Tag Archive for: Chemie

Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2016. Deshalb gibt es ihn für einmal auswärts zu lesen – und eure Mitwirkung ist gefragt!

 

Letztes Jahr erhielt ich von meiner Schwägerin ein duftiges Weihnachtsgeschenk: Ein Fläschchen mit einer Duft-Essenzmischung. „Diese Essenzen lassen aufatmen“ steht darauf, und aus 100% naturreinen ätherischen Ölen soll der Inhalt bestehen. Wunderbar! Das natürliche Aroma von Wald, Kräutern und Gewürzen für das eigene Zimmer, ganz ohne Zusatzstoffe – mag so mancher denken, der von der Sanftheit und Verträglichkeit der Natur überzeugt sein mag. Und der das Fläschchen noch nicht umgedreht hat.

Auf dessen Rückseite prangen nämlich gleich vier rotumrandete Rauten mit alarmierenden Symbolen darin, wie man sie von Chemikalien-Verpackungen her kennt: Die GHS-Gefahrensymbole für „entzündlich“, „gesundheitsschädlich“, „Gefahr“ und „umweltgefährdend“. Gefahrstoffe in der naturreinen Essenzmischung? Was ist da noch drin nebst den natürlichen Duftstoffen? Bin ich etwa einem Skandal auf der Spur….?

 

Warum Naturstoffe und gefährliche Chemie in einer Flasche keinen Widerspruch darstellen, könnt ihr in meinem Wettbewerbsbeitrag auf Astrodicticum Simplex nachlesen und eure eigene Stimme beim Leser-Voting hinterlassen. Dabei könnt ihr sogar etwas gewinnen! Die Einzelheiten zu Ablauf und Abstimmung sind am Anfang des Wettbewerbsbeitrags verlinkt!

Schon im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele in Brasilien legte sich ein gefürchteter, aber auch nur zu bekannter Schatten solcher Sport-Events über Rio: Der Skandal um staatlich organisiertes Doping in Russland, welcher um ein Haar zum Ausschluss sämtlicher russischer Teilnehmer geführt hätte. Die Diskussion um den Entscheid des IOCs zum Teil-Ausschluss hat hohe Wellen geschlagen – und gar nicht überraschend tauchen neue Meldungen über positive Doping-Proben von Athletinnen aus anderen Nationen auf.

Aber nicht nur im Leistungssport wird gedopt – nicht ums sonst liest sich die Dopingliste der Stiftung Antidoping Schweiz wie eine Beweismittel-Liste bei der Drogenfahndung. Denn auch im Breitensport und besonders im alltäglichen Leben scheint viel zu oft nicht mehr zu genügen, was ein Mensch von sich aus leisten kann. Also wird, wo immer möglich ist, am menschlichen Körper geschraubt und manipuliert…

Den oftmals massiven Gesundheitsgefahren, die das mit sich bringt, sind sich (zu) viele gar nicht bewusst. Diese Geschichte soll einen Einblick darin geben, wie verschiedene zum Doping verwendete Substanzen und Methoden auf den Körper wirken, und welche Gefahren sich daraus ergeben. Denn unsere Körperfunktionen sind so komplex und fein aufeinander abgestimmt, dass daran herum zu schrauben gar nicht gesund sein kann.

Die Schraubenzieher: Womit gedopt wird

Der Chemische Reporter hat eine schöne Kurzübersicht über die wichtigsten Dopingmittel zusammengestellt. Die Stoffe, die sich dort und auf der Dopingliste finden, sind nahezu alle als Medikamente zur Behandlung von Krankheiten entwickelt oder entdeckt worden – um eine Schraube, wenn sie locker ist – wieder anziehen zu können. Auf den gesunden Körper, der keiner „Reparatur“ bedarf, wirken sie jedoch ebenso – sodass eine Leistungssteigerung erzielt werden kann. Aber wie bei einer zu fest angezogenen Schraube, die sich festbeisst, ist eine Verschlimmbesserung dabei geradezu abzusehen.

Never change a running system

Dieser Satz sollte jedem, der sich mit IT-Technik beschäftigt, geläufig sein – insbesondere wenn er oder sie beim „Optimieren“ am Computer schon Erfahrung mit derlei Verschlimmbesserungen gemacht hat. Mehr noch als ein Computer ist jedoch der menschliche Körper ein hochkomplexes System aufeinander abgestimmter Prozesse, und dementsprechend sollte dieser Satz ebenso für unsere Gesundheit gelten. Denn wer daran schraubt, kann letztlich kaum überblicken, was er da tut (für diejenigen, die es trotzdem versuchen wollen, gibt es atemberaubende Karten unserer Stoffwechsel-Wege…).

Ich habe die gemäss Doping-Liste verbotenen Substanzen und Methoden nach Art der Einflussnahme auf den menschlichen Körper sortiert, was grob der Sortierung der „offiziellen“ Doping-Liste entspricht. Denn aus der Art der Einflussnahme ergeben sich auch die Gefahren, die der Missbrauch der jeweiligen Substanz oder Methode mit sich bringt:

 

1. Hormon- und Stoffwechselmodulatoren

Hormone, jene „Botenstoffe“, die von körpereigenen Drüsen produziert und ausgeschüttet werden, um – oft in entfernten Körperregionen – Stoffwechselprozesse in Gang zu setzen, zu stoppen und zu regulieren, sind die Schrauben schlechthin – schliesslich ist das Steuern von Körperfunktionen ihre Hauptaufgabe. Die in der internationalen Dopingliste als „Hormon- und Stoffwechselmodulatoren“ bezeichneten Substanzen sind keine Hormone im eigentlichen Sinne, aber sie verändern die Wirkung von Hormonen, indem sie die Bereitstellung bestimmter Hormone fördern oder hemmen oder mit den Bindestellen, an welchen Hormone ihre Botschaften weitergeben, wechselwirken und die jeweilige Botschaft beflügeln oder aufhalten.

Zu den bekanntesten Substanzen dieser Art zählen:

  • Anabolika: darunter Anabole Steroide und b-2-Agonisten:“Anabole“ Stoffe fördern den Aufbau von körpereigenem Gewebe. Anabole Steroide sind chemische Verwandte des männlichen Geschlechtshormons Testosteron, die fördernd auf den Aufbau von Proteinen und damit von Muskelmasse wirken. b-2-Agonisten haben eine vergleichbare Wirkung, entfalten diese aber fernab vom Geschlechtshormon-Haushalt.
  • Myostatininhibitoren:Das Protein Myostatin limitiert im gesunden Körper das Muskelwachstum – ein Stoff, der diese limitierende Wirkung hemmt, kann somit zu ungezügeltem Muskelwachstum führen.
  • Erythropoetin („EPO“):Dieses Protein kann an sogenannte Vorläuferzellen im Knochenmark binden und diesen die Botschaft „entwickelt euch zu roten Blutzellen“ übermitteln. Die so vermehrt gebildeten roten Blutzellen erhöhen die Sauerstoff-Transportkapazität und somit die Leistungsfähigkeit des Körpers.
  • Beta-Blocker: Hemmen die Wirkung der Stress-Hormone Adrenalin und Noradrenalin und vermindern damit Nervosität, Muskelzittern und weitere Stress-Symptome.
  • Glucocorticoide („Cortison“): Beeinflussen den Zuckerstoffwechsel und hemmen Entzündungsreaktionen, die auch Folge körperlicher Belastung sein können.
  • Insulin: Das Hormon aus der Bauchspeicheldrüse senkt den Blutzuckerspiegel, indem es die Einlagerung von Glucose in das (Muskel-)Gewebe fördert, wo es im Wettkampf (wenn Leistung erforderlich ist) als Energielieferant auf Abruf bereit steht. Ausserdem wirkt Insulin auf den Aminosäure- und Fettstoffwechsel.
  • Meldonium: Ursprünglich als Herz-Medikament entwickelt hemmt Meldonium die körpereigene Herstellung von Carnitin, was eine Anreicherung von dessen Vorstufe g-Butyrobetain „GBB“ zur Folge hat. GBB soll im Falle eines Herzkranz-Gefässverschlusses die Energieversorgung der abgeschnittenen Zellen verbessern – im gesunden Körper kann diese Fähigkeit der Leistungssteigerung dienen. Im Übrigen spielt auch Carnitin eine wichtige Rolle im Energiestoffwechsel und gilt als „Fatburner“ schlechthin, der als (erlaubte) Nahrungsergänzung gerade im Ausdauersport ebenfalls beliebt ist.

 

Modulatoren, die Wachstum von Gewebe fördern, tun dies in der Regel nicht besonders zielgenau. Was also das Wachstum von gewünschten Muskeln oder Blutzellen fördern soll, fördert oft auch das Wachstum ganz anderer Dinge, wie von Gliedmassen (Akromegalie), inneren Organen (Herz und Leber) oder von Krebs-Tumoren – und das unumkehrbar.Für die anabolen Steroide kommt der Eingriff in den Geschlechts-Hormonhaushalt hinzu, der bei Männern zur Ausbildung weiblicher (Brustwachstum!), bei Frauen zur Ausbildung männlicher Merkmale (tiefe Stimme und mehr) und bei beiden Geschlechtern zu weiteren Folgen hormonellen Durcheinanders (Akne!), sowie zu Arterienverkalkung bis hin zum Herzinfarkt führen kann.

Wer Insulin zur Leistungssteigerung verwendet, riskiert einen Abfall des Blutzuckerspiegels, welcher zur Unterversorgung des Gehirns mit Energie mit Bewusstseinsverlust – und im schlimmsten Fall mit Todesfolge – führen kann. Ebenso geht nach hinten los, wenn Typ-1-Diabetiker, deren Körper selbst kein Insulin bereitstellen kann, zur Förderung der Fettverbrennung durch „Hungern“ auf die Zufuhr des Hormons verzichten (in meinen Augen ist Insulinpurging auch eine Form von Alltags-Doping – aber zumindest vergleichbar gefährlich) .

In vielen Fällen bewirkt das Schrauben am Stoffwechsel zudem eine sogenannte „negative Rückkopplung“: Viele Stoffwechselprozesse sind so gestaltet, dass ein reichliches Vorhandensein des jeweiligen Produktes dessen Herstellung ausbremst, während ein Mangel sie ankurbelt. Wird ein Modulator nun von aussen zugeführt, stellt der Körper mitunter die Herstellung desselben oder eines entsprechenden Verwandten ein, was zur Entstehung einer Abhängigkeit beitragen kann.

Einen weiteren Beitrag zu einer Abhängigkeit von solchen Dopingmitteln „leisten“ psychische Veränderungen, die mit dem Schrauben am Hormonhaushalt einher gehen und von Libido-Verlust über gesteigerte Aggressivität bis hin zu schweren Erkrankungen wie Depressionen erstrecken können.

 

2.Stimulanzien

Aufputschmittel aller Art sind (leider) in vielen Lebensbereichen Gang und Gäbe. Sie fördern die Bereitstellung von Energie, die für körperliche oder/und geistige Leistung verwendet werden kann, oder heben gar natürliche Grenzen der Energiebereitstellung („Erschöpfung“) auf.

Das vielleicht bekannteste Stimulans – Koffein – ist so alltäglich, dass es nicht verboten ist. Zu dieser Stoffgruppe gehören jedoch auch bekannte Drogen, z.B. Amphetamine wie Ecstasy, Kokain und Medikamente wie Ephedrin und Methylphenidat, oder das hochgiftige Strychnin.

 

Unser Stoffwechsel ist mit „Sicherheitsmechanismen“ ausgestattet, die verhindern, dass mehr Energie aus seinen Speichern bereitgestellt wird, als der Körper regenerieren könnte. Das macht sich bemerkbar, indem wir „müde“ werden, wenn die so festgelegten Untergrenzen erreicht werden. Aufputschmittel hebeln diese Sicherheitsvorkehrungen aus, sodass die Energiespeicher mehr oder minder nach Belieben geleert werden können. Das ermöglicht eine höhere oder anhaltendere Leistungsfähigkeit – im Sport, im Arbeitsalltag oder auch beim „Partymachen“ ebenso wie die vollständige Ausbeutung der körpereigenen Energiereserven bis zur tödlichen Erschöpfung.

Ein anhaltender Wach- oder gar Erregungszustand wird anfangs oft als positiv empfunden, zieht auf Dauer aber schwerwiegende psychische Beeinträchtigungen bis hin zur Abhängigkeit und eine erhebliche Belastung des Herz-Kreislauf-Systems nach sich.

 

3. Narkotika

Starke Schmerzmittel – im Wettkampf verboten sind solche aus der Gruppe der Opioide – vermindern oder unterbinden gar die Schmerzwahrnehmung, die mit starker körperlicher Belastung einhergehen kann. Und wenn der Kontakt mit dem Turngerät oder dem Gegner im Kampfsport, wie auch strapazierte Muskeln im Ausdauersport weniger weh tun, geht es um so akrobatischer, unbezwingbarer oder einfach andauernder zu und her. Zu den Opioiden zählen bekannte Medikamente wie Morphin und Codein, aber auch das als Droge verbreitete Heroin.

 

Auch das Empfinden von Schmerz ist ein Sicherheitsmechanismus unseres Körpers: Was wehtut, veranlasst uns zur sofortigen Änderung möglicherweise gefährlicher Umstände – ob durch reflexartiges Zurückweichen von einer Hitzequelle, Ausruhen bei schmerzenden Muskeln oder Ruhigstellen eines verletzten Körperteils. Die Einnahme von Opioiden vor einem Wettkampf hebelt die schützende Funktion von Schmerzen aus und vermindert überdies die geistige Aktivität, sodass eine Warnung vor drohender Erschöpfung oder folgenschwerer Verletzungen womöglich „ungehört“ bleibt.

Davon abgesehen wird der „in Watte gepackte“ Zustand nach Konsum von Opioiden, in welchem auch Ängste und Probleme verdrängt werden, zunächst als angenehm empfunden und schnell zur Gewöhnung. Dementsprechend schnell stellt sich eine starke Abhängigkeit von solchen Wirkstoffen ein, während der verstärkte Konsum mit schwerwiegenden psychischen Folgen, Apathie, Bewusstseinsstörungen und im Falle einer Überdosis zu Atemlähmung und Kreislaufschock führen kann.

 

4. Blutdoping

Eher eine Methode, denn eine Substanz: Durch Transfusion von eigenem oder Spenderblut oder Blutersatzstoffen soll das Gleiche erreicht werden wie durch die Zufuhr von EPO: Eine Erhöhung des Anteils roter Blutzellen im Blut, die dann um so mehr für körperliche Leistung notwendigen Sauerstoff transportieren können.

 

Ebenso wie beim Missbrauch von EPO zur vermehrten Neubildung von roten Blutzellen kann die Transfusion derselben die Fliesseigenschaften des Blutes zu Ungunsten des Anwenders verändern: Je mehr sperrige rote Zellen das Blut enthält, desto „dickflüssiger“ ist es, und desto schwieriger gelangt es durch enge Blutgefässe hindurch: Es besteht die Gefahr der Entstehung von Thrombosen (Blutgerinnseln) oder Embolien (Blockade eines Blutgefässes durch einen Pfropf). Ein Hämatokrit (also Anteil der (roten) Blutzellen am Gesamtblutvolumen) von 60% und mehr gilt als ernsthaft gesundheitsgefährdend.

Darüber hinaus birgt Blutdoping alle Risiken, die auch mit anderen Transfusionen einher gehen: Infektionen durch unsachgemäss gehandhabte oder gelagerte Konserven oder durch Erreger wie HIV oder Hepatitis-Viren in Fremdblut.

 

5. Diuretika und andere Maskierungsmittel

Diuretika führen zu einer teilweise stark vermehrten Ausscheidung von Flüssigkeit über die Nieren. Das kann dienlich sein, um im Vorfeld von nach Gewichtsklassen eingeteilter Wettkämpfe kurzfristig an Gewicht zu verlieren und als leichter klassifiziert zu werden, oder um andere Substanzen, die nicht gefunden werden sollen, aus dem Körper zu schwemmen.

Eine andere Möglichkeit zur Maskierung stellt die Erhöhung des Blutvolumens durch Infusion von „Plasmaexpandern“ – das sind Stoffe, die nicht durch die Blutgefässwände dringen können – was zur Folge hat, dass dem osmotischen Druck folgend Wasser aus dem umgebenden Gewebe in die Blutgefässe verlagert wird. Auf diese Weise kann der Erhöhung des Hämatokrits durch Blutdoping oder EPO oder den Folgen von Flüssigkeitsverlust beim Ausdauersport entgegengewirkt werden.

 

Der schnelle Flüssigkeitsverlust, der durch Diuretika herbeigeführt werden kann, bringt den Wasser- und Salzhaushalt des Körpers durcheinander, mit allen Folgen einer Dehydrierung: Blutdruckabfall, Herzrhythmusstörungen, Kreislaufschock und die Risiken eines erhöhten Hämatokrits. Die Ausscheidung all der Flüssigkeit über die Nieren kann zudem diese Organe in Mitleidenschaft ziehen.

Plasmaexpander wirken dem zwar entgegen, entziehen das dazu nötige Wasser jedoch dem umliegenden Körpergewebe, sodass das Problem Flüssigkeitsmangel damit nicht behoben, sondern allenfalls verschoben wird.

 

6. Gen-Doping

Stoffwechsel-Modulatoren, die dem Körper von aussen zugeführt werden, sind verboten – solche, die der Körper selbst herstellt, logischerweise nicht. Was wäre also, wenn man den Körper anleiten könnte, die gewünschten Substanzen selbst herzustellen? Die Rezepte und Gebrauchsanweisungen für all unsere Stoffwechselschritte sind in unseren Genen hinterlegt – und die Gen-Technologie erlaubt uns mittlerweile, diese Rezeptsammlung zu editieren – beispielsweise ein Gen für ein leistungsförderndes Protein hinzuzufügen oder die Herstellungsrate für ein natürlich vorgesehenes Protein zu erhöhen oder zu senken. Als „Gentherapie“ zur Korrektur von Defekten, die zu Erbkrankheiten führen, ist das eine tolle Sache – und zur permanenten Leistungssteigerung ohne Einnahme von Substanzen verlockend…

Das klingt im ersten Augenblick nach  Khan Noonien Singh und seinen genetisch aufgewerteten-Kollegen aus Star Trek – aber so weit ist man (zum Glück) noch nicht. Zum einen ist die vorgeburtliche Ausstattung von Menschen mit leistungsförderlichen Merkmalen (noch) nicht möglich, zum anderen steckt auch die Korrektur unseres Erbguts mittels „Gentherapie“ noch in den Kinderschuhen, sodass sie mit Fehleranfälligkeit und begrenzten Erfolgschancen einher geht. Dennoch ist die Verlockung so gross, dass Gen-Doping dieser Art bereits seit einigen Jahren als verbotene Methode auf der Dopingliste steht.

Da die Gen-Therapie heutzutage noch nicht ausgereift und Gen-Doping illegal ist, sind die Risiken dieser Methode vielfältig. Sie reichen von verunreinigtem oder minderwertigem Material aus dem „Hinterhof-Labor“, mangelnder Betreuung, unerprobten Behandlungen über das Risiko von Unverträglichkeiten gegenüber den eingesetzten „Gen-Fähren“ (zum Beispiel Viren, die genetisches Material in das Erbgut des Empfängers einfügen sollen) bis dahin, dass das Ergebnis der Veränderung nicht das Ewünschte, sondern vielmehr eine Beeinträchtigung ist. Denn eine einmal erfolgte „Gen-Therapie“ ist mit heutigen Mitteln nicht rückgängig zu machen.

 

Fazit

Doping – das Schrauben am Stoffwechsel – gefährdet massiv und oft unwiderruflich die Gesundheit. Und nicht nur die von Spitzensportlern, sondern auch all die all jener, die im Breitensport wie beim Krafttraining oder im Berufs- oder Ausbildungsalltag darauf zurückgreifen. Darüber hinaus machen viele dieser Dopingmittel schnell abhängig und sind nicht umsonst als „Drogen“ berüchtigt. Selbst „einmal ausprobieren“ ist also häufig mit erheblichem Risiko verbunden.

Dass unsere Gesellschaft uns zunehmend Leistungen abverlangt, die derart jenseits der menschlichen Leistungsfähigkeit liegen, dass Doping-Mittel und -methoden immer weitere Verbreitung finden, gibt mehr sehr zu denken. Nicht zuletzt, weil auch ich in der Zeit um mein Abitur eine Substanz von der Doping-Liste aus medizinischen Gründen verordnet bekommen habe und mich heute verunsichert frage, ob meine Diagnose damals wirklich gerechtfertigt oder letztlich ein Produkt unserer Leistungsgesellschaft war.

Das Medikament nehme ich übrigens seit bald 10 Jahren nicht mehr und stelle mir heute mehr denn je die Frage: Was können wir – jede/r einzelne – gegen diese bedenkliche Höher-Schneller-Weiter-Tendenz in unserer Gesellschaft tun?

Ich habe in den letzten Jahren zwei Dinge gelernt:

  1. Setze bei dem, was du tust, auf deine eigenen Gaben und Leidenschaften (Stärken hat jeder – die Kunst ist, sich derer bewusst zu werden).
  2. Erkenne deine eigenen Leistungen als solche an. Und das gilt vor allem für die kleinen! Denn was für den Einen vielleicht selbstverständlich ist, kann für den anderen eine Leistung sein – und darf, nein sollte gefeiert werden.

 

Denn wer mit sich selbst zufrieden ist, ist bestens dafür gerüstet, unmenschliche Messlatten links liegen zu lassen und – hoffentlich – kollektiv die Bremse zu ziehen. Je mehr wir Mensch sein dürfen, desto leichter wird es uns fallen, Mensch zu sein – gesund und ohne Gift.

Und ihr? Habt ihr schon Erfahrung mit Doping – in welcher Form auch immer – gemacht? Wie steht ihr zur heutigen Leistungsgeselllschaft?

Rezension - Dietrich Mebs : Leben mit Gift

Geschichten aus Natur und Alltag gibt es nicht nur auf Keinsteins Kiste, sondern auch in zahllosen spannenden Büchern. Nachdem ich eine Quelle für Neuerscheinungen von Sachbüchern rund um Chemie und mehr aufgetan habe, möchte ich von Zeit zu Zeit ausgewählte Lektüre mich euch teilen.

Dieser Artikel enthält Links aus dem Amazon-Partnerprogramm (gekennzeichnet mit (*) ) – euch kosten sie nichts, mir bringen sie vielleicht etwas für meine Arbeit ein. Ich habe für diese Rezension ein Rezensionsexemplar des Buches erhalten. Es besteht kein Interessenkonflikt hinsichtlich des Inhalts in diesem Beitrag und dessen Publikation.

Dietrich Mebs: „Leben mit Gift – Wie Tiere und Pflanzen damit zurechtkommen und was wir daraus lernen können“

Gerne regt Mensch sich darüber auf, dass die Menschheit mit menschengemachten Giften um sich wirft und die Natur wie auch die eigene Gesundheit gefährdet – und schwört gleichzeitig auf die Sanftheit und Verträglichkeit von Naturprodukten. Dass ein Grossteil der Pflanzen- und Tierwelt jedoch ein Arsenal entwickelt hat, welches jeden menschlichen „Giftmischer“ wie einen blutigen Anfänger dastehen lässt, bedenken dabei nur wenige. Und zu diesen zählt der Biologe und Biochemiker Dietrich Mebs, dessen Buch, welches ganz im Sinne meines eigenen Leitsatzes – „Chemie ist überall – alles ist Chemie“ steht, ich hier vorstellen möchte:

Schätzungsweise 100’000 Tierarten produzieren Gift oder entnehmen es der Umwelt, speichern es und setzen es in verschiedener Weise ein. Der richtige Umgang damit ist für Tiere und Pflanzen eine Überlebensfrage. Sie stehen untereinander in einem ständigen Wettbewerb, und wer das wirksamste Gift verwendet oder die beste Entgiftungstechnik beherrscht, ist eindeutig im Vorteil. Diese Strategien beschäftigen Forscher schon lange – und dennoch erleben sie immer wieder Überraschungen. Wie schnell und flexibel Organismen reagieren, um mit gefährlichen Substanzen fertigzuwerden, erweist sich oft als Nachteil für uns, etwa wenn sie Resistenzen entwickeln. Im Umgang mit Giften bleibt der Mensch ein Anfänger; es ist viel eindrucksvoller, was Pflanzen und Tiere bewerkstelligen, um damit zu leben.

 

Zum Inhalt des Buches

„Denkt immer daran, ein guter Naturforscher ist der, der sich rechtzeitig wundert“

zitiert Dietrich Mebs in der Einführung einen seiner Professoren. Und zum Wundern über die Tricks und Finessen der Natur ist dieses Buch gemacht.

Zu Beginn klärt Mebs jedoch erst einmal die wichtigsten Begriffe, unterscheidet „Gift“ von „Toxin“ und stellt  kurz vor, wie Wissenschaftler Gifttiere und -Pflanzen klassifizieren. Gut so, denn damit wissen nun alle, worüber im Folgenden gesprochen – besser geschrieben wird. Anschliessend gibt es eine kleine Übersicht über die wichtigsten Bestandteile von Giften – bei welchen es sich in der Regel um Stoffgemische handelt, während ein Toxin eine definierte chemische Substanz natürlichen Ursprungs ist.

Die Reise in die faszinierende Welt der giftigen Tiere beginnt in einem Korallenriff, in welchem Clownfische mit ihrer ganz eigenen Tarnkappen-Technologie in Symbiose mit giftigen Seeanemonen leben. Auch andere „heikle“ Lebensgemeinschaften beruhen auf der erfolgreichen Tarnung eines Beteiligten, gerne auch kombiniert mit einer chemischen Appeasement-Strategie, um einen giftigen Hausherrn milde zu stimmen.

Die oft mit mildem Humor gewürzten Kapitelüberschriften führen den Leser weiter von stech- und bombardierfreudigen Insekten über die Blausäure-Experten unter den Schmetterlingen zu allzeit betrunkenen Fruchtfliegen. Hier beschreibt Mebs, was nun zunehmend von Interesse ist: Wie sich all diese Tiere vor ihrem eigenen – oftmals hochgefährlichen – Gift oder toxischen Bestandteilen ihrer Nahrung schützen.

Andere Tiere haben sich wiederum hochgradig auf den Umgang mit ihrer Lieblingsumgebung, oder -nahrung spezialisiert, indem sie den Kontakt mit deren Giften akribisch meiden. Und wer, wie die Doppelgänger des berühmten Monarch-Falters, kein eigenes Gift besitzt, aber Schutz sucht, bedient sich der Mimikry und bemüht sich um Ähnlichkeit mit seinem giftigen Pendant.

Giftige Lebewesen gibt es jedoch nicht nur in exotischen Ländern, sondern auch bei uns vor der Haustür, sodass es nicht verwundert, dass der erste vorgestellte Fressfeind, der Resistenzen gegenüber Giften seiner Beute entwickelt hat, ein Einheimischer ist: Der Igel, ein fleissiger Insektenfresser. Ganz ähnliche Resistenzen weisen auch einheimische Kröten-Jäger wie Marder und Ringelnattern auf. Doch auch rund um den Globus treten Resistenzen bei zahlreichen Jägern auf.

Zur Neutralisierung von aufgenommenen Giften greifen verschiedenste weniger resistente Arten bis hin zum Menschen auf Tonerde als Nahrungszusatz zurück. Wer sich allerdings auf eigentlich giftige Nahrung spezialisiert, dem bleibt wenig anderes übrig, als die Giftstoffe schnellstmöglich wieder auszuscheiden oder mit Hilfe von Enzymen abzubauen. Oder er überlässt die Entgiftung, wie viele Wiederkäuer und die Blattschneider-Ameisen, fleissigen Mikroorganismen, mit welchen sie in Symbiose leben.

Zum Ende dieses bunten Reigens verschiedener biochemischer Strategien zum Umgang mit allgegenwärtigen Giften sieht der Mensch als evolutionsgeschichtlich junge Art ziemlich alt aus. Doch haben auch wir einzigartige Möglichkeiten zum Leben mit Gift, zum Beispiel mit der ausgefeilten Zubereitung unserer Nahrungsmittel.

 

Mein Eindruck vom Buch

Dietrich Mebs gewährt in seinem Buch einen spannenden Einblick in das Wettrüsten in der Natur und gibt einen verständlichen Überblick über erstaunliche Kniffe und Strategien, die die Evolution hervorgebracht hat. Ein paar Grundkenntnisse in Biochemie – oder die Geduld, das ein oder andere Fachwort nachzuschlagen oder zu erinnern – können dabei nützlich sein, um die hier wohl kompakt aber nicht ohne Fachjargon geschilderten biochemischen Hintergründe nachzuvollziehen. „Speziell für Leser mit fachlichem Hintergrund“ ist das Buch deshalb noch lange nicht, zumal sich in den letzten Kapiteln die Biochemie der Gift-Resistenzen in meinen Biochemiker-Augen stark wiederholt und wenig in die Tiefe geht (was aus didaktischer Sicht aber sicher seine Berechtigung hat).

Prof. Dr. Dietrich Mebs

Studiertie Biologie und Biochemie in Frankfurt am Main. Nach der Promotion war er zunächst wissenschaftlicher Assistent am Institut für Rechtsmedizin der Universität Frankfurt; 1979 habilitierte er im Fach Rechtsmedizin und wurde 1985 zum Honorarprofessor ernannt. Neben seiner forensischen Tätigkeit in der Toxikologie und Spurenanalytik sind seine Forschungsschwerpunkte die Biologie und Biochemie tierischer und pflanzlicher Gifte. Auf zahlreichen Reisen hat er Material für seine Forschungen gesammelt.

Anekdoten aus dem Forscher-Alltag des Wissenschaftlers und Sammlers Mebs lockern den Text jedoch stetig auf und zaubern auch dem lesenden Wissenschaftler (so zumindest mir) immer wieder ein Schmunzeln auf die Lippen. So ist sowohl für den Laien als auch für den fachlich versierteren Leser immer wieder für Kurzweil gesorgt.

Am Ende bleibt die Neugier – denn je weiter ich mit meiner Lektüre kam, desto deutlicher blieb der Eindruck, dass es zum „Leben mit Gift“ in der Natur noch zahllose offene Fragen und eine Menge zu erforschen gibt. In sofern bin ich jetzt schon neugierig auf eine Neuauflage oder einen Nachfolgeband in ein paar Jahren.

Das im Schlusswort eingebrachte Argument für diese Forschung – den „Wissenserwerb um des Wissens willen“ (welches ich durchaus zu schätzen weiss) – erscheint mir angesichts der dazu nötigen, möglicherweise stark belastenden Tierversuche, wie sie auch in diesem Buch Erwähnung finden, etwas schwach. Im Zuge des Umgangs mit Problematiken wie den ebenfalls erwähnten multiresistenten Krankheitskeimen könnte ich mir jedoch durchaus vorstellen, dass wir aus den Strategien der Natur auch praktisch Nutzbares lernen können. In sofern bin ich sehr gespannt, was es in den nächsten Jahren hier noch zu (be)wundern gibt.

 

Eckdaten rund ums Buch

(*)

Dietrich Mebs: Leben mit Gift: Wie Tiere und Pflanzen damit zurechtkommen und was wir daraus lernen können(*)

S.Hirzel-Verlag 2016
Broschiert, 160 Seiten, davon 16 Seiten mit Farbfotografien
ISBN 978-3-7776-2619-1   (E-Book 978-3-7776-2619-2)

 

Fazit

Dietrich Mebs gewährt in seinem Buch einen spannenden, unterhaltsamen Einblick sowohl in die Strategien der Natur, insbesondere von Tieren, im Umgang mit Gift als auch in das zuweilen abenteuerliche Leben des Gift-Forschers. Als Leserin mit fachlichem Hintergrund haben mich Oberflächlichkeit und sich wiederholende Elemente schlussendlich nicht vollends zufrieden gestellt. Doch eben deshalb macht die Lektüre Lust auf mehr – und mehr findet vor allem der fachlich versierte Leser im reich gefüllten Literaturverzeichnis am Ende des Bands.

Wer also einen lockeren Einstieg in das spannende Thema „Gift in der Natur – bzw. Tierwelt“ sucht, dem sei dieser Band empfohlen.

Feuerwerk - Tradition oder Umweltsünde?

Der Legende nach gründeten Vertreter der drei Ur-Kantone Schwyz, Uri und Unterwalden am 1. August 1291 die Eidgenossenschaft, aus welcher sich die heutige Schweiz entwickelt hat. Deshalb wird der „Geburtstag der Schweiz“ jedes Jahr mit einem Nationalfeiertag voller Bräuche und Traditionen begangen.

Eine dieser Traditionen scheidet jedoch selbst in der Schweiz, ebenso wie an Silvester in Deutschland, Österreich und anderen Ländern, die Geister: Das Feuerwerk. Ähnlich wie zum Jahreswechsel in den Nachbarländern (aber auch in der Schweiz selbst), brennen die Schweizer am Abend ihres Nationalfeiertags traditionell im privaten Rahmen Feuerwerk ab. Im Unterschied zu Silvester jedoch nicht vornehmlich innerhalb von 15 bis 30 Minuten nach Mitternacht, sondern über den ganzen Abend verteilt.

Umso mehr Zündstoff liefert dieses Geburtstagsfeuerwerk auch Tierbesitzern, Lärmempfindlichen oder Atemwegserkrankten, für welche Tage wie diese nicht selten zur Belastung werden. Um den Bedürfnissen sowohl der Anhänger der Tradition als auch der Belasteten gerecht zu werden, hat das Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU) reichlich Zahlen und Studien rund um Feuerwerk und seine Auswirkungen auf die Umwelt gesammelt, die auch Grundlage für diese Geschichte um die Chemie in Feuerwerkskörpern und ihre Bedeutung für die Umwelt sind.

 

Eine Schweizer Tradition: Zahlen zum Feuerwerk – nicht nur am Nationalfeiertag

Das BAFU schätzt, dass in der Schweiz in jüngeren Jahren (2009 bis 2013) jährlich rund 2000 Tonnen Feuerwerkskörper zum Einsatz kommen – der Löwenanteil davon am 1. August und an Silvester. Dabei besteht solch ein Feuerwerkskörper jedoch zu rund 75% aus Hüllenmaterial, also Pappe, Papier, Ton oder Kunststoff, sodass tatsächlich „nur“ 500 Tonnen eigentliches Feuerwerksmaterial (pyrotechnische Sätze) abgebrannt werden.

Die Hälfte davon, also rund 250 Tonnen, machen Treibladungen aus Schwarzpulver aus, die andere Hälfte sogenannte Effekt-Ladungen, welche unter anderem verschiedene Metalle zur Erzeugung farbenfroher Leuchterscheinungen enthalten.

 

Wie funktioniert ein Feuerwerkskörper/eine Rakete?

Feuerwerks-Rakete

Die klassische zylindrische Feuerwerks-Rakete ist „zweistufig“ aufgebaut: Die untere Stufe enthält Schwarzpulver als Treibladung sowie die Anzündung („Lunte“).

Schwarzpulver ist ein Gemisch, in der Regel aus 75% Kaliumnitrat (KNO3), 15% Holzkohlepulver (Kohlenstoff) und 10% Schwefel. Bei Zündung zersetzt sich das Kaliumnitrat und liefert in der von der Aussenluft abgeschlossenen Treiberhülse reichlich Sauerstoff für die Verbrennung der übrigen Komponenten. Dabei entstehen rasch grosse Mengen verschiedener Gase, die durch die Düse gebündelt nach unten austreten und die Rakete mittels Rückstoss in die Luft befördern. Der Leitstab sorgt dabei für eine ruhige Flugbahn der Rakete.

Schwarzpulver in „natürlicher“ Umgebung enthält immer etwas Feuchtigkeit (Wasser, H2O). Beim Entzünden des Gemischs entstehen aus einer kleinen, kompakten Menge von Feststoffen eine grosse Menge von Gasteilchen (Stickstoff – N2, Kohlenstoffdioxid – CO2, Kohlenstoffmonoxid – CO – reagiert mit Sauerstoff weiter zu CO2, Methan – CH4, Schwefelwasserstoff – H2S, Wasserstoff – H2 – reagiert mit Sauerstoff weiter zu Wasserdampf, H2O), die von Natur aus Platz einnehmend und mit hoher Bewegungsenergie (entspricht Wärme!) auseinanderstreben.

Der wesentlich kleinere Anteil der Reaktionsprodukte sind feste Salze (Kaliumcarbonat – K2CO3, Kaliumsulfat – K2SO4, Kaliumsulfit – K2SO3, Kaliumsulfid – K2S, Kaliumthiocyanat oder -rhodanid – KSCN (im Übrigen wie alle anderen genannten Feststoffe ungefährlich), Ammoniumcarbonat – (NH4)2CO3, und Reste von Kohle – 〈C〉 und Schwefel – 〈S〉, die zur Entstehung von Rauch beitragen.

Die schnelle Freisetzung von Gasen verleiht Sprengstoffen wie dem Schwarzpulver ihre Sprengkraft. Triebkraft des Ganzen ist jedoch das Streben der beteiligten Stoffe nach Redox-Reaktionen, also dem Austausch von Elektronen: Bestandteile des Schwarzpulvers wie Kohlenstoff und Schwefel werden oxidiert – sie geben Elektronen an Sauerstoff ab, welcher mit der Aufnahme dieser Elektronen reduziert wird. Vergleichbares geschieht beim Rosten von Eisen und ist in der Geschichte zur Rostparade genauer beschrieben – nur um vieles gemächlicher als bei einer Sprengstoff-Explosion.

 

Während des Flugs verhindert die Trennladung eine vorzeitige Zündung der zweiten Stufe durch das verbrennende Schwarzpulver. Erst die Überzündung im oberen Teil der Treiberhülse ermöglicht nach dem Ausbrennen der Treibladung die Zündung der Zerlegerladung, welche die zweite Stufe der Rakete – die Effekthülle samt Effektladung – auseinander sprengt. Die dabei gezündete Effektladung leuchtet, während sie auseinandergerissen wird, farbig auf und erscheint uns für wenige Sekunden als bunte Sternenkaskade am Himmel.

Damit das funktioniert, enthält die Effektladung ihrerseits sauerstoffliefernde Stoffe, also Nitrate (wie Kaliumnitrat – KNO3) oder/und Perchlorate (wie Kaliumperchlorat – KClO4), und Metalle, die sehr hell und sehr heiss verbrennen – also Magnesium oder Aluminium, oder beide als Legierung „Magnalium“.

Die Verbrennung dieser Metalle geht mit Temperaturen bis 2000°C (!) einher. In einem solchen Inferno können chlorhaltige organische Verbindungen, wie der bekannte Kunststoff Polyvinylchlorid (PVC), Chlor-Atome abgeben, die mit den farbgebenden Metallen neue Verbindungen bilden, welche angeregt von der in den explosionsartigen Reaktionen freigesetzten Energie farbig  am Himmel leuchten (wie das Leuchten vor sich geht, erzählt die Geschichte um Farben, Licht und Glanz).

Dabei gibt zum Beispiel Barium grünes Licht, Strontium rotes, Kupfer blaues und Natrium orangegelbes Licht. Und ebenso entstehen im Feuer der Raketen-Explosion zahlreiche Nebenprodukte.

 

Welche Gefahren gehen von Feuerwerkskörpern aus?

Für Menschen:

Unfall-/Verbrennungsgefahr

Feuerwerkskörper brennen sehr, sehr heiss (wie bereits erwähnt mit bis zu 2000°C – während selbst ein guter Pizzaofen gerade einmal etwa 400°C zustande bringt): Das ist notwendig, um die gewünschten Leuchteffekte zu erzeugen. Deshalb gibt es zu Feuerwerkskörpern, die den Vorgaben der EU entsprechen, stets eine Bedienungsanleitung, die ausweist, wie sie zu handhaben sind, damit man sich verbrennt oder schlimmere Verletzungen erleidet. Deshalb gehören Feuerwerkskörper, vor allem solche mit Leuchteffekt, ebenso wenig in die Hände von (unbeaufsichtigten) Kindern wie in vollbesetzte Fussballstadien – denn auch die als „Pyros“ berüchtigten bengalischen Feuer erreichen derart hohe Temperaturen, bei denen nahezu alles zerstört wird, was man in einem Station finden kann: Menschen, Kleidung, Kunststoffe und vieles mehr. So stellen  Feuerwerkskörper gerade im dichten Gedränge eine erhebliche Verletzungsgefahr dar!

Gehörschädigungen

Feuerwerkskörper sollen laut sein – die Bedienungsanleitung gibt an, wie sie zu verwenden sind, damit sie nicht zu laut werden (Abstand einhalten!): Trotzdem können schnell Grenzwerte überschritten werden – wie Messungen zeigen auch bei Grossfeuerwerken von professionellen Feuerwerkern. Gehörschutz ist daher für Feuerwerker – professionelle wie private dringend, für ihre Zuschauer aber ebenfalls empfohlen. Ich selbst trage bei Grossfeuerwerken, die ich im Freien beobachte, auch wenn sie scheinbar weit entfernt auf Booten auf dem Zürichsee gezündet werden, stets Ohrstöpsel.

Belastung durch Chemikalien: Feinstaub!

Die aus der Sicht des BAFU einzig beachtenswerte Belastung mit Chemikalien aus Feuerwerkskörpern ist die kurzfristige Erzeugung von Feinstaub beim Abbrennen: Aus den 500 Tonnen jährlich verfeuerter pyrotechnischer Sätze werden schätzungsweise rund 360 Tonnen der Sorte Feinstaub, die in unsere Lungen gelangen kann (PM10 genannt) , freigesetzt (bis in unsere Lungenbläschen gelangt davon wiederum ein Bruchteil). Das klingt nach viel, erscheint aber weitaus nebensächlicher, wenn man die Menge dieses Feinstaubs dagegen stellt, die während eines Jahres insgesamt in der Schweiz durch Strassenverkehr und andere Quellen erzeugt wird: 19’000 Tonnen! Der eher kleine feuerwerksbedingte Anteil daran wird jedoch vornehmlich in zwei Nächten freigesetzt: Am Abend des 1. Augusts und in der Silvesternacht. So wird es nicht verwundern, dass in den 24 Stunden rund um ebendiese Nächte in besiedelten Gebieten die vorgeschriebenen Grenzwerte für den Feinstaubgehalt der Luft überschritten werden. Das wiederum kommt allerdings auch an anderen Tagen ziemlich häufig vor – in allen Gebieten der Schweiz bis auf das sehr dünn besiedelte Hochgebirge mindestens 5, in städtischen Gebieten bis zu 30 mal im Jahr.

So stellt der Feuerwerks-Feinstaub denn auch für gesunde Menschen keine nachweisbare Belastung der Atemwege dar. Anders sieht das bei Menschen mit bereits bestehenden Atemwegs- (zum Beispiel Asthma!) oder auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus: Unter solchen wurden in und unmittelbar nach Feuerwerksnächten (zusätzliche) Beeinträchtigungen der Lungenfunktion nachgewiesen und Fälle von akuten Beschwerden nach Umgang mit Feuerwerkskörpern registriert. Das BAFU empfiehlt daher Menschen mit solchen Erkrankungen, die direkte Begegnung mit Feuerwerksrauch zu vermeiden.

 

Was die Vielzahl von chemischen Verbindungen betrifft, die bei einem Feuerwerk freigesetzt werden (dazu zählen neben den Salzen verschiedener Schwermetalle diverse Verbrennungsgase sowie organische Verbindungen – die bedenklichen unter diesen werden von Umweltchemikern gern als „VOC“, „volatile organic compounds“ zusammengefasst):

Die allermeisten dieser Stoffe gelangen aus anderen Quellen in unserer technisierten Welt in wesentlich grösserem Umfang als durch Feuerwerk in unsere Umgebung, sodass eine Feuerwerksnacht in Sachen Belastung damit kaum ins Gewicht fällt. Überdies dürfen die hier verwendeten Feuerwerkskörper besonders giftige Schwermetalle – Blei, Arsen, Quecksilber, aber auch Cadmium – gar nicht enthalten (man findet sie darin auch nur in Spuren, wenn überhaupt, die als Verunreinigungen geduldet werden). Dementsprechend sind Quellen für die Belastung von Menschen mit Schwermetallen und anderen Stoffen wohl anderswo zu  suchen als im Feuerwerk.

 

Für Tiere:

Ein Feuerwerk hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf Menschen – die Tiere in seiner Umgebung sind mindestens ebenso davon betroffen:

Gehörschädigungen

Die meisten Wirbeltiere haben einen Hörsinn, das heisst Ohren, wie wir Menschen, auch wenn man diese – wie bei Vögeln – nicht immer sieht. Und dieser Hörsinn kann ebenso Schaden nehmen wie der unsere. Zudem ist der Hörsinn vieler Tiere – auch unserer Haustiere – um Vieles empfindlicher als menschliche Ohren.

Folgen von Schreckreaktionen

So können unsere Tiere nicht nur ebenso wie wir Hörschäden in Form von Ohrgeräuschen oder Taubheit erleiden, sondern auch durch die knallenden Geräusche eines Feuerwerks erschrecken oder gar in Panik geraten und blindlinks flüchten – im schlimmsten Fall direkt vor ein fahrendes Auto oder in einen Abgrund. Haustierbesitzern wird daher empfohlen, ihre Tiere vor und während Feuerwerks-Nächten im Haus zu behalten und ihnen eine schallgeschützte Zuflucht zu bieten.

Wildtiere, zum Beispiel Wasservögel, die keine menschliche Behausung als Zuflucht haben, werden nicht selten von Feuerwerk vertrieben und lassen sich erst Wochen nach dem Ereignis wieder an ihren angestammten Plätzen blicken. Daher empfiehlt das BAFU, bei der Planung von Feuerwerk im Rahmen von Veranstaltungen stets auch einen Tierschutz-Experten mit einzubeziehen.

 

Welche Feuerwerkskörper sind in der Schweiz (bzw. in der EU) zugelassen?

  • Das Schweizerische Sprengstoffgesetz und die Sprengstoffverordnung, welche Anweisungen zur Umsetzung dieses Gesetzes enthält, sind der EU-Richtlinie 2007/23/EG angepasst, sodass in den EU-Staaten, unter anderem Deutschland und Österreich, vergleichbare Regeln gelten werden: Feuerwerkskörper dürfen in Verkehr gebracht werden, wenn sie den Sicherheitsvorgaben der EU-Richtlinie entsprechen, einer der 4 Kategorien zugeordnet werden können und den Regeln entsprechend gekennzeichnet sind (Bedienungsanleitung!).
  • Die hochgiftigen Schwermetalle Blei, Arsen und Quecksilber und ihre Verbindungen sowie der organische Chlorlieferant Hexachlorbenzol (HCB) sind als Inhaltsstoffe verboten. Ausserdem dürfen Feuerwerkskörper keine Stoffe enthalten, die gemäss dem Chemikaliengesetz verboten sind.
  • Knallkörper am Boden sind verboten (ausgenommen ist Kleinfeuerwerk der Kategorie 1).
  • Die Kantone können weitere Bedingungen stellen und den Verkauf bzw. Gebrauch von Feuerwerk auf bestimmte Anlässe/Tage limitieren
  • Die 4 Kategorien sind:
    • 1: Feuerwerkskörper, die eine sehr geringe Gefahr darstellen und vernachlässigbar laut sind: z.B. Knallteufel, „Frauenfürze“ (Ladycrackers), Tischfeuerwerk. Die Abgabe ist an Personen ab 12 Jahren erlaubt.
    • 2: Feuerwerkskörper, die eine geringe Gefahr darstellen, wenig laut sind und in eingegrenzten Bereichen draussen abzubrennen sind: Vulkane bis 250g Nettoexplosivmasse (NEM), Raketen bis 75g NEM, Römische Fackeln bis 50g NEM. Die Abgabe ist an Personen ab 16 Jahren erlaubt.
    • 3: Feuerwerkskörper, die eine mittlere Gefahr darstellen, draussen im Freien abgebrannt werden müssen, und deren Lärm bei sachgemässer Verwendung nicht gefährlich ist:  Raketen bis 500g NEM, Batterien bis 1000g NEM, Vulkane bis 750g NEM. Die Abgabe ist an Personen ab 18 Jahren erlaubt.
    • 4: Feuerwerkskörper, die eine grosse Gefahr darstellen und daher nur von Inhabern eines Verwendungsausweises ab 18 Jahren – also Profi-Feuerwerkern – verwendet werden dürfen. Solche Feuerwerkskörper sind nicht im freien Handel erhältlich und können nur von Inhabern eines Erwerbsscheins oder einer Abbrandbewilligung bezogen werden: Darunter fällt alles, was die Beschränkungen für Kategorie 3 übersteigt.

(Quelle: Kantonspolizei St.Gallen)

 

Fazit:

Feuerwerkskörper enthalten eine wahrhaft explosive Mischung der verschiedensten Stoffe, die gemeinsam zu wunderschönem – aber geräuschvollem Farbenspiel am Himmel und am Boden führen können. Wie bei vielen unserer technisierten Vergnügungen scheiden sich auch beim Feuerwerk die Geister: Tradition und bestaunenswerter Lichterzauber stehen gegenüber Belästigung oder gar Belastung durch Lärm, Rauch und Chemikalien.

Ich persönlich liebe das Spiel von Licht und Farben am Himmel, kann jedoch auf die Knallerei gut und gern verzichten. So kann ich die Argumente von Traditionsanhängern und Lärmemfindlichen oder Tierbesitzern gleichermassen nachvollziehen. Definierte Abbrandzeiten (bei Grossfeuerwerken und an Silvester weitgehend gegeben) und eine rechtzeitige Vorbereitung (Haustiere einsperren, Gehörschutz zur Hand haben) sollten in meinen Augen einen für beide Seiten vertretbaren Kompromiss ermöglichen.

Jene Kommentare von Tierbesitzern und -freunden auf sozialen Medien oder im Schnellzug, die ich unmittelbar nach dem eben erst begangenen 1.August 2016 zu lesen und zu hören bekam, lassen jedoch vermuten, dass die mir eigentlich sympathische und kompromissförderliche Gesetzgebung der Schweiz in Sachen Feuerwerk leider reichlich Beugung oder gar Umgehung erfährt.

Dabei gefährden jene, die Feuerwerkskörper unsachgemäss verwenden oder gar illegale, ungeprüfte „Polen-Böller“ aus Osteuropa oder anderen Quellen abbrennen, nicht nur ihre Umgebung, sondern vor allem sich selbst. Denn die Energiemengen, die bei der Explosion von Feuerwerkskörpern in Form von Hitze und Schall freigesetzt werden, sind enorm. Und enorme Energiemengen können enormen, nicht wieder gut zu machenden Schaden anrichten.

Was die Chemikalien betrifft, die in Feuerwerk Verwendung finden oder beim Abbrennen entstehen, weckt nicht das Feuerwerk als solches meine Bedenken, sondern der Umstand, dass einige jener Inhaltsstoffe und Produkte des Feuerwerks, die wir nicht gern in unserer Umwelt wissen, so reichlich aus anderen menschlichen Quellen eben da hineingetragen werden, dass der Beitrag durch privates Feuerwerk dazu in den meisten Fällen nicht mehr sonderlich ins Gewicht fällt.

Alles in allem plädiere ich für Kompromissbereitschaft und gegenseitige Rücksichtnahme, ob am 1. August oder in der Silvesternacht – denn nur so können wir alle einen entspannten Feiertag verbringen.

Und wie steht ihr zum Feuerwerk? Brennt ihr selbst welches ab? Beobachtet ihr lieber, oder seid ihr mit euren Tieren beschäftigt? Habt ihr auch das Gefühl, dass das Feuerwerk sich hin zur Knallerei verändert? Ich freue mich über eure Kommentare!

Der Mai und Juni waren verregnet wie schon lange nicht mehr. Und das, nachdem viele von uns ihr liebstes Sommer-Fortbewegungsmittel längst aus dem Winterquartier geholt haben. Damit herrschen ideale Bedingungen für den grössten Feind von Autos, Fahrrädern, und was sonst noch so aus Eisen: Rost.

Bei anderen wiederum liegt Rost im Trend: Als schmucke Patina für Nützliches und Kunst in Haus- und Gartenbau. Und bei Frau Tonari und ihren Mitstreitern, die Ende jedes Monats eifrig Rostiges zur Rost-Parade zusammentragen. Und da bin ich dieses Mal auch dabei.

Rost im Garten

Rostig aber filigran: Dekoratives im Garten (Parque de Monserrate, Sintra, Portugal) CC-BY-SA 4.0 by Keinsteins Kiste

 

Aber wie es sich für eine Geschichte auf Keinsteins Kiste gehört, ist meine Geschichte vom Rost nicht nur ein Auszug unserer rostigen Entdeckungen der letzten Jahre, sondern auch ein Einblick in die Chemie dahinter: Was ist Rost eigentlich? Warum kann nur Eisen rosten? Warum gibt es so viel Rost an Schiffen? Wie kann man das eigene Eisen (in Form von Auto, Fahrrad, Gartentor und vielem mehr) vor Rost schützen? Und wie wird man ihn – wenn es dazu zu spät ist – wieder los?

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Bestimmt mit Absicht rostig: Wer kennt den „Ritter Rost“? Das hier ist vielleicht sein Ross „Feuerstuhl“! (entlaufen in den Norden des Bundesstaats Oregon, USA) CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Was ist Rost?

Rost mit einer chemischen Formel zu beschreiben ist längst nicht so einfach wie bei vielen anderen Stoffen. Das liegt daran, dass Rost nicht einfach „ein Stoff“ ist, sondern sich gleich aus mehreren zusammensetzt.

Eine chemische Formel für Rost, die dieses Stoffgemisch zu beschreiben sucht, lautet:

In Worten: Rost ist ein wasserhaltiges Gemisch aus verschiedenen Eisenoxiden. Bei den Eisenoxiden handelt es sich um Salze, also Stoffe, die aus Ionen bestehen. Diese verschieden geladenen Ionen werden von der elektrostatischen Anziehung in Kristallgittern zusammengehalten, die wir als atemberaubend regelmässige Kristalle sehen und in der Hand halten können. Beim Rost herrscht jedoch Uneinigkeit, was den Aufbau dieses Gitters angeht: Die Gitter von FeO und Fe2O3 sowie weiteren Sauerstoff-Verbindungen des Eisens sind sich so ähnlich, dass sie sich kreuz und quer durcheinander aufbauen und je nach äusseren Umständen ineinander übergehen. Und zu alledem sind auch noch Wassermoleküle in diesem Gitter eingeschlossen.

Diesen Umstand beschreiben die „*“-Zeichen in der Formel: Wenn die erste Formel einen Kristall beschreibt, beschreibt die Formel hinter dem „*“ ein Teilchen – meist ein Molekül – das auch noch in das Kristallgitter eingebaut ist. Wenn es sich dabei um Wasser handelt, nennen die Chemiker diese eingebauten Wassermoleküle „Kristallwasser“.

Tatsächlich beschreibt aber auch diese Formel „nur“ den Endpunkt verschiedener aufeinander folgender Entwicklungsstufen, die in echtem Rost alle nebeneinander vorliegen. Wie das vor sich geht?

Auf Lanzarote in einer sichtlich feuchten Höhle entdeckt: Eisenoxide einmal kosmisch CC-BY-SA 4.0 by Keinsteins Kiste

 

Wie entsteht Rost?

Die Entstehung von Rost ist ein besonderer Fall eines Vorgangs, der Korrosion genannt wird. Korrosion – das sind Reaktionen von elementaren Metallen (also ungeladenen Metall-Atomen) mit Stoffen in ihrer Umgebung.

Säurekorrosion

Die vielleicht simpelste dieser Reaktionen mag vielen aus der Schule wohlbekannt sein: Kommt ein Metall wie Eisen mit Säure in Berührung, werden Atome aus der Metalloberfläche gelöst und gehen als Ionen in die Flüssigkeit über. Dabei entsteht Wasserstoff, der in kleinen Gasblasen aufsteigt und beim Entzünden geräuschvoll verpufft.

Übrig bleiben nach dieser „Säure-Korrosion“ die Metallionen und die Anionen der ursprünglichen Säure (hier Chlorid-Ionen als Anionen der Salzsäure). Und wenn aus vormals ungeladenen Teilchen Ionen entstehen, sind zwangsweise Elektronen ausgetauscht worden (denn ein Austausch von Kernladung in Form von Protonen fiele – sofern möglich – in den Bereich der Kernphysik):

Die Metall-Atome geben Elektronen ab, die von der Säure stammenden H+-Ionen nehmen diese Elektronen auf. Chemiker nennen die Abgabe von Elektronen „Oxidation“ und die Aufnahme von Elektronen „Reduktion“. Das Metall wird also oxidiert, die H+-Ionen reduziert. Und dabei entstehen ungeladene Wasserstoffatome, die zu je zweien ein Wasserstoffmolekül bilden.

Sauerstoffkorrosion

Bei der Entstehung von Rost ist allerdings keine Säure im Spiel (zumindest keine stärkere als Wasser selbst). Anstelle von H+-Ionen sind dabei nämlich Sauerstoff-Moleküle für die Aufnahme von Elektronen zuständig, die in Folge ihrer Reduktion Oxid-Anionen bilden. Und Sauerstoff gibt es reichlich in der Luft. Da allerdings sowohl die entstehenden Eisen-Ionen als auch die Oxid-Ionen irgendwo hin müssen (und Luft kommt dafür nicht in Frage), funktioniert dieser Elektronenaustausch nur in Wasser, in welchem die verschiedenen Ionen in Lösung gehen können:

Wenn ein Wassertropfen eine Eisenoberfläche benetzt, können Eisenatome im Innern des Tropfens zwei Elektronen abgeben und sich als Fe2+-Ionen im Wasser von der Oberfläche fort bewegen. Die beiden abgegebenen Elektronen bleiben dabei zunächst in der Metalloberfläche zurück – welche sich somit negativ auflädt.

Auch Sauerstoffmoleküle können sich in Wasser lösen und so in einen Wassertropfen eindringen (Chemiker sagen „hinein diffundieren“), und zwar direkt aus der Luft durch dessen Aussenhaut. Wenn sie so am Rand des Tropfens in die Nähe der Eisen-Oberfläche gelangen, können sie dort überschüssige Elektronen aus dem Eisen aufnehmen.

Da Oxid-Anionen (O2-) aber nicht einfach so in Wasser existieren können, läuft die tatsächliche Reaktion etwas anders:

Das Hydroxid-Anion (OH) ist im Prinzip nichts anderes als ein „unfertiges“ Oxid-Anion, das entsteht, wenn ein Sauerstoff-Atom neben zwei Elektronen auch noch ein H+-Ion aufnimmt (dieses H+-Ion wird jeweils von einem Wassermolekül abgegeben, wobei ebenfalls OH entsteht. So bleibt für jedes Sauerstoff-Atom (anfangs je eins in beiden Wassermolekülen und zwei im Sauerstoffmolekül) am Ende ein Wasserstoff-Atom.

Und Hydroxid-Ionen können problemlos in Wasser existieren (tatsächlich sind sie sogar unverzichtbare Bestandteile von Wasser, aber das ist eine andere Geschichte).

Es entsteht also eine Lösung des Salzes Eisen(II)hydroxid. Die römische II, auch Oxidationszahl genannt, gibt dabei an, wie viele Elektronen das Eisen abgegeben hat.

Eisen(II)hydroxid ist weisslich und nicht sehr beständig, denn Fe2+-Ionen geben leicht ein weiteres Elektron an Sauerstoff ab:

Das so entstehende Eisen(III)hydroxid ist schliesslich rostbraun. Dabei sind beide Eisenhydroxide wasserlöslich, sodass sich alle Ionen voneinander getrennt im Wasser bewegen können. Erst wenn das Eisen(III)hydroxid Wasser abgibt

bildet sich schwerlösliches Eisen(III)oxid-hydroxid, das sich als fester Rost auf der Eisenoberfläche absetzt: Es entsteht ein Ionenkristall, in dessen Gitter die abgegebenen Wassermoleküle eingebaut werden, wie es die Formulierung mit dem „Mal“ andeutet. Folglich bleibt das „abgegebene“ Wasser dem Rost zunächst erhalten.

Aber auch das Eisen(II)hydroxid sowie das Eisen(III)oxid-hydroxid können Wasser abgeben:

Während die letzten drei Reaktionen untrennbar miteinander ablaufen, bilden sich  zunehmend feste, aber stets spröde, sich abschuppende Beläge auf der Eisenoberfläche – allerdings nicht unbedingt dort, wo sich die Fe2+-Ionen von der Eisenoberfläche lösen!  So ist der entstehende Rost dem Austausch von Ladungen, welcher für Redox-Reaktionen Voraussetzung ist, weder räumlich direkt im Weg, noch kann er eine luft-und wasserdichte Barriere bilden. Die Folge dessen: Ein Eisenstück, das ungeschützt Luft und Wasser ausgesetzt ist, rostet früher oder später durch.

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Rost ist nicht sehr beständig und rinnt ungeniert auch über weisse Buchstaben (Valley of Fire State Park, Nevada, USA CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Können Steine rosten?

Wer sich in der Natur aufmerksam umsieht, findet häufig Steine oder ganze Gesteinsschichten mit rostroten Verfärbungen. Und in manchen Gegenden sind sogar ganze Gesteinsmassive strahlend rot – wie zum Beispiel auf dem Colorado-Plateau im „wilden Westen“ Nordamerikas.

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Balanced Rock: Rostige Steine im Arches Nationalpark, Utah, USA CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Und tatsächlich können auch Steine rosten – nämlich dann, wenn sie Eisen enthalten. Dieses Eisen kann nämlich – meist im Zuge der Entstehung des jeweiligen Gesteins – zu verschiedenen Eisenoxiden reagieren, die als Bestandteile des Gesteins für die rote Farbe sorgen. Unter diesen Eisenoxiden kommt das Mineral Lepidokrokit dem „echten“ Rost am nächsten. Es wird mit der Formel γ-FeO(OH) beschrieben (das γ dient der Unterscheidung von anderen Kristall-Varianten mit der gleichen Verhältnisformel) und enthält im Unterschied zum „echten“ Rost kein zusätzliches Kristallwasser, was das Mineral relativ beständig macht.

Anstatt in sichtbaren Kristallen können Mineralien wie dieses auch feinkörnig in Gesteinen enthalten sein und die verschiedensten Steine rot färben – wie den Sandstein auf dem Colorado-Plateau oder Lava (eigentlich grau oder schwarz) an den Hängen der Vulkankegel auf Lanzarote.

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Rostrote Lava-Schlacke im Timanfaya Nationalpark, Lanzarote CC-BY-SA 4.0 by Keinsteins Kiste

 

Was bewegt all diese Salze zum Umbau ihrer Kristalle?

Die gezeigten Reaktionen sind ausgewählte Vorgänge in einem System, in welchem sich ein chemisches Gleichgewicht einzustellen versucht. Das heisst, sie sind umkehrbar, und sobald sich das Gleichgewicht tatsächlich eingestellt hat, laufen die Reaktionen in entgegengesetzte Richtungen gleich schnell ab. Monsieur Le Châtelier erklärt auf dem Flughafen gern die Einzelheiten dazu.

Kurzum: Ein System im Gleichgewicht hat die Eigenheit, dass die Zugabe oder Entnahme eines daran beteiligten Stoffs zu einer Verschiebung des Stoffmengenverhältnisses im Gleichgewicht führt – und zwar derart, dass es dem Effekt durch die Zugabe oder Entnahme des Reaktionspartners ausweicht (das entspricht dem Prinzip von Le Châtelier, das auch Prinzip des kleinsten Zwanges genannt wird).

Mit anderen Worten: Wenn die rostige Eisenoberfläche langsam abtrocknet, das Wasser am Ort der Rostentstehung also verdunstet, werden Wassermoleküle, wie sie in den letzten drei Reaktionen entstehen, dem System entzogen. Dem Prinzip von Le Châtelier folgend sind diese drei Teilsysteme entsprechend geneigt, neue Wassermoleküle nach zu liefern (und so auch die ihnen vorangehenden Teilreaktionen, welche die dazu nötigen Ausgangsstoffe liefern, zu befeuern).

So entsteht eine ganze Kette von einander beeinflussenden Reaktionen, welche im Idealfall mit dem Gemenge kristallwasserhaltiger Eisenoxide endet, das die Formel x FeO • y Fe2O3 • z H2O vom Anfang zu beschreiben sucht.

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Dampfmaschinenzug im Death Valley Nationalpark – Der Rost zeigt: Auch hier gibt es Wasser. Manchmal. CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

„Rosten“ auch andere Metalle?

Tatsächlich rosten kann natürlich nur Eisen – denn nur Eisen kann zu den rostroten Eisenoxiden reagieren. Korrodieren können hingegen auch viele andere Metalle. Einige haben dabei jedoch das Glück, dass ihre Hydroxide oder andere entstehende Salze nicht oder kaum wasserlöslich sind. So bilden sie sich direkt an der Metalloberfläche und bedecken diese bald lückenlos, sodass sie das darunter liegende Metall vor dem Einfluss von Wind und Wetter schützen. Zu den Metallen, die auf diese Weise gegenüber Wasser „passiv“, also unreaktiv werden, zählen Zink, Magnesium und Aluminium. Besonders Zink findet man häufig draussen, als Oberfläche von Leitplanken, Schildermasten und manchem mehr. Die hauchdünne Oxidschicht auf den Metalloberflächen lässt das ursprünglich glänzende Metall stumpf aussehen – aber dafür korrodiert es nicht!

In gewisser Weise rosten kann das Metall Mangan, das im Periodensystem gleich links vom Eisen zu finden ist. Mangan bildet eine ganze Reihe meist wasserhaltiger Oxide und Hydroxide, die in der Gruppe der „Braunsteine“ zusammengefasst werden. Die Braunsteine kommen in der Natur als Mineralien vor – darunter Manganit MnO(OH) und der im Endzustand wasserfreie Pyrolusit (MnO2 – richtig, Mangan kann auch 4 Elektronen abgeben!).

Für farbenfrohe Korrosionserscheinungen ist jedoch das Metall Kupfer sehr viel bekannter: Die vielerorts sichtbare grüne Patina auf Kupferdächern und Bronzeskulpturen (Bronze ist eine Legierung aus Kupfer und anderen Metallen (ausser Zink)) besteht jedoch nicht aus Kupferoxiden (die wären schwarz bzw. rot), sondern aus einem Gemisch verschiedenster Kupfersalze. Darunter können Kupfercarbonate (aus Reaktionen mit Kohlenstoffdioxid, CO2), -sulfate (aus Reaktionen mit Schwefeldioxid, SO2), vornehmlich am Meer Kupferchlorid (die Chloridionen liefert das Kochsalz im Meer, NaCl), Hydroxide (aus Reaktionen mit Sauerstoff und Wasser) und verschiedene Salze organischer Säuren sein.

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Bronzener Kapitän auf rostigem Schiff: Kupfer bildet eine grüne Passiv-Schicht aus verschiedenen Salzen, Eisen rostet rötlich. (Cascais, Portugal)  CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Die häufig gehörte Bezeichnung „Grünspan“ für die grüne Schicht auf Kupfer und Bronze ist daher nicht ganz richtig. Denn Grünspan ist eigentlich der landläufige Name nur eines ganz bestimmten Salzes, nämlich des Kupfer(II)acetats, eines Salzes der Essigsäure.

 

Welche Metalle können an Luft und Wasser korrodieren? Gibt es da eine Regel?

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Eine wahrhaft amerikanische Idee: Diese Versuchsreaktoren wurden geschaffen um Flugzeugturbinen anzutreiben. Atomgetriebene Flugzeuge? Hat nicht funktioniert – und jetzt rosten sie (EBR-1, Idaho State, USA) CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Theoretisch kann jede Atom- oder Ionensorte Elektronen aufnehmen, doch ihr Bestreben danach ist sehr unterschiedlich stark. Grundsätzlich gilt dabei jedoch: Wenn unterschiedliche Atom- bzw. Ionensorten zusammenkommen, können die Atome oder Ionen, welche lieber Elektronen aufnehmen als ihre Reaktionspartner, Elektronen der anderen Atomsorte übernehmen: Der Partner, der stärker bestrebt ist Elektronen aufzunehmen, wird reduziert, der andere Partner wird oxidiert.

Das „Bestreben Elektronen aufzunehmen“ nennen Chemiker das Redox-Potential eines Teilchens – dargestellt als Paar von Teilchen vor und nach der Elektronen-Aufnahme. Das Redox-Potential kann wie eine elektrische Spannung gemessen werden und hat deshalb auch deren Einheit: Volt.

Je positiver das Redox-Potential ist eines solchen Teilchenpaares ist, desto lieber wandelt sich der elektronenärmere Partner durch Elektronen-Aufnahme zum elektronenreicheren Partner (d.h. je positiver das Redox-Potential ist, desto lieber wird der elektronenärmere Partner reduziert.

(Das Redox-Potential für die Paarung Fe/Fe2+ ist negativ: Fe2+ wird nur schwerlich reduziert – Fe dafür um so leichter oxidiert).

Das Redox-Potential eines Teilchenpaares lässt sich auch mit guten Kenntnissen des Aufbaus der Atome allenfalls abschätzen. Genaue Werte müssen hingegen gemessen werden. Unglücklicherweise kann man einzelne Redox-Potentiale, also das Streben einer einzelnen Teilchensorte nach Elektronenaufnahme, nicht messen, sondern nur das Bestreben, Elektronen von einem bestimmten Reaktionspartner zu übernehmen.

Aber Chemiker wären nicht Chemiker, wenn sie da nicht einen Ausweg gefunden hätten: Sie haben einfach ein Teilchenpaar bestimmt, dessen Redox-Potential gleich Null sei, nämlich die Paarung von H+-Ionen und Wasserstoffatomen (in Wasserstoffmolekülen, H2, die durch Aufnahme je eines Elektrons pro Atom aus den H+-Ionen entstehen) unter ganz bestimmten Rahmenbedingungen. Dieses Paar kann man in Wirklichkeit nebeneinander stellen, indem man eine reaktionsträge Platin-Elektrode in eine Lösung mit 1 mol/l H+-Ionen taucht und sie mit Wasserstoff-Gas (bei einem Druck von 1 bar) umspült. Eine solche Konstruktion wird Normal-Wasserstoffelektrode genannt.

Und wenn man die mit einer Wirklichkeit gewordenen Paarung anderer Teilchen (zum Beispiel einer Eisenelektrode in einer Lösung von Eisen-Ionen) verbindet und ein Voltmeter dazwischen schaltet, zeigt dieses die Differenz zwischen dem Redox-Potential des Eisen-Paares und jenem der Normal-Wasserstoffelektrode – also die Abweichung des Redox-Potentials des Eisen-Paares von Null.

So lange die Chemiker sich also einig sind, wie eine Normal-Wasserstoffelektrode auszusehen hat und welche Rahmenbedingungen einzuhalten sind (Temperatur, Druck, Konzentration der Ionenlösung..), gilt der gemessene Wert als Redox-Potential des Eisenpaares.

So unter stets gleichen Bedingungen gemessene Werte für verschiedene Teilchenpaare kann man in einer Liste ordnen, die als Spannungs- oder Redox-Reihe bekannt ist.

Spannungsreihe

Spannungsreihe: Einige Teilchen-Paare und ihre Redox- (hier: Standard-)potentiale

 

In dieser Liste kann man nun ablesen, dass Sauerstoff in Gegenwart von Wasser viel stärker danach strebt Elektronen aufzunehmen und zu OH zu reagieren, als Fe2+-Ionen zu Eisen-Atomen zu reagieren streben. Die Folge: Eisen rostet bei Wind und Wetter ohne viel Federlesen.

Gold-Ionen (Au3+) würden wiederum sehr viel lieber Elektronen aufnehmen und zu Gold-Atomen reagieren, als Sauerstoff in Gegenwart von Wasser. Die Folge: Gold „rostet“ selbst in Jahrtausenden in feuchter Erde nicht. Das starke Streben nach Elektronenaufnahme überdies dazu, dass Gold-Atome ihre Elektronen auch in Gegenwart der meisten Säuren erst gar nicht an Wasserstoff abgeben. Damit ist Gold auch weitgehend sicher vor Säurekorrosion (so lange man nicht im Labor zu richtig „brutalen“ Mitteln greift)

Ihre Beständigkeit gegenüber Säure- und Sauerstoffkorrosion hat Gold und anderen Metallen, die auch bei Wind und Wetter ihren Glanz auf wundersame Weise mehr oder weniger lange behalten, die Bezeichnung „Edelmetalle“ eingetragen. Metalle, die leicht korrodieren, werden hingegen auch „unedel“ genannt.

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Einst wurde hier begehrtes Edelmetall geschürft – jetzt rostet es vor sich hin: Verlassene Goldmine bei Cripple Creek, Colorado, USA  CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Warum rostet Eisen am Meer besonders stark?

Auf der Kanaren-Insel Lanzarote hat uns eine Erkundungstour einmal in einen (zukünftigen) Ortsteil in Küstennähe geführt, in welchem die Strassen samt Strassenlaternen, Papierkörben und mehr vor dem Bau der Häuser (mit dem man noch nicht einmal begonnen hatte!) angelegt worden waren. Zu unserem Erstaunen fanden wir die Laternen auf den einsam da liegenden Strassen hochgradig verrostet vor (und haben leider keine Bilder gemacht). Konnte sich der Bau der Häuser tatsächlich schon so lange verzögert haben? Eigentlich wirkten die Strassen selbst doch ziemlich neu…da musste das Eisen irgendwie schneller als gewöhnlich gerostet sein – und zwar aus folgendem Grund:

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Nicht auf Lanzarote, dafür auf Teneriffa zeigt diese Sonnenuhr trotz Rost die Zeit CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Die beiden Teilreaktionen zum Austausch von Elektronen zwischen Eisen und Sauerstoff finden während der Rost-Entstehung an verschiedenen Orten statt. Beide Reaktionen können daher nur dann dauerhaft ablaufen, wenn genügend Ladungen zwischen diesen Orten hin- und her geschafft werden können. Und für einen reibungslosen Ladungstransport wird ein möglichst guter elektrischer Leiter benötigt.

Bei der Rost-Entstehung bildet der Wassertropfen diesen Leiter (ein flüssiger elektrischer Leiter wird auch Elektrolyt genannt): Reines Wasser enthält immer auch einige wenige H3O+– und OH-Ionen, die zwecks Ladungstransport bewegt werden können. Sind im Wasser aber zusätzliche Ionen enthalten – zum Beispiel weil Meersalz darin gelöst ist (), dann leitet es den Strom um ein Vielfaches besser, sodass der Elektronenaustausch bei der Rost-Entstehung viel schneller bewerkstelligt werden kann!

Deshalb ist nicht nur die Anlage von Geister-Strassen an der Küste und ohne besonderen Rostschutz unklug. Auch wer mit eisernen Schiffen zur See fährt, sollte sich regelmässig und gründlich um Rostschutz bemühen, möchte er nicht irgendwann mit Mann und Maus untergehen.

Bohrinseln

Ausgemustert oder zwecks (Rost-)Reparatur auf dem Trockendock? Bohrplattformen im Hafen von Santa Cruz de Tenerife CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

Aber wie kann man Eisen vor dem Rosten schützen?

Wie man ein Metall vor dem Angriff durch Sauerstoff und Wasser schützt? Indem man diesen beiden Übeltätern etwas in den Weg stellt! Das lässt sich beim Eisen auf mehreren Wegen erreichen:

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Stop Korrosion! Rost-Polizei an der Route 66, Arizona, USA CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

1. Man verarbeitet das Eisen zu „rostfreiem“ Stahl – einer Legierung (ein Mischmetall aus verschiedenen Metallatomen) von Eisen mit mindestens 10,5% Chrom und weiteren Bestandteilen in kleinen Mengen. Das Chrom bildet eine luft- und wasserdichte „Passivschicht“ aus Chromoxid an seiner Oberfläche und schützt damit auch die Eisenatome in seiner Nachbarschaft. Der Nachteil: Solche Stähle sind zäher als Eisen, was das Bohren darin erschwert und dazu führt, dass Gewinde von Schrauben sich schneller festfressen.

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Kein Chromstahl: Rostender Stahlträger aus dem alten World Trade Center vor dem Neubau – 9/11-Denkmal auf Staten Island, New York City, USA CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

2. Man streicht Eisenteile mit möglichst witterungsbeständigen Farben oder Lacken. Da kommen Wasser und Sauerstoff im Idealfall nicht durch. Allerdings gibt praktisch jede Farbschicht dem Trommelfeuer von Sonnenstrahlung, Wind und Nässe früher oder später nach und blättert ab. Und wenn man dann nicht sofort nachstreicht, rostet das Eisen eben doch.

Rostiges Schild

Dem Wilden Westen ist kein Lack gewachsen (gefunden auf Antelope Island im Great Salt Lake, Utah, USA) CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

Wesentlich beständiger als ein Anstrich mit Lack und Farbe ist eine Beschichtung des Eisens mit einem anderen Metall. Bewerkstelligen lässt sich das, indem man das Metall mittels Elektrolyse auf dem Eisen abscheidet, oder indem man das Eisen komplett in das geschmolzene Metall eintaucht. Die beiden Metallschichten „verzahnen“ sich dabei an ihrem Übergang praktisch Atom für Atom, was sie nahezu untrennbar miteinander verbindet.

3. Auf den ersten Blick scheinen für eine solche Beschichtung „edlere“, also korrosionsbeständige Metalle Wunschkandidaten zu sein. Das dachten sich auch die Hersteller von Dosen aus Weissblech, also aus mit einer Zinn-Schicht versehenem Eisen.
Die Korrosionsbeständigkeit kann jedoch ebenso gut zum Problem werden, beruht sie doch darauf, dass „edlere“ Metalle noch lieber Elektronen aufnehmen als Eisen. Sobald die Zinn-Schicht einer Weissblech-Dose nämlich beschädigt wird, sodass das Eisen Fe2+-Ionen an Wasser in seiner Umgebung abgeben kann, sorgt das verbleibende Zinn in der Nachbarschaft des Schadens dafür, dass die zurückbleibenden Elektronen sich gar nicht erst im Eisen ansammeln können, sondern umgehend zur Reduktion weitergeleitet werden. So rostet beschädigtes Weissblech letztlich noch schneller als ungeschütztes Eisen.

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Auch Chrom ist edler als Eisen: Wo die Chromschicht leckt, rostet es besonders schnell (an der Route 66, Arizona, USA) CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

4. Das Problem mit den edleren Metallen kann man sich jedoch ebenso gut zunutze machen – indem man nämlich das Eisen mit einem unedleren Metall beschichtet, zum Beispiel mit dem sehr beliebten Zink. Wind und Wetter ausgesetzt bildet Zink an seiner Oberfläche rasch eine passive Schicht, die es zunächst vor der weiteren Korrosion bewahrt. Kommt aber ein verzinktes Eisenwerkstück zu Schaden, übernimmt das freigelegte Eisen die Rolle des edleren Metalls: Es begünstigt die Korrosion des Zinks ohne selbst Schaden zu nehmen. Das verschafft Verantwortlichen Zeit um den Schaden zu beheben ehe Rost entstehen kann.

5. Eine noch extremere Variante von Methode Nummer 4 kommt zum Beispiel bei unterirdischen Eisen-Tanks zum Einsatz: Dort wird ein Block aus einem sehr unedlen Metall über eine Leitung mit dem Tank verbunden und…schlichtweg der Korrosion überlassen. Denn während eine solche „Opferanode“, beispielsweise aus Magnesium, langsam oxidiert wird, liefert sie Elektronen, die an der Eisenoberfläche zur Reduktion eingesetzt werden können – ohne dass Eisenionen ins Spiel kommen und somit Rost entsteht. Es empfiehlt sich daher, solche Opferanoden regelmässig zu ersetzen, ehe sie gänzlich oxidiert sind. Oder man schliesst den Eisentank an den (physikalischen) Minuspol einer Gleichstromquelle (Batterie) an, deren Pluspol mit einer Graphitelektrode verbunden ist. So lange die Batterie hält, liefert dann sie anstelle des Eisens die Elektronen für die Reduktion.

 

Und was tun, wenn schon Rost entstanden ist?

Dächer in Bodie

Rost liebevoll kultiviert: Dächer in der Geisterstadt Bodie (wird als Freilichtmuseum gefplegt) in der Sierra Nevada, Californien, USA  CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Da Rost in der Regel durchlässig daher kommt und nicht wenig Wasser enthält, solltest du entstandenen Rost in jedem Fall entfernen, ehe du zu weiteren Rostschutzmassnahmen schreitest. Am einfachsten schleifst du ihn schlichtweg ab – mit einer passenden Schleifmaschine oder einem Sandstrahler.

Wenn das allerdings zu mühsam ist, oder eine bestehende Schutzschicht dadurch weiter beschädigt werden könnte, kannst du kleineren Roststellen stattdessen mit einem „Rostumwandler“ zu Leibe rücken, zum Beispiel mit verdünnter Phosphorsäure (H3PO4). Die reagiert nämlich mit den Sauerstoff-Verbindungen von Fe3+-Ionen im Rost zu Eisen(III)phosphat, FePO4, welches anders als Rost fest und undurchlässig ist und überdies mit seiner stumpfgrauen Farbe nicht so auffällt.

Phosphorsäure ist übrigens auch nicht zu knapp in Cola anzutreffen, weshalb das Getränk unter Liebhabern älterer Fahrzeuge auch schonmal als Rostumwandler zweckentfremdet wird. Phosphorsäurelösung in etwas höherer Konzentration ist im Zweifelsfall jedoch merklich wirksamer.

Beiden Methoden gemeinsam ist allerdings der Haken: Das einmal zu Rost reagierte Eisen ist unrettbar verloren. Beim Abschleifen wird es einfach vom Werkstück entfernt, während es durch Rostumwandler in eine andere Verbindung eingebaut wird, die zwar beständiger als Rost, aber ebenfalls ein Salz ist, das gänzlich andere Eigenschaften hat als ein Metall.

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Definitiv zu spät für Rostschutzmassnahmen: Echte Rostlaube (das Auto, nicht ich!) in der Geisterstadt Bodie, Californien, USA CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Ich empfehle in Sache Rost also Vorsorge statt Nachsorge : Gönne deinem Eisen einen guten Rostschutz, bevor sich Rost bilden kann – und wenn doch etwas rostet, sorge rasch dafür, dass dem Einhalt geboten wird. Es sei denn, du möchtest auch an der Rostparade teilnehmen, die am Ende jedes Monats von Frau Tonari ausgerufen wird, und benötigst dazu noch ein Fotomotiv!

Und was ist Rost für dich? Lästiger Übeltäter oder farbige Oberflächenverschönerung?

Blogparade : Augen auf! Wo mich die Natur zum Staunen bringt

Bald ist es soweit: Am 14. Juni 2016 wird Keinsteins Kiste 1 Jahr alt! Und damit ist es nun an der Zeit für eure Geschichten: Erzählt vom 23.05. bis 04.09. 2016 in unserer Geburtstags-Blogparade, wo oder wann euch die Natur so richtig zum Staunen gebracht hat – oder euch immer wieder zum Staunen bringt!

Ja, richtig! Auf mehrfachen Wunsch und Anregung meiner Leser verlängere ich die Laufzeit dieser Blogparade bis zum 4. September 2016! Denn mancherorts beginnt schon die Ferienzeit – und Ferienzeit ist Zeit zum Entdecken und Staunen!

„Das fand ich ganz furchtbar!“ „Das ist doch total schwer!“ „Das Fach habe ich nie verstanden…“ „Habe ich bei der ersten Möglichkeit abgewählt!“

So oder so ähnlich lauten gefühlte neun von zehn Reaktionen, wenn ich erzähle, dass ich Chemie studiert habe. Und ich kann mir vorstellen, dass es den anderen Disziplinen der Naturwissenschaft nicht sehr viel anders ergeht.

Dabei hält die Natur so viel Spannendes bereit, das es – für uns alle! – zu bestaunen gibt, das wir ergründen oder mit dem wir schlichtweg spielen können. Und solche Naturphänomene sind gar nicht so schwer zu verstehen, wie manch unglücklich verlaufener Chemie-, Physik- oder Biologieunterricht uns glauben machen mag.

Ob wir uns an buntem Licht oder dem Glanz von Gold erfreuen, in der Küche unerwarteten Energieformen wie der Schmelzwärme begegnen, ob wir Pflanzen beim Wachsen zusehen, am Nachthimmel Sterne zählen, ob wir an ferne Orte reisen und funkelnde Geysire beobachten oder atemberaubende Steinformationen finden, ob wir Strom aus Licht gewinnen, oder ob wir im Labor spannende Experimente machen – praktisch immer und überall können wir etwas zum Staunen finden.

Mit dieser Blogparade möchte ich euch alle zum gemeinsamen Staunen einladen – und zwar jede/n, ganz gleich, welchen Bezug ihr bislang zu den Naturwissenschaften habt. Verfasst einen Beitrag auf eurem Blog (falls ihr keinen habt: auf eurer Facebook-Seite oder eurer jeweiligen Lieblings-Plattform) und erzählt von eurer Begegnung mit einem spannenden Naturphänomen:

  • Wo hat mich die Natur zum Staunen gebracht oder bringt mich immer wieder zum Staunen? (Das kann ebenso draussen und unterwegs wie auch im Alltag oder im Labor geschehen…)
  • Welche Empfindungen löst/e diese Begegnung in mir aus?
  • Welche Bedeutung haben Beobachtungen von Naturphänomenen wie diesem in meinem Leben bzw. Alltag? Haben mich Naturwissenschaften schon immer interessiert, oder bin ich vielleicht erst durch diese Blogparade ans Staunen gekommen?
  • Wie lässt sich das bestaunte Phänomen erklären? (Dieser Vorschlag ist noch weniger ein Muss als alle anderen, aber auf Wunsch helfe ich hierbei gerne!)

 

Diese Fragen können euch als Hilfe zur Gestaltung eures Beitrags dienen, sind aber keine Vorschrift. Schreibt, zeichnet, malt, fotografiert oder filmt, was euch zum Staunen in den Sinn kommt, und postet einen Link zu eurem Beitrag bis zum 23.6.2016 in den Kommentaren. Ihr dürft das Bild zu diesem Beitrag gerne als Artikelbild verwenden oder in euer Artikelbild einfliessen lassen!

Anschliessend wird es eine Zusammenfassung der Blogparade mit allen Links hier auf Keinsteins Kiste geben. Ich freue mich schon auf eine Menge bunter Beträge: Also los, auf zum Staunen!

Eure Kathi Keinstein

Chemie im Osternest: Ostereier und Farbstoffe

Der Frühling kommt unaufhaltsam, und mit ihm rücken die Ostertage immer näher. Nach dem grauen Winter gibt es wohl kaum jemanden, der sich nicht nach dieser hellen Zeit voller Farben sehnt: Sonne, Frühlingsblumen, bunte Eier… doch bis es soweit ist, und wir uns an den Farben freuen können, steht noch Arbeit an. Im Supermarkt gibt es reichlich Hilfsmittel im Angebot, unter anderem eine breite Palette von Färbemitteln für die Eier. Das verspricht Mal- und Bastelspass für Gross und Klein!

Als ich mir die Packungen – bei den beiden bekanntesten Schweizer Grossverteilern von einem deutschen Hersteller – genauer ansah, war jedoch zunächst einmal meine Chemiker-Neugier geweckt: Das Verzeichnis der Inhaltsstoffe bestand durchweg aus einer umfangreichen Liste von E-Nummern. Nun, die sind für sich erst einmal nichts schlimmes, sind doch einer ganzen Reihe nützlicher und gesunder Substanzen – beispielsweise vielen Vitaminen – E-Nummern zugeordnet, die als Kurzschreibweise die gesetzliche Kennzeichnungspflicht auf kleinstmöglichem Raum erfüllen. Hier jedoch beschlich mich ein Verdacht. Und da ich kein wandelndes E-Nummern-Lexikon bin, habe ich die Zahlensammlung rasch ins Smartphone abgetippt, um sie später in Ruhe nachzuschlagen.

Und ich sollte recht behalten: Die Liste hält eine wahre Fülle synthetischer Farbstoffe bereit, die auf den ersten Blick klangvolle, optimistische Namen haben:

  • E 104 Chinolingelb
  • E 110 Gelborange S
  • E 122 Azorubin
  • E 124 Cochenillerot A
  • E 131 Patentblau V
  • E 132 Indigotin
  • E 133 Brilliantblau FCF
  • E 142 Grün S
  • E 151 Brilliantschwarz BN

All diese Stoffe sind organische Verbindungen, und die Stoffklassen, welchen sie angehören, sind mir (und wohl jedem anderen Chemiker) aus dem Studium wohlbekannt: Zu den sogenannten Triphenylmethan-Farbstoffen zählen viele bekannte Indikatoren, zum Beispiel das Phenolphthalein, aber auch Patentblau V, Brilliantblau FCF und Grün S (E 131, 133 und 142). Einen Vertreter der sogenannten Azofarbstoffe, zu welchen E 110, E 122, E124, E 132 und E 151 zählen, habe ich einst sogar selbst im Labor synthetisiert. Dabei sind mir als sicherheitsbewusster Chemikerin neben den strahlenden Farben besonders diese Eigenschaften dieser Stoffe in Erinnerung geblieben: giftig, potentiell krebserzeugend, überaus wasserlöslich und damit im Handumdrehen überall verteilt. Und sowas sollte für Lebensmittel zugelassen sein?

Aber welche organischen Verbindungen sind eigentlich farbig? Kann man Farbstoffe nach Wunsch „erfinden“? Und wie gesundheitsschädlich sind die synthetischen Ostereier-Farben wirklich? Sollte man sie meiden?

 

Welche organischen Moleküle sind farbig?

Unser Eindruck von Farbigkeit organischer Stoffe entsteht genauso wie bei allen anderen Stoffen auch. In „Farben, Licht und Glanz – Wie die Welt uns bunt erscheint“ habe ich bereits vom Aufbau der Elektronenhülle von Atomen erzählt, innerhalb welcher Elektronen von Etage zu Etage „umziehen“ können, indem sie Licht mit einer genau passenden Wellenlänge schlucken. Was dann vom einstmals weiss erscheinenden Gemisch aller Licht-Wellenlängen übrig bleibt, bestimmt die Farbe, die wir sehen – nämlich die Komplementärfarbe zur geschluckten Wellenlänge.

Farbig sind also solche Teilchen, in deren Elektronenhülle es Abstände zwischen Energieniveaus („Etagen“) gibt, welche durch das Schlucken von Licht-Wellenlängen im sichtbaren Bereich überbrückt werden können. In einem Molekül, in welchem die Atome über Elektronenpaarbindungen miteinander verbunden sind, teilen die Atome gemeinsame Energieniveaus, welche ihrerseits in „Wohneinheiten“, sogenannte Orbitale, für je zwei Elektronen unterteilt sind. Und (nicht nur) für organische Moleküle gilt die Faustregel:

Die Abstände zwischen Energieniveaus liegen dann im sichtbaren Bereich, wenn sich viele Elektronen „Wohngemeinschaften“, also miteinander verbundene „Wohneinheiten“ bzw. Orbitale teilen – in der Chemikersprache gesagt: wenn die Elektronen „delokalisiert“ sind.

In den üblichen Einfach-Elektronenpaarbindungen bleibt allerdings jedes Elektronenpaar unter sich. Erst wenn Doppelbindungen vorkommen, wird die Sache interessant. Denn eine Doppelbindung kann man sich dergestalt vorstellen, dass eine zweite Bindung eine Einfachbindung zwischen zwei Atomen ähnlich einem Schlauch umgibt – und an beiden Enden ein gutes Stück darüber hinaus ragt. Wenn nun zwei Doppelbindungen auftreten, welche nur durch eine Einfachbindung voneinander getrennt sind, können die „überstehenden“ Enden der beiden Doppelbindungen miteinander verschmelzen, sodass die darin enthaltenen vier Elektronen sich entlang aller vier beteiligten Atome bewegen können – also delokalisiert sind.

Sich abwechselnde Doppel- und Einfachbindungen entsprechen also einer für farbige Stoffe massgeblichen atomaren „Wohngemeinschaft“.

Das bedeutet: Es lässt sich an der Lewis- oder Strichformel eines organischen Stoffes abschätzen, inwieweit dieser farbig ist! Dabei gilt grundsätzlich: Je mehr sich abwechselnde Doppel- und Einfach-Bindungen ein Molekül enthält, d.h. je weiter die enthaltenen Elektronen delokalisiert sind, desto farbiger ist der entsprechende Stoff.

Darüber hinaus kann die Farbe eines Stoffes weiter intensiviert werden, wenn das Molekül bestimmte Atomgruppen enthält, die an und für sich schon farbig sind. Eine solche „Chromophor“ genannte Atomgruppe ist die aus zwei Stickstoffatomen bestehende Azogruppe, -N=N-, welche den Azo-Farbstoffen ihren Namen gegeben hat.

 

Wie organische Farbstoffe aufgebaut sind

In einem typischen Farbstoffmolekül sind eine oder mehrere chromophore Gruppen in ein System aus sich abwechselnden Doppel- und Einfachbindungen eingegliedert. Nicht selten sind aromatische Ringe – meist sechseckige „Benzol-Ringe“ aus sechs Kohlenstoff-Atomen – Teil dieses Systems, da diese in ganz besonderer Weise delokalisierte Elektronen aufweisen. Da eben diese Besonderheit die aromatischen Ringe jedoch in vielerlei Hinsicht unreaktiv macht, enthalten gute Farbstoff-Moleküle überdies besonders reaktionsfreudige Atomgruppen, die mit anderen Stoffen feste Bindungen eingehen und dem Farbstoff so erlauben, am zu färbenden Material – zum Beispiel Textilfasern oder Eierschalen – möglichst waschecht zu haften. Solche Gruppen werden „Auxochrome“ – Farbhelfer – genannt.

Azorubin und Brilliantschwarz_BN

Azorubin (linke Formel) ist ein typischer Azofarbstoff, dessen Azogruppe (hellblau gerahmt) zwischen zwei aromatischen Ringen zu finden ist. Doppel- und Einfachbindungen wechseln sich in diesem System also über alle vier Ringe und die Azogruppe hinweg ab. Am Rand des Moleküls finden sich als Auxochrome mehrere Sulfonsäure-Gruppen (rosa gerahmt, dargestellt als Natrium-Salz). Eine Sulfonsäure-Gruppe ist nichts anderes als ein Teil eines Schwefelsäure-Moleküls, welcher mit dem Kohlenstoff-Gerüst des Farbstoffs verknüpft ist. Dementsprechend können diese Gruppen ähnlich wie Schwefelsäure sowohl Ionen- bzw. Säure-Base-Reaktionen eingehen, als auch Ester und andere feste Verknüpfungen über Elektronenpaar-Bindungen bilden. Sulfonsäuren, besser noch ihre Salze, sind also sowohl wasserlöslich als auch in der Lage, feste Bindungen einzugehen.

Die rechte Formel lässt überdies die Bedeutung der Chromophore erahnen: Brilliantschwarz – Schwarz als intensivste „Farbe“ ergibt sich, wenn sämtliche sichtbaren Lichtwellen geschluckt werden – enthält statt einer Azo-Gruppe gleich zwei – und der Stoff ist nicht bloss intensiv farbig, sondern schwarz.

Auch Triphenylmethan-Farbstoffe enthalten aromatische Ringe – wenn solch ein Ring an etwas anderes gebunden ist, nennen die Chemiker ihn „Phenyl-Gruppe“ – aber keine weiteren chromophoren Gruppen. Das Grundgerüst dieser Farbstoffe entspricht also einem Methanmolekül (CH4), in welchem drei der Wasserstoff-Atome durch Phenyl-Gruppen ersetzt sind (links im Bild die Strukturformel für „Triphenylmethan“, welches diesen Farbstoffen ihren Namen gibt). Auch im rechts gezeigten Patentblau V finden sich Sulfonsäuregruppen als Auxochrome.

Triphenylmethan und Patent_blue_V

Die Eigenschaften solcher Farbstoffe lassen sich nicht nur auf diese Weise aus den Strukturformeln ablesen.  Die Regeln der Chemie zur Farberscheinung und zu anderen Eigenschaften sind gar so präzise, dass Chemiker die Farbe eines Moleküls ausrechnen – bzw. sich ein Molekül mit der gewünschten Farbe und weiteren Eigenschaften ausdenken können! Da liegt es nahe, für Ostereier und andere Lebensmittel Farbstoffe zu designen, die sowohl die gewünschten Farben haben, als auch unschädlich für den menschlichen Körper sind.

 

Aber wie gesundheits(un)schädlich sind diese Designer-Farbstoffe wirklich?

Aufnahme und Anreicherung von Lebensmittelfarbstoffen

Der ideale Lebensmittelfarbstoff wird auf seinem Weg durch den Verdauungstrakt gar nicht erst vom Körper aufgenommen und unverändert wieder ausgeschieden. An dieses Ideal kommen die Triphenylmethan-Farbstoffe unter den Ostereierfarben nahe heran: Sie werden weder vom Körper aufgenommen, noch im Verdauungstrakt gespalten oder anderweitig verändert. Die auxochromen Gruppen erweisen sich in diesem Zusammenhang wiederum als nützlich: Aufgrund der guten Wasserlöslichkeit der Moleküle besteht überdies kaum Gefahr, dass diese sich – über längere Zeit aufgenommen – irgendwo im Körper anreichern.

Etwas anders sieht es bei den Azofarbstoffen aus, da der menschliche Organismus in der Lage ist, die Azo-Gruppe solcher Moleküle zu spalten. Somit müssen also nicht nur die Moleküle selbst, sondern auch die Bruchstücke unbedenklich sein. Und unter den Bruchstücken von Azo-Farbstoffen sind aromatische Amine, also solche, die neben einem Benzol-Ring auch eine zusätzliche Stickstoff-Gruppe enthalten, für eine krebserzeugende Wirkung berüchtigt. Jener Azo-Farbstoff, den ich einst im Labor synthetisiert habe, mag ein solches Fragment enthalten haben. Die Lebensmittelfarbstoffe enthalten derlei jedoch aus gutem Grund nicht. Ihre Bruchstücke sind harmlos und werden problemlos wieder ausgeschieden.

Allergische Reaktionen

Nichts desto trotz sind alle „Designer-Stoffe“, zu welchen die synthetischen Lebensmittel-Farbstoffe zählen, aus Sicht des menschlichen Körpers „Fremdstoffe“, welche pseudoallergische Reaktionen auslösen können. Dabei handelt es sich um unspezifische Abwehrreaktionen auf die Gegenwart eines Fremdstoffs: Wie bei einer Allergie können Entzündungssymptome auftreten, von Hautauschlag (Neurodermitis) bis hin zu Asthma. Das Ausmass dieser Symptome hängt dabei von der jeweiligen Dosis des Auslösers ab. Das heisst, ausreichend geringe Mengen des Auslösers werden mitunter gar keine spürbare allergische Reaktion auslösen.

Im Unterschied dazu werden bei einer „echten“ Allergie Antikörper gegen den Auslöser (das „Allergen“) gebildet, welche  das Immunsystem in Gang setzen und so die Abwehrreaktion auslösen. Da dieser Weg der Abwehr nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip funktioniert, können schon kleine Mengen eines Allergens eine heftige Reaktion nach sich ziehen.

Pseudoallergische Reaktionen auf Farbstoffe können also durch die Verwendung ausreichend kleiner Mengen weitgehend vermieden werden. Allerdings ist z.B. bei Personen, die auch auf den Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure pseudoallergisch reagieren, häufig eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Lebensmittelfarbstoffen beobachtet worden.

Hyperaktivität und Konzentrationsstörungen

Seit 2007 ist eine Studie populär, die einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Lebensmittelfarben aus der Gruppe der Azo-Farbstoffe und Hyperaktivität bzw. Konzentrationsstörungen von Kindern festgestellt haben will. Nach dem Arbeitsort ihrer Autoren wird diese Studie kurz als „Southhampton-Studie“ bezeichnet. Sie führte dazu, dass in der EU in jüngster Zeit eine Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel mit Azo-Farbstoffen eingeführt worden ist: Solche Produkte müssen neuerdings eine Aufschrift „kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinträchtigen“ tragen. Ostereier-Farben sind übrigens davon ausgenommen – die bunten Eierschalen werden schliesslich nicht verzehrt, heisst es – weshalb ich auf den Verpackungen „meines“ deutschen Herstellers auch keinen solchen Hinweis gefunden habe.

Das Schweizer Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) bezeichnet die Southampton-Studie allerdings in vielen Punkten als unwissenschaftlich (die Kritikpunkte reichen von der Erhebung von Daten durch ungeschultes, nicht neutrales Personal bis zu unklaren Messgrössen und Untersuchungsgegenständen) und die Schlussfolgerungen daraus als widerlegt. Aus diesem Grund, so das BLV, gibt es in der Schweiz keine entsprechende Kennzeichnungspflicht.

Das Verhalten von Kindern bzw. Schülern ist ebenfalls Forschungsgegenstand in der Erziehungswissenschaft und Didaktik. So habe ich aus meiner Literatur aus der Lehrerausbildung den Eindruck gewonnen, dass wohl kaum ein Forschungsgegenstand schwieriger zu erfassen ist, als Einflüsse von Massnahmen – seien es Chemikalien oder Unterrichtsmethoden – auf das Verhalten von Kindern. Deshalb erfordern der Entwurf, die Durchführung und nicht zuletzt die Auswertung derartiger Studien in meinen Augen allerhöchste Sorgfalt und Vorsicht, sodass ich dazu neige, dem BLV und seinen Kritikpunkten in Sachen Lebensmittelfarbstoffen bei zu pflichten.

Insbesondere einen Zusammenhang zwischen Lebensmittelfarbstoffen und dem als ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-/Hyperaktivitäts-Syndrom) bezeichneten Syndrom, welches gerne in diesem Kontext genannt wird, kann ich nicht nachvollziehen. Viel einleuchtender erscheint mir da, dass pseudoallergischer Juckreiz und ähnliche Reaktionen Kinder unruhig und unaufmerksam werden lassen.

 

Welche Alternativen gibt es zu synthetischen Ostereier-Farben?

Es liegt mir fern, die synthetischen Ostereier-Farben als „gut“ oder „schlecht“ abzustempeln. Vielmehr möchte ich Hintergrundwissen liefern, anhand dessen jeder selbst entscheiden mag, was für ihn, sie oder seine/ihre Kinder das Beste ist. Auf diesem Grundsatz – jeder hat das Recht selbst zu entscheiden, was er verwendet oder gar zu sich nimmt – basiert in meinen Augen auch unser Lebensmittelrecht, sowohl in der Schweiz als auch in der EU, welches die Auflistung von Inhaltsstoffen auf der Verpackung von Lebensmitteln und anderen Waren vorschreibt.

Nach allem, was ich nun gelesen habe, sehe ich keinen Grund zu der Annahme, dass synthetische Ostereier-Farben per se gefährlich sein bzw. unweigerlich krank machen sollten. Ganz und gar unbedenklich sind sie deshalb aber noch lange nicht – nicht zuletzt, weil jeder Körper anders auf einen Stoff reagieren kann. Das gilt übrigens für viele sogenannte Naturstoffe ebenso wie für synthetische Verbindungen, denn auch die meisten Naturstoffe sind aus Sicht des menschlichen Körpers letztlich Fremdstoffe. Und Allergien – auch „echte“ – auf „ganz normale“ Lebensmittelbestandteile sind uns zu Genüge bekannt.

Wer sich schliesslich für die Naturstoff-Variante für seine Ostereier entscheidet, kann eine ganze Reihe wunderschöner Naturfarbstoffe in Lebensmittel-Pflanzen wie Rote Bete (in der Schweiz „Rande“) (rot), Curcuma (gelb), Spinat (grün), Zwiebelschalen (braungelb) oder Rotkohl bzw. Blaukraut (blauviolett) finden.

Eine tolle Anleitung zum Färben mit diesen Farbstoffen und Verzieren der Eier mit Essig-Mustern gibt es auf der Website von GEOLino. Und die dort gezeigten Eier sind fast so strahlend bunt wie die synthetischen Designerfarben – der wärmeren Farbtöne wegen finde ich sie sogar schöner als jene, die auf den Verpackungen der synthetischen Färbemittel abgebildet waren!

Ob nun synthetisch oder mit Naturstoff-Eiern: Ich wünsche euch frohe, farbenreiche Ostern!

Und womit färbt ihr eure Ostereier?

Seltene Erden : Mine in Ytterby

Was sind „seltene Erden“? Warum ist dieser Name eigentlich irreführend? Was haben die chemischen Elemente, die diese Bezeichnung tragen, gemeinsam? Und warum haben sie gerade in den letzten Jahren häufig Schlagzeilen gemacht?

Das Artikelbild zeigt die aufgelassene Grube Ytterby heute (By Svens Welt (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons). Traditionell statten alle Empfänger eines Nobelpreises dieser Fundgrube einzigartiger chemischer Elemente einen Besuch ab. Denn vor über 200 Jahren begann dort die Geschichte der seltenen Erden.

Ein Ausflug in die Geschichte: Als die seltenen Erden noch selten waren

Ytterby, Schweden, 1787. Leutnant Carl Axel Arrhenius streift über die Abraumhalden der Grube nahe des kleinen Dorfes auf einer Insel vor Stockholm. Schon seit dem sechzehnten Jahrhundert hat man hier Quarz für die Eisenhütten der Umgebung abgebaut, und neuerdings gewinnt man ausserdem Feldspat für die Porzellan- und Glasindustrie. Arrhenius interessiert sich jedoch nicht für diese beiden gar zu häufigen Mineralien, sondern für das, was die Minenarbeiter unweigerlich mit ihnen zu Tage fördern und als unbrauchbar auf den Halden entsorgen. Für den Leutnant ist die Stationierung im nahen Vaxholm ein Glücksfall, gibt sie ihm doch die Gelegenheit, hier in Ytterby seinem grossen Hobby, der Geologie, nachzugehen und nach Mineralien zu suchen.

Die Abraumhalden von Ytterby haben schon manch interessantes Fundstück für ihn bereit gehalten, sodass es Arrhenius immer wieder hier hinaus zieht. Doch was er nun in der Hand hält, ist wahrhaft aussergewöhnlich. Der schwarze Stein, ein raues Felsbruchstück, ist bemerkenswert schwer, und Arrhenius‘ Sammlerinstinkt lässt ihn ahnen: Das ist etwas ganz besonderes.

Gadolinit : Mineral mit seltenen Erden

Gadolinit: Grosser Einkristall (8.2 x 7.1 x 5.2 cm), Tuftane-Steinbruch, Frikstad, Norwegen (by Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0 [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons)

 

Welch ein Glück, dass er mit einigen der berühmtesten skandinavischen Chemiker seiner Zeit bekannt ist, und diese sich der Untersuchung seines seltsamen Fundstücks annehmen. Professor Johan Gadolin von der Universität von Åbo gelingt schliesslich eine vielversprechende Analyse: Rund 38% des schwarzen Minerals bestehen demnach aus einer ganz neuartigen „Erde“, welche Gadolin aus seinen Proben aus Ytterby isolieren kann. Als „Erden“ bezeichnen die Chemiker zu dieser Zeit die Oxide der Metalle – die Begriff „Oxid“ ist wesentlich jüngeren Datums.

Gadolins Erde erhält nach ihrem Herkunftsort den Namen „Yttererde“, und der Chemiker erkennt, dass darin ein neues Element enthalten ist. Später erhält dieses Element – wiederum nach dem Ort seiner ersten Entdeckung – den Namen Yttrium, während das schwarze Mineral zu Ehren seines Untersuchers „Gadolinit“ genannt wird.

Die eigentliche Überraschung, welche dieses Mineral in sich birgt, wird jedoch erst im Laufe eines Jahrhunderts voller Arbeit vieler Chemiker offenbar: Die Yttererde besteht nicht, wie man annehmen mag, aus reinem Yttriumoxid, sondern lässt sich in mehrere verschiedene Oxide auftrennen! Und mit vielen ähnlichen neuen „Erden“ verhält es sich ebenso.

Heute wird die chemische Formel des Gadolinits, welchem die Yttererde entstammt, mit (Ce,La,Nd,Y)2FeBe2Si2O10 angegeben. Damit enthält das Mineral nicht bloss eines, sondern gleich vier Elemente, welche Leutnant Arrhenius und Professor Gadolin ihrerzeit nicht bekannt waren: Yttrium (Y), Cer (Ce), Lanthan (La) und Neodym (Nd). Und die Aufzählung ihrer Symbole innerhalb der runden Klammern deutet an, warum Gadolin sie nicht gleich alle entdeckt hat: Diese Elemente sind sich chemisch so ähnlich, dass sie in natürlichen Kristallen (d.h. Mineralien) stets bunt gemischt vorkommen und mit den Methoden des späten 18. Jahrhunderts kaum zu trennen waren.

Reiche Erzlagerstätten dieser und weiterer einander täuschend ähnlicher Elemente, wie die Mine in Ytterby, sind nicht besonders häufig. So waren wohl auch die Oxide dieser Elemente anfänglich nicht nur neu und merkwürdig, sondern in der Welt der Chemiker und Mineralogen überdies selten, was den Elementen und ihren Verbindungen ihren bis heute verbliebenen gemeinsamen Namen eingebracht haben wird: „Seltene Erden“.

 

Ein Steckbrief der „seltenen Erden“

Seltene Erden sind:

  • nach heutiger Auffassung die Elemente Scandium, Yttrium, Lanthan und die 14 auf Lanthan folgenden Elemente, die auch „Lanthanoiden“ genannt werden: Cer, Praseodym, Neodym, Promethium, Samarium, Europium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium und Lutetium:

Scandium, Yttrium und Lanthan sind sogenannte Übergangsmetalle, die im Periodensystem untereinander stehen. Das bedeutet, ihre Elektronenhüllen sind analog aufgebaut, was allein schon ihre chemische Ähnlichkeit erklärt. Die 14 Lanthanoiden werden (gemeinsam mit den Actinoiden) häufig in einer separaten Zeile unterhalb des Periodensystems aufgelistet, damit das Ganze vernünftig auf ein Blatt Papier passt. Eigentlich gehören sie nämlich in die sechste Periode zwischen Lanthan und Hafnium.

  • auf der Erde gar nicht so selten:

Grössere Seltenerd-Erzlagerstätten sind zwar selten, aber kleine Mengen der Elemente sind über eine Vielzahl von Mineralien und Erzen weit verteilt. So findet man das häufigste Seltenerd-Element Cer auf der Erde häufiger als Kupfer, während das seltenste, Thulium, noch häufiger ist als Silber.

  • einander sehr ähnliche Metalle:

Die elementaren Seltenerdmetalle sind silberweiss, metallglänzend und formbar – typische Metalle eben. Darüber hinaus sind sie in sehr ähnlicher Weise unedel und sehr reaktiv. Alle Seltenerdmetalle sind hochentzündlich, manche Lanthanoiden neigen sogar zur Selbstentzündung an der Luft. Deshalb werden viele Seltenerdmetalle für industrielle Zwecke häufiger in Form stabilerer chemischer Verbindungen verkauft anstatt als reines Metall.

Lanthanoide : Viele seltene Erden sind f-Elemente

Die Lanthanoiden (ausser Promethium) als reine Metalle by Tomihahndorf at the German language Wikipedia [GFDL or CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

 

  • Unverzichtbare Bestandteile der modernen Technik:

Ob als Bestandteil von Nickel-Metallhydrid-(NiMH)-Akkus, in „Supermagneten“, z.B. in Windkraftanlagen und Lasern, Computern, Bildschirmen und Energiesparlampen als Katalysatoren oder gar als Kontrastmittel in der Medizin: In kaum einem Bereich des modernen, technischen Lebens begegnet man den Seltenerd-Metallen nicht. Deshalb sind sie insbesondere für die Industriestaaten als Rohstoffe so unverzichtbar.

  • nicht radioaktiv:

Mit einer Ausnahme: Das Lanthanoid Promethium kommt nur in Form des β-strahlenden Pm-147 mit einer Halbwertszeit von rund 2,6 Jahren in der Natur vor – in kleinsten Mengen als Zerfallsprodukt von Uran in dessen Erzen. Das langlebigste (künstlich erzeugte) Promethium-Isotop ist Pm-145 mit einer Halbwertszeit von 17,7 Jahren. Somit sind alle Promethium-Isotope, die vielleicht einmal in der Materie, welche die Erde formen sollte, enthalten waren, in den viereinhalb Milliarden Jahren Erdgeschichte längst zerfallen.

  • Im Vergleich zu vielen bekannten Schwermetallen nur wenig bis gar nicht giftig:

Viele weitere Bestandteile der Erze (darunter finden sich nicht selten sogar radioaktive Elemente wie Uran und Thorium!), aus welchen sie gewonnen werden, hingegen schon. Deshalb ist der beim Abbau von Seltenerd-Metallen zurückbleibende Schlamm Umwelt und Gesundheit zuliebe sicher zu verwahren oder zu entsorgen.

  • Im Internet für jedermann erhältlich:

In den gängigen Online-Auktionshäusern werden immer wieder Seltenerd-Metalle angeboten. Aber Achtung: Längst nicht alles, was dort als „Seltenerd-Metall“ oder bezeichnet wird, ist auch ein solches – dazu zählen nur die oben genannten bzw. in der folgenden Tabelle aufgezählten Elemente!. In der Regel sind reine Seltenerd-Metalle unter einer reaktionsträgen Atmosphäre (meist Argon) in Glasphiolen eingeschlossen, damit sie nicht mit ihrer Umgebung reagieren können. Ein hochwertiger Schaukasten mit allen Lanthanoiden ausser Promethium ist meist für gute 350 Euro bzw. knapp 400 Franken zu haben.

Element Element-symbol Bedeutung des Namens Verwendung in der Technik (Beispiele)
Scandium Sc lat.: Scandia für Skandinavien, wo das erste Erz entdeckt wurde Stadionbeleuchtung, Brennstoffzellen, Laser
Yttrium Y nach Ytterby, dem Ort seines Erstfundes Leuchtdioden, Flachbildschirme, Laser
Lanthan La griech.: lanthanein = versteckt sein Ni-MH-Akkus, Katalysatoren
Cer Ce nach dem zur gleichen Zeit entdeckten Zwergplaneten Ceres Abgas-Katalysatoren, UV-Schutzgläser
Praseodym Pr griech.: prásinos = lauchgrün, didymos = doppelt : der lauchgrüne Zwilling Dauermagnete, Elektromotoren, Glasfarbstoff
Neodym Nd griech.: neos = neu, didymos = doppelt : der neue Zwilling Dauermagnete (z.B. in Windkraftanlagen), CD-Spieler
Promethium Pm nach Prometheus, einer Figur der griechischen Mythologie Leuchtziffern, Wärmebatterien in Raumfahrzeugen (da radioaktiv!)
Samarium Sm nach dem Mineral Samarskit, in welchem es erstmals nachgewiesen wurde Dauermagnete in elektronischen Kleingeräten, auch Raumfahrt
Europium Eu nach dem Kontinent Europa roter Leuchtfarbstoff: Leuchtdioden, Plasmabildschirme, Energiesparlampen
Gadolinium Gd nach dem Mineral Gadolinit Kontrastmittel für die Kernspin- tomographie, grüner Leuchtfarbstoff in Radarschirmen
Terbium Tb nach Ytterby, dem Ort des Erstfundes einer seltenen Erde Dauermagnete, Sonartechnik
Dysprosium Dy griech.: dysprosios = unzugänglich Dotierung von Kondensatoren, Dosimeter, Halogenlampen
Holmium Ho lat.: Holmia für Stockholm, die Hauptstadt Schwedens Laser
Erbium Er nach Ytterby, dem Ort des Erstfundes einer seltenen Erde Laser, Glasfaserkabel bzw. -verstärker
Thulium Tm nach Thule, der Bezeichnung für Skandinavien in der klassischen Antike Dotierung in der Röntgentechnik, Gamma-Strahlenquelle für die Werkstoff- prüfung
Ytterbium Yb nach Ytterby, dem Ort des Erstfundes einer seltenen Erde Kunststoff-Zahnfüllungen, Laser
Lutetium Lu lat.: Lutetia für Paris, die Hauptstadt Frankreichs Beta-Strahlenquelle: Positronen-Emissions-Tomografie

Warum sich die seltenen Erden chemisch so sehr ähneln

Die Seltenerd-Metalle gleichen einander in ihrer Chemie derart, dass selbst die Natur sie ständig miteinander verwechselt: Ein Seltenerd-Erz enthält stets mehrere verschiedene Metalle, deren Ionen ihre Plätze im Kristall wechselweise einnehmen, als gehörten sie allesamt zur selben Ionensorte. Wenn Chemiker versuchen, für solch einen Kristall eine chemische Formel aufzustellen, kommt so etwas herum wie für das schon erwähnte Mineral Gadolinit: (Ce,La,Nd,Y)2FeBe2Si2O10 . Es handelt sich dabei um ein Silikat, also ein Salz einer Kieselsäure, welches neben einem Eisen- und zwei Beryllium-Ionen zusätzlich zwei Seltenerdmetall-Ionen je Formeleinheit enthält. Innerhalb der runden Klammern ist die Auswahl derjenigen Metalle angegeben, aus welcher diese beiden Ionen stammen: Cer, Lanthan, Neodym und Yttrium. Welche beiden dieser Ionen man in einem beliebigen Ausschnitt des Kristalls, für welchen die Formel steht, jeweils antrifft, ist freilich dem Zufall überlassen.

Doch warum sind sich die Seltenerd-Metalle chemisch so ähnlich? Die Chemie eines Atoms, also seine Neigung zu Reaktionen sowie seine „Passform“ bei der Entstehung eines Ionenkristalls, wird vom Aufbau seiner Elektronenhülle bestimmt. Und der ist normalerweise von Element zu Element verschieden – einzig die Elemente, die im Periodensystem untereinander stehen (wie Scandium, Yttrium und Lanthan), ähneln sich ein Stück weit, da sich ihre Elektronenhüllen nur in der Anzahl besetzter Energieniveaus („Etagen“ im Elektronenhüllen-Haus) unterscheiden, nicht aber in der Besetzung des massgeblichen äussersten Niveaus.

Die Lanthanoiden unter den seltenen Erden haben alle miteinander eine einzigartige Stellung im Periodensystem inne, da sie die ersten Elemente mit Elektronen in einem zusätzlichen „Zwischengeschoss“ sind, dessen Elektronen-„Wohnungen“ die Chemiker als f-Orbitale bezeichnen. Das besetzte f-Zwischengeschoss der Lanthanoiden gehört dabei rein formal zur vierten „Etage“ des Elektronenhülle, obwohl es in der sechsten Zeile (Periode) des Periodensystems auftauchen und dementsprechend auch erst nach dem ersten Orbital der sechsten „Etage“ aufgefüllt werden.

Gemäss den Spielregeln der Chemie sind jedoch die Elektronen der äussersten Schale (die auch als „Valenzelektronen“ bezeichnet werden) für das Verhalten eines Atoms entscheidend – bei den Lanthanoiden also die drei Elektronen, welche den ersten drei Positionen in der sechsten Periode des Periodensystems entsprechen. Wie viele Elektronen darüber hinaus im f-Zwischengeschoss sind, ist hingegen ziemlich egal. So wird es niemanden wundern, dass alle Seltenerd-Metalle dreifach positiv geladene Ionen bilden, indem sie ihre drei Valenzelektronen abgeben und damit ihre Aussen-Etage vollkommen entleeren (einige bilden darüber hinaus auch zwei- oder vierfach positiv geladene Ionen, da sie ihre Elektronen noch anderweitig „energetisch günstig“ zu sortieren wissen).

Dieser besondere Aufbau der Elektronenhüllen der Lanthanoide hat noch einen weiteren einzigartigen Effekt zur Folge: Normalerweise sind Ionen der Elemente umso grösser, je mehr Elektronen in ihrer Hülle „Wohnungen“ bzw. Orbitale besetzen. Logisch, denn je mehr bewohnte Wohnungen man haben will, desto höher wird man das Haus bauen müssen.

Bei den Lanthanoiden wirkt sich der Einzug der Elektronen in die Orbitale des f-Zwischengeschosses jedoch nicht auf die Höhe des Hauses aus – gehört dieses Zwischengeschoss doch zur vierten Etage und nicht zur sechsten. Da mit der wachsenden Anzahl Elektronen jedoch auch die positive Ladung des Atomkerns zunimmt, steigt auch die Anziehungskraft, die der Kern auf seine Elektronenhülle ausübt – ohne dass diese durch zusätzliche Wohnungen und Etagen dicker würde. Und diese Anziehungskraft macht sich so stark bemerkbar, dass die Ionen der Lanthanoiden von links nach rechts im Periodensystem tatsächlich kleiner werden, anstatt wie bei allen anderen Elementen grösser! Dieser Effekt, den die Chemiker „Lanthanoidenkontraktion“ nennen, ist so stark, dass ein Dysprosium-Ion (das neunte Element in der Reihe der Lanthanoiden) ebenso klein ist wie ein Yttrium-Ion, dessen äusserste besetzte Etage die fünfte anstatt der sechsten ist!

 

Warum in den letzten Jahren so ein Aufstand um seltene Erden gemacht wurde

Ohne die seltenen Erden könnte es unsere High-Tech-Welt, wie sie zur Zeit aussieht, nicht geben. Das zeigt allein schon die oben gelistete Auswahl an technischen Anwendungen dieser einzigartigen Metalle. Ihre Gewinnung ist jedoch mit grossem Aufwand und Risiken für die Umwelt verbunden. Wohl deshalb leistet zu Beginn des 21. Jahrhunderts China weit über 90% der weltweiten Förderung der seltenen Erden – nennt es doch die weltweit grössten zusammenhängenden Vorkommen an Seltenerd-Erzen sein Eigen, welche etwa 30% der weltweiten Reserven ausmachen.

All jene Industriestaaten, die sich die Hände nicht in dieser Weise schmutzig machen wollen, sind damit weitestgehend auf die Einfuhr von seltenen Erden aus China angewiesen. Als die Chinesen 2010 entschieden, die Ausfuhr ihrer seltenen Erden zu beschränken, gerieten ihre Abnehmer somit gehörig ins Schwitzen – denn alternative Quellen waren auf die Schnelle nicht zur Hand. Die Begründung Chinas, die Beschränkung der Umwelt zuliebe einzuführen (Warum sollten wir uns für euch andere die Hände bzw. die Umwelt schmutzig machen?), erschien der Weltöffentlichkeit zudem als reichlich wenig glaubwürdig.

So schien es nur noch zwei Möglichkeiten zu geben einen Engpass in Sachen seltene Erden zu vermeiden: Die Ansiedelung von Hightech-Produktionsfirmen in China, um anstelle der Seltenerd-Erze die fertigen Produkte aus China auszuführen, oder eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation WTO – denn die Ausnutzung eines Rohstoff-Monopols um einheimischen Firmen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen ist gemäss den Spielregeln der Weltwirtschaft nicht erlaubt.

Nachdem jene westlichen Firmen, die sich für eine Ansiedelung in China entschieden, auch dort von Benachteiligungen gegenüber den einheimischen Konkurrenten berichteten und eine geplante Erhöhung der Ausfuhrzölle für seltene Erden die Lage noch mehr zu verschärfen drohte, zogen die USA, gefolgt von der EU und Japan, am 13. März 2012 schliesslich vor das Gericht der WTO – und erhielten Recht. Doch obwohl dieser Schiedsspruch schon im Jahr 2013 erfolgte, sträubten die Chinesen sich noch bis Anfang 2015, ehe sie die Ausfuhr der seltenen Erden endgültig freigaben.

Die Ironie dabei: Tatsächlich wurde die Beschränkung der Ausfuhr von seltenen Erden auf rund 31.000 Tonnen pro Jahr nie ausgeschöpft – im Jahr 2013 wurden laut der FAZ gerade einmal 22.493 Tonnen exportiert, bis November 2014 waren es 24.886 Tonnen. Hat China die Ausfuhrbeschränkung also letztlich aufgehoben, weil sie keinen Nutzen mehr hatte?

Wenn der ganze Zwist um die chinesischen seltenen Erden für den Rest der Welt einen Nutzen hatte, dann wohl jenen, dass er diese wichtigen, der Allgemeinheit aber eher unbekannten Elemente populär machte und zum Nachdenken über andere Gewinnungsmöglichkeiten – vor allem durch Recycling von „High-Tech-Abfällen“ – angeregt hat und anregt.

Und welche seltene(n) Erde(n) sind euch in eurem Alltag schon begegnet?

Literatur:

[1] L.F.Trueb (2005). Die chemischen Elemente – Ein Streifzug durch das Periodensystem. Stuttgart: S.Hirzel Verlag

[2] Der einmal wirklich gute Wikipedia-Artikel zu den Seltenen Erden

Photovoltaik : Solarpanel im Detail

Wie funktioniert eine Solarzelle? Welche Stoffe können aus Sonnenlicht Strom erzeugen? Und inwieweit ist die Photovoltaik umweltverträglich?

Diese Geschichte ist Peter Lustig gewidmet, der mit seiner Sendung „Löwenzahn“ (und später auch „mittendrin“) zu meinen grossen Vorbildern gehört. In meiner Kindheit vor dem Internet-Zeitalter, als Wissen ausserhalb der Schule noch fast ausschliesslich in der Stadtbibliothek zu finden war, weckte „Löwenzahn“ nicht nur meine Begeisterung für die Wissenschaft(en) als solche, sondern legte ebenso einen Grundstein für mein Bestreben, gesammeltes Wissen verständlich und alltagsnah weiterzugeben.

Schon 1989 nutzte Peter Lustig die Sonnenkraft, um den joggenden Energie-Baron Rauch und seine Zuschauer gleichsam zu begeistern:

Was damals noch exotisch, wenn nicht gar futuristisch erschien, ist heutzutage für relativ kleines Geld bei jedem Elektronikhändler erhältlich: Solarmodule in allen Grössen, die aus Sonnenlicht Strom erzeugen. Auf unserem Balkon betreiben sie die abendliche Beleuchtung und einen Springbrunnen, während eine tragbare „Powerbank“ im Hosentaschenformat bei sonnigem Wetter einen endlos gefüllten Handy-Akku ermöglicht. Und auf dem Dach meines Elternhauses erzeugt ein richtiges kleines Photovoltaik-Kraftwerk seit vielen Jahren schon einen guten Teil des Stroms, den die zwei verbliebenen Hausbewohner verbrauchen. Ich mag mir vorstellen, dass Peter diese atemberaubende Entwicklung in den letzten 17 Jahren mit Begeisterung verfolgt hat – und weiter verfolgt hätte, wenn ihm mehr Zeit beschieden gewesen wäre.

In diesen 17 Jahren habe auch ich zahlreiche weitere Fragen und Antworten rund um die Photovoltaik gefunden und bin auf die Zukunft dieser Technik zur Nutzung der Sonne als schier unerschöpflicher Energiequelle nicht minder gespannt als damals.

Eines verrät Peter Lustig über seine solarbetriebenen Erfindungen allerdings nicht: Wie sie im Einzelnen funktionieren. Die spannenden Vorgänge, welche aus Sonnenenergie elektrischen Strom entstehen lassen, bilden jedoch die Grundlage für alle Gedanken um den Nutzen von Solarmodulen und Aussichten in die Zukunft. Deshalb erzählt dieser Artikel in erster Linie davon, wie Photovoltaik, die Gewinnung von Strom aus Sonnenlicht, im Einzelnen funktioniert und von den Stoffen, welche dafür verwendet werden. Nutzen und Gefahren für die Umwelt, welche diese Technik mit sich bringen, sollen dabei schliesslich nicht zu kurz kommen.

Wie entsteht in Solarzellen Strom?

Elektrischer Strom im Bändermodell

Elektrischer Strom ist ein Strom geladener Teilchen, im Hausgebrauch meist Elektronen, welcher durch ein leitendes Material strömt wie Wasser durch ein Flussbett. Strom erzeugen bedeutet also bewegliche Teilchen bereit zu stellen und sie an den Ort ihrer Bestimmung zu leiten.

Nun sind Elektronen für gewöhnlich fester Bestandteil von Atomen, die unsere Materie bilden. In Farben, Licht und Glanz – Warum die Welt uns bunt erscheint findet ihr die Beschreibung der Elektronenhülle einzelner Atome, in welcher die Elektronen wie auf Etagen eines Hochhauses ihre „Wohnungen“ bzw. Energieniveaus beziehen. Zwei Dinge habe ich dort jedoch verschwiegen, weil sie nicht für die Entstehung von Farben, aber umso mehr für die Entstehung von Strom von Belang sind.

  1. Wenn mehrere Atome zu einer Verbindung zusammenfinden, entsteht aus den einzelnen Elektronenhüllen-Häusern eine wahre Vielfalt von bezugsfertigen Energieniveaus – je mehr Atome beteiligt sind, desto mannigfaltiger geht es in der gemeinsamen Elektronenhülle zu. In besonders grossen Atom-Verbünden, wie den Metallen, aber auch in sogenannten Molekülkristallen wie einem Diamanten (ja, jeder Diamant ist ein einziges, riesengrosses Molekül!), kann man sich eine wahre Grossstadt aus Energieniveaus vorstellen.
  2. Wie eine Grossstadt mit ihren Stadtvierteln kann auch der bunte Haufen der Energieniveaus in Bereiche mit unterschiedlichen Eigenschaften eingeteilt werden. Die Chemiker nennen diese Bereiche „Bänder“ und sprechen vom Bändermodell, wenn sie damit die komplexen Verhältnisse in den Stoffen einfach beschreiben wollen.

Die unteren Geschosse einer Elektronenhüllen-Grossstadt werden darin zu einem Bereich zusammengefasst, in dem es gesittet zugeht, wie in der Geschichte zu den Farben beschrieben: Jedes Elektron hat seinen festen Platz in seinem Atom und kann mit Energiezufuhr allenfalls die Etage wechseln. Dieser Bereich wird „Valenzband“ genannt. In einem anderen Bereich werden die bezugsfertigen Energieniveaus jedoch so zahlreich und liegen so dicht beieinander und nebeneinander, dass Elektronen sich darin von einem Atom zum anderen bewegen können, wie durch eine mit Türen verbundene Zimmerflucht. Weil durch dieses Band demnach ein Strom fliessen kann, wird es „Leitungsband“ genannt.

Bändermodell : Leiter und Nichtleiter

Darstellung der Elektronenhülle von nichtleitenden und leitenden Stoffen im Bändermodell (nach: Energy Band Model (DE) by Cepheiden (Own work) [GFDL or CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons)

In den Stoffen, die aus Nichtmetallen bestehen – wie zum Beispiel Diamant, findet man das Leitungsband nun bei wesentlich höherer Energie als das Valenzband. Dazwischen liegt ein Bereich, in dem es keine besetzbaren Energieniveaus gibt – die sogenannte Bandlücke.  Die Elektronen solcher Stoffe besetzen allesamt Energieniveaus im Valenzband und haben unter normalen Umständen keine Möglichkeit, die Bandlücke zu überwinden und ins Leitungsband zu gelangen: Diamant und andere Nichtmetallverbindungen leiten keinen Strom – sie sind Nichtleiter.

In Metallen hingegen, die aus besonders dicht gepackten Atomen bestehen, sind die Energien von Valenz- und Leitungsband sich so ähnlich, dass sich die beiden Bänder mindestens teilweise überlappen, d.h. es gibt keine Bandlücke. So haben Elektronen im Valenzband gleichsam die Möglichkeit, sich entlang des Leitungsbandes durch das Metall zu bewegen: Metalle sind elektrische Leiter. Wenn man an ein Metall also eine Spannung – sprich einen Elektronenüberschuss an einem und einen Elektronenmangel am anderen Ende – anlegt, werden die beweglichen Elektronen ähnlich Wassermassen im Flussbett durch das Leitungsband geschoben.

Wie aus Licht Strom entstehen kann

Um jedoch aus Licht elektrischen Strom zu erzeugen, braucht man einen Stoff, dessen Bandlücke so schmal ist, dass Elektronen aus dem Valenzband sie durch Aufnahme von Lichtquanten (Photonen), überwinden und ins Leitungsband gelangen können. Solch ein Stoff wird Halbleiter genannt: Er leitet nur bei ausreichender Energiezufuhr Strom.

Halbleiter : Bändermodell

Darstellung der Elektronenhülle eines Halbleiters im Bändermodell: Durch Anregung, beispielsweise mittels Lichtenergie, können Elektronen (-) vom Valenz- ins Leitungsband wechseln. Die zurückbleibenden unbesetzten Stellen (Defektelektronen oder „Löcher“) können sich im Valenzband ebenso bewegen wie die Elektronen im Leitungsband. (nach: Energy Band Model (DE) by Cepheiden (Own work) [GFDL or CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons)

Wenn ein solcher Halbleiter erst einmal ins Leiten kommt, gelangen nicht nur Elektronen ins Leitungsband und werden dort beweglich, sondern auch die unbesetzt zurückbleibenden Energieniveaus im Valenzband ziehen die Elektronen der Nachbaratome gehörig an. Sobald ein Elektron dieser Anziehung nachgibt, hinterlässt es seinerseits ein anziehendes, unbesetztes Niveau ein Atom weiter. So können sich unbesetzte Niveaus, kurz „Löcher“, ebenso durch das Valenzband bewegen, wie die angeregten Elektronen durch das Leitungsband.

Der Trick, welcher die Stromerzeugung in Halbleitern ermöglicht, besteht darin, in das Netz der Halbleiteratome Fremdatome eines anderen Elements einzuschmuggeln, die etwas andere Energieniveaus als ihre Umgebung haben.  Solche „fremden“ Energieniveaus können innerhalb der Bandlücke des Halbleiters liegen und somit „Trittstufen“ für anzuregende Elektronen bilden. Das Einschmuggeln von Fremdatomen in Halbleiter nennt man Dotierung (englisch „doping“).

Liegen solche besetzten Energieniveaus im oberen Bereich der Bandlücke, also nahe dem Leitungsband, können die Elektronen daraus leicht ins Leitungsband übergehen – während das in der Bandlücke verbleibende Loch mangels Nachbarn unbeweglich bleibt. Da auf diese Weise mehr negativ geladene Elektronen als Löcher beweglich werden, spricht man von einer n-Dotierung.

Liegen unbesetzte fremde Energieniveaus hingegen im unteren Bereich der Bandlücke, nahe dem Valenzband, können Elektronen aus dem Valenzband leicht auf diese Niveaus angeregt werden, bleiben darin jedoch unbeweglich. Anders verhält es sich mit den so entstehenden Löchern, die gemeinsam mit allen „gewöhnlichen“ Löchern durch das Valenzband wandern können. Da ein Loch einer positiven Ladung entspricht, spricht man hier von einer p-Dotierung.

Halbleiter: n-Dotierung vs. p-Dotierung

Dotierung von Halbleitern: Durch das Einbringen von Fremdatomen in sonst gleichförmiges Halbleitermaterial entstehen zusätzliche Energieniveaus, die innerhalb der Bandlücke des ursprünglichen Halbleiters liegen. Ladungen, die darin zu liegen kommen, sind unbeweglich und können sich zu grossflächigen elektrischen Polen (–> Raumladungszone) aufsummieren. (nach: Energy Band Model (DE) by Cepheiden (Own work) [GFDL or CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons)

Legt man nun einen n-dotierten Halbleiter direkt auf einen p-dotierten Halbleiter, können die überschüssigen Elektronen aus dem n-Halbleiter ungehindert in den p-Halbleiter einwandern und dort Löcher füllen, ebenso wie überschüssige Löcher aus dem p-Halbleiter in den n-Halbleiter gelangen und gefüllt werden können. Die unbeweglichen Löcher und Elektronen innerhalb der Bandlücke, auch „Raumladungen“ genannt, bleiben jedoch wo sie sind. So entsteht auf der n-Seite alsbald ein Überschuss an unbeweglichen Löchern, also ein positiv geladener Bereich, während auf der p-Seite ein Überschuss an Elektronen entsteht, also ein negativ geladener Bereich – kurz gesagt: ein elektrischer Pluspol und ein elektrischer Minuspol wie in einer Batterie!

Alle weiteren beweglichen Ladungen, die innerhalb des Wirkungsbereichs dieser Pole – der Raumladungszone – entstehen oder durch Diffusion in diese hinein geraten, werden von den Polen angezogen und voneinander getrennt: Elektronen wandern in Richtung des Pluspols auf die n-Seite, Löcher in Richtung des Minuspols auf die p-Seite. Sind die Halbleiter, die solch eine Raumleitungszone teilen, Teil eines Stromkreises, können die sortierten Ladungen entlang dieses Kreises fliessen und genutzt werden.

Kurzum: Sonnenlicht-Quanten, die auf einen zweilagigen dotierten Halbleiter fallen können Elektronen über bzw. in die Bandlücke des Halbleitermaterials befördern und somit bewegliche Elektronen bzw. Löcher erzeugen. Wenn dabei eine Raumladungszone zwischen unterschiedlich geladenen, unbeweglichen Polen entsteht, können darin Elektronen und Löcher voneinander getrennt und genutzt werden. Der sonnenbeschienene Halbleiter wird damit zu einer schier endlos funktionierenden Batterie.

Welche Stoffe können das: Woraus bestehen Solarzellen?

Es wird euch wahrscheinlich wenig überraschen, dass unter den chemischen Elementen die Halbmetalle – jene Stoffe, die Eigenschaften von Metallen und Nichtmetallen in sich vereinen – auch als Halbleiter taugen. Denn die Anordnung ihres Valenz- und Leitungsbandes liegt irgendwo zwischen den typischen Anordnungen für Metalle und Nichtmetalle.

Halbmetalle

Halbmetalle: Die hier orange, gelb bzw. gelbgrün dargestellten Elemente haben (in mindestens einer ihrer Erscheinungsformen) teils Metall-, teils Nichtmetall-Eigenschaften. Dementsprechend weisen sie kleine Bandlücken auf, was sie zu Halbleitern macht.

Die meisten dieser Halbmetalle sind auf und in der Erde allerdings ziemlich selten zu finden. Die grosse Ausnahme bildet allerdings das Silicium: Dieser chemische Verwandte des Kohlenstoffs ist das dritthäufigste Element des Planeten Erde (nur Eisen und Sauerstoff sind häufiger). Es gibt kaum ein Gestein oder Sandkorn, das nicht Quarz – Siliciumdioxid – enthält, und die Silikate machen die mit Abstand grösste Gruppe unter den Mineralien aus. Gar 26% der Materie unserer Erdkruste setzen sich aus Silicium zusammen.

Da wundert es nicht, dass 92% der heute produzierten und verwendeten Solarzellen aus Silicium bestehen, denn anders als bei Elementen wie Gallium, Selen oder Tellur, die ebenfalls als Solarzellen-Material taugen, müssen wir uns nicht sorgen, dass das Silicium uns eines Tages ausgehen könnte.

Aus Quarzsand wird zunächst geschmolzenes Silicium gewonnen, welchem sehr kleine Mengen Bor (zur p-Dotierung) bzw. Phosphor (zur n-Dotierung) beigegeben. Aus der fertig aufbereiteten Schmelzen können somit bereits dotierte Silicium-Kristalle „gezüchtet“ werden. Diese Kristalle können in dünne Scheiben, sogenannte Wafer, gesägt werden, sodass möglichst viel Oberfläche dem Sonnenlicht ausgesetzt werden kann.

Elementares Silizium : (noch) Rohstoff Nr.1 für die Photovoltaik

Elementares Silicium: oben links: Polykristallines Silicium am Stück, unten links: polykristalliner Silicium-Wafer (Solarzellen erhalten ihre typische blaue Färbung erst durch eine Deckschicht), rechts: Silicium-Einkristall, der in monokristalline Wafer zersägt werden kann. (oben links und rechts: by Stahlkocher[GFDL or CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons, unten links: by Armin Kübelbeck (own wafer scanned on a Canon Pixma MP 800) [GFDL oder CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

Ein funktionierendes Solarmodul enthält neben solchen Wafern eine zusätzliche Kontaktschicht zur Abnahme des erzeugten Stroms, welche bei heute betriebenen Solarzellen meist aus teurem weil seltenem Silber besteht. Kupfer und Aluminium erfüllen jedoch den gleichen Zweck, sodass es nun an den Herstellern ist, diese günstigeren Materialien zum Einsatz zu bringen.

Wie effektiv ist die Stromgewinnung mit Solarzellen?

Wenn eine Energieform in eine andere umgewandelt wird, so erklärt es die Energie höchstselbst in ihrem Brief an die Menschheit, wird aus einem Teil der ursprünglichen Energie praktisch immer Wärme, ob man das nun will oder nicht. Der prozentuale Anteil der Sonnenenergie, welcher nicht in Wärme, sondern in die angestrebte elektrische Energie umgewandelt werden kann, wird deshalb als Wirkungsgrad einer Solaranlage bezeichnet. Da ist selbstredend, dass Solarzellenhersteller einen möglichst hohen Wirkungsgrad für ihre Module anstreben.

Deswegen werden Solarzellen in verschiedenen Bauweisen entwickelt und hergestellt:

Wer sich die Mühe macht grosse Silicium-Einkristalle zu züchten und daraus Wafer zu schneiden, kann daraus monokristalline Zellen herstellen, die einen Wirkungsgrad von über 20% erreichen können. Das bedeutet, nur 20% der eingefangenen Sonnenenergie wird zu Strom, die übrigen 80% gehen als Wärme verloren.

Preiswerter sind polykristalline Zellen, die aus einem Verbund vieler Siliciumkristalle gesägt werden. Solche sind an ihrer an Eisblumen erinnernde Oberflächenstruktur gut zu erkennen. Sie erreichen jedoch nur einen Wirkungsgrad von 16-18,6%.

Darüber hinaus gibt es sogenannte Dünnschicht-Zellen, die durch Aufdampfen von Siliciumatomen auf eine Trägerfläche geschaffen werden. Solche Zellen finden vornehmlich in Kleinstgeräten, wie z.B. einem Solartaschenrechner, Verwendung. Denn solchen genügt ihr vergleichsweise geringer Wirkungsgrad von 5-7% bis 15% je nach Bauweise.

Eine Alternative zum Silicium stellen Module aus Cadmiumtellurid dar. Diese sind jedoch wegen ihres Gehalts an dem giftigen Schwermetall Cadmium umstritten und haben einen Wirkungsgrad von nur mehr 10%. Aus diesen Gründen werden solche Module in der Schweiz gar nicht erst eingesetzt.

Den wohl höchsten Wirkungsgrad haben aktuell aber wohl Galliumarsenid-Module mit bis zu 41,1%. Da ihre Hauptbestandteile Gallium und Arsen aber relativ selten vorkommen und letzteres zudem giftig ist, sind Module dieser Bauart nicht für den Alltagseinsatz geeignet. In der Raumfahrt hingegen, wo jedes Gramm an zu transportierendem Material Unsummen kostet, ist Galliumarsenid das Material der Wahl für die Solarmodule von Satelliten und Raumfahrzeugen.

Inwiefern belastet die Herstellung  von Solarmodulen die Umwelt?

Der Schmelzpunkt von Silicium liegt bei 1414°C, sodass zur Gewinnung von geschmolzenem Silicium Quarzsand mit Kohle im Lichtbogenofen auf Temperaturen darüber erhitzt werden muss. Um das so entstehende Rohsilicium zu reinigen, wird es bei 300°C mit Chlorwasserstoff (HCl) zu Trichlorsilan (auch bekannt als Silicochloroform oder TCS) (SiHCl3) umgesetzt.

Entstehung_TCS

Trichlorsilan wird schon ab 32°C gasförmig, sodass es sich leicht von den Chlorverbindungen von Verunreinigungen, die allesamt einen viel höheren Siedepunkt haben, trennen lässt. An glühenden Stäben aus reinstem Silicium kann aus dem Trichlorsilan das elementare Silicium wieder zurückgewonnen werden.

Abbau_TCS

Wer aus dem so entstehenden polykristallinen Silicium grosse Einkristalle für monokristalline Wafer gewinnen möchte, muss das Silicium noch einmal schmelzen um daraus die gewünschten Kristalle wachsen zu lassen.

Lohnt sich dieser Energieaufwand?

Die Herstellung von Silicium-Wafern verschlingt also eine ganze Menge Energie in Form von elektrischem Strom, mit welchem die verschiedenen Heizöfen und Maschinen betrieben werden. Da es sich empfiehlt für die Herstellung „umweltfreundlicher“ Solarzellen erneuerbare Energien zu verwenden, waren wasserkraftreiche Länder wie Norwegen und Brasilien lange Zeit führend in der Produktion von Rohsilicium, während heute China ganz vorne mit dabei ist.

Das Ergebnis ist jedoch die Mühe wert: Ein modernes Solarmodul braucht zwar circa zwei Jahre, um den für seine Herstellung verbrauchten Strom neu zu gewinnen, kann jedoch (von den Herstellern garantiert!) 20 bis 30 Jahre lang arbeiten. Damit können Solarmodule mindestens 10 mal mehr Strom erzeugen, als ihre Herstellung kostet!

Hinzu kommt, dass reines Silicium nicht nur für Solarmodule, sondern auch für Halbleiterbausteine in Computern gebraucht wird. Der ganze Aufwand lohnt sich also gleich doppelt. Und dazu muss dieses Silicium noch um ein Vielfaches reiner sein als das Solar-Silicium. Was also den hohen Ansprüchen der Chip-Hersteller nicht genügt, kann gut und gerne zur Herstellung von Solarzellen verwendet werden, ehe es auf dem Abfall landet.

Wie giftig ist die ganze Chemie dahinter?

Silicium selbst ist ein lebenswichtiges Spurenelement, das in fast allen Lebewesen einschliesslich des Menschen vorhanden ist. Sowohl elementares Silicium als auch Quarz, Kieselsäure und ihre Salze, die Silicate, sind somit fast völlig ungiftig.

Das bei der Gewinnung des Reinstsilicium zwischenzeitlich entstehende Trichlorsilan ist ebenfalls ungiftig, bezogen auf die Fähigkeit von Giften sich in Organismen oder der Umwelt anzureichern und Langzeitschäden zu verursachen. Dafür ist es äusserst hoch entzündlich und wirkt, ebenso wie Chlorwasserstoff, der mit Wasser Salzsäure bildet, stark ätzend. So müssen in Anlagen, die mit Trichlorsilan arbeiten, entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Sind diese gegeben, ist der Umgang mit diesen Stoffen weitgehend sicher. Vor allem aber entstehen dabei keinerlei giftige Abfälle, wie sie beispielweise die Crux der Kernkraft sind!

Beim Einbau der Silicium-Bauteile in Solarmodule kamen bis in die jüngste Vergangenheit Silber und kleinere Mengen Blei zum Einsatz. Diese beiden Schwermetalle können inzwischen jedoch durch preiswerteres und unproblematischeres Kupfer bzw. Aluminium ersetzt werden.

Die Glasscheiben, die schlussendlich die Solarzellen vor Umwelteinflüssen schützen sollen, dürfen nach Möglichkeit kein Licht über den sichtbaren Bereich hinaus absorbieren (in Wie du dank UV-Filtern deine Ferien geniessen kannst könnt ihr nachlesen, dass „normales“ Glas durchaus nicht alles Licht durchlässt), sodass möglichst alles Licht die eigentlichen Solarzellen erreichen kann. Deshalb enthalten manche Solarzellen-Gläser das Halbmetall Antimon (Formelzeichen Sb), welches dem Glas die gewünschte Durchlässigkeit verleiht, wegen seiner chemischen Verwandtschaft zum Arsen aber nicht ganz unumstritten ist. Aus dem Glas austreten kann das Antimon aber nicht so leicht. Anfassen ist also durchaus erlaubt und ungefährlich. Erst wenn Solar-Gläser auf Deponien herumliegen, kann mit der Zeit Antimon ins Grundwasser gelangen.

Was wir tun können: Recycling

Der genannten Schwermetalle wegen und weil sich Solar-Silicium durchaus wiederverwenden lässt, sind Rücknahme und Recycling von Solarmodulen in der europäischen Union mittlerweile gesetzlich vorgeschrieben. Demnach sind Hersteller von Solarmodulen verpflichtet, mindestens 85% ihrer Module zurückzunehmen und zu recyceln. Auch die Schweiz orientiert sich an der WEEE-Direktive der EU. Hier organisiert die Stiftung SENS als Partner des europäischen Verbandes PV Cycle die Rücknahme der Photovoltaik-Module.

Für uns heisst das: Defekte Solarzellen bzw. Photovoltaik-Module gehören, ähnlich wie Elektronik-Schrott, an die dafür vorgesehenen Sammelstellen zurückgebracht!

Wie das Recycling im Einzelnen funktioniert, könnt ihr auf SolarContact nachlesen.

Zu guter Letzt: Wie sehr dient die Nutzung der Sonnenkraft dem Klimaschutz?

Besonders verlockend ist an der Photovoltaik, wie schon Peter Lustig wusste, dass die Gewinnung von Strom aus Sonnenstrahlen, die auf eine Halbmetallplatte fallen, so vollkommen ohne Erzeugung von ungeliebten Abgasen vonstattengeht. Tatsächlich muss aber auch jener „Dreck“ mit eingerechnet werden, welcher bei der Herstellung der Solarmodule anfällt.

Zu diesem Zweck wird für die verschiedenen Kraftwerkstypen der Ausstoss von CO2-Äquivalenten berechnet, der einen direkten Vergleich zwischen verschiedenen Wegen der Energiegewinnung möglich macht.

Nach dieser Rechnung wurden früher – wohl zu Peter Lustigs Zeiten – für eine Kilowattstunde (kWh) Photovoltaik-Strom 97g des Treibhausgases CO2 freigesetzt. Mit den heutigen Modulen kommt man hingegen nur mehr auf 42g CO2 je kWh.

Im Vergleich dazu erzeugt ein Gaskraftwerk 452g CO2 pro kWh, während ein Braunkohlekraftwerk sage und schreibe 1347g CO2 pro kWh in die Luft schleudert! Ähnlich „sauber“ wie Photovoltaik-Strom sind damit allenfalls der Strom aus Wind- und Wasserkraft sowie der Atomstrom (welcher jedoch mit den bekannten Umweltrisiken behaftet ist).

Im Mittel werden für den in Europa erzeugten und genutzten Strom zur Zeit 552g CO2 pro kWh freigesetzt. Da ist also noch einiges an Verbesserung durch die vermehrte Nutzung von Sonnenkraft, aber auch jener von Wind und Wasser, vorhanden!

Diese Zahlen und viele weitere interessante Fakten rund um Solarmodule hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) zum Nachlesen zusammengetragen.

Hier heisst es bis zur nächsten Geschichte jedoch erstmal „Abschalten“ – oder eure Gedanken in einen Kommentar fassen, zum Beispiel zu:

Welche Rolle spielen Photovoltaik bzw. Solarzellen in eurem Alltag?

Chemie beim Zahnarzt

Hallo und auf ein Neues! Ich bin Zahn Einssechs („16“), Kathis erster grosser Backenzahn oben rechts (aus Sicht aller anderen oben links), und ich darf euch heute endlich mein Versprechen einlösen und meine Geschichte fertig erzählen. Die ist nämlich so lang, dass ich die erste Hälfte im Dezember 2015 bei Maike auf Miss Declare geschildert habe.

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