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Kunststoff - Recycling : So funktionierts

Ruhrpott, Deutschland, 2006: Reto, ein waschechter Schweizer und mein damals neuer Liebster, ist zu Besuch an meinem Studienort. Was mir traurig, wenn auch alltäglich erscheint, schockiert ihn zutiefst: Den überall herumliegenden Abfall ist er aus der Schweiz nicht gewohnt – zumindest nicht in solchen Mengen. Besonders Kunststoff-Verpackungen fallen uns vielerorts ins Auge. Dabei gibt es schon seit meiner Kindheit die „gelbe Tonne“ und dahinter ein ausgefeiltes Recycling-System. Ganz zu schweigen von all den Abfalleimern im öffentlichen Raum.

Wenige Jahre später habe ich die Seiten gewechselt und musste Reto bald recht geben: Was die Abfall-Entsorgung betrifft, sind die Schweizer generell ordentlicher als meine Landsleute. Nach 10 Jahren unter den Eidgenossen wird allerdings deutlich: Auch hier wird Littering zunehmend zum Problem.

Da braucht es gar keine Horrorbilder und -meldungen von verschmutzten Stränden und Plastik in Tiermägen und dem Marianengraben, um zu begreifen, dass wir ein Problem haben.

Recycling – das Thema ist ein Dauerbrenner

Eigentlich haben wir gleich zwei Probleme:

  1. Klassische Kunststoffe sind Erdölprodukte. Sie werden also aus einem fossilen Rohstoff hergestellt, der irgendwann zur Neige geht.
  2. Klassische Kunststoffe werden kaum bis gar nicht biologisch oder von den Naturkräften abgebaut.

Beide sind nichts neues, sondern uns seit Jahrzehnten bewusst. Deshalb tüfteln Forscher und Ingenieure ebenso lang schon an Methoden, „verbrauchtes“ Plastik wieder zu verwerten. Sie entwickeln Verfahren und bauen Recycling-Kreisläufe immer weiter aus. Die Schweizer bezeichnen sich gar als Weltmeister im Recycling von Abfällen – auch von Kunststoffen.

Aber welche Kunststoffe können wirklich recycelt werden? Wie funktioniert das? Wie könnt ihr zum nachhaltigen Umgang mit Plastik beitragen?

Welche Kunststoffe sind recycelbar?

Am einfachsten wiederverwendbar sind möglichst reine Stoffe. Ein Material, das aus nur einem Stoff besteht, hat nämlich durchgehend die gleichen Eigenschaften und kann mit einem einzigen, daran angepassten Verfahren behandelt werden. Das gilt auch für Verbundmaterialien, deren einzelne Bestandteile sich leicht voneinander trennen lassen.

Nicht trennbare Verbundmaterialien und Kunststoffe, die mit vielen Zusatzstoffen, sogenannten Additiven (z.B. für Farbeffekte, Weichmacher, Brandschutz,…), vermischt sind, lassen sich nur schlecht oder gar nicht wiederverwenden.

Thermoplaste als Recycling-Favoriten

Besonders für eine Wiederverwertung geeignet sind jene Kunststoffe, die bei hohen Temperaturen weich und formbar werden – die sogenannten Thermoplaste. Die kann man nämlich schreddern, erhitzen und zu neuen Gegenständen formen, ohne dass sich ihre Moleküle dabei verändern (zumindest im Optimalfall).

Zu den Thermoplasten gehören auch die verbreitetsten Alltagskunststoffe Polyethylenterephthalat (PET), Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) (Einzelheiten zu diesen Stoffen erfahrt ihr im Plastik-1×1 hier in Keinsteins Kiste). Da verwundert es nicht, dass gerade diese Kandidaten die grösste Rolle beim Recycling von Alltagsabfällen spielen. Allerdings gelingt auch das nur dann wirklich gut, wenn die Hersteller schon bei der Erstverarbeitung dieser Kunststoffe auf die Recyclingfähigkeit achten. Wie das geht, verraten Guidelines für die Industrie, verfasst von den Recycling-Verantwortlichen.

Auch Polyvinylchlorid (PVC) ist ein Thermoplast. Bei diesem Kunststoff gestaltet sich das Recycling (wie auch die Verwendung im Lebensmittelbereich) schon kniffeliger, weil er in vielfältiger Form verwendet wird und (besonders als Weich-PVC) kaum ohne Additive auskommt. Trotzdem wird auch PVC recycelt, wenn auch vornehmlich im Bauwesen, wo grössere Mengen gleichartigen PVC-Materials anfallen.

Und was ist mit kompostierbaren Biokunststoffen?

Was nach der ultimativen Verwertbarkeit bzw. Entsorgung klingt, hat oft einen beachtlichen Haken. Biopolymere sind aus Kettengliedern zusammengesetzt, die Lebewesen entlehnt sind, wie die Milchsäure-Glieder des Polylactids (PLA). Damit sind sie grundsätzlich für den Abbau durch Lebewesen oder deren Bestandteile geeignet.

In der Praxis sind dafür aber oft Bedingungen nötig, die ein Komposthaufen oder die freie Natur nicht bieten. PLA ist beispielsweise nur in speziellen Anlagen bei unnatürlichen Temperaturen abbaubar. So macht PLA zur Abfallvermeidung bislang nur dann Sinn, wenn der Anbieter – zum Beispiel ein Park mit Imbissbetrieb – direkt mit einem PLA-Entsorger (und bestenfalls -Wiederverwerter) zusammenarbeitet.

Wie wird recycelt?

Kunststoffe kann man grundsätzlich auf zwei Arten wiederverwerten:

  1. Werkstoffliche Verwertung: Das Material (die Polymer-Ketten als solche bleiben (weitestgehend) intakt und werden nur zu neuen Gegenständen geformt. Das ist der wohl wünschenswerteste Weg, da so der grösste Teil des zur Herstellung des Kunststoffs getätigten Aufwands nicht noch einmal nötig ist. Für diesen Weg geeignet sind im Besonderen die Thermoplasten unter den Kunststoffen. In der Praxis sind solche Verfahren leider meist nicht unendlich wiederholbar: Die Polymere überstehen das Erhitzen oft nicht gänzlich unbeschadet, sodass das Recycling-Material oft eine weniger gute Qualität als der Kunststoff bei der Erstverwendung hat. Fachleute nennen diesen Effekt deshalb „Downcycling“.
  2. Rohstoffliche Verwertung: Die Polymerketten werden dabei gezielt zerlegt. Die entstehenden Kleinmoleküle sind nach wie vor wichtige Energieträger und können als Brennstoffe oder Rohmaterial für andere Erdölprodukte verwendet werden.

So werden einzelne Kunststoffe recycelt

PET (Polyethylenterephthalat)

In der Schweiz gibt einen einzigartigen, geschlossenen PET-Recycling-Kreislauf: Überall in der Öffentlichkeit findet man hier blau-gelbe Sammelbehälter für PET-Getränkeflaschen – in Geschäften, an Bahnhöfen, bei Veranstaltungen, in Parkanlagen, an Abfall-Sammelstellen und anderswo. Die darin gesammelten Flaschen können farblich sortiert und nach Abtrennung von Fremdstoffen zu Pressballen verarbeitet werden, die rund 98% reines PET ihrer jeweiligen Farbe enthalten. Infrarot-Technik und Laser machen es möglich.

Diese PET-Abfälle werden weiter gereinigt, zu Flocken geschreddert und von den Flaschendeckeln getrennt. Letztere bestehen nämlich aus PE, welches – anders als PET – weniger dicht als Wasser ist und folglich darauf schwimmt. Die PET-Flocken sinken derweil auf den Grund (Chemiker und Physiker nennen dieses Trennverfahren Sedimentation), sodassman die PE-Deckel einfach abgiessen oder abschöpfen kann.

Nach weiterer Reinigung sind die Flocken schliesslich so sauber, dass sie als Lebensmittel-Verpackungsmaterial zulässig sind. Dann werden sie eingeschmolzen und zu sogenanntem Re-Granulat, einem groben Kunststoff-Gries, verarbeitet. Als Thermoplast kann dieser PET-Gries schliesslich bei 250°C zu neuen Gegenständen zusammengesinter werden – zum Beispiel zu dickwandigen „PET-Rohlingen“, die, bereits mit Gewinde und Deckel versehen, eine Flasche erahnen lassen.

PET-Rohling: Nach Erst-Herstellung oder Recycling kann PET in dieser Form platzsparend zum Getränkehersteller transportiert werden.
Pet-Rohling oder „Petling“ mit Deckel: Daraus wird einmal eine Flasche.

In dieser platzsparenden Form werden die Rohlinge oder „Preforms“ an die Getränkeabfüller (oder auch an Geocaching-Begeisterte, die darin ihre Schätze verstecken) geliefert. In der Abfüll-Anlage werden die Rohlinge erneut erhitzt und zu fertigen Getränkeflaschen aufgeblasen.

So effektiv geht PET-Recycling

Der Betreiber des PET-Kreislaufs – im Übrigen ein Verein, also nicht-staatlich und nicht gewinnorientiert – behauptet, bei der Wiederverwertung von PET-Getränkeflaschen finde kein Downcycling statt. Zudem betrage die Recyclingquote für PET in der Schweiz mittlerweile 82%! Bei freiwilliger Beteiligung der Getränkehersteller und Abfallsammler wohlgemerkt. Das hält die Regierung, die ein Minimum von 75% zum Ziel erklärt hat, bis dato davon ab, ein Pfandsystem einzuführen.

Polyethylen und Polypropylen (PE bzw. PP)

Auch PE und PP sind Thermoplaste. So kann man sie in ähnlicher Weise wie PET-Flaschen verwerten. Allerdings erweichen sie bei wesentlich niedrigeren Temperaturen (PE schon ab 80°C, PP bleibt noch etwas weiter fest) und würden sich bei 250°C längst zersetzen. Deshalb sind für das Recycling von PE und PP jeweils eigene Kreisläufe und Anlagen nötig, um diese Kunststoffe gemäss ihren Eigenschaften zu behandeln.

Ausserdem kommen nur dafür geschaffene PE- und PP-Produkte für die Wiederverwertung in Frage. Und selbst dann geht das Einschmelzen in der Regel mit einem Downcycling einher. So kann beim Recycling von PE oder PP meist kein Material mit Lebensmittelqualität gewonnen werden. R-PE und R-PP kommen daher vornehmlich im Bauwesen, in Nicht-Lebensmittelverpackungen, der Landwirtschaft, in Fahrzeugen oder Elektronik zum Einsatz.

EPS/Styropor = „Quietschpapier“

Diese Form von Polystyrol (EPS steht für „Expandiertes Polystyrol“) birgt ein ganz besonderes Problem: Das Material, das wir als massgeschneiderte, stosssichere Verpackung oder Wärmedämmstoff kennen, besteht zu 98% aus eingeschlossener Luft und nur zu 2% aus dem eigentlichen Kunststoff und seinen Additiven. Das Ganze ist also ein enormer Platzfresser!

Der Transport zu einer Mühle, in der Styropor zermahlen und anschliessend zu Re-Granulat eingeschmolzen werden kann, braucht daher ein enormes Volumen für reichlich wenig Kunststoff-Masse. Trotzdem wird das gemacht und das Granulat kommt vornehmlich für Einsätze im Bauwesen zur Verwendung.

Um dem Transportproblem zu begegnen, hat das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV ein neues Recycling-Verfahren für EPS entwickelt (und CreaSolv® getauft). Die Abfälle sollen dabei noch an der Sammelstelle in ein Lösungsmittel, das möglichst nur Polystyrol auflöst, eingebracht werden. Dabei entweicht die ganze Luft und Beistoffe können später leicht abgetrennt werden. In der Lösung nimmt die Kunststoffmasse nur 1/50 des Raumes ein, den das ursprüngliche EPS bräuchte, was den Transport erheblich erleichtert.

Getränkekartons

Das ist auch mir neu: In der Schweiz können auch Getränkekartons („Tetrapak“) recycelt werden. Tatsächlich tragen solche, die man in den grossen Supermärkten bekommt, das Kennzeichen „für den Restmüll“. Erst bei der Recherche für diesen Artikel bin ich bei Swiss-Recycling zufällig auf den – einmal mehr privaten – Anbieter für die Wiederverwertung von Getränkekartons gestossen. Bislang gibt es nur 100 Sammelstellen, aber die nächste ist nur wenige Dörfer weiter. Da führe ich die Tetrapak-Trennung doch gleich bei uns im Haushalt ein. Anbei: Ja, es stimmt: Abfalltrennung ist hier in der Schweiz eine besondere Spezialität.

Warum ist das Tetrapak-Recycling nicht weiter verbreitet?

Getränkekartons sind ein typisches Verbundmaterial: Pappe, Kunststoff- und Aluminiumschichten sind darin fest miteinander verklebt. Das schützt den Inhalt und ist für feuchtfröhliche Experimente nützlich, aber ganz kniffelig zu recyceln.

Immerhin können die Pappfasern aus den alten Kartons herausgelöst und zu Wellpappe verarbeitet werden. Kunststoff und Aluminium werden dann als Brennstoff für die Erzeugung von Fernwärme oder Strom eingesetzt – wie übrigens auch der Restmüll oder -kehricht hierzulande.

So könnt ihr zum Recycling beitragen

In Deutschland und Österreich werden wiederverwertbare Kunststoffe gemischt gesammelt. Verpackungen, die als rezyklierbar gelten, tragen als Kennzeichen den „grünen Punkt“. Ihr könnt sie – möglichst sauber – in die gelbe Tonne bzw. den gelben Sack entsorgen, deren Inhalt die Müllabfuhr regelmässig abholt.

In der Schweiz ist, wie bereits erwähnt, viel Eigeninitiative gefragt. PET-Getränkeflaschen könnt ihr in die blau-gelben-Behälter an öffentlichen Sammelstellen werfen, um sie in den PET-Kreislauf zurückfliessen zu lassen. PE- und PP-Flaschen werden häufig von den Supermärkten zurückgenommen (haltet die Augen nach der Entsorgungswand innerhalb des Marktes offen!). Wenn ihr eine der Sammelstellen für Getränkekartons in eurer Nähe habt, könnt ihr eure Tetrapaks auch dorthin bringen. Und neu führt auch die Migros – eine der beiden grössten Supermarktketten – eine Gemischtsammlung für rezyklierbare Kunststoffe ein.

Was bringt euch der ganze Aufwand? Nicht nur ein reines Gewissen: Was immer ihr an diesen für euch kostenfreien Sammelstellen entsorgt, landet nicht im Hauskehricht (Restmüll), für den hierzulande deftige Gebühren pro Abfallsack zu entrichten sind. Bedingung für ein effektives Recycling ist allerdings, dass nur die gewünschten Abfälle in den jeweiligen Sammelstellen landen!

Warum gibt es keine zentrale Gemischtsammlung in der Schweiz?

Das Recycling aus einer Gemischtsammlung liefere eine verminderte Ausbeute und Qualität, sagen die Recyclingverantwortlichen in der Schweiz. Laut einem Beitrag des Verbrauchermagazins „Kassensturz“ beim Schweizer Fernsehen (Moderation und Interviews in Mundart, Kommentar in Hochdeutsch) liege die Ausbeute oft unterhalb dessen, was private Anbieter einer Gemischtsammlung behaupten. Ausserdem ist die nachträgliche Sortiererei teuer. So teuer, dass das Geld sinnvoller für die Umwelt eingesetzt werden könne. Viele private Anbieter von Gemischtsammlungen in der Schweiz verkaufen deshalb die gesammelten Abfälle in die Nachbarländer – und können dann nicht mehr kontrollieren, was damit geschieht.

Das Paretoprinzip und die Müllvermeidung

Das lässt mich persönlich an das Paretoprinzip denken: Wenn 100% aller Bemühungen 100% der Ergebnisse bringen, seien demnach nur 20% der Bemühungen nötig, um 80% der Ergebnisse zu erzielen (und umgekehrt brächten die übrigen 80% der Bemühungen nur 20% der Ergebnisse. Ob die Zahlenverhältnisse genau so überall anwendbar sind, sei dahingestellt. Kern der Sache ist in meinen Augen, dass Perfektionismus unglaubliche Ressourcen verschlingen und dabei vergleichsweise wenig bringen kann.

Das ist besonders dann spannend, wenn man mit begrenzten Ressourcen zurechtkommen muss. Wie auch im Umweltschutz: Wie in vielen Bereichen ist die begrenzteste Ressource hier wohl das Geld. Und das mag an anderer Stelle (sei es zum Ausbau funktionierender Kreisläufe, zur Förderung der Verwendung rezyklierbarer oder zur Entwicklung völlig neuer Materialien) effektiver eingesetzt werden können, als zum Aussondern weniger wiederverwertbarer Stoffe aus einem grossen Rest, der am Ende in der Müllverbrennungsanlage landet.

Der Kassensturz-Beitrag kommt für den Kunststoffsammelsack der Migros (bislang nur im Raum Luzern erhältlich) noch zum besten Testergebnis: Der „orange Riese“ sammelt nur ausgewählte Kunststoffe und lässt tatsächlich recyceln – noch dazu in einer Anlage in der Schweiz. Ich bin gespannt, ob das auch funktioniert, wenn die Sammlung bis zum Frühling 2021 auf das ganze Land ausgeweitet wird.

Grundsätzlich gilt: Je ausgewähltere und sauberere Abfälle ein Anbieter sammelt, desto besser ist die zu erwartende Ausbeute. Wenn ihr Säcke für die Sammlung gemischter Kunststoffe verwendet, beachtet daher unbedingt die Gebrauchsanweisung!

Wirklich effektiv gegen Plastikmüll geht so

Hier folge ich meinem persönlichen Paretoprinzip: Mit überschaubarem Aufwand möglichst viel erreichen! Klar sollte man nach Möglichkeit keinen Abfall produzieren. Aber nicht jeder hat einen Unverpackt-Laden in seiner Nähe, und eine weite Anfahrt kostet nicht nur Zeit und Geld, sondern auch Kraftstoff in irgendeiner Form, der wieder zu Lasten der Umwelt geht.

Sehr einfach sind aber folgende Massnahmen:

  • Verwendet Mehrweg-Einkaufssäcke /- behälter – nicht nur im Supermarkt, sondern auch im Kaufhaus und anderen Geschäften
  • Nutzt die Mehrweg-Gemüse-Netzbeutel, die hier in der Schweiz in beiden Grossverteiler-Ketten angeboten werden (gibt es die in D und Ö auch? Falls nicht, sind die ein tolles Andenken an euren nächsten Schweiz-Urlaub 😉 )
  • Achtet, wenn ihr Produkte in Kunststoff-Verpackungen, insbesondere Flaschen, kauft, auf ein rezyklierbares Design. Das könnt ihr an folgenden Eigenschaften (gemäss den Richtlinien für Verpackungs-Hersteller) erkennen:
    • Das Material: Das Recyclings-Symbol mit der Ziffer im Pfeil-Dreieck, oft auf dem Flaschenboden, verrät es euch: PE (Ziffer 02 bzw. 04), PP (Ziffer 05) oder PET (Ziffer 01) sind leicht wiederverwertbar.
    • Die Farbe: PE und PP sind von Natur aus matt weiss und undurchsichtig. PET ist dagegen von Natur aus durchsichtig. Oberflächeneffekte wie Fluoreszenz („grelle“ Farben!) oder „metallic“-Schimmer entstehen durch Zusatzstoffe und verhindern die Wiederverwertung!
    • Etiketten: Sollten nicht mehr als 80% (vier Fünftel) der Flaschenoberfläche bedecken.
  • Vermeidet Produkte, die übermässig verpackt sind. Ein Klassiker ist unnötig vorgeschnittenes Obst: Die meisten Früchte sind von Natur aus mit einer Schale ausgestattet, die besten Schutz vor äusseren Einflüssen bietet. Die braucht ihr nur selber aufzuschneiden.
  • Kauft Getränke in Mehrweg- oder PET-Flaschen (letztere insbesondere, wenn ihr in der Schweiz seid) und entsorgt sie wie vom Anbieter vorgesehen.
  • Achtet beim Kauf von Kunststoff-Gegenständen auf gute Qualität und nutzt sie lange bzw. „vererbt“ sie weiter, wenn ihr sie nicht mehr braucht.
  • Versucht euch im Upcycling: Viele gebrauchte Kunststoff-Verpackungen und -gegenstände könnt ihr auf neue Art verwenden oder geben prima Bastelmaterial ab – oder Rohstoffe zum Experimentieren!

Was haltet ihr von den Recycling-Bestrebungen in eurem Land? Habt ihr noch mehr Ideen zur Vermeidung von Kunststoff-Abfällen? Wie geht ihr mit euren Abfällen um?

Wirken Antistatik-Sprays gegen Staub?

Schon wieder Staub wischen – wer kennt das Problem nicht? Wohl kaum einer. Deshalb haben zahlreiche Hersteller von Reinigungs- und Pflegemitteln Antistatik-Sprays im Angebot. Diese Mittel sollen – einfach aufgesprüht – dafür sorgen, dass sich weniger Staub auf den Oberflächen in unserem Zuhause absetzt. So müssten wir dann weniger Staub wischen.

Aber was taugen solche Sprays wirklich? Wie funktionieren sie? Und kann man sie auch selber herstellen?

Wie kommt der Staub ins Haus?

Staub im Haus ist etwas ganz normales und überdies unvermeidlich. Grossteils besteht er aus winzigen Hautschuppen von uns und, wenn vorhanden, unseren Haustieren. So lange wir leben, erneuert sich unsere Haut ständig, sodass wir laufend solche Schuppen verlieren.

Dazu kommen Klein- und Kleinstlebewesen, deren Überreste und Ausscheidungen. Auch die sind ganz normal: Selbst der sauberste Haushalt kommt nicht ohne Hausstaubmilben, Einzeller, Spinnen (und Spinnweben) sowie viele andere kleine Mitbewohner aus. Dazu kommen Fasern, Fussel und anderer Abrieb von Textilien und Gegenständen, die wir tagtäglich daheim benutzen.

Auch von draussen tragen wir regelmässig Staub ins Haus: Abrieb von Strassen und Reifen, Pflanzenteilchen und wiederum Kleinstlebewesen. Beim Lüften kommen mit der ausgetauschten Luft Pollen und mehr (Saharastaub, Vulkanausbrüche…) oder weniger (Feinstaub durch Verkehr) natürlicher Staub aus der Luft hinzu.

Insgesamt bilden sich täglich rund 6 Milligramm Hausstaub pro Quadratmeter – oder 130 Gramm pro Person und Jahr! Dass wir regelmässig Staub wischen müssen lässt sich also nicht vermeiden. Es sei denn, es wäre uns gleich, wenn irgendwann alles zustaubt.

Das jedoch kann fatale Folgen haben. Wenn der Staub Lüftungsschlitze elektronischer Geräte verstopft, kann das zur Überhitzung und im schlimmsten Fall zu einem Brand führen. Und als wollten sie uns verhöhnen, ziehen gerade elektronische Geräte den Staub wie magisch an.

Staubige Tasten: Helfen Antistatik-Sprays hier?
Auch Tastaturen ziehen Staub wie magisch an.

Warum ziehen Elektrogeräte besonders viel Staub an?

Staubpartikel gelangen von ihrem Entstehungsort zunächst in die Luft und werden in Strömungen und Wirbeln durch den Raum transportiert. Irgendwann folgen sie trotz ihres verschwindend kleinen Gewichts der Schwerkraft – oder anderen Kräften – und setzen sich auf Oberflächen ab.

Welche anderen Kräfte?

Staubpartikel bestehen aus Molekülen. Wenn solche Partikel von grösseren Gegenständen abgerieben werden, werden nicht nur ganze Moleküle voneinander getrennt. Auch die Moleküle selbst werden abgerieben: Sie büssen dabei Elektronen aus ihrer Hülle ein oder bekommen zusätzliche Elektronen, die von anderen Molekülen abgerieben wurden, aufgedrängt. Kurzum: Diese Moleküle, und damit auch die Staubpartikel, zu denen sie gehören, werden elektrisch geladen.

Und das werden elektronische Geräte auch. Das liegt in der Natur ihrer Funktionsweise: Sie arbeiten mit elektrischem Strom. Das heisst, in ihnen werden Ladungen hin und her geschickt und hier und da gesammelt. Und die Funktionsweise mancher Geräte, zum Beispiel Laserdrucker, beruht sogar darauf, dass bestimmte Bauteile ganz gezielt elektrostatisch aufgeladen werden.

Nur halten sich elektrische Ladungen kaum an Spielregeln oder Grenzen. Stattdessen drängen sie in jeden Stoff in ihrer Umgebung, in welchem sie sich halbwegs bewegen können. So bleibt es nicht aus, dass einige Ladungen in der Aussenverkleidung der Geräte landen. Und wenn in deren Nähe Staub in der Luft vorbeikommt, der zufällig entgegengesetzt geladen ist, ziehen sich die unterschiedlichen Ladungen gegenseitig an. Da die Ladungen in der Geräteoberfläche nicht hinaus können, gibt der fast gewichtslose Staub der Anziehung nach und landet auf dem Gerät.

Was kann man dagegen tun?

Um die vermehrte Anziehung von Staub zu verhindern, müssen die elektrischen Ladungen von der Geräteoberfläche fortgeschafft werden. Das Problem dabei: Die übliche Aussenverkleidung von Elektrogeräten besteht aus nichtleitendem Kunststoff (Verweis PBA). Das heisst, Ladungen, die dort einmal hineingeraten sind, finden kaum bis gar nicht wieder hinaus.

Ein extremes Beispiel ist Polystyrol („Styropor“). Nicht umsonst verwende ich dieses Material beim Erzeugen von Miniatur-Blitzen im DIY-Experiment: Es lässt sich durch Reibung stark elektrostatisch aufladen und gibt die Ladung erst ab, wenn ein elektrischer Leiter (wie die Aluschale im Experiment) in seine unmittelbare Nähe gelangt.

Findige Chemiker und Techniker haben jedoch zwei Wege ersonnen, um den Ladungen das Entkommen aus solchen Materialien zu erleichtern. Beide beruhen darauf, dass die Leitfähigkeit der jeweiligen Oberfläche erhöht wird – indem eigens für den Abfluss von elektrischen Ladungen Wege geschaffen werden.

1. Leiter in die Oberfläche einbauen oder darauf aufbringen

Am naheliegendsten ist vielleicht, eine Metallschicht auf die Kunststoffoberfläche aufzubringen. Metalle sind sehr gute elektrische Leiter und sorgen für einen regen Ladungsverkehr. Andererseits sind sie oft anfällig für Korrosion – und jene, die das nicht sind, sind meist teuer. Ausserdem verändern sie das Aussehen der Kunststoffoberfläche.

Deshalb gibt es viele weitere sogenannte leitende Antistatika, die direkt in das Material hineingemischt werden. Das können Metallpulver sein, die mit Lacken vermengt werden, oder Metallfäden bzw. Leitfähigkeitsruss, die mit einem Kunststoff gemischt werden. Diese Stoffe, insbesondere Russ, sind jedoch tief schwarz und dementsprechend an der Oberfläche sichtbar. Freunde unverändert farbiger Oberflächen haben daher eigens leitfähige Polymere wie PEDOT ersonnen.

Ein leitfähiger Kunststoff ohne Farbe

PEDOT steht für „Polyethylendioxythiophen“ und sieht so aus:

Ausschnitt aus einem PEDOT-Polymer: Die abwechselnden C-C-Doppel- und Einfachbindungen, entlang welcher dieses Polymer leitfähig ist, sind orange markiert.

Wie alle Polymere besteht auch dieser Stoff aus langen Kettenmolekülen, die aus sich immer wiederholenden „Gliedern“ zusammengesetzt sind. Die PEDOT-Moleküle haben dabei eine Besonderheit: Entlang ihrer Ketten wechseln sich C-C-Einfach- und C-C-Doppelbindungen stets ab. Tatsächlich ragt die zweite Bindung (die sogenannte „Pi-Bindung“) einer Doppelbindung, die wie eine Hülle um die erste liegt, an beiden Enden über die eigentliche Bindung hinaus, sodass es zu einer Überlappung mit dem Ende der Doppelbindung am Nachbaratom kommt.

So können die Elektronen der äusseren Bindung sich in die nächste äussere Bindung bewegen und umgekehrt. Entlang sich abwechselnder Einzel- und Doppelbindungen kann also ein Strom fliessen: Die Molekülkette ist also nichts anderes als ein winziges Stromkabel!

Wenn man diese Polymerketten mit anderen mischt, erhält man leitfähige Kunststoffe – zum Beispiel Lack, den man auf eine Oberfläche auftragen kann. Wirklich raffiniert wird PEDOT aber erst dadurch, dass es in einer dünnen Lackschicht farblos erscheint. Die meisten Moleküle, die miteinander vernetzte Pi-Bindungen enthalten, sind nämlich farbig (auch Lebensmittelfarbstoffe, wie sie zum Färben von Ostereiern verwendet werden, zeichnen sich durch derartige Netzwerke aus). PEDOT wirkt dagegen erst in dickeren Schichten bläulich. So kann man damit Oberflächen leitfähig machen, ohne dass sich ihre Farbe ändert.

2. Nichtleitende Antistatika ein- bzw. aufbringen

Ob nun Metall, Russ oder leitfähige Kunststoffe – die Verarbeitung dieser leitenden Antistatika ist immer mit Aufwand und Mehrkosten verbunden. Deshalb verwendet man sie vornehmlich da, wo es nicht anders geht: Zum Schutz von speziellen elektronischen Bauteilen, denen aufgestaute Ladung bzw. zu schnell abfliessende Ströme gefährlich werden können.

Im Alltag verwenden wir, wenn wir es für nötig erachten, stattdessen sogenannte nichtleitende Antistatika. Die bestehen aus einfachen, kleineren Molekülen, die leicht zu handhaben und an ihren Einsatzort zu bringen sind. Aber halt:

Wie können Nichtleiter Strom leiten?

Würden Nichtleiter Ladungen, also elektrischen Strom leiten können, wären sie schliesslich keine Nichtleiter. Deswegen brauchen die Nichtleiter im Antistatik-Einsatz Hilfe von einem leitfähigen Stoff: Wasser. Eigentlich ist reines Wasser nur wenig leitfähig, aber es bietet darin gelösten Ionen immerhin die Möglichkeit, sich frei zu bewegen. Und Ionen sind nun einmal geladene Teilchen. Wasser mit darin gelösten Ionen eignet sich daher prima, um unerwünschte Ladungen abzutransportieren.

Nur kann man mit Wasser nicht einfach Kunststoffe lackieren – zumal die meisten Kunststoffe Wasser nicht mögen – sie sind „hydrophob“ (das ist altgriechisch für „wasserscheu“) – und daher die meisten Wechselwirkungen mit dem kühlen Nass verweigern. So auch den Austausch elektrischer Ladungen.

Hilfreich: Die Superkräfte von Tensiden

Wenn ihr euch schon mit der Superwaschkraft von Seifen beschäftigt habt, kennt ihr dieses Problem wahrscheinlich schon: Wasserscheue (und damit gleichzeitig fettliebende) Stoffe verweigern die Zusammenarbeit mit Wasser. Abhilfe durch Molekül-Diplomatie schaffen da Tenside, die besonderen Moleküle, aus denen Seife besteht.

Besonders sind Tensid-Moleküle deshalb, weil sie – ähnlich wie Streichhölzer – aus zwei ganz unterschiedlichen Teilen bestehen: Einem wasserliebenden „Kopf“ und einem fettliebenden „Schwanz“. Da fettliebende Moleküle nur mit anderen Fettliebenden und wasserliebende Moleküle nur mit anderen Wasserliebenden verkehren wollen, sind solche „Zwitter“ die perfekten Vermittler.

Streichholzmodell: Tenside an der Wasseroberfläche
Auch Luft besteht grösstenteils aus wasserscheuen Stoffen. Deshalb richten Tenside an der Wasseroberfläche ihre „Schwänze“ zur Luft hin aus.

Geraten Tenside nämlich zwischen Wasser und einen fettliebenden Stoff, so richten sie ihre Köpfe zum Wasser aus und ihre Schwänze zum fettliebenden Material. Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh‘! So können Tenside mit beiden Stoffsorten wechselwirken – und das auch noch gleichzeitig. Über so geschaffene „Brücken“ können auch elektrische Ladungen den Weg vom unwegsamen Kunststoff ins bewegliche Wasser finden.

Antistatik-Sprays enthalten Tenside

Um eine Oberfläche leitfähig und damit passierbar für elektrische Ladungen zu machen, kann man also einfach Tenside mit Wasser aufsprühen (oder sie als Zusatzstoff in den Kunststoff einarbeiten). Deren wasserscheue Schwänze haften daraufhin an der Oberfläche, während die wasserliebenden Köpfe für den gewünschten Ladungsaustausch mit dem Wasserfilm darüber sorgen.

Die Wirkung von Antistatik-Sprays hat Grenzen

Der Wirksamkeit von antistatischen Tensiden zum Aufsprühen sind damit allerdings zwei einfache, aber kaum überwindbare physikalische Grenzen gesetzt:

  1. Die Wechselwirkungen zwischen den Molekülen, die zum Haften der Tenside an der Oberfläche führen, sind im Vergleich zu chemischen Bindungen ziemlich schwach. So genügt schon ein wenig Reibung, um die aufgesprühte Schicht wieder zu entfernen. Selbst Luftreibung führt dazu, dass die aufgesprühte Schicht mit der Zeit wieder abgetragen wird.
  2. Die Antistatik-Schicht funktioniert nur so lange, wie sie genügend Wasser enthält. Dass ein Grossteil des mit Antistatik-Spray aufgesprühten Wassers verdunstet, ist so gewollt. Wenn aber die Raumluft zu trocken ist, verdunstet bald zu viel Wasser, sodass die allein gelassenen Tenside ihre Wirkung nicht mehr entfalten können.

Und dann ist da noch die Schwerkraft: Staubteilchen, die von oben herabsinken, werden von Antistatika keineswegs abgelenkt, sondern fallen letztlich da hin, wo ihr Weg nach unten eben endet.

So können Antistatik-Sprays nur vorübergehend und unter den richtigen Bedingungen Wirkung zeigen. Nützliche Helferlein, um im Zimmer die Luftfeuchtigkeit hoch zu halten, sind Pflanzen, Zimmerbrunnen oder im Winter Wasserschalen auf der Heizung. Für solche sind Antistatik-Sprays kein Ersatz, sondern allenfalls eine Ergänzung.

Antistatik-Sprays zum Selbermachen: Was taugen die?

Wenn schon die Wirkung so eingeschränkt ist, lohnt sich dann womöglich teures Antistatik-Spray mit all seinen Inhaltstoffen aus der chemischen Industrie? Oder kann man das auch selber machen?

Viele Seiten, die sich mit nachhaltiger Lebensweise und DIY-Reinigungsmitteln beschäftigen, meinen: Ja. Und geben mehr oder minder unterschiedliche Rezepte an. Insgesamt finden sich neben Wasser vier Bestandteile immer wieder. Doch wie sinnvoll sind die?

Flüssigseife

Enthält Tenside für die Superwaschkraft. Da diese Moleküle ebenso den Austausch von Ladungen zwischen nichtleitenden Oberflächen und Wasser bzw. feuchter Luft ermöglichen sollen, macht diese Zutat noch am meisten Sinn. Inwieweit die als Seife gedachten Tenside solchen, die speziell für den Ladungsaustausch designt sein mögen, gleich kommen, bleibt allerdings offen.

Anion der Stearinsäure („Stearat“), ein gutes Tensid und typischer Bestandteil von Seife

Essig

Enthält Essigsäure – Tafelessig 3 bis 5%, der in der Schweiz gängige Haushaltsessig zum Putzen knapp 10% und Essigessenz bis zu 30%. Essigsäure ist eine Carbonsäure, die aus einem wasserscheuen Kohlenwasserstoffgerüst und einer wasserliebenden Säuregruppe* besteht.

*Besonders wasserliebend wird die Säuregruppe durch ihre Fähigkeit, ein H+-Ion abzugeben und als Carbonsäure-Anion (mit negativer elektrischer Ladung!) leicht mit dem Wasser zu wechselwirken.

Strukturformel von Essigsäure: Bei einem so winzigen wasserscheuen „Schäftchen“ gibt der Kopf den Ton an: Das Molekül als Ganzes ist wasserliebend. Das „H“ im roten Bereich kann zudem leicht als H+ abgegeben werden, was das Molekül zur Säure macht.

Das klingt doch irgendwie nach einem Tensid. Allerdings sind die Essigsäuremoleküle sehr klein, sodass der Anteil der wasserscheu haftenden Wechselwirkung ziemlich gering ausfallen dürfte.

Andere Carbonsäure-Anionen mit längeren Kohlenwasserstoffgerüsten würden da womöglich bessere Dienste leisten. Allerdings haben die nächstlängeren Verwandten der Essigsäure einen weitaus unangenehmeren Eigengeruch (Buttersäure z.B. enthält zwei Kohlenstoff-Atome mehr als Essigsäure, aber die möchte wirklich niemand riechen!).

Stearinsäure, eine langkettige Fettsäure (jede Zacke ist ein C-Atom!): Der lange wasserscheue „Schaft“ verleiht dem Molekül selbst dann noch wasserscheue Eigenschaften, wenn das H+ im roten Bereich abgegeben ist und somit ein Stearat-Anion mit äusserst wasserliebendem Kopf vorliegt. Aus solchen Fettsäure-Anionen bestehen Seifen!

Ausserdem ist Essigsäure – eben eine Säure. Und Säuren reagieren gerne mit verschiedenen Stoffen – besonders dann, wenn sie ständig daran kleben und entsprechend viel Zeit dazu erhalten. Auf Marmor und Kalkstein sollte man zum Beispiel niemals Essig aufsprühen. Diese Gesteine werden nämlich von Säuren sehr leicht angegriffen. Doch auch andere Oberflächen könnten bei längerer Anwendung irgendwann mit unliebsamen Überraschungen aufwarten.

Olivenöl

Besteht hauptsächlich aus Neutralfetten, die auch Triglyceride genannt werden. In diesen Molekülen sind Fettsäuren – also meist besonders langkettige Carbonsäuren – an Glycerin gebunden.

Lewis-Struktur eines Triglycerids: Diese Verbindungen nutzen in Antistatik-Sprays wenig
Ein Triglycerid oder „Fettmolekül“: Dank der langen Kohlenwasserstofketten (hier als Zickzack-Linien), die sich um das Glycerin (schwarz) winden, sind diese Moleküle wasserscheu!

Diese Moleküle tragen von sich aus keine elektrischen Ladungen und sind weder besonders sauer noch basisch – daher der Name. Ausserdem sind sie fettliebend – und damit wasserscheu. Diese Eigenschaften machen frische Pflanzenöle so wenig leitfähig, dass z.B. Rapsöl als flüssiges Isoliermaterial in der Energie- und Hochspannungstechnik eingesetzt werden kann.

Olivenöl als Quelle für Tenside?

Carbonsäuren mit langen Kohlenstoffketten? Die gäben doch prima Tenside ab! Wenn sie denn ungebunden und elektrisch geladen wären. In der Verbindung mit Glycerin zum Fettmolekül, die zur Familie der Ester gehört, sind sie dagegen nur wasserscheue, ungeladene Seitenketten eines wasserscheuen Moleküls. Das kann man ändern, wenn man das Fett mit einer Base mischt, um die Moleküle zu zerlegen: So stellt man schon seit Jahrtausenden Seife her.

In Gegenwart von Essigsäure (wie in vielen Rezepturen für DIY-Antistatik-Spray) können Fettmoleküle zwar auch gespalten werden, doch entstehen dabei – anders als bei der „Verseifung“ mittels Basen – vollständige Carbonsäure-Moleküle anstelle von Carbonsäure-Anionen. Und die geben ihr H+-Ion in Gegenwart der Essigsäure auch nachträglich kaum ab.

Naturgemäss finden sich in Pflanzenölen also stets ein paar freie Fettsäuren. Besonders dann, wenn das Öl schon etwas älter ist. Dann hatten Mikroorganismen und andere äussere Einflüsse nämlich viel Zeit, um das ein oder andere Fettmolekül zu zerlegen. In Gegenwart von Essig werden jedoch kaum Fettsäure-Anionen, sondern fast nur ungeladene Moleküle vorliegen. Wenn unter diesen Fettsäuren solche mit einem penetranten Eigengeruch sind, wird leicht erkenntbar, was dieser Prozess bedeutet: Das Öl wird ranzig.

Warum dann Olivenöl?

Vermutlich zielen solche Rezepturen auf die Pflege von Holzoberflächen oder allgemein den Glanz eines Ölfilms ab. Ob der Einsatz deshalb sinnvoll ist, wage ich dennoch zu bezweifeln. Nicht nur, weil Speiseöle leicht ranzig werden und Mikroben Tür und Tor ins Holz öffnen (Holz- und Möbelexperten empfehlen deshalb technisch aufbereitetes Leinöl, das diese Probleme nicht mitbringt, zur Holzpflege).

Wenn das Antistatik-Spray überdies Flüssigseife enthält, wird zudem ein Grossteil der Tenside aus der Seife mit der Vermittlung zwischen Wasser und Olivenöl beschäftigt, was zu Lasten der eigentlichen Antistatik-Wirkung gehen dürfte.

Ätherische Öle

Wie bereits erwähnt, hat Essig einen Eigengeruch, den nicht jeder mögen muss. Deshalb sollen ätherische Öle dazu dienen, diesen Geruch mit einem angenehmeren Duft zu überdecken.

Generell bin ich keine Freundin von solchen Manövern, zumal der eigentliche Störenfried dabei nicht beseitigt wird. Stattdessen kommen beachtliche Mengen des erwünschten Duftstoffs zum Einsatz, um erfolgreich mit dem Störgeruch zu konkurrieren. Das erachte ich bei Stoffen, die Allergien hervorrufen können (und das können ätherische Öle wie viele andere Naturstoffe auch!), nicht eben als erstrebenswert.

Immerhin: Für den Einsatz in selbstgemachten Reinigungsmitteln könnt ihr ein Öl, das alle (!) Mitglieder eures Haushalts mögen und vertragen, selbst aussuchen.

Zusammenfassung

Die Entstehung von Hausstaub ist unvermeidlich, kann aber nicht nur lästig, sondern auch zum Problem werden. Sogenannte Antistatika sollen Abhilfe schaffen – als leitende Zusatzstoffe in nichtleitenden Kunststoffen oder Lacken in der Elektrotechnik, oder als schnelle Hilfe in Form von nichtleitenden Antistatika zum Aufsprühen.

Die Wirkung solcher Antistatik-Sprays beruht auf Tensiden, also seifenartigen Molekülen, die das Abfliessen von elektrischen Ladungen aus einer nichtleitenden Oberfläche in einen leitenden Wasserfilm fördern sollen. Das funktioniert jedoch nur bei ausreichender Luftfeuchtigkeit und bis die Tensidschicht abgerieben wird.

Trotzdem wird eine Vielzahl von Sprays gegen Staub verkauft und im Netz finden sich viele Rezepturen für Antistatik-Spray zum Selbermachen. Neben Wasser enthalten diese DIY-Produkte in der Regel Flüssigseife (mit Tensiden), Essig (Säure mit Eigengeruch und wenig Tensid-Eigenschaften, die gegenüber manchen Oberflächen aggressiv sein kann), Olivenöl (das ranzig werden kann und die Wirksamkeit der Seife aufhebt) sowie ätherische Öle (als – unter Umständen allergieauslösende – Duftstoffe bzw. zur Überdeckung des Essiggeruchs).

Fazit

Aus meiner persönlichen Sicht ist der eingeschränkte Nutzen von Antistatik-Spray den Aufwand (und das Risiko einer Beeinträchtigung der behandelten Oberflächen) nicht wert. Da wische ich lieber regelmässig Staub – mit einem feuchten Lappen oder Schwamm, sodass ich möglichst wenig davon wieder aufwirbele. So kann ich den Staub ebenso regelmässig ganz aus den Räumen entfernen. Denn so lange er sich nicht absetzt, erscheint mir das kaum möglich.

An der Wirksamkeit von gängigen DIY-Antistatik-Sprays wage ich aus Chemikersicht zu zweifeln. Deshalb gibt es hier auch kein eigenes Rezept. Insbesondere dann, wenn Seife (die ja eigentlich auf Wirksamkeit hoffen lässt) darin auf Speiseöl trifft. Aber auch Chemiker sind nicht perfekt. Vielleicht habe ich ja etwas übersehen?

Dann freue ich mich auf eure Hinweise und Erfahrungen in den Kommentaren und die Möglichkeit, diesen Artikel ggfs. zu überarbeiten.

Silber putzen leicht gemacht!

Die Weihnachtszeit ist auch die Zeit von Festtagsmenu und fein herausgeputzter Tafel. Aber gerade wer die eher selten eindeckt, steht mitunter vor einem ungeliebten Haufen Arbeit: Das Tafelsilber ist schon wieder angelaufen – und auch der Silberschmuck zum Festtagsoutfit glänzt nicht mehr. Also ist Putzen und Polieren angesagt…es sei denn, man versteht ein wenig von Chemie.

Dieser Beitrag ist Teil des Adventskränzchens 2019!
Weitere Beiträge zum Thema des Tages „Fein herausgeputzt“ findet ihr auf
www.marie-theres-schindler.de
http://cosmic-blue.jimdofree.com
https://das-leben-ist-schoen.net

Warum läuft Silber an?

Landläufig kennt man Silber eigentlich als Edelmetall – also als eines jener Metalle, die als so reaktionsträge gelten, dass sie auch an der Luft mehr oder weniger blank bleiben. „Reaktionsträge“ meint dabei „schwer bis gar nicht zu oxidieren“. Und für das Oxidieren an der Luft ist in der Regel der darin enthaltene Sauerstoff verantwortlich. Der kann dem Silber aber gar nichts, wenn er alleine ist. Anders sieht es aber aus, wenn der Sauerstoff Unterstützung durch seinen grossen Bruder hat: Den Schwefel.

Schwefel: Der anrüchige Bruder des Sauerstoffs

Der steht im Periodensystem der Elemente direkt unter dem Sauerstoff, was bedeutet, dass Schwefel und Sauerstoff chemisch miteinander eng verwandt sind. So gibt es Schwefel auch in Form von S2--Ionen, analog zu den Sauerstoff-Anionen O2-. Und diese S2- -Ionen kommen zum Beispiel im Schwefelwasserstoff, H2S, einem äusserst übelriechenden Gas, oder in organischen Verbindungen, den sogenannten Thiolen, vor. „Thio-“ ist altgriechisch für Schwefel und die Endung „-ol“ weist auf die chemische Verwandschaft hin: Thiole sind die schwefelhaltigen Geschwister der Alkohole.

Ebenso haben auch die Aldehyde und Ketone (Sauerstoffverbindungen, die entstehen, wenn man Alkohole oxidiert – darunter Acetaldehyd, das uns nach Alkoholgenuss den Kater beschert) schwefelhaltige Geschwister.

All diese organischen Schwefelverbindungen sind oft ziemlich üble Stinker, und das nicht von ungefähr: Wie Schwefelwasserstoff sind einige Thiole hochgiftig, sodass der Gestank uns Menschen aus gutem Grund dazu bewegt, vor ihnen wegzulaufen. Andere Verbindungen werden von Pflanzen verwendet, um ihre Fressfeinde abzuschrecken. Ein bekanntes Beispiel dafür sind Zwiebeln. Der Stoff, der uns beim Schneiden von Zwiebeln Tränen in die Augen treibt, um uns vom Zerstören der Knollen abzuhalten, gehört auch zur Grossfamilie der schwefelorganischen Verbindungen.

Wie Schwefel an das Silber kommt

Tatsächlich kann man Thiole und andere schwefelorganische Verbindungen – und damit auch Schwefelwasserstoff in kleinen Mengen – überall dort finden, wo Leben ist oder war. Zum Beispiel in Lebensmitteln, auf unserer Haut oder auch in Kosmetika. So ist es nur natürlich, dass unser Tafelsilber und Silberschmuck, wenn wir sie benutzen, nebst Sauerstoff auch mit S2--Ionen in Berührung kommt.

Und die bilden mit Silberionen, Ag+, ein schwarzes, wasserunlösliches Salz, das Silbersulfid Ag2S:

2Ag+ + S2- –> Ag2S

Dabei wird eine Menge Energie frei. Das bedeutet, dem fertigen Silbersulfid wohnt viel weniger Energie inne als dem Silber-Metall und den S2--Ionen. Und Zustände mit möglichst wenig Energie strebt die bequeme Natur stets an. Der Zustand als Silbersulfid ist sogar dermassen erstrebenswert, dass Luftsauerstoff aus Silber-Metall Silber-Ionen machen kann (das geht normalerweise nicht von selbst), wenn S2- zur Stelle ist, um mit letzteren Silbersulfid zu bilden. Und zwar direkt an der Oberfläche des Silber-Metalls, wo die Ag+-Ionen entstehen. So bleibt das wasserunlösliche Silbersulfid gleich dort und bildet die dunkle Patina, die Silber so häufig überzieht.

Wie wird man die Silbersulfid-Schicht wieder los?

Grundsätzlich gibt es zwei Wege, die schwarze Schicht von der Silberoberfläche zu bekommen:

  • Man schrubbt oder löst sie ab – dann ist das Silber darin aber verloren.
  • Man macht aus den Silberionen darin wieder metallisches Silber und setzt die Sulfid-Ionen frei.

Ich ziehe den zweiten Weg dem ersten vor, um möglichst viel Silber an meinen Gegenständen zu erhalten. Und dazu gibt es neben kommerziellen Reinigungsmitteln verschiedenste Hausmittel im Netz. Besonders interessant – weil so einfach und wirksam, finde ich dieses:

Silber mit Aluminiumfolie in Salzwasser reinigen

Ihr braucht dazu

  • euer angelaufenes Silber (Besteck, Tafelsilber oder Schmuck ohne Steine oder sonstiges Beiwerk!)
  • Aluminiumfolie
  • etwas Kochsalz
  • Leitungswasser
  • Kochtopf und Herd
  • einen gut belüfteten Raum bzw. eine Dunstabzugshaube zum Herd
  • eine Grillzange oder ein ähnliches Greifwerkzeug
Was ihr zum Silber putzen braucht: Silber, Kochsalz, Alufolie, Kochtopf
Ich habe für meinen Testlauf ein Schmuckstück aus 925er Silber verwendet (unten im Bild). Das bedeutet, 925 von 1000 Teilen oder 92,5% des Metalls sind Silber, der Rest besteht aus anderen Metallen – in der Regel Kupfer. In solch einer Legierung ist das Silber etwas härter als in ganz reiner Form. Silberbesteck besteht übrigens meistens aus 80% Silber und 20% Kupfer und ist damit noch härter. Doch so lange das Besteck nicht grün angelaufen ist, funktioniert dieser Trick auch damit.

So geht’s

  • Füllt Wasser in den Topf (es soll eure Silbergegenstände später ganz bedecken) und gebt einen Löffel Kochsalz hinzu (als wolltet ihr z.B. Spaghetti kochen)
  • Bringt das Wasser auf dem Herd zum Kochen
  • Zerteilt inzwischen die Aluminiumfolie in kleine Schnipsel und gebt sie in das kochende Wasser. Die Schnipsel sollten ganz ins Wasser eingetaucht sein – hierzu ist die Grillzange sehr nützlich!
  • Legt den Silbergegenstand in das kochende Wasser, lasst das Ganze kurz aufkochen und nehmt das Silber mit der Zange wieder heraus (Vorsicht, heiss!). Wenn ihr das ganze Tafelsilber säubern wollt, wiederholt diesen Schritt einfach mit den nächsten Teilen.
  • Lasst das Metall kurz abkühlen und trocknet es gründlich ab
Silber und Alufolie im Kochtopf
Kaum zu sehen: Das Silber liegt auf dem Grund des Salzwassers mit Aluminium-Schnipseln.

Was ihr beobachten könnt

Das Silber wird innerhalb einer Minute oder weniger wieder hell und glänzend. Der aufsteigende Wasserdampf riecht währenddessen ein wenig nach faulen Eiern – deshalb grössere Mengen nicht einatmen, gut lüften oder den Abzug verwenden!

Vorsicht, heiss: Gerade aus dem Topf gehoben glänzt das Silber blitzblank!
Vorsicht, heiss: Gerade aus dem Topf gehoben glänzt das Silber blitzblank!

Was passiert da?

Aluminium ist ein sehr unedles Metall. Es wird also leicht oxidiert. Oxidation bedeutet: Das Aluminium gibt Elektronen an einen Reaktionspartner ab:

Ein möglicher Reaktionspartner, der freiwillig Elektronen von Aluminium entgegennimmt (die Aufnahme von Elektronen eines Reaktionspartners heisst Reduktion), sind Silberionen, Ag+:

Links: Das Schmuckstück vor dem Kochen mit deutlich sichtbarer Silbersulfid-Schicht.
Rechts: Nach dem Kochen, Abkühlen und Trocknen glänzt das Silber wieder hell.

Euch kommt das irgendwie bekannt vor? Richtig: Aluminiumfolie als Rostfänger in der Spülmaschine funktioniert ganz ähnlich! Mit dem Unterschied, dass das Aluminium dort der Entstehung von Flugrost (d.h. Eisen-Ionen) zuvorkommt, weil es leichter als Eisen oxidiert wird.

Für die Reduktion von Silbersulfid müssen die Elektronen aber irgendwie vom Aluminium in der Folie zum Silbersulfid an der Oberfläche unseres Tafelsilbers gelangen. Und Elektronen, die auf Wanderschaft gehen, sind elektrischer Strom.

Elektronentransport dank Elektrolytlösung

Hier kommt das Kochsalz, NaCl, ins Spiel. Gibt man es ins Wasser, löst es sich nämlich in Na+– und Cl-Ionen auf. Und Ionen, die sich in einer Flüssigkeit bewegen können, leiten den elektrischen Strom! Anders als in einem Kabel, durch welches Elektronen einfach hindurchströmen, wandern positiv geladene Ionen (Kationen) hierzu durch die Flüssigkeit dorthin, wo es viele Elektronen gibt (zur „Kathode“), um dort Elektronen (hier vom Aluminium) „huckepack“ zu nehmen, während die negativen Ionen (Anionen) dorthin wandern, wo wenig Elektronen sind (zur „Anode“), um dort Elektronen abzugeben (hier an die Silberionen). Eine solche leitfähige Flüssigkeit nennen die Chemiker „Elektrolyt“.

Ebenso wie Kochsalz funktionieren natürlich auch andere wasserlösliche Salze als Bestandteil der Elektrolytlösung zum Silberputzen. Natron, Soda oder Backpulver werden gerne als Alternativen genannt. Diese reagieren allerdings basisch und bilden mit vielen Metallen – auch Aluminium – schwer lösliche Hydroxide. Und die könnten die Oberfläche der Aluminiumfolie für die Redox-Reaktion mit dem Silber blockieren („passivieren“). Deshalb – und weil Basen die Haut eher reizen als neutrale Stoffe oder Säuren – finde ich Kochsalz als Elektrolyt einfach bequemer.

Da auf diese Weise sehr bequemes Silbersulfid zerstört werden soll, braucht es zusätzlich noch Energie, damit das Ganze funktioniert. Und die fügen wir durch das Erhitzen zu.

Und woher kommt der Geruch nach faulen Eiern?

Wenn die Ag+-Ionen zu metallischem Silber reagieren, bleiben die S2--Ionen übrig:

Die bleiben aber ungern nackt und einsam, sodass sie sich sofort von den nächstbesten Wassermolekülen H+-Ionen schnappen:

Also insgesamt:

Das Gas H2S, also Schwefelwasserstoff, ist giftig, wasserlöslich, verdampft aber leicht – ganz besonders, wenn die Lösung gerade kocht. Deshalb können wir es im Wasserdampf, der aus unserem Topf mit dem Silber aufsteigt, riechen. Aber keine Sorge: Gerade weil dieses Gas so giftig ist, ist die menschliche Nase darauf äusserst empfindlich. Bevor wir gesundheitsschädliche Mengen davon einatmen können, sind wir in aller Regel längst vor dem Gestank davongelaufen.

Trotzdem solltet ihr euren Raum, in dem ihr Silber auf diese Weise putzt, gut lüften oder die Dunstabzugshaube einschalten, damit sich das Gas nicht sammelt – und damit nicht eure ganze Wohnung danach stinkt 😉 .

Was passiert, wenn man viel Silber reinigt?

Wenn ihr viel Silber reinigt, könnte es auch mit Kochsalz als Elektrolyt passieren, dass eure Alufolienschnipsel stumpf werden. Denn dank der frei werdenden S2--Ionen kommt ihr letztlich um die Entstehung von Hydroxiden (Verbindungen mit OH-Ionen) nicht herum. So lassen sich alle Gleichungen oben zu einer einzigen Reaktionsgleichung zusammenfassen:

Sollte sich das Aluminiumhydroxid Al(OH)3 an der Oberfläche der Alufolie sammeln, bis das Reinigen des Silbers nicht mehr funktioniert, tauscht die Folienschnipsel einfach gegen frische Schnipsel aus. Zudem könnt ihr die Haltbarkeit der Folienschnipsel etwas verlängern, indem ihr ein wenig Säure, zum Beispiel Zitronensäure, zur Salzlösung gebt.

Wenn ihr euch gut mit Chemie auskennt, könntet ihr natürlich eine Pufferlösung einzusetzen, um die Alufolie noch deutlich länger „frisch“ zu halten. Aber das ist eine andere Geschichte.


Entsorgung

Da bei diesem Verfahren Silberionen an der Silberoberfläche zu metallischem Silber reduziert werden, sollte eure Salzlösung nach dem Kochen praktisch kein Silber enthalten. Das Aluminium reagiert ebenfalls zu schwer löslichen Salzen (spätestens dann, wenn ihr die gebrauchte Lösung mit etwas Natron basisch macht).

Wenn die, nachdem ihr viel Silber gereinigt habt, als sichtbare Schlieren oder Trübung aus der Lösung ausfallen, könnt ihr die Flüssigkeit filtrieren, das Filterpapier (z.B. einen Kaffeefilter) trocknen lassen und in den Hausmüll geben.

So könnt ihr die verbleibende Salzlösung nach dem Abkühlen – und nachdem ihr die Folienschnipsel herausgenommen habt, in den Ausguss entsorgen.

Die Folienschnipsel könnt ihr wie anderes Haushalts-Aluminium auch in den Recycling-Abfall geben (in der Schweiz in den Container an der Abfall-Sammelstelle, in Deutschland und Österreich über die gelbe Tonne).

Wenn ihr ausserdem Kupfer oder Messing putzen möchtet: Auch dafür gibt es einen einfachen Chemie-Trick – den findet ihr hier!

Und wie putzt ihr euer Silber für gewöhnlich?

Hast du das Experiment nachgemacht:

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Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!

Mit Aluminium gegen Flugrost?

Als ich die Spülmaschine ausräumte, fiel mir ein, dass wir früher mal ein Stück Alufolie mit hineingetan haben, um den Flugrost zu minimieren bzw. “zu fangen”. Kennst du das bzw. macht das Sinn?

Diese Frage hat nicht nur ein Keinsteins-Kiste-Leser. Sie tauchte zudem vor knapp 2 Wochen zur Prime-Time im Fernsehen auf, als ein Erfinder den Investoren in der „Höhle der Löwen“ einen Flugrost-Fänger für die Spülmaschine vorstellte, der nach dem gleichen Prinzip funktionieren soll.

Deshalb gewähre ich euch hier einen Einblick in die Chemie dahinter (denn Chemie ist überall und alles ist Chemie – das gilt auch für dieses Gadget, wie Ole von Bananabond bereits festgestellt hat). Und ich verrate euch ein „Hausmittel“, das den gleichen Zweck erfüllt – und eine Möglichkeit zur Vorbeugung von Flugrost, die das eine wie das andere unnötig machen kann!

 

Was ist Flugrost?

Rost mit einer chemischen Formel zu beschreiben ist längst nicht so einfach wie bei vielen anderen Stoffen. Das liegt daran, dass Rost nicht einfach „ein Stoff“ ist, sondern sich gleich aus mehreren zusammensetzt.

Rost als Stoffgemisch

Eine chemische Formel für Rost, die dieses Stoffgemisch zu beschreiben sucht, lautet:

In Worten: Rost ist ein wasserhaltiges Gemisch aus verschiedenen Eisenoxiden.

Diese Eisenoxide sind Salze. Das heisst, sie bestehen aus Eisen- (Fe2+ bzw. Fe3+ )Ionen und Oxid-(O2-)-Ionen, also elektrisch geladenen Atomen der Elemente Eisen und Sauerstoff. Solche Ionen entstehen, wenn ungeladene Atome der jeweiligen Elemente Elektronen abgeben bzw. aufnehmen – also eine chemische Reaktion eingehen.

Chemische Reaktionen, bei welchen in dieser Weise Elektronen weitergegeben werden, nennt man Redox-Reaktionen. Das Abgeben von Elektronen wird dabei Oxidation genannt, das Aufnehmen von Elektronen heisst Reduktion.

Bei der Entstehung von Rost geben Eisen-Atome Elektronen ab, die letztlich von Sauerstoff-Atomen aufgenommen werden. Wie das genau vor sich geht, könnt ihr in meinem Artikel über Rost nachlesen.

Damit Rost entsteht, braucht es also Eisen-Atome, die Elektronen abgeben können, und Sauerstoff-Atome, die die Elektronen aufnehmen. Ausserdem werden für die erfolgreiche Elektronen-Übergabe in diesem Fall Wasser-Moleküle benötigt.

Wie der Rost das Fliegen lernt

Die Eisen-Atome können dabei Teile eines massiven Stücks Metall sein oder winzige, frei bewegliche Staubpartikel bilden. Staubpartikel haben im Vergleich mit einem Metallstück sehr viel mehr Oberfläche, die mit Sauerstoff und Wasser in Kontakt kommen kann. So werden sie besonders leicht oxidiert – und die entstehenden Eisenoxid-Partikel setzen sich gern auf anderen Metalloberflächen – selbst „rostfreiem“ Stahl – ab: Es scheint, als komme der Rost „angeflogen“.

Da der Flugrost sich von aussen absetzt, lassen sich diese Flecken leicht abwischen. Lästig ist das aber allemal, und wirklich schön sieht das Ganze meist nicht aus.

 

Wie kann man die Flugrost-Entstehung verhindern?

Für eine Redox-Reaktion braucht es immer zwei Partner: Einen, der Elektronen abgibt, und einen, der sie aufnimmt. Dabei ist jedem Stoff ein ganz „persönliches“ Bestreben, Elektronen abzugeben oder aufzunehmen – das sogenannte Redox-Potential – zu eigen. Und nur, wenn diese beiden Partner zueinander passen – der eine also lieber Elektronen aufnimmt als der andere (der lieber welche abgibt) – kann eine Redox-Reaktion stattfinden.

Bei der Rost-Entstehung ist es der Sauerstoff, der sehr danach strebt, Elektronen aufzunehmen, und nur auf einen Reaktionspartner wartet, welcher ihm Elektronen überlässt. Was also, wenn sich ein Reaktionspartner findet, der leichter Elektronen abgibt als Eisen? Genau: Dann holt sich der Sauerstoff seine Elektronen dort! Denn die Natur ist einmal mehr sehr bequem.

Ersatz für Eisen als Elektronen-Spender

Ein solcher Stoff, der in unserem Alltag verbreitet ist, ist das Metall Aluminium (andere Kandidaten sind zum Beispiel Magnesium oder Zink). Aluminium gibt so leicht Elektronen ab, dass es an feuchter Luft eigentlich kaum beständig ist, sondern rasch zu Aluminiumoxid bzw. Aluminiumhydroxid reagiert.

Dass wir trotzdem Aluminiumwerkstücke herstellen und an normaler Luft verwenden können, haben wir dem Umstand zu verdanken, dass eine oxidierte Aluminium-Oberfläche (anders als eine Eisen-Oberfläche) so dicht mit Ionen bedeckt ist, dass die ungeladenen Aluminium-Atome darunter unter normalen Umständen gar nicht mit weiterem Sauerstoff in Kontakt kommen. So können keine weiteren Elektronen übergeben werden – und das Metall-Stück bleibt intakt.

In einer laufenden Spülmaschine sind die Umstände allerdings alles andere als normal: Es ist nass, es ist warm, und Luft-Sauerstoff ist auch noch da. Ausserdem können die Inhaltsstoffe im Spülmittel die Umstände weiter beeinflussen. So ist Aluminium-Metall in der Spülmaschine in der Lage, Eisenstaub beim Liefern von Elektronen an Sauerstoff zuvor zu kommen. Anstelle von Eisen wird also Aluminium oxidiert. Die dabei entstehenden Salze sind farblos (also „weiss“) – nicht rostrot – und setzen sich weniger leicht auf Stahloberflächen ab. So entstehen keine rostroten Partikel, die unangenehm auffallen könnten.

Ohne Opfer geht es nicht

Der Haken daran: Die Aluminium-Atome, die durch die Abgabe von Elektronen zu Aluminium-Ionen werden, sind für die weitere Flugrost-Abwehr verloren. Überdies werden die Aluminium-Salze früher oder später mit dem Abwasser fortgespült.

Ein Aluminium-Metallstück in der Spülmaschine wird also immer weiter schrumpfen und irgendwann verbraucht sein. Deshalb wird solch ein Metallstück unter (Elektro-)Chemikern auch als Opfer-Anode bezeichnet: Es wird zum Schutze anderer Materialien vor der Sauerstoff-Korrosion geopfert.

 

Hausmittel zum Flugrost-fangen

Es ist nicht unbedingt nötig, eigens Aluminium-Rostfänger zu kaufen. Denn das Metall findet ihr auch anderswo im Haushalt. Ein locker zu einem Ball gerolltes Stück Aluminiumfolie (zum Abdecken von Lebensmitteln) erfüllt zum Beispiel den selben Zweck. Da seine Oberfläche viel grösser ist als die eines massiven Metallblocks, dürfte sie sogar noch effektiver sein – allerdings auch noch schneller verbraucht werden.

Eine weitere Möglichkeit haben mein Mann und ich zu Anfang unseres gemeinsamen Lebens eher ungewollt angewendet, indem wir unseren Sparschäler mit Aluminiumgriff mit in die Maschine getan haben. Der betätigt sich nämlich auch als Opfer-Anode – geht allerdings früher oder später dabei drauf.

Sparschäler passiviert und nach einigen Maschinen-Spülgängen korrodiert

Links: Sparschäler wie neu – wird von Hand abgewaschen: das Metall ist matt, aber inakt; Rechts: Sparschäler nach einigen Spülgängen in der Maschine: die Oberfläche ist sichtlich angegriffen

Aber ob Folie, Sparschäler oder kommerzieller Rostfänger: Die Herstellung von Aluminium-Metall kostet grosse Mengen an Energie und ist nicht gerade das, was viele als „umweltschonend“ bezeichnen (Ole „Bananabond“ geht genauer darauf ein). Und wer sich Gedanken über Aluminium-Salze in Deodorants macht, sollte sich ebenso Gedanken über Aluminium-Salze im Spül-Abwasser machen. Deshalb tut ihr gut daran, euch zu überlegen, ob ihr einen Flugrost-Fänger wirklich braucht.

 

Flugrost vorbeugen

Ich selbst hatte nämlich nur so lange mit Flugrost in der Spülmaschine zu tun, wie ich die scharfen Schneidemesser in der Maschine mitgewaschen habe.

Die heute in der Küche gängigen Stähle sind nämlich durch Mischung der Eisen-Atome mit Chrom und anderen Elementen so hart geschaffen und glatt verarbeitet, dass sie weder am Stück rosten noch abgeschliffen werden. So können erst gar keine Eisenstaub-Partikel, die rosten könnten, entstehen.

Einzig die scharfen Messer bilden offensichtlich eine Ausnahme: Eine geschliffene Messerklinge läuft an der Kante so dünn zusammen, dass das Atomgemisch, aus dem der Stahl besteht, Luft und Wasser ganz besonders ausgesetzt ist. So können sich dort offenbar doch Eisen-Atome herauslösen und Flugrost bilden.

Seit ich die scharfen Messer – ebenso wie die Alu-Sparschäler – mit der Hand abwasche, habe ich jedenfalls keinen Flugrost mehr an meinem Edelstahl-Besteck (ich verwende „All-in-One“-Spülmaschinentabs von wechselnden Herstellern).

Und habt ihr schon Flugrost in der Spülmaschine beobachten können?