennbar.

Backhefe unter dem Mikroskop: Die Teilstriche der Skala sind jeweils 11 Mikrometer (Millionstel Meter!) voneinander entfernt. By Bob Blaylock [CC BY-SA 3.0 or GFDL], from Wikimedia Commons

Was macht ein Pilz in Brot und Kuchen?

Er lebt! Zumindest vor dem Backen. Und zwar wie alle Lebewesen von Zuckern. Nur ist Hefe dabei nicht zwingend auf Sauerstoff zum Atmen angewiesen. Während Menschen Sauerstoff als Oxidationsmittel brauchen, um aus den Zuckern chemische Energie zu gewinnen, können Hefen dazu auch andere chemische Reaktionen nutzen, die ohne Sauerstoff auskommen.

Solche Reaktionen werden zusammengefasst „Gärung“ genannt. Bei der Gärung durch Hefe entsteht als „Abfall“ der Trink-Alkohol „Ethanol“ (auf den es die Bierbrauer abgesehen haben), und… findet es selbst heraus!

 

Experiment 1: Hefegärung sichtbar machen

Ihr braucht dazu

Eine Glasflasche mit engem Hals (ca. 0,5l),
Einen Luftballon, nicht aufgeblasen
Backhefe (1 Päckchen Trockenhefe)
Wasser (lauwarm)
Einen Teelöffel Haushaltszucker

Das braucht ihr für das Experiment

So geht es

Blast den Luftballon mehrmals hintereinander auf und lasst die Luft immer wieder heraus. So wird die Ballonhülle schon einmal gedehnt und lässt sich später leichter aufblasen.

Füllt die Flasche halb mit lauwarmem Wasser und löst den Zucker darin auf. Gebt die Hefe dazu und schwenkt die Flasche kurz, sodass sich alles gut mischt.

Stülpt dann die Öffnung des Luftballons über die Flaschenöffnung und stellt das Ganze an einen warmen Ort (ideal sind 28-32°C).

Wartet ab und beobachtet, was geschieht: In der Flasche geht es sichtlich geschäftig zu, und: Der Ballon bläht sich auf!

Im Laufe von 45 Minuten bläht der Ballon sich immer weiter auf!

Ein Gas entsteht: Links der Aufbau zu Beginn des Experiments, dann von links nach rechts: nach 15min, 30min, 45min

Was geschieht da?

Die Hefe verdaut den Zucker. Dabei entsteht ein Gas, das den Ballon füllt!

Was für ein Gas ist das?

Ihr könnt es selbst nachweisen!

Experiment 2: Gas-Nachweis

Ihr braucht dazu

Die Hefemischung in der Flasche aus Experiment 1
Ein Streichholz, etwas zum Anzünden
Eine Pinzette

So geht es

Entfernt den Luftballon von der Flasche. Entzündet das Streichholz und führt es mit Hilfe der Pinzette in die Flasche mit der Hefemischung (nicht eintauchen!). Beobachtet: Das Streichholz geht aus!

Was passiert da?

Das Gas, welches die Hefe produziert, ist Kohlenstoffdioxid (CO2)! Es ist schwerer als Luft und verdrängt so den Sauerstoff nach oben aus der Flasche. Ohne Sauerstoff kann Feuer nicht brennen – und geht aus.

 

Was in den Hefezellen passiert

Der wichtigste Zucker, von dem Hefe sich ernährt, ist Traubenzucker (Glucose). Das ist ein „Einfachzucker“ (ein Monosaccharid), besteht also aus überschaubar kleinen, einzelnen Zuckermolekülen.

alpha-D-Glucose in 6-Ringform: Haworth-Strukturformel

Ein Glucose-Molekül

Aus Traubenzucker- bzw. Glucose-Molekülen können alle Lebewesen schnell Energie gewinnen. Die Hefe verwendet dazu eine Folge von Reaktionen, die die Biochemiker als „anaerobe Glykolyse“ bezeichnen.

Dabei wird aus einem Molekül Glucose in mehreren Schritten ein Molekül „Pyruvat“ hergestellt. Im Zuge dieser Schritte werden zwei Energieträger-Moleküle, die die Biochemiker abgekürzt „ADP“ nennen, „aufgeladen“, indem je ein Phosphorsäure-Anion an jedes dieser Moleküle gehängt wird (die aufgeladenen Energieträger-Moleküle heissen dann „ATP“).

Für das Aufladen sind jedoch weitere Reaktionspartner (Moleküle namens NAD+) nötig, die ihrerseits recycelt werden müssen.

Gärung: Aus Pyruvat wird Ethanol. Dabei wird ein Molekül CO2 frei und ein Molekül NAD+ rezykliert.

Alkoholische Gärung By Arne „Norro“ Nordmann. [GFDL, CC-BY-SA-3.0 or CC BY-SA 2.5 ], via Wikimedia Commons

Deswegen haben die Hefepilze ein weiteres Enzym (die Pyruvatdecarboxylase), das von den Pyruvat-Molekülen je ein Molekül Kohlenstoffdioxid (CO2) abspaltet.

Das Kohlenstoffdioxid wird danach aus den Zellen entsorgt und füllt euren Luftballon!

Übrig bleibt ein Molekül Acetaldehyd. Das ist für Zellen giftig und wird deshalb schnell zu Ethanol weiterverarbeitet, wobei die Abfall-Moleküle NADH aus der Glykolyse zu NAD+ recycelt werden.

Der Trink-Alkohol „Ethanol“ ist übrigens für uns Menschen giftig, weil es in unseren Zellen das Enzym Alkoholdehydrogenase auch gibt – nur fördert es da die Reaktion in umgekehrter Richtung: Aus Ethanol wird Acetaldehyd. Und das beschert und einen mächtigen Kater (über diesen biochemischen Katzenjammer könnt ihr hier mehr lesen).

Wie wird dann Haushaltszucker vergoren?

Die Moleküle des Haushaltszuckers (Saccharose) bestehen aus je zwei verbundenen Einfachzuckern: dem Traubenzucker Glucose und dem Fruchtzucker Fructose.

Saccharose, unser Haushaltszucker dargestellt in der Haworth-Strukturformel

Ein Saccharose-Molekül

In den Hefepilz-Zellen gibt es deshalb ein Enzym, das diese Paare spalten kann, bevor die Einzelteile wie oben gezeigt „verdaut“ werden.

Diese Fähigkeit – Haushaltszucker zu spalten und zu verwerten – hat der Backhefe schliesslich ihren wissenschaftlichen Namen (Saccharomyces…) eingebracht.

Wie „geht“ Hefe in Milch?

Normale Vollmilch besteht zu ca. 5% aus Milchzucker (Laktose) – das sollte ja genug Futter für die Hefe sein, oder? Weil Reto laktoseintolerant ist, habe ich allerdings laktosefreie Milch für den Kuchen benutzt…und hatte schon Sorge, die Hefe würde damit nicht aufgehen. Stattdessen ging meine Hefe aber schon nach dem Mischen mit der Milch ab wie Schmitz‘ Katze!

Hefe in laktosefreier Milch

Laktose ist auch ein Zweifachzucker, sie besteht aus je einem Molekül Glucose und Galactose.

Ein Laktose-Molekül: Haworth-Strukturformel

Auch Laktose ist ein Zweifach-Zucker, der vor der Verwertung gespalten werden muss

Unglücklicherweise hat die Back-Hefe aber kein Enzym, um Laktose zu spalten und so an die Glucose zu gelangen (sie ist also „laktoseintolerant“, wenngleich Hefepilze keinen Darm haben, der deswegen verstimmt sein könnte). Zum Glück für die Hefe enthält normale Vollmilch jedoch immer auch freie Glucose.

Laktosefreie Milch wird nun hergestellt, indem man das Enzym Laktase dazugibt, welches die Laktose in Glucose und Galactose spaltet (deshalb ist laktosefreie Milch ein wenig süsser als normale). So findet die Hefe in laktosefreier Milch sogar mehr zu fressen als in normaler Vollmilch und geht dementsprechend eifrig auf!

Was im Ofen mit der Hefe passiert

Und bevor euch nun bei all den lebendigen Pilzen der Appetit auf Brot und Kuchen vergeht: Wie alle Lebewesen sind Hefepilze auf gemässigte Temperaturen angewiesen. Wenn ihr euren Hefeteig also in den Ofen schiebt und erhitzt, sterben alle Pilze ab.

Das Kohlenstoffdioxid, das sie vorher im Teig freigesetzt haben, dehnt sich jedoch in der Hitze aus und lässt so Kuchen und Brot aufgehen und so wunderbar fluffig werden. Wenn indessen Stärke, Proteine, Fett und Zucker im Teig zu einem festen Molekülgerüst reagieren (zum Beispiel im Zuge der Maillard-Reaktion, zu der ihr hier lesen könnt), fällt das Ganze nach dem Abkühlen auch nicht mehr zusammen.

 

Entsorgung

Das Hefe-Wasser-Gemisch könnt ihr in den Ausguss entsorgen – oder vielleicht ein Brot damit backen? Den Luftballon könnt ihr nach Belieben weiter benutzen.

 

Ich wünsche euch viel Spass beim Ausprobieren und Beobachten! Was macht ihr sonst am liebsten mit Hefe bzw. Hefeteig?

Hast du das Experiment nachgemacht: 

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Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!

10 replies
  1. Judith
    Judith says:

    Super Beitrag über Hefe 🙂 Da ich regelmäßig Brot backe, ist dieser Blogbeitrag für mich sehr aufschlussreich.
    Ich sag auch immer, die Hefe hat’s gern warm 🙂

    Antworten
    • Kathi Keinstein
      Kathi Keinstein says:

      Lieben Dank für das Kompliment! – Zu warm hat die Hefe aber auch nicht gern: Dann sinkt die Aktivität der Enzyme, und irgendwann ab 42°C denaturieren sie und die Hefepilze werden gar (und leblos) wie ein gekochtes Ei ;).

      Antworten
  2. Konstantin
    Konstantin says:

    Toller Beitrag!
    Vielen Dank!

    Interessant für mich wäre noch, wieviel Zucker nach dem Prozess übrig bleibt.
    Wenn ich Bespielsweise 10g Zucker dazugebe, wieviel davon ist danach noch übrig?

    Antworten
    • Kathi Keinstein
      Kathi Keinstein says:

      Das hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, allen voran von der Menge der eingesetzten Hefe und der Zeit, die diese zum Arbeiten hat. Dazu kommen die Umgebungstemperatur und die Verfügbarkeit von anderen Stoffen, die für die an der Gärung beteiligten Reaktionen nötig sind.

      Prinzipiell kann man aber messen, wie viel Zucker umgesetzt wird (und damit auch, wie viel übrig bleibt). Eine technisch einfache Möglichkeit wäre, das entstehende CO2 statt mit einem Ballon z.B. in einem Kolbenprober zu fangen und aus dem Volumen stöchiometrisch die Menge des umgesetzten Zuckers zu berechnen. Wer im Labor ein Photometer hat, kann die Zuckerkonzentration sogar direkt messen (wenn er eine Lichtwellenlänge kennt, die Glucose bzw. Haushaltszucker absorbiert: Das Gerät misst die Veränderung der Absorption dieser charakteristischen Wellenlänge im Laufe des Versuchs – je weniger Zucker es hat, desto weniger Licht wird absorbiert). Anhand von regelmässigen oder gar „live“-Messungen lässt sich damit sogar der Zuckerumsatz über die Zeit verfolgen (in der Regel arbeiten die Enzyme nämlich nicht zu jedem Zeitpunkt des Versuchs gleich schnell).

      Antworten
  3. Christina
    Christina says:

    Ich habe das Experiement an der Grundschule gemacht. da ich dort kein offenen Feuer verwenden kann, konnte ich den Teil mit dem Gas nicht machen. Ich habe deshalb die Flaschen mit den Luftballons einfach so mit nach Hause genommen um sie sauber zu machen. Die Hefe ist schön aufgegangen und der Ballon war gut gefüllt. nun konnte ich aber noch 24 Stunden beobachten, das der „Hefe-Schaum“ wieder zusammengefallen ist und nun der Ballon in die Flasche hineingezogen wird, so als gäbe es einen Unterdruck. Ich kann dir gern auch ein Bild schicken. Hast Du eine Idee, was da nun passiert ist?

    Antworten
  4. Birke Keller
    Birke Keller says:

    Hallo. Vielen Dank für den super Beitrag. Wenn man die Hefe in der laufwarmen Milch ca. 3h stehen lässt, kann man dann nachher damit immer noch ein Brot backen? oder ist der Effekt dann weg? Danke und LG, Birke

    Antworten
  5. Kathi Keinstein
    Kathi Keinstein says:

    Grundsätzlich kann die Hefe, so sie denn noch lebt, laufend weiter Gas produzieren, welches das Brot aufgehen lässt. Nicht umsonst werden für so manchen Teig längere „Geh“-Zeiten angegeben. Rein aus dem Bauch heraus würde ich vermuten, dass so eine Hefekultur nach drei Stunden noch nicht eingegangen ist. Letztlich müsstest du das aber ausprobieren.

    Ich würde das Brot dann jedenfalls gut durchbacken, um im Zweifelsfall alles kleinzukriegen, was binnen in lauwarmer Milch sonst noch alles wachsen könnte.

    LG,
    Kathi

    Antworten
  6. Ute
    Ute says:

    Hallo, mein mit Hefe gebackene Dinkelbrot schmeckt leicht sauer. Was ist da passiert? Habe dem Teig einen halben Teelöffel Vollrohrzucker zugesetzt und frische Hefe verwendet. Der Teig ist an einem warmen Platz normal aufgegangen und das gebackene Brot sah gut aus. Als ich das Brot am nächsten Morgen probiert habe, habe ich an meinem Geschmackssinn gezweifelt. Mit zwei Scheiben Brot habe ich meine Schwester aufgesucht, um sie auch probieren zulassen. Auch sie hat den sauren Geschmack wahrgenommen.
    Was habe ich falsch gemacht? Kann man das Brot trotzdem ohne Bedenken essen?
    Vielen Dank im Voraus.
    Liebe Grüße
    Ute

    Antworten
    • Kathi Keinstein
      Kathi Keinstein says:

      Hallo Ute,

      Ich kann da nur mutmassen, aber spontan erinnert mich deine Schilderung an Sauerteigbrot. In einem Sauerteig sind Hefen gemeinsam mit Milchsäurebakterien am Werk, wobei letztere mit ihrer eigenen Gärung für den säuerlichen Geschmack sorgen. Normalerweise dauert das Anzüchten einer ordentlichen Sauerteigkultur ganze 9 Tage – aber vielleicht sind in deinen Teigansatz ja irgendwie Bakterien hineingeraten, die für säuerliche Nebenprodukte gesorgt haben. Tragisch wäre das jedenfalls nicht, da beim Backen (wie bei einem „echten“ Sauerteigbrot auch) alle Mikroorganismen abgetötet werden. Du solltest das Brot also ohne Bedenken essen können.

      Liebe Grüsse,
      Kathi

      Antworten
  7. Martina
    Martina says:

    Hallo Kathi, meine Beobachtungen sind es, dass die Atmosphäre rund um den Teig beim Gären mit oft nicht genug Frischluft versorgt wird und der Teig oft zu hohen CO2-Konzentrationen ausgesetzt wird. Hast du Erfahrungen damit, was übermäßig lange CO2-Konzentrationen mit dem Teig macht?

    Antworten

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